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Der Prozess Le Procès / Il proceso
Frankreich / Italien / Deutschland 1962
Regie: Orson Welles
Anthony Perkins, Jeanne Moreau, Romy Schneider, Elsa Martinelli, Suzanne Flon, Orson Welles, Akim Tamiroff, Madeleine Robinson, Arnoldo Foà, Fernand Ledoux, Michael Lonsdale, Max Buchsbaum, Max Haufler, Maurice Teynac, Wolfgang Reichmann, Thomas Holtzmann, Billy Kearns
Als der kleine Angestellte Josef K. (Anthony Perkins) eines Nachts aufwacht, befinden sich zwei Polizeibeamte in seinem Zimmer und verhaften ihn. Ohne die Gründe für die Verhaftung zu erfahren wird Josef K. einer mysteriösen Justizbehörde überstellt und wartet lange Zeit auf seinen Prozess. Als das Gerichtsverfahren gegen ihn endlich eröffnet wird, zieht es sich allerdings ohne ein Ergebnis hin und Josefs Versuche sich zu verteidigen erweisen sich als erfolglos. Als er den Richter in seinem Büro aufsuchen will, befindet sich hinter der Tür des Büros seltsamerweise eine Wohnung und der Jurist bleibt unauffindbar. Alle Versuche die Situation aufzuklären verlaufen im Sand, so dass Josef K. schließlich nichts anderes übrig bleibt, als auf seine Unschuld zu vertrauen...
Quelle: OFDB (Shub)
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
DER PROZESS. Ein Klassiker, sowohl der Literatur, als auch der Filmgeschichte. Der große Orson Welles verfilmt mit einem erstklassigen Staraufgebot die erschütternde Erzählung Franz Kafkas. Was für ein Film. Die Superlative überbieten sich, und überhaupt und sowieso …
Was mich an DER PROZESS wirklich beeindruckt sind diese Bilder. Die Bilder und die einzelnen Settings. Mit einer überwältigenden Liebe zum Detail sind die Dekorationen aufgebaut, wirken überhaupt nicht wie Bühnenbilder, in denen sich die Schauspieler dann ergehen, borden die Sets über mit Kleinigkeiten und grafischen Ideen, an denen man sich nicht satt sehen kann. Und dann die Abläufe der einzelnen Szenen. DER PROZESS ist aufgebaut wie ein Traum, und er nutzt die Abläufe von Träumen. Wenn Anthony Perkins als K. die Treppe zum Künstler hinaufgehen will, wird er von einer Schar Kinder gejagt, belagert, umzingelt, die Kinder rennen hin und her, schreien immer lauter, rennen ihn fast um in ihrem chaotischen Treiben, und Perkins muss sich mühsam am Treppengeländer und Stufe um Stufe hochziehen um Meter zu gewinnen. Eine zutiefst beeindruckende Sequenz, die jeder der sie gesehen hat, unweigerlich mit einem eigenen Traum assoziieren wird. Genauso wie das Labyrinth der Gerichtsräume. Die Kanzlei des Advokaten. Die verschiedenen Türen zwischen den Zimmern in K.s Unterkunft, die scheinbar nicht mehr der bekannten Geometrie gehorchen.
Gerade dieser Anfang, wenn K. von Sicherheitsbeamten aus dem Schlaf gerissen wird und ohne Anklage, ja sogar ohne Vorwürfe, in ein Zwielicht gestellt wird. Wenn ihm quasi umschrieben wird, dass er schuldig sei, ohne dass mit auch nur einem Wort ein Vorwurf laut wird. Eine mögliche Tat benannt wird. Ja es wird nicht einmal erklärt, dass es überhaupt um ihn gehe, es könne ja auch um jemanden anderen gehen. Um die Tänzerin, die K. als seine Freundin bezeichnet. Sie kennen diese Frau? Dann sollten sie sich zur Verfügung halten. Zu Film transformierte Klaustrophobie bahnt sich ihren Weg und erzeugt wahren Schrecken. Alptraumhafte Momente, die kaum auszuhaltenden Druck aufbauen, und die in jeder Autokratie der Welt und zu jeder Sekunde das vermeintlich sichere Leben unbescholtener Menschen zerstören können.
Und was macht Orson Welles mit diesen Momenten? Er vernichtet sie mit Worten. Er lässt Anthony Perkins unaufhörlich reden, er reiht Dialog an Dialog, die Texte werden immer zerfaserter, immer unzusammenhängender, immer … uninteressanter. Während K. sich vor Gericht auf die Bühne des Richters schwingt und wie Danton eine flammende und mitreißende Rede an das Volk hält, wenn er dann vor den überdimensionierten Türen des Gerichts steht, wenn er durch sein Büro eilt, verfolgt von einer Kakophonie von Schreibmaschinen, dann sind dies so eindrückliche und starke Bilder, surreale Orgasmen grafischer Höhepunkte, die ich als Filmfan auf keinen Fall in meinen Erinnerungen missen möchte. Aber was die Personen da geschwafelt haben, das hat mich im Laufe des Films immer weniger interessiert. Die verschiedenen Liebeleien mit Romy Schneider und Jeanne Moreau, die Verzweiflung beim Versuch aus dem Gerichtsgebäude herauszukommen, das Maschinengewehrgeschnatter beim Künstler … So viel heiße Luft, so viel Geschwätz, und Orson Welles hatte leider nicht den Mut, den Bildern zu vertrauen, sondern er lässt diese grandiosen grafischen Eindrücke zutexten von endlosen Tiraden sich gegenseitig widersprechender und zustimmender und widersprechender Menschen ohne Ende. Die beiden Beamten, die in der Kammer unter K.s Büro ausgepeitscht werden, das hätte eine finstere und surreale Szenerie werden können, die durch die Enge und die Handkamera in ihrer Intensität noch betont wird – Und im Rausch der Worte dabei tatsächlich jegliche Intensität verliert …
Es tut mir leid, und vielleicht bin ich für solche Filme nicht gemacht, aber ich war enttäuscht, wie wenig Welles aus dieser Vorlage und diesen Ideen herausgeholt hat. Im Nachhinein, und weil ich ihn gerade vor kurzem erst gesehen hatte, fiel mir auf, dass DER DRITTE MANN ähnlich geschwätzig ist, dort aber die Bilder die Wortflut stoppen können. In DER PROZESS unterjochen die Worte die Bilder, und dies bekommt dem Film gar nicht gut. Nein, der ist definitiv nicht meines …
4/10
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi