Was vom Tage übrigblieb ...

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Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

The Broadcast Incident – Die Verschwörung (Jacob Gentry, 2021) 5/10

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Chicago 1999: James verdient seine Brötchen damit, in einem Videoarchiv alte Sendungen zu digitalisieren. Im Zuge dieser Arbeit findet er eine Fernsehsendung aus dem Jahr 1987, die durch ein fremdes Signal gehackt wurde: Mitten in einer dümmlichen Sitcom tauchen plötzlich maskierte Gestalten auf, die seltsame Geräusche von sich geben und irgendwie … grauenhaft wirken. Eindringlinge. Die nichts Gutes wollen. Nach ein paar Sekunden geht die ursprüngliche Sendung weiter, aber der Schock bleibt. James findet heraus, dass eine Woche später, also 7 Tage nach dem ersten Hack, ein zweiter Angriff erfolgte. Das FBI schaltete sich ein, die Bänder der Ausstrahlungen wurden konfisziert, und wer immer sich nach diesen Hacks erkundigte sofort überwacht wurde. Mindestens.
James kann ermitteln, dass immer einen Tag vor der Ausstrahlung des Signals ein Mädchen verschwand. Und dass es eine dritte Ausstrahlung gab, am 23. November 1996. Einen Tag, nachdem seine Frau spurlos verschwand …

Menschen tauchen in James‘ Leben auf. Da ist dieser wilde Typ, der nach eigener Aussage seit Jahren Beweise für die dritte Ausstrahlung dafür sucht, und der darüber scheinbar seinen Verstand, auf jeden Fall aber mal seine gesicherte Existenz verloren hat. Dann der Professor, der offensichtlich mehr weiß über die letzte Ausstrahlung als er zugibt. Und natürlich das Mädchen Alice, die James zuerst verfolgt, sich dann mit ihm besäuft, sein Vertrauen gewinnt, und ihn dann irgendwann einfach sitzen lässt. Oder der unfreundliche Typ, der James und Alice den entscheidenden Hinweis gibt auf den Mann im Hintergrund. Allerdings erst, nachdem er angerufen wurde, und dann schlagartig sehr freundlich und hilfsbereit war.

Alles merkwürdige Gestalten. Jeder hat ganz offensichtlich was zu verbergen, und jeder scheint Dinge zu wissen, die James unbedingt erfahren möchte. Woher hat der Typ im Antiquitätenladen die Akte von James? Und woher weiß er so viel? Eine Verschwörung, so scheint es, ist im Gange, und James befindet sich mitten im Auge dieses Wirbelsturms, zusammen mit dem Zuschauer. Und Alice? Doch dann, urplötzlich, macht es plopp, und alle diese interessanten und mysteriösen Personen verschwinden aus der Handlung. Einfach so. Als ob eine Flasche Bleichmittel über das Drehbuch gelaufen und die letzten 40 Seiten gelöscht hätte. Aus. Vorbei. Film zu Ende, mitten in der Handlung. Mitten im Geschehen.

Hat das Geld gefehlt? Sind die Ideen ausgegangen? Wurden die Macher des Films vom FBI verhaftet, bevor der Film dreimal gezeigt werden kann?? Ich werde es wahrscheinlich nie erfahren, aber es ist einfach unwahrscheinlich schade, dass ein spannender und dichter Thriller, der gekonnt mit Heringen aller Farben, mit Verschwörungen, unwahrscheinlichen Querverbindungen und sinisteren Zusammenhängen den ersten Akte X-Staffeln locker Konkurrenz hätte machen können, dass dieser Thriller einfach mittendrin abbricht, und die Zuschauer mit einem Leck mich-Gefühl in die Nacht entlässt. Meine Frau hat dazu gesagt: Es muss ja nicht immer ein gutes Ende haben, aber wenigstens eine halbwegs plausible Erklärung. Dem möchte ich mich in diesem Falle anschließen. Offene Enden können im Normalfall sehr wohl ihren Reiz haben, und sind, cineastisch gesehen, oft der reizvollere Schluss. Aber so offen wie hier, das riecht geradezu nach einer Verschwörung. Das stinkt …

Eigentlich möchte ich THE BROADCAST INCIDENT gerne gut bewerten., Ich mag diese Nähe zu BLOW OUT – DER TOD LÖSCHT ALLE SPUREN, ich mag die hübsche Reminiszenz an BLOW UP, und überhaupt hätte der Film das Zeug gehabt, in einer Reihe mit den großen Verschwörungsthrillern der Filmgeschichte wie ZEUGE EINER VERSCHWÖRUNG genannt zu werden. Wenn er nicht ein gar so unbefriedigendes Ende hätte. So aber bleiben nach der Sichtung doch ein gar zu großes Fragezeichen und vor allem ein Loch zurück, dass einen schnell zu den bewährten und bereits genannten Klassikern greifen lässt, und diesen hier genauso schnell in den Mülleimer versenken lässt. Schade um die guten Ideen, und die größtenteils gute Umsetzung …
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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

The almost perfect crime (Mario Camerini, 1966) 6/10

Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg
Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg (7.4 KiB) 19 mal betrachtet

Die gesehene Kopie hatte so ziemlich alles an Bord, was einem das Filmleben richtig schwer macht: Falsches Bildformat. Englische Sprache ohne unterstützende Untertitel. Einiges an Rissen im Master, und zwar in erster Linie an denjenigen Stellen, in denen in rasendem Tempo und schier unverständlicher Sprache die Handlung bzw. die Hintergründe erklärt werden. Eine englische Synchro, die regelmäßig bis zu 10 Sekunden vor oder nach den Lippenbewegungen einsetzt. Eine englisch. Eine englisch. Eine. Jetzt passt es wieder. Und das Timing war auch noch unglücklich, weil ich den Film nach einer sehr harten Arbeitswoche meinte sehen zu müssen, und tatsächlich drei Anläufe benötigt habe um den komplett durchzustehen.

Von daher dürfte die Inhaltsangabe wahrscheinlich schon mal nicht ganz richtig sein: Dem Journalisten Paolo Respighi (Philippe Leroy) wird am Flughafen von ein paar Nonnen ein weiblicher Schützling namens Annie Robson (Pamela Tiffin) übergeben. Er, Paolo, möchte Annie doch bitte sicher nach Rom begleiten und darauf achten, dass sie nicht in schlechte Gesellschaft gerät. Annie ist zuckersüß und sehr charmant, und Paolo verknallt sich natürlich postwendend. Er erfährt von ihr, dass sie in ein paar Tagen nach Beirut gebracht werden soll, wo sie von ihrem Onkel, einem berühmten Numismatiker (Bernard Blier), eine Erbschaft von 10 Millionen Dollar übergeben bekommt. Als Paolo der schnuckeligen Annie beim Abschied in Rom ein wenig länger hinterherschaut sieht er, dass das Paar, von dem Annie abgeholt wird, nicht ganz koscher zu sein scheint. Paolo bekommt heraus wohin Annie gebracht wurde und dringt in das Gebäude ein: Annie ist gefesselt und geknebelt an einem Stuhl gefesselt, und zwei Gangstertypen (Luciano Pigozzi und Fernando Sancho) wollen ihm ans Leder. Bei dem Kampf kann er beide Gangster erschießen, Annie befreien und mit ihr abhauen. Parallel dazu taucht Colonel Robson, also Annies Onkel, am Flughafen auf und trifft dort – Annie, die mit einiger Verspätung angekommen ist. Alle zusammen treffen sich auf dem Schiff nach Beirut, wo Paolo natürlich ganz klar ist, dass Annie 2, also die in Begleitung von Robson, die falsche Annie sein muss. Und seine Annie die richtige. Annie 2 wiederum verliebt sich unsterblich in den gutaussehenden Reporter und versucht ihm näher zu kommen …

Das heißt letzten Endes haben wir hier zwei Gangsterbanden, die beide versuchen über eine der beiden Annies an die 10 Millionen ranzukommen. Die einen versuchen die falsche Annie im richtigen Moment bei Robson zu platzieren, die anderen versuchen die richtige Annie am Leben zu lassen und dann nach der Übergabe des Erbes zu beseitigen. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall ist das alles ein ziemliches Durcheinander, es wird viel geredet, sehr viel grimassiert, und vor allem Philippe Leroy zeigt was er als Schauspieler alles drauf hatte. Bis hin zum Slapstick im Kugelhagel des Showdowns. Tatsächlich ist DELITTO QUASI PERFETTO dabei aber keine reine Komödie, und schon gar keine Verwechslungsklamotte, sondern ein lupenreiner Krimi mit komödiantischen Untertönen. Zumindest in der englischen Synchro, was der italienische Originalton für eine Richtung hatte, das wissen nur die Götter der misslungenen Synchronisationen …

Aber durch diese ernsthafte Grundstimmung bekommt der Film zum Schluss hin tatsächlich noch rechtzeitig die Kurve, nämlich bei der Ankunft in Beirut, wenn sich die Ereignisse überschlagen, weil beide Gangsterbanden am Rad drehen und versuchen, missliebige Zeugen zu beseitigen. Wobei natürlich der etwas unbedarfte und an Selbstüberschätzung leidende Paolo an erster Stelle des Zeugenbeseitigungsprogramms steht. Und da tauchen dann so Fragen auf wie: Wann erkennt Paolo den Unterschied zwischen Annie 1 und Annie 2? Verliebt sich Annie 1 am Ende sogar in Paolo und wird versuchen, ihn zu beschützen? Ist Colonel Robson tatsächlich nur der unnahbare Onkel, oder steckt da ein abgrundtiefer Charakter dahinter?

Und das alles in einer turbulenten und dabei doch einigermaßen spannenden Handlung … Ganz ehrlich, schlecht ist DELITTO QUASI PERFETTO nicht. Und wenn ich den jemals in Deutsch oder wenigstens mit Untertiteln zu sehen bekäme, dann wäre er sicher mindestens gut, wenn nicht sogar mehr. So aber scheitert das alles an einer unverständlichen Sprache und einer nicht wirklich verständlichen Handlung. Beim nächsten Mal also vielleicht mit einem Babelfisch im Ohr …
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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Leise töten die Spione (Mario Caiano, 1966) 6/10

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Was für ein unglaublich merkwürdiges und surreales kleines Stückchen Zelluloid! Hier passt nichts, aber auch wirklich gar nichts zusammen, und trotzdem ergeben viele kleine Merkwürdigkeiten am Ende ein großes zusammengehöriges Nicht-Universum. Eine Geschichte die gar nicht existiert. Einen Film der weder Storyline, noch Schauwerte, noch irgendeine Art von Faszination hat, und trotzdem unterhält …

Geheimagent Michael Drum soll die Ermordung mehrerer Wissenschaftler untersuchen. Alle eint dabei, dass sie nicht, wie sonst in Euro-Spys üblich, geheime Waffen, Raketentreibstoffe oder superdünne und megagleitfähige Kondome erfunden haben, sondern Dinge die für die Menschheit nützlich sind. Einen Dünger beispielsweise, der aus verdorrtem Boden Getreide wachsen lässt. Michael Drum soll nun den Krebsforscher Dr. Freeman vor einem Anschlag schützen, und wird dafür nach Beirut geschickt, wo er auf Raschid und seine in schwarz gekleidete Begleiterin, seinen Schatten sozusagen höhö, Pamela Kohler trifft. Raschid stellt sich als die rechte Hand einer Organisation heraus, die die Weltherrschaft übernehmen will (Überraschung!). Und wie? Ganz einfach: „Ich habe eine Droge entdeckt, die den freien Willen des Menschen ausschaltet, ihn lähmt. Mit Hilfe dieser Droge könnte ich die absolute Diktatur aufrichten. Im Ernst, ich könnte damit praktisch die ganze Welt beherrschen. Ich könnte hunderte, tausende Menschen durch diese Droge beeinflussen, könnte sie zu unbedingtem Gehorsam zwingen. Die Wirkung ist einmalig, so etwas war noch nie da. Das erste Stadium sind Halluzinationen, Traumbilder, danach fällt der Mensch in eine Art Krampf. Seine Reaktionen werden mehr und mehr automatisch. Sein Wille ist gelähmt, sein Bewusstsein ausgeschaltet, er ist restlos meinem Willen unterworfen. Dem Willen des großen Raschid. Raschid, der den Erdball beherrschen wird. Und in diesem Zustand hat der Mensch seine Persönlichkeit verloren. Er hat sogar vergessen wer er ist. Er ist nur noch ein Instrument für mich, ein Werkzeug, verstehen Sie. Eine Maschine, die willenlos Befehle ausführt, wenn man nur auf den richtigen Knopf drückt.“ Ganz klar: Der Mann hat das Fernsehen erfunden …!

Ein psychedelischer Vorspann. Groovy Musik von Francesco De Masi. Eine Kamera, die in die Vorzüge der Frauen verliebt scheint, da alle Naslang eine Dame im Bikini vorbeischwebt. Oder zwei. Eine Frau die beim Sprung vom 2-Meter-Brett ermordet wird. Mit einem Messer! Ein Agent, der auf dem Flughafen von Beirut die vorletzte Ausgabe des deutschen Spiegel verlangt. Und bekommt!! Lang Jeffries kommt in Beirut an, fährt sofort zu einem verlassenen Palast irgendwo am Land, schickt das Taxi fort, kämpft um sein Leben, und findet hinterher sofort eine schöne Frau, deren Auto er konfiszieren kann. Mitsamt Frau selbstverständlich. Und der getötete Feind hat ja freundlicherweise sogar noch die Ausgabe des vorletzten Spiegel mit dem geheimen Treffpunkt im Hosenbund. Die Bösen verfolgen Michael im Taxi mit dem Auto, man landet in einem Park bei Nacht, alle steigen aus und laufen 2 Meter, um im Licht des Schweinwerfers zu stehen. Kalt sind die Nächte im Stadtpark von Beirut – Die Kämpfer haben Atemwolken vor dem Mund. Szenenwechsel: Die Getränke in Raschids Folterkeller werden von Frau Nippel serviert (die besser aussieht als die Erika in diesem Film). Michael hat ein Gegengift gegen eine unbekannte und völlig neue Droge im Schuhabsatz. Und zwar gleich drei Ampullen dieses unerhörten Wundermittels! Und er zerreißt Armbänder aus Metall als wäre er Chuck Norris. Es fällt aber niemandem auf, dass er ja gar nicht mehr gefesselt ist. Übrigens passen seine Strümpfe farblich gut zum Anzug! Man achte auf den Moment, wenn er die Schublade seiner Schuhabsätze öffnet. Die Schauspieler agieren höflich und unauffällig außer Erika Blanc, die sich sichtlich ganz weit weg wünscht und mit jedem einzelnen Blick dem Regisseur den Tod an den Hals wünscht. Oder schlimmeres. Und der abschließende Kampf im Auto ist dann urplötzlich brutal und so intensiv, als wäre er aus einem Actionfilm der heutigen Zeit. Wie BOURNE, nur ohne die hektischen Schnitte …

Ein Film, der bei Nostalgikern Tränen der Begeisterung erwecken wird ob der Stadtansichten, der schönen alten Autos und der aufregenden Frauen. Und bei allen Cineasten Schüttelkrämpfe ob dieses unglaublichen Schwachsinns. Wer aber sich nicht scheut, Filme anzuschauen die aus einem Hauch von Nichts bestehen, und dies mit wunderschönen Bildern geschickt kaschieren können, wer ein Herz hat für surrealistische Drogenfantasien und dadaistisch aneinander gehängte Darstellungen und Szenerien, der wird hier reichhaltig belohnt werden. Bloß einen in sich logisch aufgebauten und stringenten Film, den darf man natürlich nicht erwarten.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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