Karl or Karla goes to Cinema

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Moderator: jogiwan

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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

Am zweiten Tag kam ich nicht so recht in Festivallaune, und das Programm sprang mich auch nicht mit unverzichtbarem an, liegt wohl auch daran, dass ich in der wohl spannendsten Sichtungsgruppe war. Doch Abends wollte ich gerne einen Film sehen, der auch ncoh von Arkschi angesagt wurde, und bei dem der Regisseur zu Gast war.
20.3.25, 20 Uhr, Cinema Ostertor
Horror Story (2024)
OmenglU
R: Adrian Apanel, D: Jakub Zając, Konrad Eleryk, Michalina Olszańska; M: Tymon Tymanski

Nach seinem Abschluss in BWL zieht ein junger Mann in eine günstige Wohnung und begibt sich auf die Arbeitssuche. Das schräge Haus ist bewohnt mit ebensolchen Bewohnern, doch der wahre Horror ist die Bewerbersituation.
Schöne Komödie mit starken satirischen Inhalten. Besonders loben möchte ich das Ensemble: wirklich sehr gut besetzt, und natürlich auch gut geführt. Und die Figuren wirkten alle echt und wurden liebevoll gezeichnet. Jedenfalls die Hausbewohner. Bei den Vorstellungsgesprächen begeben wir uns eher ins Satirische und da sind die Anzugträger halt die unangenehmen, die allerdings auch in eine strange Situation gezwungen werden.
Das macht wirklich Spaß zu zu gucken. Insgesamt hätte ich mir das ganze (bei dem Titel) doch ein weniger an der Grenze, weirder gewünscht, vielleicht auch mit etwas unsicheren Böden. So bleibt alles im Rahmen einer zwar schönen, doch recht normalen Komödie.
Hervorzuheben ist noch die Musik: jazzige Soundtrackklänge.
Kurzes, aber informatives Interview nachher vom Arkschi mit dem Regisseur, danke dafür.

Dann flugs ins Bett, morgen sollte mehr passieren.

Denn da ging es erst Mal um 16 Uhr in ein Panel mit Fahrah Bouamar, einer jungen Berliner Filmemacherin, die, zusammen mit einer Freundin, mit einem spannenden Konzept eine kleine Produktionsfirma für Horrorfilme aufgemacht hat, und Jörg Buttgereit. Thema waren Genderstandpunkte im Horrorfilm. Moderiert von Jenni Zylka.
Das Thema wurde interessant aufgearbeitet, natürlich auch immer wieder abgeschwiffen, das Publikum gut mit eingebunden. Jenni Zylka beging ein paar filmhistorische Lapsi, was mich wunderte, kenne ich sie doch als gut informierte Journalistin. Nun gut.
Danach war ausgiebig Zeit, um in kleiner Runde eine große Pizza zu futtern und sich gemeinsam zu Weird Xperience beim Filmfest auf zumachen. Da zeigten wir:
21.3.25, 21 Uhr, Atlantis
The Eggregore's Theory (2024)
OmenglU
R: Andrea Gatopoulos, D: Andrea Gatopoulos, David Rumsey; M: Giorgio Labagnara
Ein Wort löst eine Epidemie aus, die Menschen versuchen sich zu schützen, eine Frau verläßt ihren Mann, um ihn nicht weh zu tun. Die Regierung verbietet Wörter und erfindet eine neue Sprache.
Viele verstörende Einzelbilder mit einem Voice Over. Experimenteller Kurzfilm, 15 Min. Und wirklich intensiv. Dockt nicht nur offensichtlich an die Covid-Zeit an, sondern auch an viele aktuelle politische Themen.
Empfehlung

Danach als Hauptfilm.
Invention (2024)
R: Courtney Stephens, D: Callie Hernandez, Sahm McGlynn, Lucy Kaminsky, Tony Torn; M: Sarah Davachi
Eine junge Frau erbt von ihrem Vater ein Häuschen und ein Patent. Sie macht sich auf die Suche nach Bekannten ihres Vaters, um auf die Hintergründe der Erfindung zu kommen.
Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin Callie Hernandez erzählt auch ein wenig die Story ihres eigenen Vaters und nutzt dazu Aufnahmen aus seinem Archiv: Dieser war tatsächlich mit Heilmaschinen und esoterischen Tipps unterwegs, im eigenen Verkaufskanal und im Frühstücksfernsehen. Aber es ist kein biographischer Film. Callie besucht verschiedene Personen, die mit ihrem Vater zu tun hatten. Oder hält sich in seinem Haus auf, das irgendwie merkwürdig aufgebaut ist. Vieles wirkt zufällig, die Bilder wie die Situationen leicht verschwommen.
Für mich war das die dritte Sichtung, und der Film gewinnt, die Story zieht ein immer mehr hinein.
Empfehlung.
Danach noch Manöverkritik mit konstruktiver Kritik von Anwesenden und den Gast durch die nächtliche Innenstadt zum Hotel gebracht.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

Dann sind wir ja schon beim Samstag angekommen. Da gab es für mich zu Beginn den Oscar-prämierten Animationsfilm
22.3.25, 15 Uhr, City46, großer Saal
Flow (2024)
R: Gints Zilbalodis; M: Rihards Zalupe
Eine Katze lebt in einer von Menschen verlassenen Welt. Eines Tages kommt schnell die Flut, sie rettet sich auf ein Boot, das sie sich aber bald mit einem Wasserschwein, einem Lemuren, einem Hund und einem Sekretär teilen muss.
Ein Film, der ohne menschliche Sprache auskommt, die Tiere machen ihre entsprechenden Geräusche. Das und auch das Verhalten der Tiere wirkt zu Beginn so, als ob man möglichst vermeiden wollte, die Tiere zu vermenschlichen, doch das wird nicht konsequent durchgehalten, sondern nach und nach nehmen sie immer mehr menschliche Eigenschaften an.
Die Animation ist sehr spannend: während die Hintergründe detailreich sind, die Bewegungen alle sehr fliessend und abwechslungsreich, sind die Hauptcharaktere, die Tiere ein wenig flächig und ohne einige Details, fast wie in einem älteren PC-Spiel. Das gibt einem interessanten Bruch.
Insgesamt ist mir das dann doch zu süßlich, gerade das Ende. Und der biblische Pathos ein wenig doll, aber wahrscheinlich sind da sehr viel Jüngere das Zielpublikum, und der Katze bin ich gern gefolgt und habe mit ihr mitgelitten. Insofern ok für mich.

Statt dann zu dem einen oder anderen Screening zu rennen, beschloss ich, zu Hause zu kaffeetisieren und auszuspannen. In einer anderen Stadt hätte ich wohl so einiges noch mitgenommen, aber ich wohne für das Bremer Filmfest einfach zu günstig. Zu den Kinos und allen anderen Orten ist es sehr nah. So wurden Hausarbeiten gemcht und gechillt, mit der Liebsten gekocht und gegessen, bis es wieder zum Kino ging:

21:30, City 46, kleiner Saal
Somnium (2024)
R: Racheal Cain, D: Chloë Levine, Will Peltz, Peter Vack; M: Peter Ricq
Eine junge Frau aus der Kleinstadt kommt nach LA, um Schauspielerin zu werden. Das klappt nicht gleich so recht und so nimmt sie einen Job in einer Schlafklinik an. Doch da passieren merkwürdige Dinge.
Der Film macht vieles richtig: Tolle Hauptdarstellerin, super look, insgesamt angelehnt an Neo Noir und sogar Neo Giallo, interessante Nebencharaktere, wie der ältere Mann, der sie auf der Strasse "entdeckt", dann aber eben ganz anders ist, wie sonst in den Klischees (Ihr merkt schon an der Handlung, die ja bereits als Klischee beginnt, das sich da viel an den Hollywoodklischees abgearbeitet wird), und sich zu einem Lynch-Charakter entwickelt,gute Musik. Auch der Horroranteil ist sparsam eingesetzt, aber erschrecklich. Doch gegen Ende hin wird leider das Buch ein wenig schwach, bzw. wäre es für mich schöner gewesen, sich mehr zu trauen.
Trotzdem gute Zeit im Kino.
Zeit für ein Abschlussbier mit Arkschi war zum Glück noch, so sparten wir uns die Filmfestparty und plauderten in die Nacht.

Dann kam schon der letzte Tag, um 10 war gemeinsames Frühstück mit Kaffee, Brötchen, Sekt vor der Preisverleihung um 11 angekündigt. Doch irgendwie klappte es mit dem Catering nicht, so gab es nur Kaffe und Donuts. Für mich soweit ok, da ich eh nicht so lange aufs Frühstück warten könnte. Und wichtiger war das Treffen mit anderen Leuten aus der Filmfestcrew und Filmemachern. Angenehm.
Dann gab es die Preisverleihungen, ich glaube 15 gab es. Schöne Überraschung: Der von uns präsentierte Invention gewann in der Kategorie: Beste narrative Innovation. Da gewinnt man ja ein bißchen mit.
Dann kam doch noch Catering, es wurde unterbrochen, was für mich hieß, wenn ich doch noch ein paar Filme sehen will, dann müssen wir uns um 13 Uhr raus schleichen, was gelang. So landeten wir
23.3.25, 13:30 Uhr, Schauburg, großes Haus
The Spin (2024)
OmenglU
R: Michael Head, D: Owen Colgan, Brennock O'Connor, Tara Lynn O'Neill, Leah O'Rourke, Kimberly Wyatt, Maura Higgins, Barry Devlin; M: Mark McCausland

In Irland spielende Komödie. Oder ein Bromance Roadmovie. Zwei Plattenladenbesitzer, die schenll Geld brauchen und von einer Plattensammlung, die 10tausende Wert ist lesen, die sie für 30 Pfund haben können. Der eine hat Probleme mit Ex Frau und Familie, der andere wäre gerne professioneller Singer Songwriter.
Herzerwärmend, die beiden sind unterwegs, naiv, entscheiden sich immer wieder falsch, und doch landen sie irgendwie auf den Füßen. Klar, nichts neues, aber hier stimmt die Chemie zwischen den beiden Darstellern und man wünscht ihnen nur Gutes. Schöne Zeit.
Die Musik stamm vom Drehbuchautoren Mark McCausland, schöner Singer Songwriter – Kram, manchmal mit der Unterstützung des von mir geschätzten Howe Gelb.
Zum Interview war noch ein executive producer da, der hübsche Anekdoten erzählte. Unter anderen sind McCausland, tatsächlich ehemaliger Plattenladenbesitzer viele Sachen selbst passiert: Das ständig Leute reinkamen und dachten, sein Laden wäre ein Tierarzt oder ein Elektro-Reparierladen.

Dann das schöne Wetter genießen, um um 18 Uhr zum Come Together ins Institute francaise, alles in Laufweite. Wieder nette Menschen getroffen, die Institutsleiterin gab mir noch eine Privatführung durchs Haus (inklusive eigenem Kino), bis ich dann los mußte, um mit Arkschi das zweite Screening von THE EGGREGORE'S THEORY und INVENTION zu machen. Schnell ging es nach der Einführung zum Hauptfilm, die uns viel runder gelang, zum Gewinnerfilm Komödie.

21 Uhr, Schauburg, kleines Haus
Another German Tank Story (2024)
OmenglU
R: Jannis Alexander Kiefer, D: Meike Droste, Monika Lennartz, Roland Bonjour, Johannes Scheidweiler, Alexander Klaus-Maria Schuster; M: Fabian Zeidler
Melancholische Komödie mit tragischem Anteil. Eine amerikanische Filmcrew kommt in das Dorf Wiesenwalde, und viele denken, dass jetzt was abgehen muss. Auch die junge Bürgermeisterin freut sich, bis sie tagelang auf einen Panzer aufpassen muss.
Schöne Komödie, prominent besetzt mit Meike Droste und Gisa Flake. Und wirklich feinen Production Values für einen Abschlussfilm.
Man folgt verschachtelt den verschiedenen Stories der einzelnen Bewohner, besonders gerührt hat mich Rosis Geschichte, eine alte Frau, die es eigentlich nur noch ordentlich zu Ende bringen will. Da hätte ich noch länger zugucken können, weil auch hier die Charaktere ernst genommen und liebevoll gezeichnet werden.
Danach wurde noch mit Blick auf's Viertel noch das Wochenende mit Arkschi Revue passieren lassen.
Inzwischen ein schönes Festival. Klar, wenn man damit zu tun hat, freut man sich über Treffen mit Leuten, die man im Umfeld kennengelernt hat. Aber die Stimmung war überall gut und unaufgeregt.
Pannen gibt es immer, nicht schlimm, und ich persönlich würde mir mehr Langfilme und ein strukturierteres Programm wünschen.
Bei den Filmen thematisch war oft der Tod anwesend. Egal ob Komödie, Thriller oder Dokumentation. Vielleicht eine Covid-Nachwirkung.
Auf jeden Fall freue ich mich auf das nächste Mal, Termin steht schon.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Beitrag von karlAbundzu »

10.4.25, 20 Uhr, City 46, großer Saal
Hundreds of beavers (2022)
OmU
R: Mike Cheslik, D: Ryland Tews, Olivia Graves, Wes Tank, Doug Mancheski, Luis Rico; M: Chris Ryan
Ein Apfelbrenner verliert durch Biber, Alkohol, Feuer und Winter seine Lebensgrundlage und wird Trapper.
Das es das noch mal gibt. Im Grunde ein Slapstick Film, mit all den Sachen wie aus frühen Filmtagen: Körperhumor, tragischer Held, alberner Humor aber mit Herz, over acting. Also hinfallen, Kneipenschlägerei, mit offenen Augen ins Unglück laufen. Alles in schwarz weiß und ohne wirkliche Dialoge, bzw welche, die aus Geräuschen besteht.
Das wird gemixt mit sehr viel looney tunes oder eher Roadrunner Story: der Trapper will vor allem Fallen bauen, um Hasen, Fische und vor allem Biber zu fangen.
Das dreht sich dann in eine Videospiellogik, mit Worldmap, Itemshop und Jump’n’Run-Passagen. Und immer durch die selben Minispiele, experience sammeln und aufleveln. Am Ende wird das jump n run auch noch in eine Art Bond Bösewicht Setting verlegt. Und wie die einzelnen Ideen der Fallen zusammen gefügt werden, toll. In einem game wäre ich daran gescheitert.
Das ist wirklich herrlich. Und erstaunlich, wie dee Film das über 108 Minuten durchzieht, ohne langweilig zu werden. Die Gags und Situationen wiederholen sich ja schon oft, doch gibt auch es immer neue Details und Zusammenhänge oder das Tempo wird angezogen. Pausen gibt es lediglich beim itemshop, das ist dann wieder 20er Slapstick pur, vor allem die Figur des Merchants.
Absolute Empfehlung.
Und ich habe noch gar nicht von der realistischen Tierdarstellung und dem Plakat mit MAD -Hommage geschrieben.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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13.4.25, 20:00, Cinema Ostertor
Weird Xperience präsentiert
Possession (1981)
OmU
R: Andrzej Zulawski, D: Isabelle Adjani, Sam Neill, Margit Carstensen, Heinz Bennent, Johanna Hofer, Carl Duering, Shaun Lawton, Michael Hogben, Maximilian Rüthlein, Thomas Frey, Leslie Malton, Gerd Neubert, Kerstin Wohlfahrt, Ilse Bahrs, Karin Mumm; M: Andrzej Korzynski
Beziehungsprobleme Anfang 80er, West-Berlin. Ein Mann kommt nach längerer berufsbedingter Abwesenheit zurück zur Familie und findet sich in einem komplizierten Beziehungsgeflecht wieder.
Wiedersehen nach langer Zeit auf großer Leinwand in 4k. Erfreulicherweise vor richtig großem Publikum.
Isabel Adjani und Sam Neill liefern ab, zwischen Paranoia, Ruhe, Wahnsinn und mystischer Verzückung/Verzerrung. Dazu der ganze deutsche Cast. Heinz Bennent hätte ich gerne mal auf der Bühne gesehen mit seiner sehr körperlichen Spielweise.
Toller Soundtrack auch.
Und diesmal fiel mir die starke eigene Kamera auf. Sehr eigener Rhythmus, beweglich, still, nah und halbweit.
Und natürlich Berlin, war ja gerade da, auch an Drehorten. Manches stark verändert, einiges noch genau so.
Klasse für sich.
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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29.4.2025, 20:05, Cinemaxx Bremen
Blood & Sinners (2025)
R: Ryan Coogler, D: Michael B. Jordan, Hailee Steinfeld, Miles Caton, Jack O’Connell, Wunmi Mosaku, Jayme Lawson, Omar Benson Miller, Li Jun Li, Delroy Lindo, David Maldonado; M: Ludwig Göransson
Nach dem Lesen eines Artikels über Black Horror in der letzten edp von Seeßlen war ich gespannt. Michael B Jordan als zwei Gangster im Delta 1932.
Es beginnt mit einer Szene, die ein beinahe auf die falsche Fährte führt. Blues als Einstieg des Bösen, vergleiche Robert Johnson und Crossroads. Dann wird es wie ein Film über die Spuren dieser Musik: am Beispiel des jungen Musikers Sammie sehen wir die Einflüsse (Rassismuserfahrung des PoC, Kirche, Baumwollpflücken, Reisen, Gewalterfahrung in der Familie, Alkoholismus, Sex) und die Vorgänger, hier in der Person des Delta Slim und der angeblichen Gitarre des Charley Patton. Aber es gibt auch immer schon bedrohliche Untertöne, und das nicht nur in der Erfahrung des alltäglichen Rassismus oder das erste Auftauchen des Monsters. Auch bei der wilden ausgedehnten Eröffnung, die eigentlich das Leben feiert sind nicht nur zwischenmenschliche und monetäre Probleme im Raum.
Filmisch ist das stark gelöst: die Erzählweise mit leichten Erinnerungen, Rückblenden füllen Lücken, wunderbare Kamera und Ausstattung. Die Sägemühle mit ihrer angedeuteten blutigen Geschichte.
Und wie die Musik eingesetzt wird. Die Im-Film – Musik ist toll: Nicht nur der Blues (die Liebe zu dem merkt man durchweg) der Hauptdarsteller, sondern auch die Hillbilly und irische Musik der Monster. Wow. Hier nur eine kleine Kritik: Wenn der Score ins bluesige geht, merkt man dann doch allzu sehr den modernen Blues, und der ist hier wie oft viel zu clean, vermisst jegliche Ecken und Dreck. Dass auch das anders geht zeigt die „zeitlose“ Szene, in der viel Musik gemischt wird.
Schade fand ich, dass die Natives als Monsterjäger nicht weiter vorkommen. Schön eingeführt, die Angst der Siedler ins absurde gedreht und dann tauchen sie leider nicht mehr auf. Wirkt ein bisschen so, als wollte Coogler das Thema auch unbedingt drin haben, aber die gute Eingangsidee wird leider nicht ausgeführt.
Wie bei Cooglers Black Panther Filmen wird das Thema Rassismus hier nicht mit allzu großer Tiefe und differenziert analytisch angegangen, hier herrscht Eindeutigkeit und auch mal Holzhammer. Das ist aber in seiner Konsequenz und in der Idee des Filmes passend. Denn im Grunde entwerfen die Monster ja auch eine Alternative, die jetzt trotz allem eine bedenkenswert ist, und die Nazis bekommen ihr Fett weg.
Auch die Darsteller*innen großartig: Jordan spielt die Zwillinge klasse unterschiedlich, Wunmi Musako als Kräuter- und Esoterikexpertin, und Sammie in der Rolle des Betrachters, des Lernenden und dessen Perspektive wir oft einnehmen – der eigentliche Hauptdarsteller.
Dazu noch gute Im-Abspann- und Nach-Abspann-Szene. Unbedingt Sitzenbleiben.
Im Netz gibt es ja viele Vergleiche, auf irgendeine Weise finde ich früher Carpenter, NotlD, Coen-Brüder passend.
Empfehlung.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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4.5.25, 11:00, City 46
Die Reise zum Mond (1902)
16mm
R: Georges Méliès, D: Georges Méliès, Bleuette Bernon, Henri Delannoy, Victor André, Depierre, Brunnet, Farjaux, Kelm, Jeanne d’Alcy, François Lallement, Jules-Eugène Legris; M: ?

Der wilde Planet (1973)
16mm
R: René Lalaux, M: Alain Goraguer

Matinee im Kommunalkino. Alle drei Monate wird analoges aus dem eigenen Archiv vorgeführt, mit Frühstück und Einführung, eingeladen sind Mitglieder und Freunde.

Überraschenderweise gab es einen Vorfilm: die Organisatoren stellten bei Überprüfung der Kopie fest, daß der Méliès Klassiker davor angeklebt war. Passend, so konnte man Erwartungen vom All mit 70 Jahre Unterschied vergleichen.
Ich mag die Reise zum Mond: schön gemacht, schöne Ideen drin. Die Kopie war leider ziemlich unscharf und mit recht schlimmen Geklimper unterlegt, aber sei's drum.

Der wilde Planet wartet bei mir ewig auf ein Wiedersehen. Zuerst verstörend im ZDF, dann als Party Event in den 90ern.
Endlich eine Kinosichtung. Und wieder anders: eine sozialphilosophische Fabel. Über den Menschen, wenn er anderen Wesen unterlegen ist. Die sich aber auch sehr menschlich verhalten.
Dazu viel psychedelische Ideen. Und eine Flora und Fauna, wie aus den Comics für Erwachsene der Zeit aus Frankreich.
Ruhig erzählt, auch mal brutal, aber eher zum versinken. Was im Kino gut geht.
Nun in relativ kurzer Zeit zwei Laloux im Kino gesehen, seine Magie erlebt, vielleicht kommt ja noch mal irgendwo irgendwann Herrscher der Zeit.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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11.5.25, 20 Uhr, Cinema Ostertor
Weird Xperience präsentiert:
Schirkoa- In Lies we trust (2024)
OmU
R: Ishan Shukla, D, bzw. Stimmen: Golshifteh Farahani, Asia Argento, SoKo, King Khan, Denzil Smith, John Sutton, Tibu Fortes, Shahbaz Sarwar, Gaspar Noe; M: Sneha Khanwalkar

Dystopie, in der Stadt Schirkoa tragen alle auf geheiß des Gottes Lord O eine Papierüte über den Kopf mit ihrer Nummernbezeichnung. Wir folgen dem Weg eines kleinen Regierungsbeamten zwischen Lügen, Zweifel, Freiheitsdrang und Rebellion.
Insgesamt ist das Dystopie light, gar nicht soweit weg von hier, also kein Blade Runner oder 1984 (obwohl es Anleihen gibt). Vielleicht auch eher eine Versuchsanordnung: verschiedene Figuren werden in diese Welt geworfen und dann wird es durchgespielt: Wie verhalten sie sich, wie reagieren sie, wie ändern sie sich. Dabei werden sowohl soziale und politische Fragen, Individualität vs Gemeinschaft, Ausgrenzung, Krieg, Angst vor Fremden, Obrigkeitshörigkeit als auch später philosophische, religiöse Themen behandelt.
Auch wenn Versuchsanordnung kalt klingt, schafft Shukla es, und auch trotz einer etwas kühlen Videospielästhetik (der ganze Film ist mit der Unreal Engine animiert worden), daß mir die Charaktere nah waren. Denn nebn dem genannten Hauptcharakter wird jeder größeren Nebenfigur etwas eigenes und Platz gegeben.
In der Mitte gibt es einen starken auch (sinnvollen) ästhetischen Wechsel, wenn wir den Schauplatz von Schirkoa nach Kanthaqa wechseln, eine eher libertäre Gemeinschaft mit ihren eigenen Problemen im Hedonismus. Da ging mir die Charakterentwicklung ein wenig sprunghaft schnell, ebenso wie gen Ende, aber das bleibt der einzige Makel und der Film geht ja schon über 100 Minuten, was bei diesem speziellen Look mutig ist.
Aufmerksamkeit erregt er ja durch die bekannten Stimmen wie Asia Argento, King Khan, Gaspar Noe. Die machen das alle gut, haben zum Teil auch an ihren Figuren, Texten mitgewirkt, aber das hätten andere auch geschafft. Insofern guter Coup, der den Film weder verbessert noch verschlechtert, aber den einen oder anderen Zuschauer ranholt.
Also viel drin: Ideen, Humor, (ganz wenig) Action, fantasiereiche Bilder und Bauten, und noch was fürs Hirn.
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karlAbundzu
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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14.05.25, 15:30, City 46, kleiner Saal
The Last Showgirl
OmU
R: Gia Coppola, D: Pamela Anderson, Kiernan Shipka, Jamie Lee Curtis, Dave Bautista, Billie Lourd, Brenda Song; M: Andrew Wyatt

Showtänzerin Shelly tanzt seit Jahrzehnten für die selbe Las Vegas Show, früher der Star, jetzt in Reihe zwei. Nun wird sie abgesetzt und ihre Welt ändert sich...
Pamela Anderson naheliegend besetzt und ist toll: wie differenziert sie hier spielt, eine Frau, die um Selbstbestimmung kämpft, sich verunsichern lässt, sich zwar nicht immer richtig äußern kann, aber nach richtiger Kommunikation, Freundschaft und Liebe sucht. Und was ein Cast um sie herum: Jamie Lee Curtis als beste Freundin, wirkt abgeklärt, hat aber ihre eigenen Dämonen, auch ein altes Zirkuspferd, und bekommt eine starke Tanznummer. Dave Bautista, der vermutlich das richtige machen will, aber nicht aus den Bahnen des Systems kommt, nicht über die eigene Beschränktheit heraus wachsen kann, auch wenn er ahnt, das es nötig wäre. Dazu drei junge Schauspielrinnen, sehr unterschiedlich in ihrem Wesen, aber wichtiger Teil des kleinen Universums.
Ein Film über Selbstermächtigung, eine der stärksten Szenen ist, wo ihr klar wird, das sie sich nicht mehr rechtfertigen will, auch wenn sie Selbstzweifel hat. Über Solidarität der Frauen, die zwar auch zerbrechlich im Kapitalismus ist, aber für ein gutes Leben alternativlos.
Coppola bleibt sehr nah an den Figuren, filmt mal sehr ruhig, doch wenn nötig, auch schnell und hektisch. Klar, Shelly steht im Mittelpunkt, es ist ihre Geschichte, doch alle anderen bekommen ausreichend Platz um nicht nur Klischee oder Stichwortgeberinnen zu sein.
Dazu ein Las Vegas Porträt, wie es sich verändert, nur ein klein bisschen nostalgisch, eigentlich nur in den Augen Shellys, wenig Glamour, eher Balkon und fade Sensationen.
Genau da steigt auch die Musik ein, schafft Vegasfeeling, baut gut alte Songs ein (eigentlich halte ich das wunderbare Total Eclipse über benutzt, aber hier dann doch wieder spitze. Und genauso stark Shadows of the Night von Pat Benatar)
Rundum gut, von mir eine Empfehlung.
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Re: Karl or Karla goes to Cinema

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17.05.25, 11 Uhr, 2,5 h entfernt
Woodoo – Blutrausch des Dschungels (1957)
35mm
R: Walter Grauman, D: Paul Burke, Allison Hayes, John Wengraf, Joel Marston ; M: Marlin Skiles

Ein älterer Arzt wohnt mit seiner jungen, hübschen Frau irgendwo im tiefen Dschungel. Sie interessiert sich für die heimischen Woodoo-Bräuche und Männer. Eines Tages kommen ein paar von einem Filmteam mit einem von einem Löwen verletzten Kollegen vorbei.
Ein Grusler aus den 50ern, der deutsche Titel übertreibt maßlos. Ein seltsamer Film, denn die Schauwerte sind hauptsächlich die heimischen Riten, bei der die weiße Frau anscheinend zu einer Meisterin geworden ist. Sie will ihren Mann los werden, dazu tanzt sie, piekt Puppen und gewinnt hypnotischen Einfluss auf Personen. Gespielt wird sie von Allison Hayes (ein Jahr später die 50 Meter Frau), und das toll, sie ist fies, blickt gemein und hat alle in der Hand. Sie hat ja auch etwas leicht schräges.
Der Dschungel ist in einem sehr kleinen Studio eingerichtet, da sind direkt vor der Veranda des Anwesens des Arztes ein paar Hütten der Eingeborenen. Dazu stehen ein paar Bäume herum, die nicht nach Dschungel aussehen. Und um die Ecke, versteckt hinter ein paar Büschen der Kultplatz, sehr klein. Umso verwunderlicher, dass der deutsche Verleih auf die Idee kam, um den Film auf über 70 Minuten zu bringen, Szenen aus Ethno-Filmen reinzuschneiden. Recht exploitatives Zeug von Stammesriten aus verschiedenen Gegenden Afrikas. Mit richtig großen Menschenauflauf, Tanz und Trommelszenen. Die zu nichts passen, weder untereinander noch irgendwie zum eigentlichen Film. Die ganzen Leute hätten ja niemals auf den Platz gekonnt. Und der Look ist auch ganz anders, auch das Filmmaterial hat eine vollkommen andere Qualität. Im Film sehen die Menschen eher karibisch oder hawaiianisch gewandet aus. Es soll aber ja in Afrika spielen, schließlich ist die klassische Ursache bei einem Toten der Löwenangriff. Die zwar gern auf Bäumen abhängen, aber nicht so gern im tiefen Dschungel. Nun gut, seine Freude kann man trotzdem an dem Archiv- und dem fiktionalen Bildern haben.
Mir war er insgesamt ein wenig zu talkie, und das, wo eigentlich kaum etwas erklärt oder vergangenes erzählt wird. Warum die beiden im Dschungel hausen z. B.. Und der Woodoo zu wenig unheimlich. Der zeittypische Rassismus stößt natürlich auch auf. Doch auf der Habenseite ist noch die Vor-und Abspannmusik, schöne Jungle Exotika wie aus einem Stripclub der Zeit.
Aber doch mal gut, so was auf großer Leinwand auf 35mm zu sehen.

Danach, selber Ort, circa 13 Uhr
Angel Heart (1987)
35mm
R: Alan Parker, D: Mickey Rourke, Robert De Niro, Lisa Bonet, Charlotte Rampling, Stocker Fontelieu, Brownie McGhee, Michael Higgins, Elizabeth Whitcraft, Eliott Keener, Charles Gordone, Dann Florek, Kathleen Wilhoite ; M: Trevor Jones

Nochmal Voodoo, 30 Jahre später, USA. Und hier stimmt alles: Mickey Rourke auf seinem Höhepunkt mit punktgenauer Leistung, sowohl der unsichere kleine Schnüffler wie der sadistische Ermittler, umgeben von einem gutem Cast. Alan Parker malt uns direkt in die Hölle der Nachkrieszeit, und schafft eine Stimmung sowohl in NY als auch in New Orleans und den Bayous, die absolut passt, stimmig bleibt und voller bedrohlicher Untertöne. Dazu ein klasse Soundtrack von Jones, der sich zum Glück Courtney Pine dazu holte, und auch noch dem Bayou-Blues hofiert.
Bei einem Wiedersehen mit einem Liebling (!) der eigenen Jugend besteht ja immer eine gewisse Gefahr, und jetzt war es auch schon wieder mehr als 10 Jahre her, aber der ist und bleibt ein Meisterwerk und in meiner Topliste.
Apropos Wiedersehen: Kleinigkeiten fallen auf: Diesmal eine Ankkündigung eines Elvisaustritts in New Orleans.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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