SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Moderator: jogiwan
Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Ein super Programm. Sogar die "Wölfin vom Teufelsmoor" ist dabei...
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“
Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
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Hier der neue Sospetto-Clip der als Premiere auch in Wien lief!
Hier der neue Sospetto-Clip der als Premiere auch in Wien lief!
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
- buxtebrawler
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Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Abt. Mondo Deliria
SHOCKING FACTS: Die Wahrheit über Deliria över Vienna
Ein Bericht von Gualtiero Buxtopetti
Foto: Nello Pazzafini
Schon länger waren wir – allen Verhütungsmitteln zum Trotz – mit dem Gedanken schwanger gegangen, unser alljährliches Forentreffen auch einmal in Österreich, genauer: in Wien stattfinden zu lassen. Die Gründe lagen auf der Hand: Nicht nur, dass wir mit unserem Motzerator der Herzen jogiwan einen Bewohner der Alpenrepublik seit Jahren zu unserem festen Team zählen, mit verdienten Mitgliedern wie Nello Pazzafini und DrDjangoMD verfügt unser kleines Familienforum auch über eine starke Wien-Achse und alle drei Genannten fielen in der Vergangenheit gerade auch dadurch auf, regelmäßig weder Kosten noch Mühen zu scheuen, nach Deutschland zu reisen, um unseren Treffen beizuwohnen. So war es ohnehin an der Zeit, diesen einmal im wahrsten Sinne des Wortes einmal entgegenzukommen. Da Nello zudem einen verrückten Sammler mit 35-mm-Privatarchiv und Vorführmöglichkeiten aufgetan hatte, lag es nahe, daran zu partizipieren. Noch während unseres Gelages gemütlichen Beisammenseins in Nürnberg letztes Jahr wurde so der Entschluss gefasst, 2015 in Zusammenarbeit mit Nellos Cineploit-Label Wien unsicher zu machen.
Danke an Andre Breinbauer für diese schöne Zeichnung!
Und natürlich kam alles ganz anders, als gedacht. Besagter Sammler hatte seinem Hobby inzwischen weitestgehend abgeschworen und seine Sammlung aufgelöst, so dass wir davon unabhängig eine Örtlichkeit suchen mussten. In den Genuss des Luxus, dass sich dort ein Kino befunden hätte, dass uns und unsere Forentreffen kennt und große Lust auf uns gehabt hätte, kamen wir nun nicht gerade, doch Nello, unser Mann vor Ort, prüfte sämtliche Optionen und fand mit dem Kino de France schließlich einen willigen Kooperationspartner. Also flugs eingetütet, die Filmauswahl ausgewürfelt, Flyer und Plakate entworfen, in Druck gegeben und verbreitet, etwas Rahmenprogramm überlegt, Preise für die Verlosungen von Sponsoren zusammengetrommelt und zu internationalen Portopreisen Druckerzeugnisse und Filmrollen gen Österreich versandt. jogiwan gestaltete außerdem wieder ein exklusives T-Shirt, das erstmals bei einem Online-Drucker in Druck gegeben und direkt nach Wien verschickt wurde – so dass wir es auch erst am Tag des Forentreffens zu Gesicht bekamen. Glücklicherweise ging alles gut. Die Flugtickets waren gebucht, zahlreiche Delirianer hatten ihre Teilnahme avisiert, einige reisten sogar schon Tage vorher an und verbanden mit dem Forentreffen einen kleinen Wien-Urlaub. Ich hatte mich kurz vorher noch für ein paar Tage nach Katalonien abgesetzt, so dass es in der Woche des Forentreffens dann doch noch etwas hektisch wurde. Ungefähr eineinhalb Tage vor Abflug berieten Santini, der diesmal mit seiner reizenden Gattin anreiste, und ich, wie und wann wir gemeinsam gen Hamburger Flughafen aufbrechen würden – und es wurde uns bewusst, dass wir dazu mitten in der Nacht würden aufstehen müssen. Mein Plan, Donnerstag früh schlafen zu gehen, wurde von meinem Vorhaben durchkreuzt, auf den letzten Drücker noch Hintergrundgrafiken für die Leinwand zu basteln, was sich als fummeliger als geplant erwies – aber ich hätte ohnehin nicht gut schlafen können, viel zu aufgeregt war ich, ja nicht zu verschlafen...
Ankündigung im "Falter"
Als ich gerade mit gepacktem Koffer in den frühesten Freitagmorgenstunden meine Villa verlassen wollte, erreichte mich ein Anruf Santinis: Man komme mit einer Bahn später, da man den Fahrkartenautomaten wegrationalisiert habe und der Schaffner keinerlei Motivation aufwies, unter diesen Umständen dennoch Zusteigende nicht als Schwarzfahrer erkennungsdienstlich zu misshandeln. Die Santinis fanden eine Lösung, kamen eben etwas später, ich stieg zu und schlaftrunken machten wir uns nun gemeinsam auf den Weg. Am Flughafen dann die nächste Überraschung: Frau Santinis Ticket, das genau wie die anderen beiden Tickets meine Wenigkeit gebucht hatte, war für mit ohne Gepäck. Aha!? Angesichts meines kleinen Koffers kam der Herr am Check-in jedoch prompt auf die Problemlösung: Diesen nehme ich einfach als Handgepäck mit und die beiden größeren Koffer werden aufgegeben. Als mir einfiel, dass ich ja diverse Flüssigkeiten in meiner Baggage habe, waren die anderen jedoch schon aufgegeben. „100 Liter?!“ entfuhr es mir spontan auf die Aussage, wie viel Flüssigkeit ich im Handgepäck mitnehmen dürfe, doch, ach – 100 Milliliter hatte es geheißen, also tschüß, Zahnpasta, Duschgel und Creme...
Trotz aller Querelen pünktlich am Gate angekommen, beobachtete uns ein junger Mann aus dem Augenwinkel, den ich bei genauerem Hinsehen als Theoretiker identifizierte – Forentreffen light im Hamburger Flughafen. Mittlerweile war es draußen hell geworden, der Flieger hob relativ pünktlich ab, ich studierte noch kurz die Lokalpresse und probierte mich in Powernapping – beides mehr oder weniger erfolgreich. Ohne Turbulenzen in Wien angekommen, erwies es sich als Glücksfall, den Theoretiker dabei zu haben, hatte er sich doch als einziger unserer strategischen Reisegruppe ernsthaft im Vorfeld darüber informiert, wie man vom Flughafen zum Hotel kommt. Neben der Theorie beherrschte er auch die Praxis und leitete uns zielsicher zum Bus, den wir gegenüber der U-Bahn bevorzugten, da wir aus ihm heraus schon reichlich von Wien sehen konnten. Ohne Zwischenfälle erreichten wir früh den Westbahnhof und anschließend unsere Kaffeemühle getaufte Herberge, wo wir am Empfang direkt auf die ersten Forianer stießen. Einchecken konnten wir noch nicht, aber freundlicherweise unser Gepäck verstauen, woraufhin wir uns in kleiner Gruppe auf den Weg zu nahegelegenen Supermärkten machten – schließlich galt es, Getränke etc. sowie – in meinem Falle – Hygieneartikel ein- bzw. nachzukaufen... Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen, durften wir dann auch auf die Zimmer, die sich als vollkommen in Ordnung erwiesen. Im Anschluss trafen wir dann auch auf Jogschi, mit dem wir zusammen den Flohmarkt sowie Nellos Totem-Laden aufsuchten. Man begrüßte sich, tauschte letzte Informationen zu den Kinofilmen aus, sah sich etwas im stilsicher eingerichteten Platten- und Filmladen um etc. Außerdem nahmen wir die T-Shirts in Empfang und verpackten sie in die von Jogschi geschmackvoll gestalteten Umschläge. Der Flohmarkt war sehr gut besucht, wirklich interessante Angebote zum Thema Film fand ich für mich persönlich jedoch nicht, dafür umso mehr Vinylstände, die durchzusehen mir aber Zeit und Ruhe fehlten – das allein wäre ’ne tagesfüllende Angelegenheit gewesen.
Dreister Fall von Markenpiraterie, Teil 1: Zielpunkt statt Plus
Dreister Fall von Markenpiraterie, Teil 2: Hofer statt Aldi
Originalverpacktes T-Shirt
Blick aus dem Zimmerfenster
Als wir unseren Flohmarktbummel beendet hatten, holten wir die T-Shirts bei Nello ab und trafen dabei auf eine größere Gruppe Delirianer. Nach einen großen Hallo ging’s nach reiflicher Überlegung in das asiatische Restaurant gegenüber des Hotels – Manjare! Ich orderte zudem mein erstes Bier des Tages und ließ es mir schmecken. Reinschi händigte mir zu meiner Freude ein Überraschungspaket mit zahlreichen Filmen aus, darunter „Die Sonntagsfrau“ – vielen Dank, mein Lieber! Der erste richtig tiefenentspannte Moment des Tages; herrlicz, wie man in Tschechien sagt.
Wer nicht aufisst, zahlt 2,- EUR Strafe!
Der Plan war eigentlich, gegen 19:00 Uhr am Kino einzutreffen, doch noch um 18:55 Uhr war unser Mob damit beschäftigt, nacheinander U-Bahn-Tickets zu lösen, so dass wir mit etwas Verspätung am Kino aufliefen. Der Moment der Wahrheit war nun gekommen, denn: So schön es auch ist, jedes Jahr in eine andere Stadt einzufallen, neues Ambiente, neue Kinos und neue Menschen kennenzulernen, so birgt das doch auch jedes Mal gewisse Unsicherheiten: Wir vier können ein noch so eingespieltes Team sein, vor Ort haben wir jedes Jahr neue Ansprechpartner, unterschiedliches technisches Equipment zur Verfügung und der Teufel steckt oft im Detail, so auch diesmal. Das Basteln der Leinwandhintergründe hätte ich mir sparen können, denn diese konnten schlicht nicht gebeamt werden – weder vom Stick noch von CD. Unser Foyer-/Kino-Soundtrack konnte auch nicht gespielt werden und auch eine Video/Bilder-Show, die McBrewer liebevoll erstellt hatte, fiel hinten über. Alles Material hätte vorher konvertiert und auf einen Server geladen werden müssen, hieß es. Schade, aber nicht zu ändern und die Hauptsache sind natürlich die Spielfilme, doch dazu später mehr. Zunächst einmal war ich froh, im Kino auch einige unbekannte Gesichter, sprich weitere zahlende Gäste zu erspähen und etwas erstaunt darüber, dass Nello persönlich die Kasse übernahm – sowie glücklich darüber, dass weder ich, noch Santini oder Onkel Joe sich dieser Aufgabe annehmen mussten. Nello machte das in gewohnter Souveränität und Jogschi hatte wieder einmal hübsche Lose erstellt, die er jedem zahlenden Gast in die Hand drückte.
Foto: Arkadin
Foto: jogiwan
nicht verwendete Hintergrundgrafik
Im gemütlichen schlauchförmigen Kinosaal machten Nello und ich eine kurze Einführung, bevor unsere erste Trailershow startete. Diverse Euro-35mm-Trailer flimmerten über die Leinwand und abgesehen von „Nachtschwester müsste man sein“ (Gloria Guida muss einfach dabei sein) handelte es sich ausschließlich um Material, das wir bisher noch nicht gezeigt hatten. Geplant waren ursprünglich zwei bis drei Trailer pro Film, doch aufgrund massiver Zeitprobleme am zweiten Tag ging diese Rechnung nicht auf, weshalb wir all unser Trailerpulver schon am ersten Abend verschießen mussten. Und nachdem es sich in Nürnberg so gut bewährt hatte, die Filmeinführungen an interessierte Forenmitglieder zu delegieren, konnten wir uns nun entspannt zurücklehnen und der Dinge harren, die Arkadin und karlAbundzu zu „Laura – Eine Frau geht durch die Hölle“ vorbereitet hatten. Und das „Weird Xperience“-erprobte Bremer Duo bewies einmal mehr, dass der Kreativität der Delirianer kaum Grenzen gesetzt sind, hatten sie doch so etwas wie ein kleines Stück einstudiert, in dem zwei Filmfreunde aufeinandertreffen, einer davon mit der „Laura“-VHS bewaffnet und darüber diskutieren, ob sie sich diesen Film ansehen wollen – gespickt mit zahlreichen Hintergrundinformationen zu Schauspielern, Regisseur Mattei alias Vincent Dawn etc.; so erfuhr ich unter anderem, dass Laura Gemser in wenigen Tagen Geburtstag haben würde. Das kleine cineastische Theaterstück endete damit, dass man sich darauf einigte, die Videokassette einzuschieben, woraufhin...
Alle Fotos: Arkadin
...noch nicht der Film begann, sondern der Clip „Law Viper“ des anwesenden Musikers Sospetto seine Premiere erlebte. Ein faszinierender Bilderreigen, unterlegt von großartiger, nach Genrefilm klingender Musik, die ich jedem nur ans Herz legen kann. In Form dieses witzigen „Jason takes Manhattan“-Clips im 8-Bit-Style hatte Nello dann noch eine gelungene Überraschung besonders für mich parat, der ich anscheinend einer der wenigen Menschen bin, die diesen Film sehr mögen:
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Nun wurd’s jedoch noch einmal richtig spannend, denn unsere „Laura“-Kopie sollte wohl nicht sonderlich guter Qualität sein, wie die Filmvorführer zu berichten wussten, sei an einigen Stellen übel verklebt gewesen und beim Testlauf sogar 2x gerissen. Was würde uns hier erwarten? Auch das ist Forentreffen-Nervenkitzel: Die erstmalige Sichtung von Filmfassungen... Doch alle Sorge war umsonst, denn offenbar hatte man im de France verdammt gute Arbeit geleistet und so lief der Film reibungslos durch und präsentierte prächtige, satte Farben, sah die meiste Zeit über gar nicht nach übermäßiger Abnutzung aus. So konnte man sich wunderbar an einem echten WIP für VIPs im Gewand einer „Black Emanuelle“-Fortsetzung erfreuen, den ich zudem noch gar nicht kannte. Sicherlich nach herkömmlichen Maßstäben kein wirklich guter Film, doch er hielt was er versprach und erfüllte meine Erwartungen. Wir schickten die bedauernswerte Laura durch die Hölle und hatten nicht mal ein schlechtes Gewissen!
Foto: Nello Pazzafini
Foto: Arkadin
Foto: Nello Pazzafini
Nach der Pause folgten die erste Verlosung, mit der die Glücksfeen jogiwan, Onkel Joe und Santini diverse Filme an glückliche Gewinner (und Gewinnerinnen) abtraten sowie der nächste Trailerblock quer durch die Genres und es war mir sogar gelungen, als kleine „Überraschung“ für Pierre-Richard-Skeptiker Onkel Joe den Richard/Depardieu-Trailer zu „Zwei irre Spaßvögel“ unterzujubeln. An Kannibalismus-Experte purgatorio war es sodann, in den zweiten Film des Abends einzuführen, denn mit Umberto Lenzis „Lebendig gefressen“ setzten wir nach unserer „Cannibal Holocaust“-Wiederaufführung letztes Jahr in Nürnberg unsere Kannibalenfilm-Affinität fort. Statt formal auf den Film einzugehen und Fakten herunterzurattern, bewies auch purgschi einmal mehr Kreativität, analysierte die Freud’sche psychologische Ebene des Films mit einem Augenzwinkern und hatte anschließend in bester Jean-Pütz-Manier spontan etwas vorbereitet, indem er veranschaulichte, wie man eine Maispfeife baut – eines von Roger Kermans Erkennungssymbolen in „Cannibal Holocaust“. Also einmal mehr unserem Bildungsauftrag gerecht geworden, dabei zügig zum Punkt gekommen, ohne sich auch nur einmal zu verhaspeln und der Humor kam auch nicht zu kurz – klasse! Ebenso wie der abschließende Hinweis Nellos auf die anstehende Neuveröffentlichung des Films für den Heimkino-Markt mit massig Bonusmaterial!
Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten alias John Lydon in "Copkiller"
Alle Fotos: Arkadin
Foto: Santini
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Film ab also für „Mangiati vivi“, eine geschmackliche Grenzerfahrung des italienischen Exploitation-Films – die mich derart in ihrer ersten halben Stunde einlullte, dass ich der kurzen Nacht sowie dem frühen Aufstehen Tribut zollte und unter dem genussvollen Gefühl gewichener Anspannung sanft ins Reich der Träume hinüberglitt... Ja, tatsächlich habe ich den Großteil des Films schlicht verpennt, doch glücklicherweise war er mir nicht unbekannt und nach seinem Ende konnte ich zahlreichen Diskussionen über das Gesehene sowie über „Laura“ lauschen.
Foto: Nello Pazzafini
Foto: Arkadin
Direkt gegenüber der Polizeistation enthüllte McBrewer dann ein weiteres Highlight, nämlich das berühmte und ersehnte Kofferraumbier – und zwar diesmal nicht irgendeines, sondern speziell angefertigtes DELIRIA BREW mit dem J&B-Whisky-Verschnitt nachempfundenen, von Jogschi gestalteten Etiketten. Das lief dann auch gleich umso besser die durstigen Kehlen hinunter! Danke unserem Braumeister für dieses großartige Alleinstellungsmerkmal!
Foto: McBrewer
Dreister Fall von Markenpiraterie, Teil 3... Foto: Santini
Meine Müdigkeit vergaß ich trotzdem nicht und so kam es zu einem weiteren Novum in der Geschichte unserer Forentreffen: Anstatt wie übliche noch in eine Pinte einzukehren und sich die halbe Nacht um die Ohren zu schlagen, orderte ich mit weiteren Delirianern ein Taxi, das uns zum Hotel fuhr, wo ich mich direkt ablegte und ordentlich Schlaf tankte – wodurch ich erstmals den zweiten Forentreffen-Tag gänzlich unverkatert antreten konnte, sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung.
Auf das ohnehin nicht im Zimmerpreis inbegriffene Frühstück pfiff ich geflissentlich und schlief stattdessen aus. Nun galt es, eine Entscheidung zu treffen: Sollte ich an der Sospetto-Signierstunde in Nellos Totem-Laden teilnehmen, die für 12:00 Uhr angesetzt war oder mich der Sehenswürdigkeitsgruppe um Stadtführer DrDjangoMD anschließen? Nach reiflicher Überlegung entschied ich mich für letzteres, war dies doch meine Chance, in meiner knappen Zeit in Wien doch noch etwas mehr von der Stadt zu sehen. Ich war ja gespannt, was ich so zu sehen bekommen würde, denn mein letzter und bisher einziger Wien-Aufenthalt lag ca. 15 Jahre zurück und beschränkte sich seinerzeit eigentlich auf den Hauptbahnhof und etwas Drumherum, da ich mich lediglich auf Durchreise befand. Aus dem ganzen trutschigen Sissi- und Trachten-Quatsch mache ich mir nun ja genauso wenig wie aus der vielbeschworenen Kaffeehaus-Kultur (ich trinke nicht mal Kaffee) oder aus Sacher-Torte und Mozart-Kugeln. Dank Doc2, der uns durch die zahlreichen architektonischen Höhepunkte der wunderschönen Stadt mit all ihren prunkvollen Gebäuden führte, bekam ich jedoch einen anderen Eindruck der Stadt, die an diesem für die Jahreszeit herrlich sonnigen Wochenende wie ein Magnet auf zahlreiche Menschen wirkte. Wahre Menschenmassen waren auf den Beinen, auf den Straßen war ordentlich was los. Zudem befand sich Wien gerade im Wahlkampf, vorbei an massenweise Wahlplakaten nahm ich am Rande Wahlkampfveranstaltungen der FPÖ-Unsympathen ebenso wahr wie Vorbereitungen zur großen Demo für Toleranz und Menschlichkeit. So kamen wir auch an einem großen Open-Air-Festivalgelände vorbei, wo gerade DIE TOTEN HOSEN höchstpersönlich ihren Soundcheck durchführten und drei Songs spielten. Gegen 23:00 Uhr sollten sie ihren Auftritt auf dieser großen Gratis-Veranstaltung unter dem Motto „Voices for Refugees“ haben und 100.000 Leute ziehen. Doc2 zeigte uns „Der Killer von Wien“-Drehorte und ich versprach, während des Films besonders darauf zu achten. Woanders waren Pferdekutschen unterwegs, wir schossen fleißig Fotos, fotografierten Gebäude, fotografierten uns vor Gebäuden, fotografierten uns gegenseitig beim Fotografieren – Touri-Overkill! Und ein Besuch im „Müller“ war auch noch drin, wo ich tatsächlich wieder ein schönes Schnäppchen machte.
Foto: jogiwan
Nach einer Stärkung in einem Café begaben wir uns dann so langsam auch in Richtung Kino, wo wir um 14:15 Uhr ankamen und nach und nach auch alle anderen eintrudelten – und sogar noch mehr als am Abend zuvor. Der heute Tag zog noch mehr Gäste an, Einheimische nebst neuen sympathischen Forengesichtern wie Asa Vajda + Lebensgefährtem. Nello befand sich wieder an der Kasse, Jogschi verteilte wieder Lose und im Saal führte ich kurz und knapp in den heutigen Ablauf ein, bedankte mich bei allen Beteiligten und musste auf einen weiteren Detailteufel hinweisen, nämlich den Umstand, dass es sich beim nun anstehenden „Top Job“ um eine Museumskopie handelt, bei der es uns nicht gestattet war, die einzelnen Akte miteinander zu koppeln – wie wir erst im Nachhinein erfuhren. Ich griff purgschis Idee auf und verkaufte das als weitere Erfüllung unseres Bildungsauftrags – schließlich konnte nun jeder Zuschauer Zeuge werden, wie lange so ein Akt jeweils läuft. Die kurzen Zwangspausen bei den Aktwechseln kamen zudem manch Raucher, Trinker und Toilettengänger entgegen. Vorher aber griff sich Onkel Joe noch das Mikro, der sich mit der Wiederaufführung dieses Films einen Traum erfüllt hatte. Nachdem ich mir zuvor den Fauxpas geleistet hatte, von einer britischen Koproduktion zu sprechen, weil ich das „E“ für eine Abkürzung für „England“ hielt (España wär’s gewesen...), führte der Onkel nun korrekt in den Film ein, berichtete über dessen Entstehung und die üblichen Kinski-Querelen am Set, geriet jedoch etwas ins Schlingern, als er bemerkte, dass einer seiner Notizbögen fehlte – dessen Diebstahls er zur allgemeinen Erheiterung Reinifilm bezichtigte.
nicht verwendete Hintergrundgrafik
Foto: Santini
Foto: Nello Pazzafini
Um Diebstahl ging es dann auch im Heist Movie selbst, der sich in guter Bildqualität und etwas verrauschtem Ton präsentierte. Die Schnittfassung war eine andere als die dem einen oder anderen von der leider vergriffenen DVD bekannte, ich hingegen sah ihn zum ersten Mal – und war begeistert! Der Onkel hatte nicht zuviel versprochen; ein unbedingter Klassiker, von dem ich hoffe, dass er in Bälde einmal auf Blu-ray erscheint. Nun hatten wir ja ohnehin schon die beiden etwas längeren Filme auf den Samstag gelegt, die Aktwechsel – fünf an der Zahl – torpedierten unsere Zeitplanung jedoch vollends. Dadurch fiel die Pause zwischen den Filmen denkbar knapp aus. Die zweite Verlosung durch unsere Glücksbringer ging flott über die Bühne, doch der arme Salvatore Baccaro, der sich dankenswerterweise bereiterklärt hatte, in „Der Killer von Wien“ einzuführen, hatte nun nur noch wenige Augenblicke zur Verfügung, so dass er seine halbstündige Abhandlung auf ein Minimum herunterbrechen musste. Dies machte er jedoch überaus charmant und brachte sogar noch unter, dass er sich im Wiener Wald verlaufen und einen Kohlrabi gefunden hatte. Die ausführlichere Fassung brachte er jedoch im Anschluss auf virtuelles Papier und kann hier nachgelesen werden.
nicht verwendete Hintergrundgrafik
Dann war auch schon soweit und DER italienische Wien-Film schlechthin und einer der beliebtesten Gialli überhaupt, Sergio Martinos „Der Killer von Wien“, entfaltete seine ganze Pracht und präsentierte neben seinen hübschen Locations und erschreckenden Morden eine bezaubernde Edwige Fenech überlebensgroß auf der Leinwand. Nach der großangelegten Spannung in „Top Job“ lehnte ich mich nun entspannt zurück, genoss Bilderreigen, Atmosphäre, Ambiente und Edwige, ließ mich gefangen nehmen von diesem wunderbaren Film, der aufgrund all seiner Qualitäten auch nach mehrfacher Sichtung noch prima funktioniert – selbst wenn man sich am Whodunit? nicht mehr beteiligt. Diese Vorstellung bescherte uns dann auch die vollsten Reihen des Wochenendes, der eine oder andere Wiener mehr wollte sich diese Hommage an seine Stadt nicht entgehen lassen.
Damit endete der offizielle Teil, was Reinschi zum Anlass nahm, das Heck seines Automobils zu öffnen und zwei Kästen feinsten Kofferraumbiers unters dürstende Volk zu bringen. Nello hatte uns aufgefordert, uns im Anschluss im fünften Stock überm Saturn zum gemeinsamen Abendessen einzufinden. Hatte er tatsächlich die Multimedia-Abteilung für uns reserviert? Bekämen wir Häppchen auf limitierten Blu-rays serviert? Alles Quatsch, überm Saturn befindet die Gastronomie „Brandauer“, die nicht nur massig Platz – immerhin hatte Nello 40 Plätze reserviert –, sondern auch leckeres Gezapftes und schmackhaftes Essen zu bieten hatte. Unweit vom Kino befindet sich das Lokal und so trudelten wir in Kleingruppen nacheinander ein. Dort lernte ich auch endlich Sospetto alias Deewani nebst Begleitung sowie Asa und ihren Freund persönlich kennen, freute mich über das für Omnivoren wie für Vegetarier gleichsam reichhaltige Angebot und aß mich an meiner deftigen Portion Linguini satt, während andere sich überdimensionale Schnitzel servieren ließen – kurioserweise jedoch vom Schwein statt wie die originalen Wiener Schnitzel vom Kalb. Die Dachterrasse bot einen schönen Ausblick und gepflegtes Raucherambiente, der Kellner war auf zack und verlor nicht den Überblick.
Blick von der Dachterrasse des Brandauer
Erneut in kleinen Gruppen brachen wir schließlich zum Absacker, Abschluss oder auch Absturz in Nellos urige Kneipe Café Voodoo auf, die sich ebenfalls in Fußnähe befindet. In gemütlichem Ambiente zwischen Filmplakaten und anderen Kunstwerken an den Wänden gab’s zu handverlesener Filmmusik ein Frischgezapftes nach dem anderen. Ein Raum war zunächst allein fürs Forentreffen reserviert worden, die nicht unsympathisch erscheinende Stammkundschaft zog sich in den anderem Raum zurück. Das Voodoo hatte genau die richtige Größe, die Zungen lockerten sich und es wurde sich reichlich ausgetauscht. Gegenüber Graciella, Familie McBrewer und ugo warf ich glaube ich irgendwann sämtliche Polizieschi durcheinander, nahm Lenzi und Kannibalenfilme in Schutz und verpflichtete mich entweder, einmal zu partizipieren, wenn Graciella am Hamburger Berg Filmmusik auflegt oder mit ihm und ugo Eastern zu schauen – vielleicht auch beides... Als Riz Ortolanis Thema zu „Cannibal Holocaust“ erklang, lallten mehrere Stimme in Richtung des vielbeschäftigten und tapfer zapfenden Nellos „Lauter!“ und abermals wurde mir bewusst, welch besonderes Zusammentreffen das hier eigentlich ist. Zu weit vorgerückter Stunde lichteten sich die Reihen und beinahe wäre mir die undankbare Rolle des letzten zahlenden Gastes zuteilgeworden, als ich beinahe hintenüberkippte, als Nello mir den letzten Stand unbezahlter Biere eröffnete. Glücklicherweise bog jedoch unerwartet Graciella doch noch um die Ecke und gab an, noch nicht bezahlt zu haben, womit sich auch dieses Rätsel zur allgemeinen Zufriedenheit löste. Vertieft in Gespräche über den „schönen René“ und andere Profiboxer fanden sich die Unermüdlichsten schließlich vorm Hoteleingang wieder, bevor sie buchstäblich als Letzte das Licht ausmachten.
Am nächsten dann doch etwas verkaterten Morgen räumte ich auf den letzten Drücker mein Zimmer, verzichtete abermals aufs Frühstück und verabschiedete mich von weiteren Delirianern. Die Santinis und ich hatten jedoch noch etwas Zeit bis zum Abflug herumzubringen und so zog es uns zusammen mit Arkadin und ugo noch spontan auf den Prater, wo manch einer seine Höhenangst überwand, als wir kollektiv das Riesenrad unseres Vorab-Flyers erklommen und uns Wien noch einmal von ganz oben ansahen. Gegessen wurde sicherheitshalber erst danach und dann wurd’s doch noch mal hektisch: Zurück ins Hotel, wo wir freundlicherweise wieder unsere Sachen abstellen durften, von dort aus zum Westbahnhof und mit dem Bus weiter zum Flughafen. Die Zeit verrann und wir rannten schließlich durchs Gebäude, passierten diesmal zwischenfallfrei die Kontrollen und schafften es in den letzten Minuten in den Flieger, der uns dann sicher und pünktlich nach Hamburg zurückbrachte.
Blick aus dem Riesenrad
Fazit: Der Aufwand hat sich wieder einmal gelohnt! Wir hatten ein paar wunderschöne Tage in Wien unter wunderbaren Menschen, bei für die Jahreszeit Spitzenwetter und einem tollen Programm. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an meine Mitstreiter Santini, Onkel Joe und jogiwan sowie an Nello, der ein perfekter Gastgeber war! Natürlich auch ans Kino-Team, das uns so nett aufgenommen hat, vor allem aber an jeden einzelnen, der erschienen ist. Das ist alles andere als selbstverständlich und für manch einen dürfte es das bisher kostspieligste Forentreffen gewesen sein. Umso bedauerlicher, dass ein paar Menschen, auf deren Wiedersehen ich mich gefreut hatte, es dann doch nicht geschafft haben. Meinen großen Respekt auch an alle, die den Weg nach Wien quasi allein, ohne jede Begleitung, auf sich genommen haben, zum Teil auch noch ohne uns bisher näher gekannt zu haben. Ich weiß, wie viel Überwindung so etwas kosten kann und freue mich umso mehr über dieses Engagement! Apropos Engagement: Einsame Spitze mal wieder, was viele von euch wieder beigesteuert haben, vom Mitbringsel übers Kofferraumbier bis hin zu Artikeln in Zeitschriften/Blogs, eigenen Clips und Filmeinführungen live vor Publikum! Das beweist doch, welch wunderbar dynamisches Miteinander wir haben, in das sich jeder mit einbringen kann, es eben nicht nur um den reinen Konsum geht. Ich hoffe, dass das Forentreffen für uns alle noch lange eine feste Institution bleiben wird!
An alle Beteiligten: Das war ein TOP JOB!
P.S.: Den überwiegenden Teil der Wiener habe ich als durchaus freundlich wahrgenommen; den von Canisius beschriebenen Unwillen, auszuweichen oder an Menschentrauben seitlich vorbeizugehen, habe ich jedoch auch zu spüren bekommen: Selten hatte ich so häufig das Gefühl, im Wege zu stehen. Und einmal hätte ich mich fast in einem Kinderwagen wiedergefunden. Gern hätte ich noch etwas mehr Zeit in Wien gehabt, um z.B. Nellos Laden in Ruhe durchzustöbern. Sehr inspirierend war es auch, zu erfahren, welch interessante Orte die anderen teilweise so aufgesucht hatten, von Drehortvergleichen über eine Comic-Messe bis hin zu einem morbiden Museum. Doch heute ist nicht alles Tage und ich bin mir sicher, dass Wien mich nicht zum letzten Mal gesehen hat!
SHOCKING FACTS: Die Wahrheit über Deliria över Vienna
Ein Bericht von Gualtiero Buxtopetti
Foto: Nello Pazzafini
Schon länger waren wir – allen Verhütungsmitteln zum Trotz – mit dem Gedanken schwanger gegangen, unser alljährliches Forentreffen auch einmal in Österreich, genauer: in Wien stattfinden zu lassen. Die Gründe lagen auf der Hand: Nicht nur, dass wir mit unserem Motzerator der Herzen jogiwan einen Bewohner der Alpenrepublik seit Jahren zu unserem festen Team zählen, mit verdienten Mitgliedern wie Nello Pazzafini und DrDjangoMD verfügt unser kleines Familienforum auch über eine starke Wien-Achse und alle drei Genannten fielen in der Vergangenheit gerade auch dadurch auf, regelmäßig weder Kosten noch Mühen zu scheuen, nach Deutschland zu reisen, um unseren Treffen beizuwohnen. So war es ohnehin an der Zeit, diesen einmal im wahrsten Sinne des Wortes einmal entgegenzukommen. Da Nello zudem einen verrückten Sammler mit 35-mm-Privatarchiv und Vorführmöglichkeiten aufgetan hatte, lag es nahe, daran zu partizipieren. Noch während unseres Gelages gemütlichen Beisammenseins in Nürnberg letztes Jahr wurde so der Entschluss gefasst, 2015 in Zusammenarbeit mit Nellos Cineploit-Label Wien unsicher zu machen.
Danke an Andre Breinbauer für diese schöne Zeichnung!
Und natürlich kam alles ganz anders, als gedacht. Besagter Sammler hatte seinem Hobby inzwischen weitestgehend abgeschworen und seine Sammlung aufgelöst, so dass wir davon unabhängig eine Örtlichkeit suchen mussten. In den Genuss des Luxus, dass sich dort ein Kino befunden hätte, dass uns und unsere Forentreffen kennt und große Lust auf uns gehabt hätte, kamen wir nun nicht gerade, doch Nello, unser Mann vor Ort, prüfte sämtliche Optionen und fand mit dem Kino de France schließlich einen willigen Kooperationspartner. Also flugs eingetütet, die Filmauswahl ausgewürfelt, Flyer und Plakate entworfen, in Druck gegeben und verbreitet, etwas Rahmenprogramm überlegt, Preise für die Verlosungen von Sponsoren zusammengetrommelt und zu internationalen Portopreisen Druckerzeugnisse und Filmrollen gen Österreich versandt. jogiwan gestaltete außerdem wieder ein exklusives T-Shirt, das erstmals bei einem Online-Drucker in Druck gegeben und direkt nach Wien verschickt wurde – so dass wir es auch erst am Tag des Forentreffens zu Gesicht bekamen. Glücklicherweise ging alles gut. Die Flugtickets waren gebucht, zahlreiche Delirianer hatten ihre Teilnahme avisiert, einige reisten sogar schon Tage vorher an und verbanden mit dem Forentreffen einen kleinen Wien-Urlaub. Ich hatte mich kurz vorher noch für ein paar Tage nach Katalonien abgesetzt, so dass es in der Woche des Forentreffens dann doch noch etwas hektisch wurde. Ungefähr eineinhalb Tage vor Abflug berieten Santini, der diesmal mit seiner reizenden Gattin anreiste, und ich, wie und wann wir gemeinsam gen Hamburger Flughafen aufbrechen würden – und es wurde uns bewusst, dass wir dazu mitten in der Nacht würden aufstehen müssen. Mein Plan, Donnerstag früh schlafen zu gehen, wurde von meinem Vorhaben durchkreuzt, auf den letzten Drücker noch Hintergrundgrafiken für die Leinwand zu basteln, was sich als fummeliger als geplant erwies – aber ich hätte ohnehin nicht gut schlafen können, viel zu aufgeregt war ich, ja nicht zu verschlafen...
Ankündigung im "Falter"
Als ich gerade mit gepacktem Koffer in den frühesten Freitagmorgenstunden meine Villa verlassen wollte, erreichte mich ein Anruf Santinis: Man komme mit einer Bahn später, da man den Fahrkartenautomaten wegrationalisiert habe und der Schaffner keinerlei Motivation aufwies, unter diesen Umständen dennoch Zusteigende nicht als Schwarzfahrer erkennungsdienstlich zu misshandeln. Die Santinis fanden eine Lösung, kamen eben etwas später, ich stieg zu und schlaftrunken machten wir uns nun gemeinsam auf den Weg. Am Flughafen dann die nächste Überraschung: Frau Santinis Ticket, das genau wie die anderen beiden Tickets meine Wenigkeit gebucht hatte, war für mit ohne Gepäck. Aha!? Angesichts meines kleinen Koffers kam der Herr am Check-in jedoch prompt auf die Problemlösung: Diesen nehme ich einfach als Handgepäck mit und die beiden größeren Koffer werden aufgegeben. Als mir einfiel, dass ich ja diverse Flüssigkeiten in meiner Baggage habe, waren die anderen jedoch schon aufgegeben. „100 Liter?!“ entfuhr es mir spontan auf die Aussage, wie viel Flüssigkeit ich im Handgepäck mitnehmen dürfe, doch, ach – 100 Milliliter hatte es geheißen, also tschüß, Zahnpasta, Duschgel und Creme...
Trotz aller Querelen pünktlich am Gate angekommen, beobachtete uns ein junger Mann aus dem Augenwinkel, den ich bei genauerem Hinsehen als Theoretiker identifizierte – Forentreffen light im Hamburger Flughafen. Mittlerweile war es draußen hell geworden, der Flieger hob relativ pünktlich ab, ich studierte noch kurz die Lokalpresse und probierte mich in Powernapping – beides mehr oder weniger erfolgreich. Ohne Turbulenzen in Wien angekommen, erwies es sich als Glücksfall, den Theoretiker dabei zu haben, hatte er sich doch als einziger unserer strategischen Reisegruppe ernsthaft im Vorfeld darüber informiert, wie man vom Flughafen zum Hotel kommt. Neben der Theorie beherrschte er auch die Praxis und leitete uns zielsicher zum Bus, den wir gegenüber der U-Bahn bevorzugten, da wir aus ihm heraus schon reichlich von Wien sehen konnten. Ohne Zwischenfälle erreichten wir früh den Westbahnhof und anschließend unsere Kaffeemühle getaufte Herberge, wo wir am Empfang direkt auf die ersten Forianer stießen. Einchecken konnten wir noch nicht, aber freundlicherweise unser Gepäck verstauen, woraufhin wir uns in kleiner Gruppe auf den Weg zu nahegelegenen Supermärkten machten – schließlich galt es, Getränke etc. sowie – in meinem Falle – Hygieneartikel ein- bzw. nachzukaufen... Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen, durften wir dann auch auf die Zimmer, die sich als vollkommen in Ordnung erwiesen. Im Anschluss trafen wir dann auch auf Jogschi, mit dem wir zusammen den Flohmarkt sowie Nellos Totem-Laden aufsuchten. Man begrüßte sich, tauschte letzte Informationen zu den Kinofilmen aus, sah sich etwas im stilsicher eingerichteten Platten- und Filmladen um etc. Außerdem nahmen wir die T-Shirts in Empfang und verpackten sie in die von Jogschi geschmackvoll gestalteten Umschläge. Der Flohmarkt war sehr gut besucht, wirklich interessante Angebote zum Thema Film fand ich für mich persönlich jedoch nicht, dafür umso mehr Vinylstände, die durchzusehen mir aber Zeit und Ruhe fehlten – das allein wäre ’ne tagesfüllende Angelegenheit gewesen.
Dreister Fall von Markenpiraterie, Teil 1: Zielpunkt statt Plus
Dreister Fall von Markenpiraterie, Teil 2: Hofer statt Aldi
Originalverpacktes T-Shirt
Blick aus dem Zimmerfenster
Als wir unseren Flohmarktbummel beendet hatten, holten wir die T-Shirts bei Nello ab und trafen dabei auf eine größere Gruppe Delirianer. Nach einen großen Hallo ging’s nach reiflicher Überlegung in das asiatische Restaurant gegenüber des Hotels – Manjare! Ich orderte zudem mein erstes Bier des Tages und ließ es mir schmecken. Reinschi händigte mir zu meiner Freude ein Überraschungspaket mit zahlreichen Filmen aus, darunter „Die Sonntagsfrau“ – vielen Dank, mein Lieber! Der erste richtig tiefenentspannte Moment des Tages; herrlicz, wie man in Tschechien sagt.
Wer nicht aufisst, zahlt 2,- EUR Strafe!
Der Plan war eigentlich, gegen 19:00 Uhr am Kino einzutreffen, doch noch um 18:55 Uhr war unser Mob damit beschäftigt, nacheinander U-Bahn-Tickets zu lösen, so dass wir mit etwas Verspätung am Kino aufliefen. Der Moment der Wahrheit war nun gekommen, denn: So schön es auch ist, jedes Jahr in eine andere Stadt einzufallen, neues Ambiente, neue Kinos und neue Menschen kennenzulernen, so birgt das doch auch jedes Mal gewisse Unsicherheiten: Wir vier können ein noch so eingespieltes Team sein, vor Ort haben wir jedes Jahr neue Ansprechpartner, unterschiedliches technisches Equipment zur Verfügung und der Teufel steckt oft im Detail, so auch diesmal. Das Basteln der Leinwandhintergründe hätte ich mir sparen können, denn diese konnten schlicht nicht gebeamt werden – weder vom Stick noch von CD. Unser Foyer-/Kino-Soundtrack konnte auch nicht gespielt werden und auch eine Video/Bilder-Show, die McBrewer liebevoll erstellt hatte, fiel hinten über. Alles Material hätte vorher konvertiert und auf einen Server geladen werden müssen, hieß es. Schade, aber nicht zu ändern und die Hauptsache sind natürlich die Spielfilme, doch dazu später mehr. Zunächst einmal war ich froh, im Kino auch einige unbekannte Gesichter, sprich weitere zahlende Gäste zu erspähen und etwas erstaunt darüber, dass Nello persönlich die Kasse übernahm – sowie glücklich darüber, dass weder ich, noch Santini oder Onkel Joe sich dieser Aufgabe annehmen mussten. Nello machte das in gewohnter Souveränität und Jogschi hatte wieder einmal hübsche Lose erstellt, die er jedem zahlenden Gast in die Hand drückte.
Foto: Arkadin
Foto: jogiwan
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Im gemütlichen schlauchförmigen Kinosaal machten Nello und ich eine kurze Einführung, bevor unsere erste Trailershow startete. Diverse Euro-35mm-Trailer flimmerten über die Leinwand und abgesehen von „Nachtschwester müsste man sein“ (Gloria Guida muss einfach dabei sein) handelte es sich ausschließlich um Material, das wir bisher noch nicht gezeigt hatten. Geplant waren ursprünglich zwei bis drei Trailer pro Film, doch aufgrund massiver Zeitprobleme am zweiten Tag ging diese Rechnung nicht auf, weshalb wir all unser Trailerpulver schon am ersten Abend verschießen mussten. Und nachdem es sich in Nürnberg so gut bewährt hatte, die Filmeinführungen an interessierte Forenmitglieder zu delegieren, konnten wir uns nun entspannt zurücklehnen und der Dinge harren, die Arkadin und karlAbundzu zu „Laura – Eine Frau geht durch die Hölle“ vorbereitet hatten. Und das „Weird Xperience“-erprobte Bremer Duo bewies einmal mehr, dass der Kreativität der Delirianer kaum Grenzen gesetzt sind, hatten sie doch so etwas wie ein kleines Stück einstudiert, in dem zwei Filmfreunde aufeinandertreffen, einer davon mit der „Laura“-VHS bewaffnet und darüber diskutieren, ob sie sich diesen Film ansehen wollen – gespickt mit zahlreichen Hintergrundinformationen zu Schauspielern, Regisseur Mattei alias Vincent Dawn etc.; so erfuhr ich unter anderem, dass Laura Gemser in wenigen Tagen Geburtstag haben würde. Das kleine cineastische Theaterstück endete damit, dass man sich darauf einigte, die Videokassette einzuschieben, woraufhin...
Alle Fotos: Arkadin
...noch nicht der Film begann, sondern der Clip „Law Viper“ des anwesenden Musikers Sospetto seine Premiere erlebte. Ein faszinierender Bilderreigen, unterlegt von großartiger, nach Genrefilm klingender Musik, die ich jedem nur ans Herz legen kann. In Form dieses witzigen „Jason takes Manhattan“-Clips im 8-Bit-Style hatte Nello dann noch eine gelungene Überraschung besonders für mich parat, der ich anscheinend einer der wenigen Menschen bin, die diesen Film sehr mögen:
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Nun wurd’s jedoch noch einmal richtig spannend, denn unsere „Laura“-Kopie sollte wohl nicht sonderlich guter Qualität sein, wie die Filmvorführer zu berichten wussten, sei an einigen Stellen übel verklebt gewesen und beim Testlauf sogar 2x gerissen. Was würde uns hier erwarten? Auch das ist Forentreffen-Nervenkitzel: Die erstmalige Sichtung von Filmfassungen... Doch alle Sorge war umsonst, denn offenbar hatte man im de France verdammt gute Arbeit geleistet und so lief der Film reibungslos durch und präsentierte prächtige, satte Farben, sah die meiste Zeit über gar nicht nach übermäßiger Abnutzung aus. So konnte man sich wunderbar an einem echten WIP für VIPs im Gewand einer „Black Emanuelle“-Fortsetzung erfreuen, den ich zudem noch gar nicht kannte. Sicherlich nach herkömmlichen Maßstäben kein wirklich guter Film, doch er hielt was er versprach und erfüllte meine Erwartungen. Wir schickten die bedauernswerte Laura durch die Hölle und hatten nicht mal ein schlechtes Gewissen!
Foto: Nello Pazzafini
Foto: Arkadin
Foto: Nello Pazzafini
Nach der Pause folgten die erste Verlosung, mit der die Glücksfeen jogiwan, Onkel Joe und Santini diverse Filme an glückliche Gewinner (und Gewinnerinnen) abtraten sowie der nächste Trailerblock quer durch die Genres und es war mir sogar gelungen, als kleine „Überraschung“ für Pierre-Richard-Skeptiker Onkel Joe den Richard/Depardieu-Trailer zu „Zwei irre Spaßvögel“ unterzujubeln. An Kannibalismus-Experte purgatorio war es sodann, in den zweiten Film des Abends einzuführen, denn mit Umberto Lenzis „Lebendig gefressen“ setzten wir nach unserer „Cannibal Holocaust“-Wiederaufführung letztes Jahr in Nürnberg unsere Kannibalenfilm-Affinität fort. Statt formal auf den Film einzugehen und Fakten herunterzurattern, bewies auch purgschi einmal mehr Kreativität, analysierte die Freud’sche psychologische Ebene des Films mit einem Augenzwinkern und hatte anschließend in bester Jean-Pütz-Manier spontan etwas vorbereitet, indem er veranschaulichte, wie man eine Maispfeife baut – eines von Roger Kermans Erkennungssymbolen in „Cannibal Holocaust“. Also einmal mehr unserem Bildungsauftrag gerecht geworden, dabei zügig zum Punkt gekommen, ohne sich auch nur einmal zu verhaspeln und der Humor kam auch nicht zu kurz – klasse! Ebenso wie der abschließende Hinweis Nellos auf die anstehende Neuveröffentlichung des Films für den Heimkino-Markt mit massig Bonusmaterial!
Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten alias John Lydon in "Copkiller"
Alle Fotos: Arkadin
Foto: Santini
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Film ab also für „Mangiati vivi“, eine geschmackliche Grenzerfahrung des italienischen Exploitation-Films – die mich derart in ihrer ersten halben Stunde einlullte, dass ich der kurzen Nacht sowie dem frühen Aufstehen Tribut zollte und unter dem genussvollen Gefühl gewichener Anspannung sanft ins Reich der Träume hinüberglitt... Ja, tatsächlich habe ich den Großteil des Films schlicht verpennt, doch glücklicherweise war er mir nicht unbekannt und nach seinem Ende konnte ich zahlreichen Diskussionen über das Gesehene sowie über „Laura“ lauschen.
Foto: Nello Pazzafini
Foto: Arkadin
Direkt gegenüber der Polizeistation enthüllte McBrewer dann ein weiteres Highlight, nämlich das berühmte und ersehnte Kofferraumbier – und zwar diesmal nicht irgendeines, sondern speziell angefertigtes DELIRIA BREW mit dem J&B-Whisky-Verschnitt nachempfundenen, von Jogschi gestalteten Etiketten. Das lief dann auch gleich umso besser die durstigen Kehlen hinunter! Danke unserem Braumeister für dieses großartige Alleinstellungsmerkmal!
Foto: McBrewer
Dreister Fall von Markenpiraterie, Teil 3... Foto: Santini
Meine Müdigkeit vergaß ich trotzdem nicht und so kam es zu einem weiteren Novum in der Geschichte unserer Forentreffen: Anstatt wie übliche noch in eine Pinte einzukehren und sich die halbe Nacht um die Ohren zu schlagen, orderte ich mit weiteren Delirianern ein Taxi, das uns zum Hotel fuhr, wo ich mich direkt ablegte und ordentlich Schlaf tankte – wodurch ich erstmals den zweiten Forentreffen-Tag gänzlich unverkatert antreten konnte, sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung.
Auf das ohnehin nicht im Zimmerpreis inbegriffene Frühstück pfiff ich geflissentlich und schlief stattdessen aus. Nun galt es, eine Entscheidung zu treffen: Sollte ich an der Sospetto-Signierstunde in Nellos Totem-Laden teilnehmen, die für 12:00 Uhr angesetzt war oder mich der Sehenswürdigkeitsgruppe um Stadtführer DrDjangoMD anschließen? Nach reiflicher Überlegung entschied ich mich für letzteres, war dies doch meine Chance, in meiner knappen Zeit in Wien doch noch etwas mehr von der Stadt zu sehen. Ich war ja gespannt, was ich so zu sehen bekommen würde, denn mein letzter und bisher einziger Wien-Aufenthalt lag ca. 15 Jahre zurück und beschränkte sich seinerzeit eigentlich auf den Hauptbahnhof und etwas Drumherum, da ich mich lediglich auf Durchreise befand. Aus dem ganzen trutschigen Sissi- und Trachten-Quatsch mache ich mir nun ja genauso wenig wie aus der vielbeschworenen Kaffeehaus-Kultur (ich trinke nicht mal Kaffee) oder aus Sacher-Torte und Mozart-Kugeln. Dank Doc2, der uns durch die zahlreichen architektonischen Höhepunkte der wunderschönen Stadt mit all ihren prunkvollen Gebäuden führte, bekam ich jedoch einen anderen Eindruck der Stadt, die an diesem für die Jahreszeit herrlich sonnigen Wochenende wie ein Magnet auf zahlreiche Menschen wirkte. Wahre Menschenmassen waren auf den Beinen, auf den Straßen war ordentlich was los. Zudem befand sich Wien gerade im Wahlkampf, vorbei an massenweise Wahlplakaten nahm ich am Rande Wahlkampfveranstaltungen der FPÖ-Unsympathen ebenso wahr wie Vorbereitungen zur großen Demo für Toleranz und Menschlichkeit. So kamen wir auch an einem großen Open-Air-Festivalgelände vorbei, wo gerade DIE TOTEN HOSEN höchstpersönlich ihren Soundcheck durchführten und drei Songs spielten. Gegen 23:00 Uhr sollten sie ihren Auftritt auf dieser großen Gratis-Veranstaltung unter dem Motto „Voices for Refugees“ haben und 100.000 Leute ziehen. Doc2 zeigte uns „Der Killer von Wien“-Drehorte und ich versprach, während des Films besonders darauf zu achten. Woanders waren Pferdekutschen unterwegs, wir schossen fleißig Fotos, fotografierten Gebäude, fotografierten uns vor Gebäuden, fotografierten uns gegenseitig beim Fotografieren – Touri-Overkill! Und ein Besuch im „Müller“ war auch noch drin, wo ich tatsächlich wieder ein schönes Schnäppchen machte.
Foto: jogiwan
Nach einer Stärkung in einem Café begaben wir uns dann so langsam auch in Richtung Kino, wo wir um 14:15 Uhr ankamen und nach und nach auch alle anderen eintrudelten – und sogar noch mehr als am Abend zuvor. Der heute Tag zog noch mehr Gäste an, Einheimische nebst neuen sympathischen Forengesichtern wie Asa Vajda + Lebensgefährtem. Nello befand sich wieder an der Kasse, Jogschi verteilte wieder Lose und im Saal führte ich kurz und knapp in den heutigen Ablauf ein, bedankte mich bei allen Beteiligten und musste auf einen weiteren Detailteufel hinweisen, nämlich den Umstand, dass es sich beim nun anstehenden „Top Job“ um eine Museumskopie handelt, bei der es uns nicht gestattet war, die einzelnen Akte miteinander zu koppeln – wie wir erst im Nachhinein erfuhren. Ich griff purgschis Idee auf und verkaufte das als weitere Erfüllung unseres Bildungsauftrags – schließlich konnte nun jeder Zuschauer Zeuge werden, wie lange so ein Akt jeweils läuft. Die kurzen Zwangspausen bei den Aktwechseln kamen zudem manch Raucher, Trinker und Toilettengänger entgegen. Vorher aber griff sich Onkel Joe noch das Mikro, der sich mit der Wiederaufführung dieses Films einen Traum erfüllt hatte. Nachdem ich mir zuvor den Fauxpas geleistet hatte, von einer britischen Koproduktion zu sprechen, weil ich das „E“ für eine Abkürzung für „England“ hielt (España wär’s gewesen...), führte der Onkel nun korrekt in den Film ein, berichtete über dessen Entstehung und die üblichen Kinski-Querelen am Set, geriet jedoch etwas ins Schlingern, als er bemerkte, dass einer seiner Notizbögen fehlte – dessen Diebstahls er zur allgemeinen Erheiterung Reinifilm bezichtigte.
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Foto: Santini
Foto: Nello Pazzafini
Um Diebstahl ging es dann auch im Heist Movie selbst, der sich in guter Bildqualität und etwas verrauschtem Ton präsentierte. Die Schnittfassung war eine andere als die dem einen oder anderen von der leider vergriffenen DVD bekannte, ich hingegen sah ihn zum ersten Mal – und war begeistert! Der Onkel hatte nicht zuviel versprochen; ein unbedingter Klassiker, von dem ich hoffe, dass er in Bälde einmal auf Blu-ray erscheint. Nun hatten wir ja ohnehin schon die beiden etwas längeren Filme auf den Samstag gelegt, die Aktwechsel – fünf an der Zahl – torpedierten unsere Zeitplanung jedoch vollends. Dadurch fiel die Pause zwischen den Filmen denkbar knapp aus. Die zweite Verlosung durch unsere Glücksbringer ging flott über die Bühne, doch der arme Salvatore Baccaro, der sich dankenswerterweise bereiterklärt hatte, in „Der Killer von Wien“ einzuführen, hatte nun nur noch wenige Augenblicke zur Verfügung, so dass er seine halbstündige Abhandlung auf ein Minimum herunterbrechen musste. Dies machte er jedoch überaus charmant und brachte sogar noch unter, dass er sich im Wiener Wald verlaufen und einen Kohlrabi gefunden hatte. Die ausführlichere Fassung brachte er jedoch im Anschluss auf virtuelles Papier und kann hier nachgelesen werden.
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Dann war auch schon soweit und DER italienische Wien-Film schlechthin und einer der beliebtesten Gialli überhaupt, Sergio Martinos „Der Killer von Wien“, entfaltete seine ganze Pracht und präsentierte neben seinen hübschen Locations und erschreckenden Morden eine bezaubernde Edwige Fenech überlebensgroß auf der Leinwand. Nach der großangelegten Spannung in „Top Job“ lehnte ich mich nun entspannt zurück, genoss Bilderreigen, Atmosphäre, Ambiente und Edwige, ließ mich gefangen nehmen von diesem wunderbaren Film, der aufgrund all seiner Qualitäten auch nach mehrfacher Sichtung noch prima funktioniert – selbst wenn man sich am Whodunit? nicht mehr beteiligt. Diese Vorstellung bescherte uns dann auch die vollsten Reihen des Wochenendes, der eine oder andere Wiener mehr wollte sich diese Hommage an seine Stadt nicht entgehen lassen.
Damit endete der offizielle Teil, was Reinschi zum Anlass nahm, das Heck seines Automobils zu öffnen und zwei Kästen feinsten Kofferraumbiers unters dürstende Volk zu bringen. Nello hatte uns aufgefordert, uns im Anschluss im fünften Stock überm Saturn zum gemeinsamen Abendessen einzufinden. Hatte er tatsächlich die Multimedia-Abteilung für uns reserviert? Bekämen wir Häppchen auf limitierten Blu-rays serviert? Alles Quatsch, überm Saturn befindet die Gastronomie „Brandauer“, die nicht nur massig Platz – immerhin hatte Nello 40 Plätze reserviert –, sondern auch leckeres Gezapftes und schmackhaftes Essen zu bieten hatte. Unweit vom Kino befindet sich das Lokal und so trudelten wir in Kleingruppen nacheinander ein. Dort lernte ich auch endlich Sospetto alias Deewani nebst Begleitung sowie Asa und ihren Freund persönlich kennen, freute mich über das für Omnivoren wie für Vegetarier gleichsam reichhaltige Angebot und aß mich an meiner deftigen Portion Linguini satt, während andere sich überdimensionale Schnitzel servieren ließen – kurioserweise jedoch vom Schwein statt wie die originalen Wiener Schnitzel vom Kalb. Die Dachterrasse bot einen schönen Ausblick und gepflegtes Raucherambiente, der Kellner war auf zack und verlor nicht den Überblick.
Blick von der Dachterrasse des Brandauer
Erneut in kleinen Gruppen brachen wir schließlich zum Absacker, Abschluss oder auch Absturz in Nellos urige Kneipe Café Voodoo auf, die sich ebenfalls in Fußnähe befindet. In gemütlichem Ambiente zwischen Filmplakaten und anderen Kunstwerken an den Wänden gab’s zu handverlesener Filmmusik ein Frischgezapftes nach dem anderen. Ein Raum war zunächst allein fürs Forentreffen reserviert worden, die nicht unsympathisch erscheinende Stammkundschaft zog sich in den anderem Raum zurück. Das Voodoo hatte genau die richtige Größe, die Zungen lockerten sich und es wurde sich reichlich ausgetauscht. Gegenüber Graciella, Familie McBrewer und ugo warf ich glaube ich irgendwann sämtliche Polizieschi durcheinander, nahm Lenzi und Kannibalenfilme in Schutz und verpflichtete mich entweder, einmal zu partizipieren, wenn Graciella am Hamburger Berg Filmmusik auflegt oder mit ihm und ugo Eastern zu schauen – vielleicht auch beides... Als Riz Ortolanis Thema zu „Cannibal Holocaust“ erklang, lallten mehrere Stimme in Richtung des vielbeschäftigten und tapfer zapfenden Nellos „Lauter!“ und abermals wurde mir bewusst, welch besonderes Zusammentreffen das hier eigentlich ist. Zu weit vorgerückter Stunde lichteten sich die Reihen und beinahe wäre mir die undankbare Rolle des letzten zahlenden Gastes zuteilgeworden, als ich beinahe hintenüberkippte, als Nello mir den letzten Stand unbezahlter Biere eröffnete. Glücklicherweise bog jedoch unerwartet Graciella doch noch um die Ecke und gab an, noch nicht bezahlt zu haben, womit sich auch dieses Rätsel zur allgemeinen Zufriedenheit löste. Vertieft in Gespräche über den „schönen René“ und andere Profiboxer fanden sich die Unermüdlichsten schließlich vorm Hoteleingang wieder, bevor sie buchstäblich als Letzte das Licht ausmachten.
Am nächsten dann doch etwas verkaterten Morgen räumte ich auf den letzten Drücker mein Zimmer, verzichtete abermals aufs Frühstück und verabschiedete mich von weiteren Delirianern. Die Santinis und ich hatten jedoch noch etwas Zeit bis zum Abflug herumzubringen und so zog es uns zusammen mit Arkadin und ugo noch spontan auf den Prater, wo manch einer seine Höhenangst überwand, als wir kollektiv das Riesenrad unseres Vorab-Flyers erklommen und uns Wien noch einmal von ganz oben ansahen. Gegessen wurde sicherheitshalber erst danach und dann wurd’s doch noch mal hektisch: Zurück ins Hotel, wo wir freundlicherweise wieder unsere Sachen abstellen durften, von dort aus zum Westbahnhof und mit dem Bus weiter zum Flughafen. Die Zeit verrann und wir rannten schließlich durchs Gebäude, passierten diesmal zwischenfallfrei die Kontrollen und schafften es in den letzten Minuten in den Flieger, der uns dann sicher und pünktlich nach Hamburg zurückbrachte.
Blick aus dem Riesenrad
Fazit: Der Aufwand hat sich wieder einmal gelohnt! Wir hatten ein paar wunderschöne Tage in Wien unter wunderbaren Menschen, bei für die Jahreszeit Spitzenwetter und einem tollen Programm. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an meine Mitstreiter Santini, Onkel Joe und jogiwan sowie an Nello, der ein perfekter Gastgeber war! Natürlich auch ans Kino-Team, das uns so nett aufgenommen hat, vor allem aber an jeden einzelnen, der erschienen ist. Das ist alles andere als selbstverständlich und für manch einen dürfte es das bisher kostspieligste Forentreffen gewesen sein. Umso bedauerlicher, dass ein paar Menschen, auf deren Wiedersehen ich mich gefreut hatte, es dann doch nicht geschafft haben. Meinen großen Respekt auch an alle, die den Weg nach Wien quasi allein, ohne jede Begleitung, auf sich genommen haben, zum Teil auch noch ohne uns bisher näher gekannt zu haben. Ich weiß, wie viel Überwindung so etwas kosten kann und freue mich umso mehr über dieses Engagement! Apropos Engagement: Einsame Spitze mal wieder, was viele von euch wieder beigesteuert haben, vom Mitbringsel übers Kofferraumbier bis hin zu Artikeln in Zeitschriften/Blogs, eigenen Clips und Filmeinführungen live vor Publikum! Das beweist doch, welch wunderbar dynamisches Miteinander wir haben, in das sich jeder mit einbringen kann, es eben nicht nur um den reinen Konsum geht. Ich hoffe, dass das Forentreffen für uns alle noch lange eine feste Institution bleiben wird!
An alle Beteiligten: Das war ein TOP JOB!
P.S.: Den überwiegenden Teil der Wiener habe ich als durchaus freundlich wahrgenommen; den von Canisius beschriebenen Unwillen, auszuweichen oder an Menschentrauben seitlich vorbeizugehen, habe ich jedoch auch zu spüren bekommen: Selten hatte ich so häufig das Gefühl, im Wege zu stehen. Und einmal hätte ich mich fast in einem Kinderwagen wiedergefunden. Gern hätte ich noch etwas mehr Zeit in Wien gehabt, um z.B. Nellos Laden in Ruhe durchzustöbern. Sehr inspirierend war es auch, zu erfahren, welch interessante Orte die anderen teilweise so aufgesucht hatten, von Drehortvergleichen über eine Comic-Messe bis hin zu einem morbiden Museum. Doch heute ist nicht alles Tage und ich bin mir sicher, dass Wien mich nicht zum letzten Mal gesehen hat!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Alter Falter, Bux - wat ein Text Ich hab den ganzen ersten Tag gelesen und den Rest dann nur noch aufmerksam überflogen - Reiseroman Aber super
Von der Seite hatte ich das noch nicht betrachtet. Ich dachte ja, dass der Zwischenfall dadurch entstand, dass du eben gesenkten Hauptes in der Passage gestanden hattest und auf dein Wischtelefon starrtest. Aber nein! Die Frau hatte einfach voll auf dich zugehaltenbuxtebrawler hat geschrieben:Den überwiegenden Teil der Wiener habe ich als durchaus freundlich wahrgenommen; den von Canisius beschriebenen Unwillen, auszuweichen oder an Menschentrauben seitlich vorbeizugehen, habe ich jedoch auch zu spüren bekommen: Selten hatte ich so häufig das Gefühl, im Wege zu stehen. Und einmal hätte ich mich fast in einem Kinderwagen wiedergefunden.
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
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Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
super reisebericht, bux! Und die Vor-FIlm-Grafiken sind sehr hübsch geworden, schade, dass sie nicht auf die Leinwand kamen.
Ich freu mich auf das nächste Mal.
Ich freu mich auf das nächste Mal.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Klasse Text lieber Buxte , eine Kleinigkeit hat mir gefehlt: "The Flying Knüppel G." und das tosende Gelächter im Taxi (Sonntag früh um 4 Uhr) vom Voodoo zum Hotel und das genauso laute Gelächter vor dem Hotel als Santini uns mehrfach seine Ali Shuffle vollführte. Herrlich, ich habe schon lange nicht mehr so gelacht wie da .
Dazu noch die vier halbe von Canisius und diese Wilden Storys die dort unter unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzählt wurden, haben dieses großartige Wochenende zu ihrem wohlverdienten Ende gebracht.
Ein Super Wochenende, tolle Filme und wirklich ganz großartige Menschen die sich dort eingefunden haben.
Eine Virtuelle Umarmung an alle und ich freue mich schon so sehr auf das nächste Jahr!
Dazu noch die vier halbe von Canisius und diese Wilden Storys die dort unter unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzählt wurden, haben dieses großartige Wochenende zu ihrem wohlverdienten Ende gebracht.
Ein Super Wochenende, tolle Filme und wirklich ganz großartige Menschen die sich dort eingefunden haben.
Eine Virtuelle Umarmung an alle und ich freue mich schon so sehr auf das nächste Jahr!
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
- buxtebrawler
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Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Das wollte ich mit "Vertieft in Gespräche über den 'schönen René' und andere Profiboxer..." andeutenOnkel Joe hat geschrieben:Klasse Text lieber Buxte , eine Kleinigkeit hat mir gefehlt: "The Flying Knüppel G." und das tosende Gelächter im Taxi (Sonntag früh um 4 Uhr) vom Voodoo zum Hotel und das genauso laute Gelächter vor dem Hotel als Santini uns mehrfach seine Ali Shuffle vollführte. Herrlich, ich habe schon lange nicht mehr so gelacht wie da .
Dazu noch die vier halbe von Canisius und diese Wilden Storys die dort unter unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzählt wurden, haben dieses großartige Wochenende zu ihrem wohlverdienten Ende gebracht.
Ja, war der Hammer!
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Wow, buxschi, was für ein Report!
"You can´t love animals and eat them too."
"Dressing well is a form of good manners." - Tom Ford
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- Nello Pazzafini
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Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Bux in seinem Element und das ohne Leuchtstift alles abgespeichert im Gross- wie Kleinhirn und niedergeschrieben - grossartig! Ja, es gäbe noch so viel mehr aber die liebe Zeit........aber man ist ja schnell wieder mal da wenn man das will (und es sich zeitlich machen lässt)
Re: SECHSTES OFFIZIELLES FORENTREFFEN: DELIRIA ÖVER VIENNA
Buxtebrawler, die Ausgeburt des Fleißes! Ein toller Text mit viel Hingabe und Liebe zum Detail geschrieben. Gefällt mir.
An Dir ist ein Film- und/oder Musikjournalist verloren gegangen. Respekt.
Und an Santini ein erstklassiger Boxer mit herausragender Beinarbeit...
Spaß beiseite, Jungs, das Wochenende in Wien war echt großartig. Schade, dass alles schon wieder vorbei ist.
Egal, hoch die Tassen!
An Dir ist ein Film- und/oder Musikjournalist verloren gegangen. Respekt.
Und an Santini ein erstklassiger Boxer mit herausragender Beinarbeit...
Spaß beiseite, Jungs, das Wochenende in Wien war echt großartig. Schade, dass alles schon wieder vorbei ist.
Egal, hoch die Tassen!
„Ist es denn schade um diesen Strohhalm, Du Hampelmann?“