Was vom Tage übrigblieb ...
Moderator: jogiwan
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Das Testament des Dr. Mabuse (Fritz Lang, 1933) 7/10
Der Ex-Polizist Hofmeister versucht verzweifelt, Kriminalkommissar Lohmann zu erreichen. Hofmeister ist einer Riesensache auf der Spur: Eine Serie von monströsen Verbrechen, ohne Rücksicht und ohne erkennbaren Sinn ausgeführt, und Hofmeister weiß wer dahintersteckt. Er kennt einen Namen. Doch Hofmeisters Mitteilung wird Lohmann nie erreichen: Mit einem schweren psychischen Trauma wird in er in die Irrenanstalt von Dr. Baum eingeliefert, wo Lohmann nur noch ein lallendes und singendes Wrack antrifft. Doch die Verbrechen werden immer mehr, und Lohmann weiß bald nicht mehr weiter.
Da kommt ihm Tom Kent zu Hilfe. Kent ist ein arbeitsloser Ingenieur, ein Ex-Zuchthäusler, der sich der Verbrecherorganisation angeschlossen hat. Er ist bereit alles zu tun außer zu morden, und genau das soll hier aber seine Aufgabe sein: Denjenigen, die der Falschmünzerwerkstatt zu nahe kommen, das Lebenslicht auszublasen. Das passt ihm gar nicht, und die namenlose Stimme hinter dem Vorhang hat Kent auch schon einen scharfen Verweis erteilt: Noch ein weiteres Versagen, und die Abteilung IIa wird sich um ihn kümmern. Und genau zu diesem Zeitpunkt verliebt sich Kent auch noch in die junge Lilli. Der Mann im Hintergrund, der Namenslose, der Unheimliche setzt Kent und Lilli gefangen und versucht sie zu töten. Doch die beiden können knapp überleben und wenden sich an Lohmann. Endlich hat der eine Spur. Und alle Spuren führen zum Sanatorium von Professor Baum, wo bis zu seinem Tod vor ein paar Tagen ein ganz besonderer Mann inhaftiert war: Dr. Mabuse …
Es ist müßig sich zu fragen, wie die Menschen im Deutschland des Jahres 1933 DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE aufgenommen haben: Der Film wurde im März 1933 noch vor dem Kinostart verboten, und erst 1951 in einer stark verstümmelten Fassung aufgeführt. Aber in Österreich lief er tatsächlich im Mai 1933 an, und dann eben diese Premiere 1951 – Wie empfanden die Kinobesucher damals diesen Film?
Auf der einen Seite die ganz klaren Anspielungen auf den Nationalsozialismus – Die Herrschaft des Verbrechens, das Verbrechen um des Verbrechens willen, und natürlich der Gedanke, die Sinne der Menschen in den Wahnsinn zu treiben durch eine Reihe von immer grauenhafteren Verbrechen, die jeden Gedanken an Sicherheit und Ordnung rückhaltlos vernichten. Dann die Anspielungen auf Hitler: Der in der Festung Landsberg Mein Kampf schrieb, genauso wie Mabuse hier seine Anleitung zur Errichtung einer Schreckensherrschaft manisch zu Papier bringt. Und noch einmal Hitler, der sich wie Mabuse in die Seelen der Menschen fräst um Tod und Verderben zu säen.
Auf der anderen Seite dann diese Theatralik in den Dialogen und den Gesten. Diese außerordentliche Gewichtigkeit, dass jedes einzelne Wort betont und auf die Goldwaage gelegt wird, und außer dem rustikalen Otto Wernicke als Lohmann kaum ein Schauspieler seinen Text so spricht, wie ihn ein normaler Mensch sprechen würde. Dazu kommt, dass hier, genauso wie in DR. MABUSE, DER SPIELER kaum Außenaufnahmen gedreht wurden, selbst die Ermordung Kramms auf einer belebten Straße ist im Studio gedreht. Und da hatten die Zuschauer sowohl 1933 wie auch 1951, glaube ich, andere Vorstellungen von Kino.
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE ist ein großartiger Film und in seiner Rezeption des heranziehenden Dritten Reichs ein großes und drohendes Mahnmal vor dem Terror. Fritz Lang selber behauptete, dass „ganze Parolen und Glaubenssätze des heraufziehenden NS-Staates [..] den Verbrechern in den Mund gelegt“ worden seien (1).
Die Seele der Menschen muss in ihren tiefsten Tiefen verängstigt werden, durch unerforschliche, scheinbar sinnlose Verbrechen … Verbrechen, deren Zweck nicht einmal die erfassen, die sie ausüben … Verbrechen die niemandem Nutzen bringen – Die nur den einen Zweck haben, Angst und Schrecken zu verbreiten! … Denn der letzte Sinn des Verbrechens ist, eine unbeschränkte Herrschaft des Verbrechens aufzurichten. Einen Zustand vollkommener Unsicherheit und Anarchie, aufgebaut auf den zerstörten Idealen einer Welt, die zum Untergang verurteilt ist. Wenn die Menschen, vom Terror des Verbrechens beherrscht, vom Grauen und Entsetzen irre geworden sind, wenn das Chaos zum obersten Gesetz erhoben, dann ist die Stunde der Herrschaft des Verbrechens da.
Prophetische Worte, und den Satz „Einen Zustand vollkommener Unsicherheit und Anarchie, aufgebaut auf den zerstörten Idealen einer Welt, die zum Untergang verurteilt ist.“ muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen – Eine geradezu perfekte Umschreibung des Übergangs von der Weimarer Republik zum Dritten Reich. „Das aber schien mir doch das Merkmal des Verbrechens, dass es auf die Zerstörung der beherrschenden Ordnung gerichtet war, nicht darauf, sich in ihr mit unerlaubten Mitteln einzurichten.“ (2) Worte, die bei Ernst von Salomon ihre literarische Grundlage finden: „Durch die Gassen schlich der Mord. Gift, Dolch, Pistole und Bombe schienen die Werkzeuge einer aus dem Dunkel der deutschen Wirrnis emportauchenden Schar kaltherziger Verbrecher.“ (3), und die Stimmung in allen Mabuse-Filmen Langs wird durch dessen Rückschau auf die frühen 20er-Jahre mehr als treffend beschrieben, gleich ob der Film von 1921 oder von 1960 ist. Den Film des Jahres 1932 (ausgehend von den Dreharbeiten) betrifft dies in noch viel höherem Maße, dürften damit doch auch eindeutig diejenigen Vorgänge gemeint sein, die direkt zum Nationalsozialismus geführt haben, und der Eintrag in Goebbels Tagebuch „Film ‘Dr. Mabuse‘ von Fritz Lang gesehen. Praktische Anleitung zum Verbrechen. Wird verboten.“ ist vom nationalsozialistischen Gesichtspunkt somit durchaus nachzuvollziehen, sind doch die Parallelen zum eigenen Staatswesen gar zu auffällig. Spannend, dass die Drehbuchautorin Thea von Harbou dem Nationalsozialismus sehr nahe stand, und bereits Anfang 1933 die Vorsitzende des „offiziellen, gleichgeschalteten Verbandes deutscher Tonfilmautoren“ wurde (1). Ich könnte mir also ohne weiteres vorstellen, dass Fritz Lang während der Dreharbeiten Änderungen am Drehbuch und am Text vornahm, die Beziehung zwischen von Harbou und Lang war zu dieser Zeit ja bereits vorbei. Zwar hatten beide bereits außereheliche Verhältnisse, und die Ehe bestand zur Zeit der Dreharbeiten nur noch auf dem Papier, aber dieser Film mit seinem kritischen Inhalt könnte, und das ist wohlgemerkt eine rein persönliche Vermutung, durchaus der letzte Baustein der Scheidung im April 1933 gewesen sein …
Aber das ist schmutzige Wäsche, und wir waren eigentlich immer noch bei der Frage, wie das Publikum diesen Film wohl aufgenommen hat. Wenn ich mir die Filme der frühen 30er-Jahre anschaue, dann ist hier oftmals bereits ein sehr natürliches Spiel im Vordergrund. Die Theatralik des Stummfilms wurde relativ schnell überwunden, und beliebte Stars wie Willy Fritsch und Lilian Harvey oder im Tonfilm aufstrebende Schauspieler wie Hans Albers und Heinz Rühmann, wirkten in ihren Rollen wie die netten Menschen von nebenan, nicht wie Schauspieler die ihre Rolle mühsam herunterbeten. Und genau das ist es, was mich an DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE etwas stört: Wenn Lilli vor Kent ihre Liebe gesteht, dann tut sie das so gestelzt, als ob sie erst gestern den letzten Stummfilm abgedreht hat, und nicht weiß wie sie intonieren soll. Und das betrifft beileibe nicht nur die Darstellerin Wera Lissem, sondern alle Schauspieler (bis auf Otto Wernicke, und selbst der kann sich nicht ganz freimachen von dieser Pose): Die manierierten Dialoge, das Verhalten und die Gesten zerstören jeden Anflug von Realität. Absicht? Oder was mag Lang dazu bewogen haben, seinen Schauspielern den Duktus eines Schultheaters abzuverlangen? Heute, rund 90 Jahre nach der Entstehung dieses Films, ist die Handlung aktuell und packend, ja sie scheint sogar mit den oben kursiv gesetzten Worten die Postdemokratie in ihren letzten Zuckungen zu beschreiben. Der Film bringt alle Attribute eines spannenden Thrillers mit sich, doch die Darbietung wirkt so oft altbacken und rückständig, dass die Szenen zwischen den eindringlichen Momenten rund um Dr. Mabuse und Professor Baum manchmal fast zum Vorspulen reizen. Gar kein Vergleich mit dem lockeren Aufspielen eines bereits früher entstandenen Kassenschlagers wie DIE DREI VON DER TANKSTELLE oder, um idealerweise beim Genre zu bleiben, dem 1933 gedrehten Agententhriller EIN GEWISSR HERR GRAN mit Hans Albers. Eher wird die düstere Symbolik eines Film wie Richard Oswalds ALRAUNE getroffen – Selbst ein Profi wie Fritz Lang wusste offensichtlich nicht so recht, wie er Unheil und Drama darstellen soll ohne auf grotesk wirkende Darstellungsformen zu verfallen. Aber gut, vielleicht hat das damalige Publikum das anders gesehen. Es wäre interessant, von den Premieren 1933 in Budapest und Wien zeitgenössische Kritiken zu lesen. Denen ist bestimmt auch aufgefallen, dass die Ermordung Kramms direkten Bezug nimmt auf das Attentat auf Walter Rathenau im Sommer 1922 – Genauso wie Kramm wurde auch Rathenau, im Auto sitzend, aus einem vorbeifahrenden Wagen heraus getötet. Sicher kein Zufall, dass der heraufziehende Staatsterror mit diesem Mordanschlag in Verbindung gebracht wird. Auch könnte den Menschen 1933 noch in Erinnerung gewesen sein, dass die Sektion IIIb der militärische Nachrichtendienst des deutschen Kaiserreiches war, die Bezeichnung Abteilung IIb für das Mordbüro Mabuses also sicher nicht unabsichtlich gewählt wurde.
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE ist in erster Linie ein spannender und hochdramatischer Actionfilm, der Elemente des Psychothrillers und des Paranoiafilms Jahrzehnte vor deren offiziellen Erscheinen auf den Leinwänden der Welt vorwegnimmt. Bereits der Beginn, wenn Hofmeister in einer Druckerei hinter einer Kiste liegt, die Pistole im Anschlag, und die Bösen seinen Fuß sehen und ihm daraufhin eine Falle stellen, unterlegt vom rhythmischen Gestampfe einer unsichtbaren Maschine, ist Spannung pur, zerrt an den Nerven, und zieht den Zuschauer sofort in diese Welt der Angst und des Schreckens. Die verzweifelten Versuche von Kent und Lilli, aus dem Kerker Mabuses auszubrechen, Baums irrwitzige Flucht mit dem Automobil, die Schießerei zwischen den Juwelendieben und der Polizei (bei der ein blutjunger Rudolf Schündler sich aufführt wie ein manischer Klaus Kinski in seinen besten Zeiten), der Brand der Chemiefabrik, großartige Special Effects, und immer wieder der Geist von Dr. Mabuse, der sich den Verstand Professor Baums unterwirft und diesem als zombieartiges Ungetier erscheint. Szenen, die auch heute noch packen und auch den modernen Zuschauer mitreißen. Der zeitgeschichtliche Bezug packt noch mal eine ordentliche Schippe Dramatik dazu, und in Bezug auf Suspense und Thrill steht dieser Film den modernen Filmen aus der Blockbuster-Schmiede in Nichts nach. Doch, er hat ihnen sogar etwas voraus: DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE ist ein Polit-Thriller, der erschreckenderweise 90 Jahre nach seiner Entstehung nichts an Aktualität eingebüßt hat. Und da verblassen dann sogar die pathetischen Dialoge ...
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Testa ... use_(1933)
(2) Ernst von Salomon: Die Geächteten, Berlin 1930, S. 335
(3) Ernst von Salomon A. a. O., S. 220
Der Ex-Polizist Hofmeister versucht verzweifelt, Kriminalkommissar Lohmann zu erreichen. Hofmeister ist einer Riesensache auf der Spur: Eine Serie von monströsen Verbrechen, ohne Rücksicht und ohne erkennbaren Sinn ausgeführt, und Hofmeister weiß wer dahintersteckt. Er kennt einen Namen. Doch Hofmeisters Mitteilung wird Lohmann nie erreichen: Mit einem schweren psychischen Trauma wird in er in die Irrenanstalt von Dr. Baum eingeliefert, wo Lohmann nur noch ein lallendes und singendes Wrack antrifft. Doch die Verbrechen werden immer mehr, und Lohmann weiß bald nicht mehr weiter.
Da kommt ihm Tom Kent zu Hilfe. Kent ist ein arbeitsloser Ingenieur, ein Ex-Zuchthäusler, der sich der Verbrecherorganisation angeschlossen hat. Er ist bereit alles zu tun außer zu morden, und genau das soll hier aber seine Aufgabe sein: Denjenigen, die der Falschmünzerwerkstatt zu nahe kommen, das Lebenslicht auszublasen. Das passt ihm gar nicht, und die namenlose Stimme hinter dem Vorhang hat Kent auch schon einen scharfen Verweis erteilt: Noch ein weiteres Versagen, und die Abteilung IIa wird sich um ihn kümmern. Und genau zu diesem Zeitpunkt verliebt sich Kent auch noch in die junge Lilli. Der Mann im Hintergrund, der Namenslose, der Unheimliche setzt Kent und Lilli gefangen und versucht sie zu töten. Doch die beiden können knapp überleben und wenden sich an Lohmann. Endlich hat der eine Spur. Und alle Spuren führen zum Sanatorium von Professor Baum, wo bis zu seinem Tod vor ein paar Tagen ein ganz besonderer Mann inhaftiert war: Dr. Mabuse …
Es ist müßig sich zu fragen, wie die Menschen im Deutschland des Jahres 1933 DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE aufgenommen haben: Der Film wurde im März 1933 noch vor dem Kinostart verboten, und erst 1951 in einer stark verstümmelten Fassung aufgeführt. Aber in Österreich lief er tatsächlich im Mai 1933 an, und dann eben diese Premiere 1951 – Wie empfanden die Kinobesucher damals diesen Film?
Auf der einen Seite die ganz klaren Anspielungen auf den Nationalsozialismus – Die Herrschaft des Verbrechens, das Verbrechen um des Verbrechens willen, und natürlich der Gedanke, die Sinne der Menschen in den Wahnsinn zu treiben durch eine Reihe von immer grauenhafteren Verbrechen, die jeden Gedanken an Sicherheit und Ordnung rückhaltlos vernichten. Dann die Anspielungen auf Hitler: Der in der Festung Landsberg Mein Kampf schrieb, genauso wie Mabuse hier seine Anleitung zur Errichtung einer Schreckensherrschaft manisch zu Papier bringt. Und noch einmal Hitler, der sich wie Mabuse in die Seelen der Menschen fräst um Tod und Verderben zu säen.
Auf der anderen Seite dann diese Theatralik in den Dialogen und den Gesten. Diese außerordentliche Gewichtigkeit, dass jedes einzelne Wort betont und auf die Goldwaage gelegt wird, und außer dem rustikalen Otto Wernicke als Lohmann kaum ein Schauspieler seinen Text so spricht, wie ihn ein normaler Mensch sprechen würde. Dazu kommt, dass hier, genauso wie in DR. MABUSE, DER SPIELER kaum Außenaufnahmen gedreht wurden, selbst die Ermordung Kramms auf einer belebten Straße ist im Studio gedreht. Und da hatten die Zuschauer sowohl 1933 wie auch 1951, glaube ich, andere Vorstellungen von Kino.
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE ist ein großartiger Film und in seiner Rezeption des heranziehenden Dritten Reichs ein großes und drohendes Mahnmal vor dem Terror. Fritz Lang selber behauptete, dass „ganze Parolen und Glaubenssätze des heraufziehenden NS-Staates [..] den Verbrechern in den Mund gelegt“ worden seien (1).
Die Seele der Menschen muss in ihren tiefsten Tiefen verängstigt werden, durch unerforschliche, scheinbar sinnlose Verbrechen … Verbrechen, deren Zweck nicht einmal die erfassen, die sie ausüben … Verbrechen die niemandem Nutzen bringen – Die nur den einen Zweck haben, Angst und Schrecken zu verbreiten! … Denn der letzte Sinn des Verbrechens ist, eine unbeschränkte Herrschaft des Verbrechens aufzurichten. Einen Zustand vollkommener Unsicherheit und Anarchie, aufgebaut auf den zerstörten Idealen einer Welt, die zum Untergang verurteilt ist. Wenn die Menschen, vom Terror des Verbrechens beherrscht, vom Grauen und Entsetzen irre geworden sind, wenn das Chaos zum obersten Gesetz erhoben, dann ist die Stunde der Herrschaft des Verbrechens da.
Prophetische Worte, und den Satz „Einen Zustand vollkommener Unsicherheit und Anarchie, aufgebaut auf den zerstörten Idealen einer Welt, die zum Untergang verurteilt ist.“ muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen – Eine geradezu perfekte Umschreibung des Übergangs von der Weimarer Republik zum Dritten Reich. „Das aber schien mir doch das Merkmal des Verbrechens, dass es auf die Zerstörung der beherrschenden Ordnung gerichtet war, nicht darauf, sich in ihr mit unerlaubten Mitteln einzurichten.“ (2) Worte, die bei Ernst von Salomon ihre literarische Grundlage finden: „Durch die Gassen schlich der Mord. Gift, Dolch, Pistole und Bombe schienen die Werkzeuge einer aus dem Dunkel der deutschen Wirrnis emportauchenden Schar kaltherziger Verbrecher.“ (3), und die Stimmung in allen Mabuse-Filmen Langs wird durch dessen Rückschau auf die frühen 20er-Jahre mehr als treffend beschrieben, gleich ob der Film von 1921 oder von 1960 ist. Den Film des Jahres 1932 (ausgehend von den Dreharbeiten) betrifft dies in noch viel höherem Maße, dürften damit doch auch eindeutig diejenigen Vorgänge gemeint sein, die direkt zum Nationalsozialismus geführt haben, und der Eintrag in Goebbels Tagebuch „Film ‘Dr. Mabuse‘ von Fritz Lang gesehen. Praktische Anleitung zum Verbrechen. Wird verboten.“ ist vom nationalsozialistischen Gesichtspunkt somit durchaus nachzuvollziehen, sind doch die Parallelen zum eigenen Staatswesen gar zu auffällig. Spannend, dass die Drehbuchautorin Thea von Harbou dem Nationalsozialismus sehr nahe stand, und bereits Anfang 1933 die Vorsitzende des „offiziellen, gleichgeschalteten Verbandes deutscher Tonfilmautoren“ wurde (1). Ich könnte mir also ohne weiteres vorstellen, dass Fritz Lang während der Dreharbeiten Änderungen am Drehbuch und am Text vornahm, die Beziehung zwischen von Harbou und Lang war zu dieser Zeit ja bereits vorbei. Zwar hatten beide bereits außereheliche Verhältnisse, und die Ehe bestand zur Zeit der Dreharbeiten nur noch auf dem Papier, aber dieser Film mit seinem kritischen Inhalt könnte, und das ist wohlgemerkt eine rein persönliche Vermutung, durchaus der letzte Baustein der Scheidung im April 1933 gewesen sein …
Aber das ist schmutzige Wäsche, und wir waren eigentlich immer noch bei der Frage, wie das Publikum diesen Film wohl aufgenommen hat. Wenn ich mir die Filme der frühen 30er-Jahre anschaue, dann ist hier oftmals bereits ein sehr natürliches Spiel im Vordergrund. Die Theatralik des Stummfilms wurde relativ schnell überwunden, und beliebte Stars wie Willy Fritsch und Lilian Harvey oder im Tonfilm aufstrebende Schauspieler wie Hans Albers und Heinz Rühmann, wirkten in ihren Rollen wie die netten Menschen von nebenan, nicht wie Schauspieler die ihre Rolle mühsam herunterbeten. Und genau das ist es, was mich an DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE etwas stört: Wenn Lilli vor Kent ihre Liebe gesteht, dann tut sie das so gestelzt, als ob sie erst gestern den letzten Stummfilm abgedreht hat, und nicht weiß wie sie intonieren soll. Und das betrifft beileibe nicht nur die Darstellerin Wera Lissem, sondern alle Schauspieler (bis auf Otto Wernicke, und selbst der kann sich nicht ganz freimachen von dieser Pose): Die manierierten Dialoge, das Verhalten und die Gesten zerstören jeden Anflug von Realität. Absicht? Oder was mag Lang dazu bewogen haben, seinen Schauspielern den Duktus eines Schultheaters abzuverlangen? Heute, rund 90 Jahre nach der Entstehung dieses Films, ist die Handlung aktuell und packend, ja sie scheint sogar mit den oben kursiv gesetzten Worten die Postdemokratie in ihren letzten Zuckungen zu beschreiben. Der Film bringt alle Attribute eines spannenden Thrillers mit sich, doch die Darbietung wirkt so oft altbacken und rückständig, dass die Szenen zwischen den eindringlichen Momenten rund um Dr. Mabuse und Professor Baum manchmal fast zum Vorspulen reizen. Gar kein Vergleich mit dem lockeren Aufspielen eines bereits früher entstandenen Kassenschlagers wie DIE DREI VON DER TANKSTELLE oder, um idealerweise beim Genre zu bleiben, dem 1933 gedrehten Agententhriller EIN GEWISSR HERR GRAN mit Hans Albers. Eher wird die düstere Symbolik eines Film wie Richard Oswalds ALRAUNE getroffen – Selbst ein Profi wie Fritz Lang wusste offensichtlich nicht so recht, wie er Unheil und Drama darstellen soll ohne auf grotesk wirkende Darstellungsformen zu verfallen. Aber gut, vielleicht hat das damalige Publikum das anders gesehen. Es wäre interessant, von den Premieren 1933 in Budapest und Wien zeitgenössische Kritiken zu lesen. Denen ist bestimmt auch aufgefallen, dass die Ermordung Kramms direkten Bezug nimmt auf das Attentat auf Walter Rathenau im Sommer 1922 – Genauso wie Kramm wurde auch Rathenau, im Auto sitzend, aus einem vorbeifahrenden Wagen heraus getötet. Sicher kein Zufall, dass der heraufziehende Staatsterror mit diesem Mordanschlag in Verbindung gebracht wird. Auch könnte den Menschen 1933 noch in Erinnerung gewesen sein, dass die Sektion IIIb der militärische Nachrichtendienst des deutschen Kaiserreiches war, die Bezeichnung Abteilung IIb für das Mordbüro Mabuses also sicher nicht unabsichtlich gewählt wurde.
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE ist in erster Linie ein spannender und hochdramatischer Actionfilm, der Elemente des Psychothrillers und des Paranoiafilms Jahrzehnte vor deren offiziellen Erscheinen auf den Leinwänden der Welt vorwegnimmt. Bereits der Beginn, wenn Hofmeister in einer Druckerei hinter einer Kiste liegt, die Pistole im Anschlag, und die Bösen seinen Fuß sehen und ihm daraufhin eine Falle stellen, unterlegt vom rhythmischen Gestampfe einer unsichtbaren Maschine, ist Spannung pur, zerrt an den Nerven, und zieht den Zuschauer sofort in diese Welt der Angst und des Schreckens. Die verzweifelten Versuche von Kent und Lilli, aus dem Kerker Mabuses auszubrechen, Baums irrwitzige Flucht mit dem Automobil, die Schießerei zwischen den Juwelendieben und der Polizei (bei der ein blutjunger Rudolf Schündler sich aufführt wie ein manischer Klaus Kinski in seinen besten Zeiten), der Brand der Chemiefabrik, großartige Special Effects, und immer wieder der Geist von Dr. Mabuse, der sich den Verstand Professor Baums unterwirft und diesem als zombieartiges Ungetier erscheint. Szenen, die auch heute noch packen und auch den modernen Zuschauer mitreißen. Der zeitgeschichtliche Bezug packt noch mal eine ordentliche Schippe Dramatik dazu, und in Bezug auf Suspense und Thrill steht dieser Film den modernen Filmen aus der Blockbuster-Schmiede in Nichts nach. Doch, er hat ihnen sogar etwas voraus: DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE ist ein Polit-Thriller, der erschreckenderweise 90 Jahre nach seiner Entstehung nichts an Aktualität eingebüßt hat. Und da verblassen dann sogar die pathetischen Dialoge ...
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Testa ... use_(1933)
(2) Ernst von Salomon: Die Geächteten, Berlin 1930, S. 335
(3) Ernst von Salomon A. a. O., S. 220
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Huntress: Spirit of the night (Mark S. Manos, 1995) 4/10
Ein rechter DTV-Schmarrn rund um die junge Tara Wexford, die nach X Jahren aus Amerika zurückkommt nach Wales, um ihren Vater zu begraben, und dabei einen Fluch in sich entdeckt. Tara hat, quasi als Familienerbe, so etwas Ähnliches wie ein Wolfsgen in sich, weswegen sie den Nachtwind ganz toll findet, und versteckte Türen wittern kann, und sich rennend im Wald sauwohl fühlt. Oder besser wolfswohl. Der Rest der Story ist eher hanebüchen, nämlich dass ihre frühere Jugendfreundin und der Typ, der ihr damals als Projektion für ihre sexuellen Phantasien gedient hat, dass diese beiden versuchen an ihr frisch geerbtes Schloss zu kommen, weil dieses ein ganz tolles Geheimnis birgt. Außerdem lernt Tara noch einen Fotografen kennen, der in einer Höhle mit Stromanschluss lebt, und mit dem sie ganz aufregenden Sex hat.
Überhaupt ist das diejenige Sache, die dem Film seine Bewertung rettet. Die beiden extrem attraktiven Hauptdarstellerinnen, Jenna Bodnar und Blair Valk, werden hochgradig erotisch in Szene gesetzt und dürfen sich auch öfters mal ausziehen, was bei dem Aussehen der Beiden durchaus für anregende Schauer auf dem Rücken(?) des männlichen Zuschauers sorgt. Die Kameraführung ist generell sehr gut, in diesen Szenen aber entstehen kleine Sternstunden des Softsexfilms. Was vollkommen ernstgemeint ist! Auch die dazu laufende Musik ist nicht schlecht und untermalt das bunte Treiben sehr ansprechend.
Nicht so ansprechend ist dann halt leider der Rest. Die Story zieht sich etwas, und man wartet eigentlich immer auf den Höhepunkt. Auf etwas, was die Emotionen fliegen lässt. Aber da kommt nichts, stattdessen wird Jenna Bodnar lieber noch einmal mehr in Großaufnahme gezeigt, was zwar sehr hübsch ist, aber vom filmischen Standpunkt her eher unbefriedigend. Nee, so richtig dolle ist das alles nicht. Und das Unglaublichste ist dann der Schluss, der nahelegt, dass dies wohl ein Pilotfilm für eine niemals realisierte Fernsehserie gewesen sein könnte. Mitten in der Geschichte entkommt der Bösewicht, jagt die Heldin ihm nach, und das war’s. Dem möchte ich mich dann auch gleich anschließen, denn mehr gibt der Flick einfach nicht her …
Ein rechter DTV-Schmarrn rund um die junge Tara Wexford, die nach X Jahren aus Amerika zurückkommt nach Wales, um ihren Vater zu begraben, und dabei einen Fluch in sich entdeckt. Tara hat, quasi als Familienerbe, so etwas Ähnliches wie ein Wolfsgen in sich, weswegen sie den Nachtwind ganz toll findet, und versteckte Türen wittern kann, und sich rennend im Wald sauwohl fühlt. Oder besser wolfswohl. Der Rest der Story ist eher hanebüchen, nämlich dass ihre frühere Jugendfreundin und der Typ, der ihr damals als Projektion für ihre sexuellen Phantasien gedient hat, dass diese beiden versuchen an ihr frisch geerbtes Schloss zu kommen, weil dieses ein ganz tolles Geheimnis birgt. Außerdem lernt Tara noch einen Fotografen kennen, der in einer Höhle mit Stromanschluss lebt, und mit dem sie ganz aufregenden Sex hat.
Überhaupt ist das diejenige Sache, die dem Film seine Bewertung rettet. Die beiden extrem attraktiven Hauptdarstellerinnen, Jenna Bodnar und Blair Valk, werden hochgradig erotisch in Szene gesetzt und dürfen sich auch öfters mal ausziehen, was bei dem Aussehen der Beiden durchaus für anregende Schauer auf dem Rücken(?) des männlichen Zuschauers sorgt. Die Kameraführung ist generell sehr gut, in diesen Szenen aber entstehen kleine Sternstunden des Softsexfilms. Was vollkommen ernstgemeint ist! Auch die dazu laufende Musik ist nicht schlecht und untermalt das bunte Treiben sehr ansprechend.
Nicht so ansprechend ist dann halt leider der Rest. Die Story zieht sich etwas, und man wartet eigentlich immer auf den Höhepunkt. Auf etwas, was die Emotionen fliegen lässt. Aber da kommt nichts, stattdessen wird Jenna Bodnar lieber noch einmal mehr in Großaufnahme gezeigt, was zwar sehr hübsch ist, aber vom filmischen Standpunkt her eher unbefriedigend. Nee, so richtig dolle ist das alles nicht. Und das Unglaublichste ist dann der Schluss, der nahelegt, dass dies wohl ein Pilotfilm für eine niemals realisierte Fernsehserie gewesen sein könnte. Mitten in der Geschichte entkommt der Bösewicht, jagt die Heldin ihm nach, und das war’s. Dem möchte ich mich dann auch gleich anschließen, denn mehr gibt der Flick einfach nicht her …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
The lost empire (Jim Wynorski, 1984) 7/10
Wenn ich ehrlich sein darf: Ich hatte nach der Sichtung keine Ahnung worum es hier ging! Die US-Fassung ohne irgendwelche Untertitel hat mich sprachlich über längere Strecken überfordert, und ich vermute auch, dass die deutsche Synchro bei der Bewertung nochmal einen weiteren Bewertungspunkt dazu packen würde. Mindestens. Aber auch die Jokes und Oneliner des Originaltons scheinen sehr lustig zu sein, soweit ich sie zumindest ansatzweise verstanden habe. Worum es zu gehen scheint: Eine Gruppe extrem … ausladend gebauter Frauen in wahlweise indianischer oder SM-Unterwäsche reist auf eine Insel, die zur (hinteren) Hälfte aus einem Comic besteht, von einem geheimnisvollen Kuttenmann regiert wird, und dessen rechte Hand einer der hässlichsten Männer ist den ich jemals gesehen habe. Sid Haig? Michael Berryman? Es geht noch bedeutend schlimmer …
Auf jeden Fall sind da also diese Frauen in Lederwäsche und silbernen Ketten, und Ketten braucht es an den Bikinioberteilen auch, um diese Oberweiten zuverlässig im Zaum zu halten. Diese Frauen machen dann Dauerlauf, sie machen Aerobic, und irgendwann kämpft mal eine von denen mit Schild und Schwert gegen einen männlichen Gladiator. Nett gemacht, erheblich netter allerdings ist der Kampf im Frauenknast zwischen Angela Aames im türkisen Bikini und Angelique Pettyjohn im Domina-Style und mit Peitsche, sowie praktischerweise einer größeren Schlammpfütze gleich nebendran. Die Inhalte des Films sind somit auf jeden Fall mal abgeklärt und können dem geneigten männlichen Zuschauer zur weiteren Begutachtung überlassen werden …
Doch ob das jetzt schlimm ist, dass ich von der Handlung nicht viel verstanden, und mich stattdessen auf die geschilderten Momente cineastischer Höhepunkte beschränkt habe? Ich glaube nicht! Ich hatte sehr viel Spaß, Raven De La Croix war damals definitiv eine der aufregendsten Frauen im Filmgeschäft, die Kämpfe sind knackig, der Grundton ist ernsthafter als bei DIE NACKTE KANONE, aber man nimmt sich selber angenehm unernst, und wenn mehr nackte Frauen zu sehen gewesen wären könnte man sich glatt bei Andy Sidaris wähnen. Denn genau diese Schiene bedient THE LOST EMPIRE: Schöne Frauen in rudimentärer Kleidung, die sich durch eine ebensolche Handlung durchwurschteln und mit großen Brüsten, großen Waffen und noch größeren Explosionen eine Insel kostümierter Gartenzwerge aufmischen.
Große Empfehlung für diesen Irrsinn der gehobenen Sorte!
Wenn ich ehrlich sein darf: Ich hatte nach der Sichtung keine Ahnung worum es hier ging! Die US-Fassung ohne irgendwelche Untertitel hat mich sprachlich über längere Strecken überfordert, und ich vermute auch, dass die deutsche Synchro bei der Bewertung nochmal einen weiteren Bewertungspunkt dazu packen würde. Mindestens. Aber auch die Jokes und Oneliner des Originaltons scheinen sehr lustig zu sein, soweit ich sie zumindest ansatzweise verstanden habe. Worum es zu gehen scheint: Eine Gruppe extrem … ausladend gebauter Frauen in wahlweise indianischer oder SM-Unterwäsche reist auf eine Insel, die zur (hinteren) Hälfte aus einem Comic besteht, von einem geheimnisvollen Kuttenmann regiert wird, und dessen rechte Hand einer der hässlichsten Männer ist den ich jemals gesehen habe. Sid Haig? Michael Berryman? Es geht noch bedeutend schlimmer …
Auf jeden Fall sind da also diese Frauen in Lederwäsche und silbernen Ketten, und Ketten braucht es an den Bikinioberteilen auch, um diese Oberweiten zuverlässig im Zaum zu halten. Diese Frauen machen dann Dauerlauf, sie machen Aerobic, und irgendwann kämpft mal eine von denen mit Schild und Schwert gegen einen männlichen Gladiator. Nett gemacht, erheblich netter allerdings ist der Kampf im Frauenknast zwischen Angela Aames im türkisen Bikini und Angelique Pettyjohn im Domina-Style und mit Peitsche, sowie praktischerweise einer größeren Schlammpfütze gleich nebendran. Die Inhalte des Films sind somit auf jeden Fall mal abgeklärt und können dem geneigten männlichen Zuschauer zur weiteren Begutachtung überlassen werden …
Doch ob das jetzt schlimm ist, dass ich von der Handlung nicht viel verstanden, und mich stattdessen auf die geschilderten Momente cineastischer Höhepunkte beschränkt habe? Ich glaube nicht! Ich hatte sehr viel Spaß, Raven De La Croix war damals definitiv eine der aufregendsten Frauen im Filmgeschäft, die Kämpfe sind knackig, der Grundton ist ernsthafter als bei DIE NACKTE KANONE, aber man nimmt sich selber angenehm unernst, und wenn mehr nackte Frauen zu sehen gewesen wären könnte man sich glatt bei Andy Sidaris wähnen. Denn genau diese Schiene bedient THE LOST EMPIRE: Schöne Frauen in rudimentärer Kleidung, die sich durch eine ebensolche Handlung durchwurschteln und mit großen Brüsten, großen Waffen und noch größeren Explosionen eine Insel kostümierter Gartenzwerge aufmischen.
Große Empfehlung für diesen Irrsinn der gehobenen Sorte!
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
25 km/h (Markus Goller, 2018) 8/10
Nach 30 Jahren treffen sich die Brüder Georg und Christian beim Begräbnis ihres Vaters in einem Kaff im Schwarzwald wieder, und eigentlich haben sie sich nichts zu sagen. Aber es sind Brüder, und Blut verbindet mindestens genauso wie Tischtennis und Schnaps. Also wird nach dem soundsovielten Match und der soundsovielten Flasche der alte Plan aus der Jugend wieder rausgeholt: Man setzt sich aufs Mofa und fährt durch Deutschland, bis man in die Ostsee pissen kann. Los, wir fahren. Du spinnst. Jetzt mach schon. Du spinnst echt. Komm schon, trau Dich. Ich fahr schon mal los …
Natürlich ist so eine Erzählung immer eine Reise ins Ich, genauso wie eine Reise zu den verpassten Chancen und Träumen. Lebe Deinen Traum heißt das Motto des Films, und so etwas kann man so oder so umsetzen. Man könnte eine schwermütige Reise durch ein verregnetes und graues Land zeigen, welche die Psyche der Protagonisten und die Leidensfähigkeit des Arthouse-gestählten Publikums gleichermaßen auslotet. Und tierisch langweilt. Markus Goller setzt auf die Komödie mit leichtem Hang zur Burleske und gelegentlichem Tiefgang, und macht damit eigentlich alles richtig. Nach dem Film möchte man sich ebenfalls auf den Weg machen, irgendwo anders hin, irgendwelche alten Träume erfüllen, Hauptsache fort von hier! 25 KM/H ist spritzig, schnell, spannend, und vor allem ungeheuer leicht. OK, die Episode in Berlin zieht sich etwas, hat ein wenig den Hang zur erwähnten germanischen Tiefgründigkeit und ist schwermütiger als es dem Film gut tut, genauso wie die Episode in Brandenburg trotz eines wie immer überragenden Wotan Wilke Möhrings etwas eigen und mit Hang zur gnadenlosen Übertreibung daherkommt.
Aber insgesamt macht der Film richtig Spaß! Ein Feelgood-Movie, der den Anspruch, dem Zuschauer einen Denkanstoß zu geben und sich gleichzeitig gut fühlen zu lassen, verdammt ernst nimmt und auch tatsächlich einlöst. Also Leute, ab aufs Mofa und die Landstraße unsicher machen. Wer weiß was morgen ist …
Nach 30 Jahren treffen sich die Brüder Georg und Christian beim Begräbnis ihres Vaters in einem Kaff im Schwarzwald wieder, und eigentlich haben sie sich nichts zu sagen. Aber es sind Brüder, und Blut verbindet mindestens genauso wie Tischtennis und Schnaps. Also wird nach dem soundsovielten Match und der soundsovielten Flasche der alte Plan aus der Jugend wieder rausgeholt: Man setzt sich aufs Mofa und fährt durch Deutschland, bis man in die Ostsee pissen kann. Los, wir fahren. Du spinnst. Jetzt mach schon. Du spinnst echt. Komm schon, trau Dich. Ich fahr schon mal los …
Natürlich ist so eine Erzählung immer eine Reise ins Ich, genauso wie eine Reise zu den verpassten Chancen und Träumen. Lebe Deinen Traum heißt das Motto des Films, und so etwas kann man so oder so umsetzen. Man könnte eine schwermütige Reise durch ein verregnetes und graues Land zeigen, welche die Psyche der Protagonisten und die Leidensfähigkeit des Arthouse-gestählten Publikums gleichermaßen auslotet. Und tierisch langweilt. Markus Goller setzt auf die Komödie mit leichtem Hang zur Burleske und gelegentlichem Tiefgang, und macht damit eigentlich alles richtig. Nach dem Film möchte man sich ebenfalls auf den Weg machen, irgendwo anders hin, irgendwelche alten Träume erfüllen, Hauptsache fort von hier! 25 KM/H ist spritzig, schnell, spannend, und vor allem ungeheuer leicht. OK, die Episode in Berlin zieht sich etwas, hat ein wenig den Hang zur erwähnten germanischen Tiefgründigkeit und ist schwermütiger als es dem Film gut tut, genauso wie die Episode in Brandenburg trotz eines wie immer überragenden Wotan Wilke Möhrings etwas eigen und mit Hang zur gnadenlosen Übertreibung daherkommt.
Aber insgesamt macht der Film richtig Spaß! Ein Feelgood-Movie, der den Anspruch, dem Zuschauer einen Denkanstoß zu geben und sich gleichzeitig gut fühlen zu lassen, verdammt ernst nimmt und auch tatsächlich einlöst. Also Leute, ab aufs Mofa und die Landstraße unsicher machen. Wer weiß was morgen ist …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
The Drop – Bargeld (Michaël R. Roskam, 2014) 7/10
Bob. Bob ist Barmann in der Bar von Cousin Marv. Er ist sicher nicht der allerschnellste Denker, und in seinem Leben findet fast alles mit betonter Ruhe und Langsamkeit statt. Bob ist mit sich im Reinen. Er ist gerecht, ruhig, und alleine. Marv. Marv ist tatsächlich Bobs Cousin. Marv führt die Bar schon seit vielen Jahren. Früher war er im Wettgeschäft, und er war mächtig stolz auf seine eigene Bar. Aber dann kamen ein paar Tschetschenen und forderten ihn heraus. Er kniff, und seitdem gehört die Bar Chovka und den Tschetschenen. Die Bar wird gelegentlich als Drop-Bar benutzt, das heißt, dort wechselt Geld den Besitzer. Bargeld. Viel Bargeld. Noch viel mehr Bargeld. Wer die Bar überfällt legt sich mit Chovka an. Jeder weiß das. Und trotzdem wird die Bar überfallen. Chovka will sein Geld zurück. Und dass mit den Tschetschenen nicht zu spaßen ist weiß jeder …
Nadia. Bob findet eines Nachts einen halbtoten Welpen in Nadias Mülleimer. Er will ihn behalten, und Nadia hilft ihm dabei. Ganz ganz allmählich bröckeln Nadias Fassade, ihr Widerstand und ihre Einsamkeit. Bob ist kein schlechter Mensch. Nur halt sehr verschlossen, aber er will von Nadia nichts, und dies genießt die junge Frau sehr. Eric Deeds. Der Hund gehört eigentlich Eric Deeds. Nadia war mal seine Freundin. Er will den Hund wiederhaben. Und Nadia auch. Eric Deeds ist ein mieses Schwein, das miese Methoden einsetzt um alles zu bekommen, was ihm gehört. Seiner Meinung nach ihm gehört. Richie Wheelan. Richie Wheelan verschwand vor 10 Jahren spurlos. Eric Deeds behauptet, er habe Richie Wheelan umgelegt. Inspektor Torres von der Kripo hat die Klärung des Falles nie aufgegeben, genauso wie er meint, dass er den Überfall auf Marvs Bar aufklären kann. Aber jeden Tag verschwinden Menschen. Einfach so. Sie sind weg und tauchen nie wieder auf. So ist das Leben.
THE DROP ist ein ruhiger und gründlich erzählter Film. Ein Krimi. Ein Thriller. Ein Noir. Irgendwas dazwischen. Auf jeden Fall ist THE DROP kein Film aus dem neuen Jahrtausend! Es kracht nicht, es rumst nicht, es gibt keine Verfolgungsjagden und keine Schießereien. Was gibt es denn? Nun, es gibt zum Beispiel eine latent vorhandene Gewalt, die den Alltag und ausnahmslos alle Szenen so dermaßen prägt, dass sie selbst vor dem Bildschirm fast zu spüren ist. Mit einem äußerst unauffälligen Score an genau der richtigen Stelle, einem Blick von James Gandolfini und einer Bemerkung von Tom Hardy erschafft Regisseur Roskam eine finstere und vor Brutalität schier berstende Stimmung. Physische Gewalt? Findet im Hintergrund statt. Ein Mann der an den Boden eines Fahrzeugs geschraubt wurde. Ein Arm in einer Geldtasche. Ein Satz hier, eine Geschichte dort. Mehr ist es nicht, und es reicht völlig, um den Zuschauer nach Luft schnappen zu lassen. In den Sessel zu pressen und dieser perfekt austarierten Geschichte zu folgen, die sich von vier verschiedenen Enden ganz allmählich in das Zentrum der Schwärze hineinbewegt und alle Charaktere verschlingt. Wer wieder rauskommt? Sage ich nicht. Aber ich kann verraten, dass der Film mit einem dringend benötigten Lächeln endet. Und er schafft ein Bewusstsein dafür, dass Gewalt in der richtigen Situation und mit den nötigen Konsequenzen manchmal sehr wohl eine Lösung sein kann.
THE DROP ist schwarzes und böses Thrillerkino für alle, die schwarze und böse Erzählungen und wertschätzen, feines Schauspiel bewundern, und sich dabei nicht von Äußerlichkeiten ablenken lassen wollen.
Bob. Bob ist Barmann in der Bar von Cousin Marv. Er ist sicher nicht der allerschnellste Denker, und in seinem Leben findet fast alles mit betonter Ruhe und Langsamkeit statt. Bob ist mit sich im Reinen. Er ist gerecht, ruhig, und alleine. Marv. Marv ist tatsächlich Bobs Cousin. Marv führt die Bar schon seit vielen Jahren. Früher war er im Wettgeschäft, und er war mächtig stolz auf seine eigene Bar. Aber dann kamen ein paar Tschetschenen und forderten ihn heraus. Er kniff, und seitdem gehört die Bar Chovka und den Tschetschenen. Die Bar wird gelegentlich als Drop-Bar benutzt, das heißt, dort wechselt Geld den Besitzer. Bargeld. Viel Bargeld. Noch viel mehr Bargeld. Wer die Bar überfällt legt sich mit Chovka an. Jeder weiß das. Und trotzdem wird die Bar überfallen. Chovka will sein Geld zurück. Und dass mit den Tschetschenen nicht zu spaßen ist weiß jeder …
Nadia. Bob findet eines Nachts einen halbtoten Welpen in Nadias Mülleimer. Er will ihn behalten, und Nadia hilft ihm dabei. Ganz ganz allmählich bröckeln Nadias Fassade, ihr Widerstand und ihre Einsamkeit. Bob ist kein schlechter Mensch. Nur halt sehr verschlossen, aber er will von Nadia nichts, und dies genießt die junge Frau sehr. Eric Deeds. Der Hund gehört eigentlich Eric Deeds. Nadia war mal seine Freundin. Er will den Hund wiederhaben. Und Nadia auch. Eric Deeds ist ein mieses Schwein, das miese Methoden einsetzt um alles zu bekommen, was ihm gehört. Seiner Meinung nach ihm gehört. Richie Wheelan. Richie Wheelan verschwand vor 10 Jahren spurlos. Eric Deeds behauptet, er habe Richie Wheelan umgelegt. Inspektor Torres von der Kripo hat die Klärung des Falles nie aufgegeben, genauso wie er meint, dass er den Überfall auf Marvs Bar aufklären kann. Aber jeden Tag verschwinden Menschen. Einfach so. Sie sind weg und tauchen nie wieder auf. So ist das Leben.
THE DROP ist ein ruhiger und gründlich erzählter Film. Ein Krimi. Ein Thriller. Ein Noir. Irgendwas dazwischen. Auf jeden Fall ist THE DROP kein Film aus dem neuen Jahrtausend! Es kracht nicht, es rumst nicht, es gibt keine Verfolgungsjagden und keine Schießereien. Was gibt es denn? Nun, es gibt zum Beispiel eine latent vorhandene Gewalt, die den Alltag und ausnahmslos alle Szenen so dermaßen prägt, dass sie selbst vor dem Bildschirm fast zu spüren ist. Mit einem äußerst unauffälligen Score an genau der richtigen Stelle, einem Blick von James Gandolfini und einer Bemerkung von Tom Hardy erschafft Regisseur Roskam eine finstere und vor Brutalität schier berstende Stimmung. Physische Gewalt? Findet im Hintergrund statt. Ein Mann der an den Boden eines Fahrzeugs geschraubt wurde. Ein Arm in einer Geldtasche. Ein Satz hier, eine Geschichte dort. Mehr ist es nicht, und es reicht völlig, um den Zuschauer nach Luft schnappen zu lassen. In den Sessel zu pressen und dieser perfekt austarierten Geschichte zu folgen, die sich von vier verschiedenen Enden ganz allmählich in das Zentrum der Schwärze hineinbewegt und alle Charaktere verschlingt. Wer wieder rauskommt? Sage ich nicht. Aber ich kann verraten, dass der Film mit einem dringend benötigten Lächeln endet. Und er schafft ein Bewusstsein dafür, dass Gewalt in der richtigen Situation und mit den nötigen Konsequenzen manchmal sehr wohl eine Lösung sein kann.
THE DROP ist schwarzes und böses Thrillerkino für alle, die schwarze und böse Erzählungen und wertschätzen, feines Schauspiel bewundern, und sich dabei nicht von Äußerlichkeiten ablenken lassen wollen.
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Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Killer Inside Me (Burt Kennedy, 1976) 6/10
Lou Ford ist Deputy Sheriff in Central City, einer kleinen Bergarbeiterstadt in Montana. Lou Ford liebt seinen Job und die Lehrerin Amy. Lou Ford wird von allen respektiert und geachtet. Egal wie hoch die Emotionen gerade gehen, und es ist egal ob zwei Betrunkene sich prügeln oder ob der Sohn des Chefs mit dem Bagger auf Streikende losgehen will, wenn Lou Ford dazwischen geht geben alle klein bei. Lou Ford ist wohlanständig, ruhig und respektabel. Und wenn es ihm dann mal langt, dann geht er raus, tötet zwei oder drei Menschen, und dann ist alles wieder gut.
Der Schriftsteller Jim Thompson war der Mann für die Gestrauchelten und die Gefallenen. Seine Romane sind keine Beschreibungen einer Welt wie man sie gerne hätte oder sie sich erträumt. Jim Thompson hat aus eigener Erfahrung vom Bodensatz der Gesellschaft geschrieben, vom Scheitern noch so winziger Hoffnungen, und von Gewalt, Sex, Drogen und Alkohol. Wo Bukowski prosaisch und Burroughs künstlerisch war, da war Thompson einfach nur realistisch und bitter.
Entsprechend ist die Verfilmung des Thompson-Romans The killer inside me auch keine pathetische Darstellung abgestürzter Alkoholpoeten. Nein, die Charaktere hier sind eigentlich ganz normale Menschen. Eigentlich. Deputy Lou macht seinen Job, kann sich seiner Liebe Amy seit 5 Jahren nicht so recht erklären, und ist ein super Kumpeltyp für die nächste Kneipe und für die übernächste auch noch. Der Minenboss Chester Conway ist ein korruptes Arschloch das Bürgermeister werden will, und dabei über seinen etwas tumben und dauergeilen Sohn Elmer stolpert, der sich in die Nutte Joyce verliebt hat. Lou Ford bekommt den Auftrag, zu Joyce zu fahren, mit ihr zu reden, und sie bitten die Stadt zu verlassen. Und was ist wenn sie nicht will. Herrgott, Lou, sie soll einfach abhauen. Doch Lou Ford verknallt sich ein wenig in Joyce - Sie so ganz anders ist als seine Lehrerin. Viel verruchter und verkommener … Oder warum sonst gehen Männer zu Huren?
Diese Beziehung macht die Geschichte nicht simpler: Lou schlägt Joyce grün und blau, und Joyce geht daraufhin zu Conway, erklärt diesem dass Elmer sie geschlagen hat, und sie 50.000 Dollar will damit sie das Maul hält. Conway zahlt, und Lou überredet ausgerechnet Elmer, Joyce das Geld zu bringen, damit die beiden abhauen können. Aber Joyce will nicht mit Elmer, Joyce will mit Lou.
Man merkt schon, das ist keine ganz einfache Situation, die aber elegant gelöst wird: Einen Genickbruch und sechs Kugeln später ist die Lage durchaus bereinigt. Was jetzt gewalttätig klingt, und in der 2010er-Verfilmung von Michael Winterbottom allem Anschein nach auch genauso umgesetzt wurde, nämlich unter dem Einsatz äußerster Brutalität, das geschieht in dieser älteren Fassung fast beiläufig. Das Zusammenschlagen der Hure, der Tod des gewünschten Verdächtigen, das sind alles eher zufällige Akte der Gewalt, die eigentlich kaum weiter auffallen. Sie unterbrechen den Fluss der Handlung nicht, und sind genau darum umso verstörender.
Nein, die brutale Komponente von KILLER INSIDE ME ist eine andere. Der Film ist beileibe nicht der Psycho-Thriller als der er beworben wird dafür fehlen ihm Tiefe und das Gespür des Regisseurs. Aber er ist eine erstklassige Studie einer Gesellschaft, die sich aus „Gewalt, Habgier und Korruption“ definiert. So beschreibt die deutsche Wikipedia die wesentlichen Komponenten der Romane Jim Thompsons, und genau diese Attribute sind es, die das Universum des Films ausmalen. Jeder hat seine dunklen Seiten, jeder tickt irgendwann mal aus und mutiert zur Wildsau, und dass eine reine und aufrechte, fast jungfernhaft gezeichnete, Idealistin wie Amy da unter die Räder geraten muss, das erstaunt in keinster Weise. Es verwundert höchstens, dass Amy dazu fünf Jahre braucht, aber sonst? Der Minenbesitzer ist es längst gewohnt, dass sich die Sauf- und Gewalteskapaden seines missratenen Sohnes mit Geld aus der Welt schaffen lassen, der Sheriff nimmt anscheinend auch bevorzugt die Anweisungen des Minenbesitzers entgegen und verkauft diese als polizeiliche Maßnahmen, und der Staatsanwalt und der Deputy gehen zusammen auf die Jagd und klüngeln. Und dies sind noch die „ehrenwerten“ Mitglieder einer Gesellschaft, von den Huren, den Säufern und den zu kurz gekommenen wollen wir da gar nicht erst reden. Diese Gesellschaft wird mit ruhigem Atem und mit Liebe zur Narration erzählt, und das ist es auch was hier wirklich zählt.
Schade ist halt, dass die Verkommenheit einer solchen Gemeinschaft nicht so richtig rüberkommt, dass die Analogie der kleinen und fiktiven Arbeiterstadt zur großen und realen Welt nicht genauer beleuchtet wird. Regisseur Burt Kennedy würde ich auch aufgrund seiner andern Arbeiten eher als braven Handwerker betrachten, der die Feinheiten einer düsteren und nur auf den eigenen Vorteil bedachten Gesellschaft nicht so herausarbeiten kann, wie es dem Film gut tun würde. Dazu kommt das schauspielerische Talent Stacy Keachs, das der vielschichtigen Person des Lou Ford auch nicht wirklich gerecht wird. Lou Ford leidet an Schizophrenie – Er hört Stimmen, er hat Erscheinungen, und aufgrund dieser Stimmen und Erscheinungen verliert er manchmal die Kontrolle und schlägt zu. Ein Killer lauert in ihm, der durch irgendwelche wilden Jugenderlebnisse immer wieder einmal die Oberhand gewinnt und Blut sehen will. Aber die Zerrissenheit dieser Figur kann Keach einfach nicht so recht darstellen, er ist eher der aufrechte Gesetzeshüter mit dem schlimmen Schatten auf der Seele. Beziehungsweise der sympathische aber leicht eingeschränkte Schauspieler mit dem kantigen Gesicht.
Wer also annimmt, dass KILLER INSIDE ME der ultimative Vorgänger eines, sagen wir, MANIAC COP ist, der unter dem Einsatz äußerst verstörender Gewaltszenen die Schauwerte eines durchschnittlichen Thrillerfans befriedigt, der kann nicht weiter entfernt liegen. Der Film ist dunkel, er ist bitter, und er ist, bis auf das letzte Viertel, wo der Regisseur die nicht so recht funktionierende Thrillerhandlung forciert, dicht erzählt. Lou Ford gehören alle unsere Sympathien, und wir wünschen ihm so sehr, dass er die Kurve kriegt und endlich um die Hand seiner Amy anhält. Und dieser Teil der Geschichte, der die Entwicklung von Lou Ford beschreibt, der lohnt die Sichtung in jedem Fall.
Lou Ford ist Deputy Sheriff in Central City, einer kleinen Bergarbeiterstadt in Montana. Lou Ford liebt seinen Job und die Lehrerin Amy. Lou Ford wird von allen respektiert und geachtet. Egal wie hoch die Emotionen gerade gehen, und es ist egal ob zwei Betrunkene sich prügeln oder ob der Sohn des Chefs mit dem Bagger auf Streikende losgehen will, wenn Lou Ford dazwischen geht geben alle klein bei. Lou Ford ist wohlanständig, ruhig und respektabel. Und wenn es ihm dann mal langt, dann geht er raus, tötet zwei oder drei Menschen, und dann ist alles wieder gut.
Der Schriftsteller Jim Thompson war der Mann für die Gestrauchelten und die Gefallenen. Seine Romane sind keine Beschreibungen einer Welt wie man sie gerne hätte oder sie sich erträumt. Jim Thompson hat aus eigener Erfahrung vom Bodensatz der Gesellschaft geschrieben, vom Scheitern noch so winziger Hoffnungen, und von Gewalt, Sex, Drogen und Alkohol. Wo Bukowski prosaisch und Burroughs künstlerisch war, da war Thompson einfach nur realistisch und bitter.
Entsprechend ist die Verfilmung des Thompson-Romans The killer inside me auch keine pathetische Darstellung abgestürzter Alkoholpoeten. Nein, die Charaktere hier sind eigentlich ganz normale Menschen. Eigentlich. Deputy Lou macht seinen Job, kann sich seiner Liebe Amy seit 5 Jahren nicht so recht erklären, und ist ein super Kumpeltyp für die nächste Kneipe und für die übernächste auch noch. Der Minenboss Chester Conway ist ein korruptes Arschloch das Bürgermeister werden will, und dabei über seinen etwas tumben und dauergeilen Sohn Elmer stolpert, der sich in die Nutte Joyce verliebt hat. Lou Ford bekommt den Auftrag, zu Joyce zu fahren, mit ihr zu reden, und sie bitten die Stadt zu verlassen. Und was ist wenn sie nicht will. Herrgott, Lou, sie soll einfach abhauen. Doch Lou Ford verknallt sich ein wenig in Joyce - Sie so ganz anders ist als seine Lehrerin. Viel verruchter und verkommener … Oder warum sonst gehen Männer zu Huren?
Diese Beziehung macht die Geschichte nicht simpler: Lou schlägt Joyce grün und blau, und Joyce geht daraufhin zu Conway, erklärt diesem dass Elmer sie geschlagen hat, und sie 50.000 Dollar will damit sie das Maul hält. Conway zahlt, und Lou überredet ausgerechnet Elmer, Joyce das Geld zu bringen, damit die beiden abhauen können. Aber Joyce will nicht mit Elmer, Joyce will mit Lou.
Man merkt schon, das ist keine ganz einfache Situation, die aber elegant gelöst wird: Einen Genickbruch und sechs Kugeln später ist die Lage durchaus bereinigt. Was jetzt gewalttätig klingt, und in der 2010er-Verfilmung von Michael Winterbottom allem Anschein nach auch genauso umgesetzt wurde, nämlich unter dem Einsatz äußerster Brutalität, das geschieht in dieser älteren Fassung fast beiläufig. Das Zusammenschlagen der Hure, der Tod des gewünschten Verdächtigen, das sind alles eher zufällige Akte der Gewalt, die eigentlich kaum weiter auffallen. Sie unterbrechen den Fluss der Handlung nicht, und sind genau darum umso verstörender.
Nein, die brutale Komponente von KILLER INSIDE ME ist eine andere. Der Film ist beileibe nicht der Psycho-Thriller als der er beworben wird dafür fehlen ihm Tiefe und das Gespür des Regisseurs. Aber er ist eine erstklassige Studie einer Gesellschaft, die sich aus „Gewalt, Habgier und Korruption“ definiert. So beschreibt die deutsche Wikipedia die wesentlichen Komponenten der Romane Jim Thompsons, und genau diese Attribute sind es, die das Universum des Films ausmalen. Jeder hat seine dunklen Seiten, jeder tickt irgendwann mal aus und mutiert zur Wildsau, und dass eine reine und aufrechte, fast jungfernhaft gezeichnete, Idealistin wie Amy da unter die Räder geraten muss, das erstaunt in keinster Weise. Es verwundert höchstens, dass Amy dazu fünf Jahre braucht, aber sonst? Der Minenbesitzer ist es längst gewohnt, dass sich die Sauf- und Gewalteskapaden seines missratenen Sohnes mit Geld aus der Welt schaffen lassen, der Sheriff nimmt anscheinend auch bevorzugt die Anweisungen des Minenbesitzers entgegen und verkauft diese als polizeiliche Maßnahmen, und der Staatsanwalt und der Deputy gehen zusammen auf die Jagd und klüngeln. Und dies sind noch die „ehrenwerten“ Mitglieder einer Gesellschaft, von den Huren, den Säufern und den zu kurz gekommenen wollen wir da gar nicht erst reden. Diese Gesellschaft wird mit ruhigem Atem und mit Liebe zur Narration erzählt, und das ist es auch was hier wirklich zählt.
Schade ist halt, dass die Verkommenheit einer solchen Gemeinschaft nicht so richtig rüberkommt, dass die Analogie der kleinen und fiktiven Arbeiterstadt zur großen und realen Welt nicht genauer beleuchtet wird. Regisseur Burt Kennedy würde ich auch aufgrund seiner andern Arbeiten eher als braven Handwerker betrachten, der die Feinheiten einer düsteren und nur auf den eigenen Vorteil bedachten Gesellschaft nicht so herausarbeiten kann, wie es dem Film gut tun würde. Dazu kommt das schauspielerische Talent Stacy Keachs, das der vielschichtigen Person des Lou Ford auch nicht wirklich gerecht wird. Lou Ford leidet an Schizophrenie – Er hört Stimmen, er hat Erscheinungen, und aufgrund dieser Stimmen und Erscheinungen verliert er manchmal die Kontrolle und schlägt zu. Ein Killer lauert in ihm, der durch irgendwelche wilden Jugenderlebnisse immer wieder einmal die Oberhand gewinnt und Blut sehen will. Aber die Zerrissenheit dieser Figur kann Keach einfach nicht so recht darstellen, er ist eher der aufrechte Gesetzeshüter mit dem schlimmen Schatten auf der Seele. Beziehungsweise der sympathische aber leicht eingeschränkte Schauspieler mit dem kantigen Gesicht.
Wer also annimmt, dass KILLER INSIDE ME der ultimative Vorgänger eines, sagen wir, MANIAC COP ist, der unter dem Einsatz äußerst verstörender Gewaltszenen die Schauwerte eines durchschnittlichen Thrillerfans befriedigt, der kann nicht weiter entfernt liegen. Der Film ist dunkel, er ist bitter, und er ist, bis auf das letzte Viertel, wo der Regisseur die nicht so recht funktionierende Thrillerhandlung forciert, dicht erzählt. Lou Ford gehören alle unsere Sympathien, und wir wünschen ihm so sehr, dass er die Kurve kriegt und endlich um die Hand seiner Amy anhält. Und dieser Teil der Geschichte, der die Entwicklung von Lou Ford beschreibt, der lohnt die Sichtung in jedem Fall.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
GSI – Spezialeinheit Göteborg: Zwischen den Fronten (Anders Nilsson, 2009) 7/10
Nach fünf Jahren bei Europol kommt der schwedische Cop Johann Falk wieder zurück nach Göteborg. Morgen wird er bei einer Spezialeinheit beginnen, und den Abend zuvor besucht er schon mal sein neues Büro und will die Leute kennenlernen. Prompt gerät er in einen Einsatz gegen einen Drogendealer, der aber wider Erwarten erfolglos verläuft. Und zwei Tage später sieht Falk den Vermittler dieses Geschäftes, den einzigen Mann der an dem Abend verhaftet werden konnte, frei herumlaufen. Falk ahnt, dass die GSI, seine neue Einheit, in irgendwelchen seltsamen Geschäften steckt, und als der Mann, der als Polizistenmörder mit Hochdruck gesucht wird, als der bei ihm im Wohnzimmer auftaucht und Falk die Waffen übergibt, erhärtet sich sein Verdacht. Ganz koscher arbeitet die GSI nicht …
Koscher sicher nicht, aber dafür mit harten Bandagen. Wieso hat die GSI so hohe Erfolgsquoten? Warum wird die GSI als Wunderwaffe bezeichnet, ja sogar als Speerspitze gegen das Verbrechen? Die Lösung ist dann eigentlich relativ einfach, aber nichtsdestotrotz spannend. Der letzte Falk-Krimi vor dem Fortgang nach Den Haag, der direkte Vorgänger THE THIRD WAVE – DIE VERSCHWÖRUNG, setzte allerdings die Messlatte so extrem hoch, das es gut ist, dass hier eine neue Serie beginnt. Der Zuschauer kann durchatmen, es werden Falks neue Kollegen vorgestellt, und die Geschichte lässt sich einigermaßen Zeit in die Gänge zu kommen. Gut gemacht, mit einigen harten Szenen dabei, mit knallig inszenierter Action und mit guten Schauspielern macht ZWISCHEN DEN FRONTEN sehr wohl Spaß. Und dass wie gesagt die Explosionskraft des Vorgängers nicht erreicht wird ist bei dessen Qualität kaum verwunderlich. Mal sehen wie es weitergeht, aber ausreichend Konfliktpotenzial ist in der Stadt mit der höchsten Verbrechensrate Schwedens sicher vorhanden …
Nach fünf Jahren bei Europol kommt der schwedische Cop Johann Falk wieder zurück nach Göteborg. Morgen wird er bei einer Spezialeinheit beginnen, und den Abend zuvor besucht er schon mal sein neues Büro und will die Leute kennenlernen. Prompt gerät er in einen Einsatz gegen einen Drogendealer, der aber wider Erwarten erfolglos verläuft. Und zwei Tage später sieht Falk den Vermittler dieses Geschäftes, den einzigen Mann der an dem Abend verhaftet werden konnte, frei herumlaufen. Falk ahnt, dass die GSI, seine neue Einheit, in irgendwelchen seltsamen Geschäften steckt, und als der Mann, der als Polizistenmörder mit Hochdruck gesucht wird, als der bei ihm im Wohnzimmer auftaucht und Falk die Waffen übergibt, erhärtet sich sein Verdacht. Ganz koscher arbeitet die GSI nicht …
Koscher sicher nicht, aber dafür mit harten Bandagen. Wieso hat die GSI so hohe Erfolgsquoten? Warum wird die GSI als Wunderwaffe bezeichnet, ja sogar als Speerspitze gegen das Verbrechen? Die Lösung ist dann eigentlich relativ einfach, aber nichtsdestotrotz spannend. Der letzte Falk-Krimi vor dem Fortgang nach Den Haag, der direkte Vorgänger THE THIRD WAVE – DIE VERSCHWÖRUNG, setzte allerdings die Messlatte so extrem hoch, das es gut ist, dass hier eine neue Serie beginnt. Der Zuschauer kann durchatmen, es werden Falks neue Kollegen vorgestellt, und die Geschichte lässt sich einigermaßen Zeit in die Gänge zu kommen. Gut gemacht, mit einigen harten Szenen dabei, mit knallig inszenierter Action und mit guten Schauspielern macht ZWISCHEN DEN FRONTEN sehr wohl Spaß. Und dass wie gesagt die Explosionskraft des Vorgängers nicht erreicht wird ist bei dessen Qualität kaum verwunderlich. Mal sehen wie es weitergeht, aber ausreichend Konfliktpotenzial ist in der Stadt mit der höchsten Verbrechensrate Schwedens sicher vorhanden …
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Satan der Rache (Antonio Margheriti, 1970) 8/10
10 verdammte Jahre war Gary Hamilton im Steinbruch. Hat Steine geklopft, hat sich von den Wärtern zu Brei hauen lassen, und hat seine Rache geplant an demjenigen, der ihn unschuldig in diese Hölle brachte. Jetzt wird er entlassen, und sein Weg führt ihn zurück nach Drecksnesthausen, wo er mit einem Gewehr in der Hand und einem Herzen voller Hass die Hölle auf Erden erschafft.
Und wer jetzt denkt, dass Gary Hamilton schokoflockig in das traute Städtchen reitet und alles nach Schema F abläuft, der hat nicht mit dem Einfallsreichtum von Antonio Margheriti gerechnet. Anstatt eines Standard-Western all’Italiana gibt es hier eine gesunde Wucht an Gothic Horror mit allen seinen Zutaten. Die Handlung spielt im Wesentlichen in einer einzigen Nacht, Gary Hamilton kann an allen Orten zugleich sein und wird doch nie gefasst, die Männer des schurkischen Acombar beißen schneller ins Gras als sie „Himmel hilf“ sagen können, und eigentlich fehlt nur Barbara Steele zum Glück. Stattdessen hat es Peter Carsten, der in, im gleichen Jahr und vom selben Regisseur gedrehten, DRACULA IM SCHLOSS DES SCHRECKENS gepflegten Grusel verbreitet, und in beiden Filmen gleich eindrucksvoll rüberkommt.
Der Wind weht und heult, eine Kirchturmglocke bittet zum Tod, und wenn der geisterhafte Gary Hamilton zum Tanz mit dem Sechsschüsser bittet, dann treffen sich Dracula und Django in der Stadt des Todes. Eine perfekte Mischung aus Western und Gothic, spannend und gruselig zugleich. Genial!
10 verdammte Jahre war Gary Hamilton im Steinbruch. Hat Steine geklopft, hat sich von den Wärtern zu Brei hauen lassen, und hat seine Rache geplant an demjenigen, der ihn unschuldig in diese Hölle brachte. Jetzt wird er entlassen, und sein Weg führt ihn zurück nach Drecksnesthausen, wo er mit einem Gewehr in der Hand und einem Herzen voller Hass die Hölle auf Erden erschafft.
Und wer jetzt denkt, dass Gary Hamilton schokoflockig in das traute Städtchen reitet und alles nach Schema F abläuft, der hat nicht mit dem Einfallsreichtum von Antonio Margheriti gerechnet. Anstatt eines Standard-Western all’Italiana gibt es hier eine gesunde Wucht an Gothic Horror mit allen seinen Zutaten. Die Handlung spielt im Wesentlichen in einer einzigen Nacht, Gary Hamilton kann an allen Orten zugleich sein und wird doch nie gefasst, die Männer des schurkischen Acombar beißen schneller ins Gras als sie „Himmel hilf“ sagen können, und eigentlich fehlt nur Barbara Steele zum Glück. Stattdessen hat es Peter Carsten, der in, im gleichen Jahr und vom selben Regisseur gedrehten, DRACULA IM SCHLOSS DES SCHRECKENS gepflegten Grusel verbreitet, und in beiden Filmen gleich eindrucksvoll rüberkommt.
Der Wind weht und heult, eine Kirchturmglocke bittet zum Tod, und wenn der geisterhafte Gary Hamilton zum Tanz mit dem Sechsschüsser bittet, dann treffen sich Dracula und Django in der Stadt des Todes. Eine perfekte Mischung aus Western und Gothic, spannend und gruselig zugleich. Genial!
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...
The mask of Fu Manchu (Charles Brabin & Charles Vidor, 1932) 7/10
Eine englische Expedition will das Grab von Dschingis Khan finden, genauso wie der geheimnisvolle Fu Manchu dieses Ziel hat. Denn in dem Grab befinden sich die goldene Maske des Dschingis Khan und sein legendäres Schwert. Für die einen Pretiosen für das Museum, die von Engländern am Wochenende bestaunt werden können. Für den anderen die Insignien der Macht, mit denen er Millionen von Asiaten anführen und den weißen Mann von der Erde wischen kann.
Das einzig Entsetzliche an diesem Film ist nicht die Darstellung der Asiaten und der Schwarzen als Halbaffen und Untermenschen. Nein, das hält sich einigermaßen in Grenzen (und wird ironisch-aggressiv aufgebrochen, wenn zwei Schwarze den weißen Mann voller Hass und Lust auspeitschen). Viel schlimmer ist das koloniale Verhalten der weltbeherrschenden Engländer, die das archäologisch interessante Grab aufbrechen als wäre es ein versperrter Cola-Automat: Mit der Axt wird das Tor geöffnet, und als die asiatischen Helfer sich vor dem Grabmal niederwerfen wird zuerst gestiefelt, und als das nichts hilft geschossen. Da drückt man als (moderner) Zuschauer die Daumen gleich noch fester für den Sieg Fu Manchus. Aber mal abgesehen davon ist hier alles drin was das Herz des Obskure-Filme-Liebhabers begehrt: Schurkische Schurken die die Welt beherrschen wollen, aufrechte Engländer die lieber sterben als ihr Beutegut zurückzugeben, prächtige Kulissen, Exotik, Abenteuer, Massaker, Attentäter, Folter, Sex … Myrna Loy hat bei ihrer Eröffnungssequenz keinen BH an, und was sie abzieht, als die schwarzen Folterknechte den weißen Helden auspeitschen, das ist definitiv ein Fall für die nächste SM-Session und fällt unter die Rubrik Ausleben versteckter Obsessionen. Vor allem Boris Karloff als Fu Manchu gibt einfach alles. Die personifizierte Bosheit hinter der Maske des perfekten Gentlemans, der hohnlächelnd zuschaut, wie sein (weißes) Opfer quälend langsam stirbt. Für einen Film dieser Zeit sind einige Szenen erstaunlich hart und geradezu exploitativ angesetzt. Großes Pulp-Kino, welches die Verfilmungen der späten 60er bis auf den ersten alle alt aussehen lässt.
Eine englische Expedition will das Grab von Dschingis Khan finden, genauso wie der geheimnisvolle Fu Manchu dieses Ziel hat. Denn in dem Grab befinden sich die goldene Maske des Dschingis Khan und sein legendäres Schwert. Für die einen Pretiosen für das Museum, die von Engländern am Wochenende bestaunt werden können. Für den anderen die Insignien der Macht, mit denen er Millionen von Asiaten anführen und den weißen Mann von der Erde wischen kann.
Das einzig Entsetzliche an diesem Film ist nicht die Darstellung der Asiaten und der Schwarzen als Halbaffen und Untermenschen. Nein, das hält sich einigermaßen in Grenzen (und wird ironisch-aggressiv aufgebrochen, wenn zwei Schwarze den weißen Mann voller Hass und Lust auspeitschen). Viel schlimmer ist das koloniale Verhalten der weltbeherrschenden Engländer, die das archäologisch interessante Grab aufbrechen als wäre es ein versperrter Cola-Automat: Mit der Axt wird das Tor geöffnet, und als die asiatischen Helfer sich vor dem Grabmal niederwerfen wird zuerst gestiefelt, und als das nichts hilft geschossen. Da drückt man als (moderner) Zuschauer die Daumen gleich noch fester für den Sieg Fu Manchus. Aber mal abgesehen davon ist hier alles drin was das Herz des Obskure-Filme-Liebhabers begehrt: Schurkische Schurken die die Welt beherrschen wollen, aufrechte Engländer die lieber sterben als ihr Beutegut zurückzugeben, prächtige Kulissen, Exotik, Abenteuer, Massaker, Attentäter, Folter, Sex … Myrna Loy hat bei ihrer Eröffnungssequenz keinen BH an, und was sie abzieht, als die schwarzen Folterknechte den weißen Helden auspeitschen, das ist definitiv ein Fall für die nächste SM-Session und fällt unter die Rubrik Ausleben versteckter Obsessionen. Vor allem Boris Karloff als Fu Manchu gibt einfach alles. Die personifizierte Bosheit hinter der Maske des perfekten Gentlemans, der hohnlächelnd zuschaut, wie sein (weißes) Opfer quälend langsam stirbt. Für einen Film dieser Zeit sind einige Szenen erstaunlich hart und geradezu exploitativ angesetzt. Großes Pulp-Kino, welches die Verfilmungen der späten 60er bis auf den ersten alle alt aussehen lässt.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi
Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Upgrade (Leigh Whannell, 2018) 6/10
Die Welt in ein paar (wenigen) Jahren: Alles ist vernetzt, Autos fahren vollautomatisch, die Wohnung spricht mit Dir wenn Du nach Hause kommst und bereitet Dir gerne einen Protein-Shake zu. Doch es gibt auch noch die alten Recken wie Grey Trace, der zur Schallplatten-Musik von Howlin‘ Wolf an seinem ‘69er-Camaro schraubt, und wenn der Motor dann endlich zufrieden blubbert, seinem Auto eine Liebeserklärung macht und sich ein Bierchen gönnt. Seine Frau Asha nimmt Grey so wie er ist, auch wenn sie selber als Managerin eines Software-Konzerns eine ganz andere Schiene fährt. Nach der Auslieferung eines Trans Am bei Greys Kunden Keen, dem Besitzer des größten und weltumfassendsten Software-Konzerns schlechthin, fängt Ashas Elektroauto das Spinnen an und setzt die beiden an einem Schrottplatz aus, wo sie von einer Gruppe Schläger entgegengenommen werden. Beide werden erschossen, doch Grey kann knapp überleben, querschnittsgelähmt.
Keen bietet Grey an, einen sogenannten Stem in sein Rückgrat zu implementieren. Was ist Stem? Stem ist Greys neues Leben. Stem kann dafür sorgen, dass Grey wieder laufentanzensaufen kann, dass er wieder LEBT. Und Stem sorgt auch dafür, dass Grey die Mörder seiner Frau jagt, wobei er allerdings der ermittelnden Polizistin, Detective Cortez, in die Quere kommt, die nach den ersten schlimm zugerichteten Leichen schon bald argwöhnt, dass der Rollstuhl, der in der Nähe der Leiche gefunden wurde, zu Grey gehört. Und dass der gar nicht so gelähmt ist wie er tut.
Denn Stem ist mehr als nur ein hochintelligenter Chip in Greys Wirbelsäule. Stem spricht mit Grey, und wenn Grey bereit ist die Kontrolle abzugeben, dann macht Stem aus ihm eine Kampfmaschine par Excellence. Dumm nur, dass das schauspielerische Talent von Logan Marshall-Green nicht mit diesen Kampffähigkeiten gleichziehen kann, aber sei’s drum. UPGRADE ist ein angenehm düsterer SF-Ausblick, ohne dabei aber gleich ins dystopische à la BLADE RUNNER oder MATRIX abzugleiten, und kombiniert Action durchaus mit einigem Geschick mit der Kritik an einer zunehmend vernetzten Welt und einer putzigen Krimihandlung. Putzig? Putzig, denn dem auch nur halbwegs erfahrenen Zuschauer ist extrem schnell klar wer hinter dem Überfall auf Grey und Asha steckt, und auch das Motiv wird recht schnell deutlich. Von daher kann man sich dann zügig auf die blutigen Kämpfe mit den ausgesprochen heftigen Ausgängen in den heruntergekommen gestylten Kulissen freuen, und auch wenn diese Kämpfe größtenteils mit schnellen Schnitten inszeniert werden, so machen sie durchaus Laune.
Ja, ich weiß, grenzenlose Begeisterung sieht anders aus. Man merkt einfach sehr deutlich, dass UPGRADE das Regiedebüt eines jungen Mannes ist, der bis dato eigentlich auf der Schauspieler- und Produzentenseite zugange war. Sehr schön und stylisch gefilmte Bilder bedecken halt gerade mal so die etwas rudimentäre Story, die Musik ist angenehm industriell gehalten (und kein Mainstream-Hans Zimmer-08/15-Gedöns), und Logan Marshall-Green schaut aus wie Tom Hardy, dürfte aber ungefähr 10-mal so billig gewesen sein. Die Bösewichter sind stereotype Arschgeigen (der Anführer ist ein Smartass, dem so ziemlich alle Waffen in den Körper implementiert wurden die jenseits eines T-34 erhältlich sind, dann ein schwarzer Hüne mit Imponiergehabe, ein lässiger und fast stummer Miami-Koksdealer und ein heruntergekommener Ex-Soldat – Die aufsteigende Reihenfolge der Kämpfe kann allein aus dieser Reihenfolge abgeleitet werden …), die Cops sind unfähig, die Manager ambivalent …
Es ist alles sehr generisch gehalten, wobei aber gilt, dass UPGRADE durchaus unterhält und sehr wohl Spaß macht. In seinem Zweitfilm DER UNSICHTBARE traut sich Regisseur Leigh Whannell mehr Mut zu den leisen Tönen zu, was diesem Film dann auch sehr gut bekommt. Und die tollen Bilder wird er dort ebenfalls hinbekommen. Von daher drücke ich hier gerne ein Auge zu und bin gespannt, was von diesem Regisseur noch zu sehen sein wird.
Die Welt in ein paar (wenigen) Jahren: Alles ist vernetzt, Autos fahren vollautomatisch, die Wohnung spricht mit Dir wenn Du nach Hause kommst und bereitet Dir gerne einen Protein-Shake zu. Doch es gibt auch noch die alten Recken wie Grey Trace, der zur Schallplatten-Musik von Howlin‘ Wolf an seinem ‘69er-Camaro schraubt, und wenn der Motor dann endlich zufrieden blubbert, seinem Auto eine Liebeserklärung macht und sich ein Bierchen gönnt. Seine Frau Asha nimmt Grey so wie er ist, auch wenn sie selber als Managerin eines Software-Konzerns eine ganz andere Schiene fährt. Nach der Auslieferung eines Trans Am bei Greys Kunden Keen, dem Besitzer des größten und weltumfassendsten Software-Konzerns schlechthin, fängt Ashas Elektroauto das Spinnen an und setzt die beiden an einem Schrottplatz aus, wo sie von einer Gruppe Schläger entgegengenommen werden. Beide werden erschossen, doch Grey kann knapp überleben, querschnittsgelähmt.
Keen bietet Grey an, einen sogenannten Stem in sein Rückgrat zu implementieren. Was ist Stem? Stem ist Greys neues Leben. Stem kann dafür sorgen, dass Grey wieder laufentanzensaufen kann, dass er wieder LEBT. Und Stem sorgt auch dafür, dass Grey die Mörder seiner Frau jagt, wobei er allerdings der ermittelnden Polizistin, Detective Cortez, in die Quere kommt, die nach den ersten schlimm zugerichteten Leichen schon bald argwöhnt, dass der Rollstuhl, der in der Nähe der Leiche gefunden wurde, zu Grey gehört. Und dass der gar nicht so gelähmt ist wie er tut.
Denn Stem ist mehr als nur ein hochintelligenter Chip in Greys Wirbelsäule. Stem spricht mit Grey, und wenn Grey bereit ist die Kontrolle abzugeben, dann macht Stem aus ihm eine Kampfmaschine par Excellence. Dumm nur, dass das schauspielerische Talent von Logan Marshall-Green nicht mit diesen Kampffähigkeiten gleichziehen kann, aber sei’s drum. UPGRADE ist ein angenehm düsterer SF-Ausblick, ohne dabei aber gleich ins dystopische à la BLADE RUNNER oder MATRIX abzugleiten, und kombiniert Action durchaus mit einigem Geschick mit der Kritik an einer zunehmend vernetzten Welt und einer putzigen Krimihandlung. Putzig? Putzig, denn dem auch nur halbwegs erfahrenen Zuschauer ist extrem schnell klar wer hinter dem Überfall auf Grey und Asha steckt, und auch das Motiv wird recht schnell deutlich. Von daher kann man sich dann zügig auf die blutigen Kämpfe mit den ausgesprochen heftigen Ausgängen in den heruntergekommen gestylten Kulissen freuen, und auch wenn diese Kämpfe größtenteils mit schnellen Schnitten inszeniert werden, so machen sie durchaus Laune.
Ja, ich weiß, grenzenlose Begeisterung sieht anders aus. Man merkt einfach sehr deutlich, dass UPGRADE das Regiedebüt eines jungen Mannes ist, der bis dato eigentlich auf der Schauspieler- und Produzentenseite zugange war. Sehr schön und stylisch gefilmte Bilder bedecken halt gerade mal so die etwas rudimentäre Story, die Musik ist angenehm industriell gehalten (und kein Mainstream-Hans Zimmer-08/15-Gedöns), und Logan Marshall-Green schaut aus wie Tom Hardy, dürfte aber ungefähr 10-mal so billig gewesen sein. Die Bösewichter sind stereotype Arschgeigen (der Anführer ist ein Smartass, dem so ziemlich alle Waffen in den Körper implementiert wurden die jenseits eines T-34 erhältlich sind, dann ein schwarzer Hüne mit Imponiergehabe, ein lässiger und fast stummer Miami-Koksdealer und ein heruntergekommener Ex-Soldat – Die aufsteigende Reihenfolge der Kämpfe kann allein aus dieser Reihenfolge abgeleitet werden …), die Cops sind unfähig, die Manager ambivalent …
Es ist alles sehr generisch gehalten, wobei aber gilt, dass UPGRADE durchaus unterhält und sehr wohl Spaß macht. In seinem Zweitfilm DER UNSICHTBARE traut sich Regisseur Leigh Whannell mehr Mut zu den leisen Tönen zu, was diesem Film dann auch sehr gut bekommt. Und die tollen Bilder wird er dort ebenfalls hinbekommen. Von daher drücke ich hier gerne ein Auge zu und bin gespannt, was von diesem Regisseur noch zu sehen sein wird.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
Jack Grimaldi