Romy Schneider Rod Steiger in
DIE UNSCHULDIGEN MIT DEN SCHMUTZIGEN HÄNDEN / LES INNOCENTS AUX MAINS SALES (1975)
mit Paolo Giusti, François Maistre, Pierre Santini, François Perrot sowie Hans Christian Blech und Jean Rochefort
eine Produktion der Les Films de la Boétie | Jupiter Generale Cinematografica | Terra Filmkunst | im Verleih der Constantin
ein Film von Claude Chabrol
»Kein schlechter Preis für die Frau, die die Nutte ihres Mannes spielt!«
Claude Chabrol, einer der ganz großen Vertreter des französischen Films, inszenierte diese französisch-italienisch-deutsche Co-Produktion mit beachtlicher Star-Besetzung. Sein Wunsch Romy Schneider zu besetzen, wurde mit der Zusage der Schauspielerin gekrönt, aber das Endergebnis soll keine globale Zufriedenheit hervor gerufen haben. Es ist überliefert, dass Claude Chabrol und Romy Schneider zusammen nicht gut funktioniert haben sollen. Sie fühlte sich vor der Kamera von ihrem Regisseur alleine gelassen. Als der Film in die Kinos kam, wurde er sowohl von der Kritik, als auch von den Zuschauern nahezu ignoriert und avancierte schließlich zum relativen Misserfolg, was für diese Produktion mit ihren überdurchschnittlichen Grundvoraussetzungen mehr als erstaunlich war. Die Story des Films bietet genügend Grundlage für einen raffinierten Thriller, Besetzung und Crew standen für einen potentiellen Brillantschliff bereit, aber es sollte doch anders kommen. Die zunächst ambitionierte, beziehungsweise logisch wirkende Geschichte verliert sich erstaunlich oft in Unwahrscheinlichkeiten und es entstanden einige eckig wirkende Passagen, die nach einer Art Spannungsausgleich suchen. Wahrscheinlich ist das Projekt letztlich wirklich an der mangelnden Interaktion der Beteiligten auf dem Papier gescheitert, obwohl man es mit einem hochgradig sehenswerten Film zu tun hat.
Romy Schneider beklagte sich vielerorts über "Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen" und vor allem über das aneinander Vorbeiarbeiten zwischen ihr und Claude Chabrol. Viele kritische Stimmen warfen ihr unterm Strich Ausdruckslosigkeit vor und dass sie eine gewisse Lustlosigkeit transportiert habe. Tatsächlich wirkt ihre Interpretation vergleichsweise launisch, doch man muss sich fragen, ob es eher an den vielen zynischen Elementen ihrer Rolle liegt. Wo sie sich als Femme fatale glaubwürdig darstellt und auch funktioniert, kommen ihr im Verlauf des Films ihre zahlreichen, nicht nachvollziehbaren Kehrtwendungen allerdings weniger zu Gute. Die berechnende Julie wirkt unsympathisch und wird es auch bleiben. Hier bekommt man merkwürdig wenig von Romy Schneiders Fähigkeit geboten, jeden noch so zwielichtigen Charakter mit Charme, Feuer und Identifikationspotential auszustatten. Man sieht eine Frau, der man insbesondere im weiteren Verlauf nur wenige dargestellten Gefühle (ob Hass, Wut, Verzweiflung, Zuneigung, Bedrängnis oder Besorgnis) mehr abnehmen möchte. Jedoch wirkt Romy Schneider nicht blass und rechtfertigenderweise kann man betonen, dass die im Grunde genommen befremdlich wirkende Anlegung der Rolle aufgeht. Sie dominiert jede Großaufnahme mit auffälliger Kälte und lässt sich kaum zu einer Gefühlsregung hinreißen. Ob das nun so gewollt war, oder ihre vermeintliche Langeweile ausdrücken sollte, ist nur persönlich zu beurteilen. Mir bleibt eine Leistung in Erinnerung, die wenig mit ihrem Facettenreichtum im Spektrum ihrer exzessiv dargestellten Gefühle zu tun hatte und gerade daher nicht uninteressant erscheint. Eine Frau, die den Blick der Medusa anwendet, ein Charakter, der zweifelhafter nicht sein könnte und ausnahmsweise mal nicht besonders greifbar erscheint, ist nicht zwingend eine desinteressierte oder müde, sondern eine wie üblich faszinierende Romy Schneider, die in einer seltsamen Art und Weise nicht zu ordnen ist. Nicht unerwähnt bleiben soll außerdem, dass die Kamera hier nochmals die außergewöhnliche und zeitlose Schönheit der Schauspielerin hervorzuheben wusste.
Der Amerikaner Rod Steiger als Louis Wormser stellt sich hier als glückliche Wahl für das notwendige Pendant heraus. Von allen Beteiligten stattet er seinen Charakter mit am meisten mit Tiefe aus und wirkt als Alkoholiker, und von Komplexen und Selbstzweifeln zerfressener Mann mit funktionellem Problem beinahe frappierend authentisch. Sein gesetztes Gesicht dokumentiert die Angst, seine viel jüngere Frau nicht halten zu können, ihr nicht zu genügen und ihn plagen Versagensängste, die er materiell auszugleichen versucht, was sich neben dem Ekel seiner Frau in seinen trüben Augen widerspiegelt. Die Spannung, die zunächst nur vage in der Luft liegt, spitzt sich in überaus sarkastischen Dialogen zu, bis sich schließlich ein Rollentausch andeutet. Doch verlassen kann man sich in dieser Szenerie auf Nichts und Niemanden. Der weniger bekannte Paolo Giusti als Louis' Nebenbuhler und Julies Liebhaber wirkt und bleibt oberflächlich. Sein Jeff Marle scheint zu keinem Zeitpunkt so intelligent und daher auch fähig zu sein, einen raffinierten Plan auszuarbeiten, geschweige denn zu verwirklichen. Er hinterlässt einen geradezu triebigen und leicht berechenbaren Eindruck, so dass er dem Zuschauer gerade in den Bereichen Skrupellosigkeit und Rücksichtslosigkeit nicht überzeugend genug vorkommt. Zumindest seine optische Erscheinung überzeugt, so dass es gut nachzuvollziehen ist, warum gerade er bei Julie landen konnte. Die restlichen Darsteller liefern des Weiteren sehr überzeugende Darbietungen ab, wobei man sich bei einen co-produzierten Terra-Film vielleicht noch ein, zwei bekannte deutsche Schauspieler mehr gewünscht hätte. Eigentlich kommt einem das stellenweise sehr isoliert anmutende Schauspiel dem Konzept des Films in eigenartiger Weise zu Gute.
Ein sogenannter Flop bei Kritik und Zuschauern muss nicht zwingend einen misslungenen Film darstellen. Vermutlich war es die hohe Erwartungshaltung bezüglich des Duos Chabrol/Schneider, die das Projekt durchfallen ließen, weil es nicht zu erwarteten, frenetischen Jubelchören kam. Davon isoliert betrachtet, hat man es jedenfalls mit einem sehr unterhaltsamen und durchaus intelligenten Psycho-Thriller zu tun, der seinen Spannungsmoment abseits betörender Schauwerte aufzubauen versucht. Vieles hier wirkt ungewöhnlich, aber gleichzeitig unkonventionell genug, um die Handlung ins Ziel zu bringen. Klassische Elemente und die stilvolle Inszenierung fesseln auf eine ganz eigene Art und Weise. Dabei bedient sich das Drehbuch ganz offenkundiger Vorhersehbarkeit und empfunden einfacher Verschachtelungen, um in den richtigen Momenten vollkommen gegensätzlich zu erscheinen und damit lüstern zu dokumentieren, dass er den Zuschauer aufs Glatteis geführt hat. Somit ist es der Regie gelungen, die Handlung immer wieder zu forcieren. Die Grundhaltung des Szenarios ist überaus düster, unbehaglich und manchmal sogar geheimnisvoll, grelle Farben und sonnenüberströmte Settings gehen ein interessantes Wechselspiel mit Dunkelheit und Schattierungen ein. Die Musik von Pierre Jansen bleibt hingegen leider durchschnittlich, leistet daher nicht ausreichend Schützenhilfe. Gute Einfälle zeigen sich in Form der hochwertigen, sehr zynischen Dialoge, auch das ungleiche Kommissaren-Paar wirkt vehement-erfrischend, aber vor allem Julies Anwalt, der sie zwar erfolgreich verteidigt, aber vollkommen verachtet, zeigt sich in Höchstform. Das Finale ist in mehrere Etappen eingeteilt und vermittelt durch Twist-an-Twist letztlich eine gewisse Unsicherheit. Im Ganzen kann man bei "Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen" von guter Unterhaltung sprechen und vielleicht von einem Film, dem die hohe Erwartungshaltung zum Verhängnis wurde. Mich persönlich hat die edle, extravagante Umsetzung, eine hier verhältnismäßig seltsam wirkende, aber wie immer faszinierende Romy Schneider und das abwechslungsreiche Konzept des Film überzeugt. Eines der außergewöhnlichsten Highlights ist übrigens der Ort des Geschehens: Gedreht wurde dem Vernehmen nach in der Luxusvilla von Elsa Martinelli.