Among the Living - Alexandre Bustillo & Julien Maury (2014)

Moderator: jogiwan

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horror1966
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Among the Living - Alexandre Bustillo & Julien Maury (2014)

Beitrag von horror1966 »

Among the Living

Bild

Among the Living - Das Böse ist hier
(Aux yeux des vivants)
mit Anne Marivin, Théo Fernandez, Francis Renaud, Zacharie Chasseriaud, Damien Ferdel, Fabien Jegoudez, Nicolas Giraud, Béatrice Dalle, Chloé Coulloud, Dominique Frot, Martina Angareva, Victor Carril
Regie: Alexandre Bustillo / Julien Maury
Drehbuch: Alexandre Bustillo / Julien Maury
Kamera: Antoine Sanier
Musik: Raphaël Gesqua
keine Jugendfreigabe
Frankreich / 2014

Der letzte Sommertag vor den Ferien. Eigentlich wartet nun draußen vor dem Fenster das große Abenteuer auf Victor, Dan und Tom - zu dumm, dass die drei Freunde nicht gerade Musterschüler sind und ausgerechnet heute nachsitzen müssen. Sie können jedoch einen Fluchtplan schmieden, und nur wenig später sind die Jungs unterwegs über sonnenheiße Wiesen und Felder, hin zu dem alten verfallenen Studiogelände mit heruntergekommenen Bauten. Ein aufregender Nachmittag . Ihr unbeschwertes Spiel findet ein jähes Ende, als die Drei plötzlich zu Zeugen eines grausamen Verbrechens werden. Im Schatten der verlassenen Bauten lauert etwas unsagbar Böses, ein unheimliches Phantom, das den Jungs auf ihrer panischen Flucht bis nach Hause folgt. Und hier erst, im vermeintlichen Schutz ihrer Familien, beginnt mit Einbruch der Nacht für Kinder und Eltern ein blutiger Kampf ums Überleben.


Spätestens seit dem Jahr 2003 geht der geneigte Horror Fan doch mit ziemlich hohen Erwartungen an das französische Terrorkino heran, hat zu dieser Zeit doch ein gewisser Alexandre Aja mit seinem Film "High Tension" neue Maßstäbe gesetzt und dem französischen Horrorfilm eine vollkommen neue Qualitätsstufe verliehen. Seitdem erscheinen in regelmäßigen Abständen immer wieder äußerst sehenswerte und zudem teils recht derbe Beiträge aus unserem Nachbarland, wobei insbesondere Werke wie "Frontier(s)", "Martyrs" oder auch "Inside" in aller Munde sein dürften. Letzterer Titel war 2007 das Debüt des Regie Duos Alexandre Bustillo und Julien Maury und dürfte zu den härtesten und blutigsten Vertretern zählen, die innerhalb der letzten Jahre den Weg zu uns gefunden haben. Nach dem Nachfolger "Livid" der übrigens auch absolut sehenswert war präsentiert das Duo nun mit "Among the Living - Das Böse ist hier" seine mittlerweile dritte Zusammenarbeit, die schon im Vorfeld eine gewisse Erwartungshaltung bei den Fans ausgelöst haben dürfte. Und genau in diesem Aspekt ist dann auch gleich die größte Schwäche des Werkes zu suchen, das nämlich hoch angesiedelten Erwartungen keinesfalls gerecht werden kann. Dennoch handelt es sich ganz bestimmt um keinen schlechten Film, doch irgendwie fehlt es dieses Mal am nötigen Esprit und der Raffinesse, um von einem gänzlich überzeugendem Szenario sprechen zu können. Wirkte gerade "Livid" noch sehr originell und streckenweise sogar innovativ, so lässt die vorliegende Geschichte diese Prädikate vollends vermissen. Schon nach wenigen Minuten weiß man als Zuschauer so ziemlich genau in welche Richtung die Abläufe zielen und es stellt sich frühzeitig die Erkenntnis ein, das man hier vergebens auf echte Überraschungsmomente warten wird.

Zu vorhersehbar und seltsam bekannt erscheinen einem die gesamten Geschehnisse, denn solche oder ähnlich gelagerte Geschichten hat man nur allzu oft zu Gesicht bekommen. An sich wäre das noch kein großes Problem, denn eine atmosphärisch stimmige und zudem spannende Umsetzung würden das Ganze noch sehr gut ausgleichen, doch auch in dieser Beziehung kann "Among the Living" leider nur phasenweise wirklich punkten. Von der Grundstimmung her ist das Werk dabei noch vollkommen in Ordnung, der Spannungsaufbau gestaltet sich aber nur in einigen Passagen als erkennbares Merkmal und kann keineswegs als konstant bezeichnet werden. Das größte Manko ist allerdings in der Story an sich zu sorgen, denn schon bei der Bezeichnung "ausgedünnte Rahmenhandlung" würde man ehrlich gesagt zu einer starken Übertreibung neigen. Dabei verspricht doch gerade der Einstieg in die Abläufe eine ganze Menge und lässt gleichzeitig auch eine recht mysteriöse Note aufkommen, die allerdings mit zunehmender Laufzeit immer mehr zu verkümmern droht.

Alexandre Bustillo und Julien Maury hätten ganz besonders diesem Aspekt viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen und den Zuschauer auch gleichzeitig mit mehr Hintergrundinformationen versorgen können, haben dies jedoch fast schon sträflich vernachlässigt, so das diese Komponente fast vollkommen im Sande versiegt. Stattdessen bekommt man den typischen 08/15 Horror geboten, mit dem man mittlerweile kaum noch einen Hund hinter dem Ofen hervor locken kann und sieht sich auch ansonsten kaum erwähnenswerten Schauwerten gegenüber, die man in irgendeiner Form besonders hervorheben müsste. In erster Linie ist das wohl auf den vorhandenen Härtegrad bezogen, der in erster Linie für Ernüchterung beim Betrachter sorgen dürfte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wird hier nämlich kaum etwas geboten und die etwas härteren und blutigen Passagen kann man sich getrost an einer Hand abzählen. Ein oder zwei heftigere Szenen und das war es dann im Prinzip auch schon mit der ganzen Herrlichkeit, denn die meisten der Tötungen werden noch nicht einmal im Ansatz gezeigt. Nun ist darin ganz bestimmt nicht der einzige Indikator für die Qualität eines Filmes zu suchen, doch gerade bei den französischen Produktionen dieser Art hat man als Fan nun einmal ganz bestimmte Hoffnungen, die sich hier definitiv nicht erfüllen.

Nun hört sich das jetzt natürlich alles eher negativ an und dennoch bietet "Among the Living" recht kurzweilige Unterhaltung. Man sollte halt nur schon im Vorfeld die eigenen Erwartungen nicht mit den ganz großen Vertretern aus unserem Nachbarland verknüpfen, denn diesem Vergleich kann der Film keinesfalls standhalten. Von Bustillo / Maury erwartet man ganz einfach mehr als eine Story, die man schon des Öfteren weitaus besser umgesetzt zu Gesicht bekommen hat und deshalb herrscht nun einmal zuerst eine ziemliche Enttäuschung zu Grunde. Bei näherer Betrachtung kann sich der Film dann aber immer noch knapp oberhalb des üblichen Durchschnitts ansiedeln, doch für eine höhere Einstufung reicht es leider nicht aus. Dabei hätte man aus den vorhandenen Zutaten weitaus mehr heraus holen können, indem man die erkennbaren Ansätze konsequent heraus gearbeitet hätte. So wäre beispielsweise eine nähere Beleuchtung des Täters und dessen Familienhintergründe von großem Vorteil gewesen und hätten dem Ganzen eventuell sogar etwas psychologische Tiefe verliehen. Ein paar mehr logische Abläufe hätten dem Gesamtbild auch bestimmt nicht geschadet, doch in vorliegender Form kommt es leider immer wieder zu Momenten, die in irgendeiner Art und Weise willkürlich und unzusammenhängend erscheinen.

Natürlich wird ein jeder das anders sehen und das ist auch gut so, denn schließlich können wir ja nicht alle den gleichen Geschmack haben. Über einen Punkt dürften die Meinungen allerdings schwerlich auseinander gehen, denn das dargebotene Schauspiel war doch ehrlich gesagt eine mittelschwere Enttäuschung. Diese liegt jedoch noch nicht einmal in den Leistungen der Akteure begründet sonder vielmehr in der Tatsache, das keine einzige Figur hier wirklich zur ganzen Entfaltung kommen kann. Sämtliche Darsteller kommen nicht über den Stellenwert einer Nebenrolle hinaus, zudem kristallisiert sich während der gesamten Laufzeit kein wirklicher Sympathieträger heraus, mit dem man so richtig mitfiebern könnte. Auch diesen Punkt wird manch einer anders sehen, doch im Zusammenfluss mit den restlichen Komponenten bleibt so letztendlich nur ein Gesamtbild übrig, das ziemlich weit hinter den eigenen Erwartungen zurück bleibt. Eigentlich ist das sehr schade, doch insgesamt gesehen ist "Among the Living" auf jeden Fall der schwächste Beitrag, den Alexandre Bustillo und Julien Maury dem französischen Terrorkino einverleibt haben.


Fazit:


Wer Innovation, überraschende Momente oder einen visuell expliziten Härtegrad erwartet ist hier an der falschen Adresse. "Among the Living" bietet leider nicht mehr als ein 08/15 Szenario, an dem man jedoch mit einer geringeren Erwartungshaltung dennoch seine Freude haben kann.


6/10
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Arkadin
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Re: Among the Living - Alexandre Bustillo / Julien Maury

Beitrag von Arkadin »

An ihrem letzten Schultag vor den Ferien werden Victor (Théo Fernandez), Dan (Damien Ferdel) und Tom (Zacharie Chasseriaud) von ihrer strengen Lehrerin zum Nachsitzen verdonnert. Doch statt ihre Strafe abzusitzen, nehmen sie Reißaus und vertreiben sich die Zeit in der Natur. Dabei geraten sie auf das verlassene Filmgelände der Blackwoods Studios. Als sie dort zufällig eine brutal zugerichtete Frau im Kofferraum eines Autos finden und von einer vermummten Gestalt verfolgt werden, können sie knapp vom Filmgelände entkommen. Während die Polizei ihnen ihre abenteuerliche Geschichte nicht glaubt, macht sich der Unheimliche auf, die drei Kinder aus den Weg zu räumen…

Spricht man über die Regisseure von „Among the Living“, Alexandre Bustillo und Julien Maury, kommt man nicht umhin, ihren Erstling zu erwähnen. 2007 gelang ihnen mit „Inside“ ein aufsehenerregendes Debüt, welches zusammen mit Filmen wie „High Tension“ von Alexandre Aja und „Martyrs“ von Pascal Laugier zu den Speerspitzen eines neuen, harten Welle des französischen Splatterfilms wurde. Kein Wunder also, dass dieser Film dann auch postwendend von den deutschen Behörden einkassiert wurde. Wer glaubte, dass sie mit ihrem zweiten Film, „Livid“, die eingeschlagene Gangart fortsetzen würden, sah sich ge-, oftmals auch enttäuscht. Trotz einiger Härten ist „Livid“ eher eine Mischung aus klassischem Grusel- und Märchenfilm. „Among the Living“ ist nun erst ihr dritter Spielfilm und reiht sich irgendwo zwischen „Inside“ und „Livid“ ein. Weder besitzt er die Ultragewalt eines „Inside“, noch den märchenhaften Grusel eines „Livid“. Trotzdem nutzt er Elemente, die bei seinen beiden Vorgängern bereits zu finden sind. Die Eröffnungsszene weist mit einer hochschwangeren und messerschwingenden Béatrice Dalle ganz klar auf „Inside“ hin. Gleichzeitig schwebt über den Szenen mit den drei Jungen, die aus der Schule in die Natur flüchten, auch das golden-märchenhafte aus „Livid“. Das wirkt auf den ersten Blick recht inhomogen, als wüssten die Regisseure nicht, in welche Richtung sie sich bewegen wollten. Und tatsächlich ist die Inszenierung der ersten Hälfte des Filmes sehr viel schwelgerischen und vor allem näher an den Charakteren als die zweite Hälfte die teilweise sehr gehetzt wirkt, als ob hier zahlreiche Handlungselemente aus Straffungsgründen über Bord geworfen worden wären.

In der ersten Hälfte konzentrieren sich Bustillo & Maury ganz auf ihre drei Protagonisten und ihre Flucht aus einer repressiven Umwelt, hinaus in die große Freiheit. Dabei werden alle drei nicht als sympathische Helden präsentiert, sondern sind schwierige Teenager, die nicht wirklich wissen, wo sie in der Welt stehen und diese Unsicherheit mit Aggression und krimineller Energie ausgleichen. Trotzdem zeigen Bustillo & Maury auch die schönen Seiten der Jugend. Das in den Tag hinein träumen, der Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit und den noch vorhanden „sense of wonder“. All dies wird von Bustillo & Maury in romantisierenden, warmen Bildern festgehalten. Dass die drei dabei ohne Skrupel einem Bauern die Scheune abfackeln wollen und Tom diesen fast tot schlägt, irritiert und wirft den Zuschauer aus der Bahn, denn dies entspricht nicht dem, wie sich jugendliche Protagonisten im Film zu benehmen haben. Daher greift hier auch nicht der oft herangezogene Vergleich mit „Stand By Me“. Während die – deutliche jüngeren – Freunde dort zwar auch „verbotene“ Dinge taten, war dies nur ein neugieriges Herantasten an die eigenen Möglichkeiten. Victor, Tom und Dan sind frustriert mit ihrem Leben, was ihr aggressives Verhalten gegenüber der Lehrerin und dem Bauern erklärt.

Hier wird bereits der Bogen zu dem großen Thema geschlagen, welches Bustillo & Maury bereits in ihren beiden ersten Filmen beschäftigten und welches hier am Deutlichsten zu Tage tritt: Die Sehnsucht nach einer glücklichen Familie als Idealbild und das Leiden, welches durch disfunktionale Familien geschaffen wird. Die drei Protagonisten vermissen ein funktionierendes Familienumfeld. Tom wird von seinem alkoholabhängigen Vater verprügelt und entwickelt durch Mordphantasien, die er am Anfang des Filmes auf den verhassten Bauern überträgt. Dan ist für seine Eltern nur ein Klotz am Bein. Als er nach seinem abenteuerlichen Ausflug von der Polizei nach hause gebracht wird, strafen ihn seine Eltern mit Missachtung und überlassen ihn der Aufsicht eines – für diese Aufgabe offensichtlich nicht geeignetem – Kindermädchens, um in die Oper zu gehen. Allein Victor lebt in einem liebenden Umfeld, hat den Tod seines Vaters aber nicht überwunden und dementsprechend eine heftige Abneigung gegen seinen Stiefvater, dem er an einer Stelle Alkoholismus unterstellt. Am Ende wird aber gerade der Zusammenhalt seiner Familie und die Wärme des Nestes ihn retten. Auch der Killer hat ein schwieriges Familienumfeld, mit einem obsessiven Vater und einer Mutter, die ihn erst versucht zu töten, um sich dann selbst das Leben zu nehmen. Kaputte Familien also, wohin man blickt. Doch dort, wo die Saat der Liebe noch aufgehen kann, dort besteht noch Hoffnung. Eine sehr konservative, aber doch auch sehr schöne Botschaft.

Bustillo & Maury verzichten bei „Among the Living“ zum größten Teil auf das, was sie bekannt gemacht hat: Exzessiven Gore. Stattdessen setzten sie auf einen eher klassischer Grusel, bei dem sich mehr im Kopf als vor den Augen des Zuschauers abspielt. So werden viele der Morde gar nicht erst gezeigt, sondern lediglich durch einen harten Schnitt angedeutet. Was durchaus Sinn macht, denn es handelt sich bei den Opfern um Kinder, was dem Film einigen Ärger und vor allem einen kommerziellen Tod eingebracht hätte. Doch wenn sich die Gewalt gegen Erwachsene richtet, lassen Bustillo & Maury dann doch noch einmal den alten Gorehound von der Leine. In einer besonders qualvollen Szene zeigen sie in aller Ausführlichkeit, wie der Killer sein Opfer quält und schließlich auf ausgesprochen unangenehme Weise umbringt. Ein anders Mal setzten Bustillo & Maury auf einen spektakulären Splattereffekt. Beides kommt aufgrund der eher zurückhaltenden Inszenierung am Anfang vollkommen überraschend und und soll möglicherweise die etwas sensibleren Zuschauer destabilisieren.

Wie schon in „Livid“ ist die Inszenierung der beiden Regisseure Bustillo & Maury ausgesprochen elegant. Die Kamera gleitet durch die Szenerie und das sichere Auge für schöne Bilder unterstützt insbesondere die erste Hälfte des Filmes in der die Jungen in eine wahrhaft magische Stimmung versetzt werden. Diese schlägt dann in einen Albtraum um, wenn Bustillo & Maury mit großer Effektivität eine verfallenen Filmstadt als Hintergrund nutzen und ihr „Monster“ einführen. Dieses ist zunächst durch eine schmutzig-verrottete Clownsmaske getarnt, so dass man seine wahre Natur mehr erahnen muss, als sie dem Zuschauer offenbart wird. Wird diese dann enthüllt, ist es Geschmackssache, ob man nun den merkwürdigen Clown oder den kahlen, nackten Mann mit Unterbiss gruseliger findet. Dieser tritt dann im letzten Drittel in Action, wenn sich „Among the Living“ in eine lupenreine Home-Invasion-Geschichte verwandelt. Der Kampf einer Familie gegen den schier unbesiegbaren, unheimlichen Eindringling ist von Bustillo & Maury mit großer Intensität und Herzklopfen in Szene gesetzt worden und scheut auch nicht vor einigen Geschmacklosigkeiten zurück. Damit werden allerdings auch einige faustgroße Logiklöcher überspielt, die einem sonst vielleicht schwerer im Magen liegen würden.

Mit „Among the Living“ haben Alexandre Bustillo und Julien Maury ihren nunmehr dritten Spielfilm abgeliefert, der zwar einige Härten enthält, sich aber im Großen und Ganzen mit seinen Splatter-Effekten stark zurücknimmt und eher auf eine zunächst idyllische, später bedrohliche Stimmung setzt. Die Mischung aus Coming-of-Age-Geschichte, degenerierter Horrorfamilie und Home-Invasion-Story ist in ihren Einzelteilen stilistisch recht unterschiedlich in Szene gesetzt worden, verfolgt aber mit der Konzentration auf das Thema „Familie“ einen roten Faden. Auch wenn dieser durch einige Ungereimtheiten fast aufgerieben wird.

Screenshots: http://www.filmforum-bremen.de/2015/03/ ... he-living/
Früher war mehr Lametta
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Salvatore Baccaro
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Re: Among the Living - Alexandre Bustillo / Julien Maury

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Arkadin hat geschrieben:Die Eröffnungsszene weist mit einer hochschwangeren und messerschwingenden Béatrice Dalle ganz klar auf „Inside“ hin. Gleichzeitig schwebt über den Szenen mit den drei Jungen, die aus der Schule in die Natur flüchten, auch das golden-märchenhafte aus „Livid“. Das wirkt auf den ersten Blick recht inhomogen, als wüssten die Regisseure nicht, in welche Richtung sie sich bewegen wollten. Und tatsächlich ist die Inszenierung der ersten Hälfte des Filmes sehr viel schwelgerischen und vor allem näher an den Charakteren als die zweite Hälfte die teilweise sehr gehetzt wirkt, als ob hier zahlreiche Handlungselemente aus Straffungsgründen über Bord geworfen worden wären. [...]

Die Mischung aus Coming-of-Age-Geschichte, degenerierter Horrorfamilie und Home-Invasion-Story ist in ihren Einzelteilen stilistisch recht unterschiedlich in Szene gesetzt worden, verfolgt aber mit der Konzentration auf das Thema „Familie“ einen roten Faden. Auch wenn dieser durch einige Ungereimtheiten fast aufgerieben wird.
Schöne Kritik, der ich in den wesentlichen Punkten durchaus zustimme.

Aaaaaaber... ;-)

Schon bei LIVIDE haben mich diese unmotivierten Gewaltexzesse reichlich gestört. Da konnten die Regisseure mich allerdings noch mit den wunderschönen Szenen betäuben, die ich in meiner heutigen Kritik hymnisch besungen habe. Bei AUX YEUX DES VIVANTS liegt der Fokus, meiner Meinung nach, indes auf einer wesentlich "realistischeren" Inszenierung - obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre, denn dieses öde Filmstudio hätte doch reichlich Gelegenheit geboten, es, genauso wie die Ballettschule in LIVIDE, zu einem Paralleluniversum der (Kino-)Mythen und (Kino-)Märchen hochzustilisieren. Bis zuletzt war ich mir sicher, dass AUX YEUX DES VIVANTS am Ende doch noch den Bogen zu einer oder mehreren Meta-Ebenen schlägt: dass bspw. der Killer und sein Vater einem Film entstammen, der einst in den Blackwood-Studios gedreht worden ist, und die nun, aus welchen Gründen auch immer von der Fiktion emanzipiert, auf die Realität übergreifen, so ein bisschen VIDEODROME auf Französisch - was schließlich nicht nur die zahllosen Logiklöcher erklärt hätte. Stattdessen wird die Filmstudiokulisse relativ ungenutzt links liegengelassen, nachdem sie einmal als Schlupfloch des Vater-Sohn-Gespanns eingeführt worden ist, und der Film entwickelt sich zu einem mehr oder minder genrekonformen Slasher bzw. Home-Invasion-Thriller, bei dem der übernatürliche Killer weitgehend austauschbar wirkt.

Vielleicht bin ich auch einfach noch zu sehr verzückt von LIVIDE, aber gerade das Finale, dessen Montage komplett Amok läuft, fand ich dermaßen anstrengend und auf unangenehme Weise penetrant und unglaubwürdig und klischeetriefend, dass es mir noch die letzte Freude an diesem Film vergällt hat, die anfangs, bei den wirklich ein bisschen den Märchen-Charme LIVIDEs atmenden Szenen vom Freiheitsausbruch der drei Schulschwänzer, durchaus noch vorhanden gewesen ist.
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jogiwan
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Re: Among the Living - Alexandre Bustillo / Julien Maury (2014)

Beitrag von jogiwan »

Was macht man, wenn man als Filmemacher nicht genau weiß, ob man lieber einen Coming-of-Age-Streifen a la „Stand by me“, einen rabiaten Home-Invasion-Schocker oder doch lieber einen Horror-Streifen mit Ausgestoßenen der Gesellschaft drehen möchte? Man murkst alles drei zusammen in einem Streifen, der zwar gut ausschaut und gut gespielt ist, aber ansonsten eine Gelegenheit auslässt um unsympathisch und himmelschreiend unlogisch zu sein. „Among the Living“ kreiert andauernd Spannungsmomente, die sich dann stets anders als erwartet auflösen, was hier jedoch nicht kreativ, sondern mit zunehmender Laufzeit sehr nervig ist. Wenn man schon mit dem Zuschauer Katz und Maus spielen möchte, dann sollte man auch ein kreatives Drehbuch vorweisen können und nicht so eine Mischung aus einzelnen Versatzstücken, die im Gesamten nicht so recht funktionieren mögen und bei der die Spannungskurve sukzessive nach unten geht. Zurück bleibt ein doch sehr unbefriedigender Streifen, den man mit viel Wohlwollen zumindest eine gewisse Ungewöhnlichkeit attestieren könnte, aber Spaß macht der Streifen nicht und ist inklusive Husch-Pfusch-Finale doch eine höchst unbefriedigende Sache.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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