Caché - Michael Haneke

Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Caché - Michael Haneke

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Caché

Herstellungsland: Deutschland / Frankreich / Italien / Österreich (2005)

Regie: Michael Haneke

Darsteller: Daniel Auteuil, Juliette Binoche, Maurice Bénichou, Annie Girardot, Bernard Le Coq, Walid Afkir, Lester Makedonsky, Daniel Duval, Nathalie Richard, Denis Podalydès, Aïssa Maïga, Caroline Baehr u. A.
Georges ist der Gastgeber einer TV-Show. Eines Tages erhält er äußerst ominöse Pakete mit Videokassetten, doch das Erschreckende ist: Auf den Bändern ist er mit seiner Familie zu sehen, welche dezent von einem Unbekannten gemacht wurden. Als eines der Tapes darauf hinweist, dass der Sender Georges einmal gekannt hat, erwartet Georges Hilfe von der Polizei. Als aber auch diese nicht helfen kann, da keine direkte Drohung von den Bändern ausgeht, ist Georges auf sich allein gestellt...
Quelle: www.ofdb.de
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Re: Caché - Michael Haneke

Beitrag von buxtebrawler »

Der österreichische Autorenfilmer Michael Haneke liefere nach dem meines Erachtens misslungenen „Wolfzeit“ im Jahre 2005 mit „Caché“ eine französisch-österreichisch-deutsch-italienische (puh...) Koproduktion ab, die irgendwo zwischen den Gattungen Drama und Thriller einzuordnen ist und über weite Strecken wieder weitaus zuschauerfreundlicher daherkommt.

So gibt es eine klar definierte Ausgangssituation, nämlich die einer sich intellektuell gebenden, gutbetuchten Mittelstandsfamilie, die ins Visier eines Stalkers geraten ist, ohne, dass dieser sich zu erkennen geben oder sein Motiv offenlegen würde. Doch mit den in auf Ereignisse in der Kindheit des TV-Moderators Georges anspielenden Kinderzeichnungen eingehüllten, stundenlangen Videoaufnahmen von dessen Haus wird eine verdrängte bzw. zuvor gar nicht als solche wahrgenommene „Leiche im Keller“ wiedererweckt, die Georges dazu zwingt, sich mit Fragen von Schuld, die er Jahrzehnte zuvor auf sich geladen hat, auseinanderzusetzen, worunter nicht zuletzt sein Privatleben leidet.

Dieser vermutet, dass hinter dem Psychoterror sein ehemaliger Pflegebruder algerischer Herkunft steckt, den er als Kind aus der Familie „herausintrigiert“ hat und der, wie Georges feststellen muss, mit seinem Sohn ein ärmliches Dasein am unteren sozialen Rand fristet. Dieser leugnet jedoch, damit etwas zu tun zu haben und weist jegliche Schuld von sich – wie es ebenfalls Georges tut, der auf dem Standpunkt beharrt, keine Verantwortung für die Ereignisse seiner Kindheit übernehmen zu müssen. Die vordergründig intakte Familie – Georges ist mit einer attraktiven Frau verheiratet und hat einen zwölfjährigen Sohn – droht, unter der Anspannung zu zerbrechen und ein handfestes Kommunikationsproblem und angeschlagenes Vertrauensverhältnis nicht nur zu seiner Frau kristallisiert sich heraus.

Trotz Hanekes unverfälschtem Inszenierungsstil, der auch hier wieder einen Verzicht auf Filmmusik und andere auflockernde oder künstlerische Stilmittel bedeutet, gibt es eine greifbare Dramaturgie, die Spannung erzeugt und den Hanekes sprödem, Konzentration einfordernden Stil nicht abgeneigten Zuschauer zu fesseln vermag. Dabei ist nicht nur die Auflösung der Geschehnisse (die es so nicht gibt) interessant, sondern auch die bröckelnde Fassade der heilen Welt Georges und seiner Familie, die vermutlich je nach persönlicher Sichtweise mit Entsetzen oder mit Schadenfreude, vielleicht am ehesten mit einer Mischung aus beidem, verfolgt werden kann. Da vermutlich jeder irgendwelche Unrühmlichkeiten aus der Kindheit im Unterbewusstsein mit sich herumträgt, funktioniert die psychologische Ebene ziemlich gut. Doch Hanekes Anliegen scheint es zu sein, anhand dieses Beispiels eine Parabel auf das Tabuthema des von der französischen Polizei verübten Massakers an ca. zweihundert Algeriern im Jahre 1961 zu erzeugen, das innerhalb des Filmes erwähnt wird und sich um eine „Leiche im Keller“ der französischen Gesellschaft zu handeln scheint und eine Rolle bei den jüngeren Aufständen in den Vorstädten gespielt haben dürfte. Gegenstand des Films ist demnach die Auseinandersetzung mit lange zurückliegender, unverarbeiteter Schuld, im kleinen wie im großen Rahmen, denn letztlich ist jeder nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen.

Und eben dieses Thema wurde recht ansprechend von Haneke auf die Leinwand gebracht. Daniel Auteuil und Juliette Binoche spielen das Ehepaar überzeugend, Details wie die mit Büchern übersäte Wohnungseinrichtung verhelfen dem Film zu einer memorablen, individuellen Optik, im Hintergrund laufende Nachrichtensendungen stellen einen weiteren Bezug zur Realität her, Abendessen mit Freunden charakterisieren das Umfeld der Familie und persiflieren es subtil, während die Konfrontationen mit Georges ehemaligen Pflegebrüder Majid und dessen Welt das Kontrastprogramm darstellen. Ein überraschende Selbstmordszene ist überaus schockierend und visuell explizit umgesetzt worden. Vom „Tier-Snuff“ allerdings konnte Haneke auch diesmal die Finger nicht lassen und lässt einen Hahn köpfen, was aber wenigstens in engem Zusammenhang mit der Handlung steht. Bleibt zu hoffen, dass die Crew sich ihn hat schmecken lassen.

Ohne allzu sehr von oben herab mit erhobenem Zeigefinger zu moralisieren, wirft Haneke interessante, unbequeme Fragen auf und schafft es, kritische Töne und ein brisantes Thema in einen spannenden Film zu verpacken. Doch am Ende, da ist er wieder: Der Haneke, der seinem Publikum kein bisschen Spaß gönnt und die Auflösung im Dunkeln oder zumindest, in Anlehnung an den Filmtitel, im Versteckten belässt. Damit verhindert er leider, dass „Caché“ auch auf der „Whodunit?“-Ebene befriedigend funktioniert. Zumindest offenbart sich Zuschauern, die auf Details achten, in der Schlusseinstellung noch eine evtl. bedeutsame Komponente… (Was, ohne vorher darauf hingewiesen worden zu sein, aber wohl kaum jemand entdeckten dürfte.)
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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kinski
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Re: Caché - Michael Haneke

Beitrag von kinski »

Hochgelobter und mit Preisen überhäufter Film, mit dem ich aber so gut wie gar nichts anfangen kann. Endlos in die Länge gezogen; teilweise völlig unnütze Einstellungen; ein wieder mal total blasser Daniel Auteuil; eine Juliette Binoche, die ich noch nie dermaßen unhübsch und unüberzeugend erlebt habe; eine Geschichte, die bis zum Schluss relativ unaufgelöst und undurchsichtig bleibt. Der wirklich einzige große Pluspunkt ist die schöne Darstellung von Maurice Bénichou als Majid, der mir bereits durch eine ganz kleine Rolle und schöne Darstellung in "Die fabelhafte Welt der Amelie" aufgefallen war.

Vermutlich ist all das, was Kritiker und Kinopublikum bei CACHÉ so hoch loben genau das, was mir missfällt. Dabei finde ich den von Regisseur Michael Haneke gewählten Stil gar nicht mal so uninteressant. ich finds einfach nur stinkenlangweilig rübergebracht. Die wenigen Rückblenden, die man in die Story eingebunden hat, reichen nicht aus um dem Zuschauer glaubwürdig die Hintergründe zu verdeutlichen. Letztendlich bleibt mir nur die letzte Szene von Majid in Erinnerung, die in ihrer Kompromisslosigkeit weit heraussticht aus einem ansonsten sehr faden Streifen.

3 / 10
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Arkadin
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Re: Caché - Michael Haneke

Beitrag von Arkadin »

kinski hat geschrieben:
3 / 10
Arrrgghhh....
kinski hat geschrieben:Endlos in die Länge gezogen; teilweise völlig unnütze Einstellungen; ein wieder mal total blasser Daniel Auteuil; eine Juliette Binoche, die ich noch nie dermaßen unhübsch und unüberzeugend erlebt habe; eine Geschichte, die bis zum Schluss relativ unaufgelöst und undurchsichtig bleibt.
Ich möchte nicht die "Weißes Band"-Diskussion wieder aufleben lassen, darum nur kurz. Generell kann ich die von kinski geschriebenen Sätze nur wiederholen, dabei aber ins Gegenteil setzen. Wie in allen Haneke-Filmen gibt es hier keine Einstellung zuviel. Jede Sekunde, jeder Blick, jedes "in die Länge ziehen" seinen dramaturgischen Sinn. Die Darsteller fügen sich perfekt in die Handlung ein. "Blässe" kann ich hier nicht entdecken. Eher Angst, Resignation und ein unter der Oberfläche brodelndes schlechtes Gewissen. Ja, die Auflösung mag im ersten Moment unbefriedigend erscheinen, aber bei näherer Betrachtung ist sie nur konsequent.
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DrDjangoMD
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Re: Caché - Michael Haneke

Beitrag von DrDjangoMD »

Haneke kann man lieben oder hassen. Ich versteh was manche an ihn finden, mich sprechen seine Filme aber überhaupt nicht an.
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DrDjangoMD
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Re: Caché - Michael Haneke (2005)

Beitrag von DrDjangoMD »

Ich glaube, ich hab schon mal in irgendeinem anderen Fred meine Meinung zu "Caché" geäußert, anyway: Ich musste mir den Film einmal für ein Referat ansehen, ich und zwei Kollegen besprachen die Filme "Blair Witch Project", "Rec" und "Caché". Ich bekam "Rec" zugeteilt, wollte aber als Hintergrundinformation auch "Caché" sehen und oh mein Gott habe ich das bereut. Ich weiß, einige hier mögen diesen Film oder Haneke im allgemeinen und ich weiß auch "Caché" kam bei den Kritikern gut an, aber dies wird nichts an meiner Meinung ändern, dass diese Ausgeburt keine Bewertung verdient, die besser als 3/10 ist
Sicher, für manche mag der Film funktionieren, aber das hängt davon ab, welche Einstellung man zu Filmen im allgemeinen hat. Ich war immer der Ansicht, dass das Medium Film (wie auch Theater nebenbeibemerkt, zur Hölle mit dir, Postdramatik) die wunderbare Möglichkeit besitzt, das Publikum zu amüsieren und gleichzeitig zu belehren. Das größte Kunststück, dass ein Regisseur bewerkstelligen kann ist, wie ich finde, das Publikum durch Spannung zu fesseln und ihnen wärend es in dieser Lage ist lehrreichen Subtext mit auf den Weg zu geben. So zumindest meine Einstellung. Der gute Michael hingegen scheint, wie viele Kritiker heutzutage, der Ansicht zu sein, dass ein Film durch qüälende Langeweile seine Illusion brechen muss, damit der Zuseher distanziert bleibt. Bitte, das ist auch eine Einstellung, die ich halt überhaupt nicht teile und deswegen hege ich eine gewisse Abneigung gegen "Caché".
Nachdem ich schmerzlichst feststellen musste, dass das Highlight der ersten fünf Minuten ein Radfahrer ist, der in dem unbewegten Kamerabild vorbeifährt, hat dieser Film schon ausgespielt. Schnitte und Kamerafahrten verhindern Langeweile, wenn man sie weglässt wird mir der Film wohl nicht gefallen. Und ich gehöre nicht zu der breiten Masse der Leute, welche sagt, wenn Joe D'Amato in "Porno Holocaust" wenig schneidet (was ich ja damals genauer erläutert habe) ist es Unsinn, aber wenn Michael Haneke in "Caché" wenig schneidet ist es Kunst, weil alles was Michael Heneke macht Kunst ist. Ich finde dieser Film ist entsetzlich, ich weiß zwar, was Haneke wollte und dass er sein Ziel erreicht hat, aber ich finde, dass diese Art des Filmemachens einfach unwürdig ist.
Hätte ich die Wahl mir "Caché" anzusehen oder eine weiße Wand anzustarren bleibe ich bei letzterem, denn da kann ich wenigstens mein spannenderes Kopfkino ein wenig fordern.
Zuletzt geändert von DrDjangoMD am Sa 23. Jun 2012, 18:25, insgesamt 1-mal geändert.
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jogiwan
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Re: Caché - Michael Haneke (2005)

Beitrag von jogiwan »

Auch schon sehr lange her, dass ich den im Kino gesehen hab. Ist wohl ein Thriller, der keiner ist und auch wie "Das weisse Band" keine Auflösung hat bzw. bietet. Viel mehr geht es wohl um eine gutbürgerliche Familie, die aus ihrer Routine gerissen wird, als auf einmal klar wird, dass die Famlie unter Beobachtung steht. Doch warum und wieso wird nicht klar und auch die Absichten des Beobachters bleiben im Dunkeln. Ich fand den seinerzeit etwas seltsam, aber nicht uninteressant und vor allem der Beginn, der als Aufzeichnung enttarnt wird, fand ich irgendwie gelungen. Soweit ich mich erinnern kann, gabs auch eine unerwartete Gewaltspitze und ein seltsames Verhalten am Ende, dass wieder einmal viele Fragen aufwirft.
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jogiwan
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Re: Caché - Michael Haneke (2005)

Beitrag von jogiwan »

DrDjangoMD hat geschrieben: Hätte ich die Wahl mir "Caché" anzusehen oder eine weiße Wand anzustarren bleibe ich bei letzterem, denn da kann ich wenigstens mein spannenderes Kopfkino ein wenig fordern.
Der Michi mag es einfach, sein Publikum schlecht zu behandeln - deswegen lebt er auch die meiste Zeit in Frankreich, damit er von aufgebrachten Wienern nicht vor eine Fiaker-Kutsche gestossen wird...

:lol:
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DrDjangoMD
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Re: Caché - Michael Haneke (2005)

Beitrag von DrDjangoMD »

jogiwan hat geschrieben:Der Michi mag es einfach, sein Publikum schlecht zu behandeln - deswegen lebt er auch die meiste Zeit in Frankreich, damit er von aufgebrachten Wienern nicht vor eine Fiaker-Kutsche gestossen wird...

:lol:
:lol: :lol: :lol: :thup: :prost:
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Il Grande Silenzio
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Re: Caché - Michael Haneke

Beitrag von Il Grande Silenzio »

Typischer Haneke, natürlich sperrig und ohne echte Auflösung, wobei die Schlussszene einen doch recht deutlichen Hinweis gibt. Weniger Thriller, in erster Linie ein Drama über zwei Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Mir unbegreiflich, wie man als Cinephiler "Caché" schlecht finden kann. Na ja, gibt ja auch Leute, die Refn-Filme langweilig finden. :hirn:

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