Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39402
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von jogiwan »

Don't Deliver Us from Evil

Bild

Originaltitel: Mais ne nous délivrez pas du mal

Herstellungsland: Frankreich / 1971

Regie: Joël Séria

Darsteller: René Berthier, Gérard Darrieu, Bernard Dhéran, Marc Dudicourt, Serge Frédéric, u.a.

Story:

Die beiden 14jährigen Klosterschülerinnen Anne und Lore interessieren sich nicht sonderlich für das, was Mädchen ihres Alters normalerweise so umtreibt. Statt sich mit so profanen Dingen wie Jungs abzugeben, lesen sie nachts lieber heimlich unter der Bettdecke die Werke von Lautréamont und Baudelaire und huldigen, ganz dem verführerischen Reiz des Verbotenen erlegen, hingebungsvoll ihrer einzig wahren Liebe, dem Teufel. Angefacht von ihrer Leidenschaft für das Böse und dem Plan, ihrem Liebsten zu imponieren, um sich ihm bei einem Hochzeitsritual vollends hingeben zu können, beginnen die beiden in den Sommerferien, den Männern aus ihrem Dorf gemeine Streiche zu spielen. Was als Spiel aus Verführung und Demütigung beginnt, gerät aber zusehends außer Kontrolle… (quelle: cinefacts.de)
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39402
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von jogiwan »

alexander beneke auf cinefacts hat geschrieben: Joël Sérias Debütfilm UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN führte bei seiner Premiere zu einem echten Skandal in Frankreich, wo er kurz darauf wegen Blasphemie vorübergehend sogar verboten wurde. Sehr lose basierend auf dem Mordfall Pauline Parker/Juliet Hulme von 1954 (der auch Peter Jackson als Vorlage für HEAVENLY CREATURES diente) ist UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN ein subtiler, ungenierter und kompromissloser Film über fehlgeleitetes sexuelles Erwachen. Doch auch wenn Séria keinen Hehl aus seinem Antikatholizismus macht und ziemlich offensiv mit den nackten Reizen seiner beiden Hauptdarstellerinnen umgeht (die, auch wenn man es kaum glauben mag, beim Dreh allerdings schon 19 und 21 waren), gelingt es ihm durch seine souveräne Regie, bei seinem beunruhigenden und heiklen Spagat zwischen Exzess und Gesellschaftskritik neben erschreckenden immer auch zarte Töne anzuschlagen. Der Film ist intelligent ohne prätentiös zu sein, er ist ernst und er unterhält auf hinterhältige Art und Weise. Handwerklich so ausgereift wie inhaltlich brisant, trifft einen das Ende des Films wie Hammerschlag auf den Kopf. Ein tragisch-schöner Geniestreich und eine hinreißende Ode an die Verderbtheit!
Kommt demnächst von Bildstörung! :popcorn:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40644
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von buxtebrawler »

alexander beneke auf cinefacts hat geschrieben: (...)
Wow, das klingt nach verdammt viel. Bin sehr gespannt!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Adalmar
Beiträge: 7336
Registriert: Do 12. Mai 2011, 19:41

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von Adalmar »

Schöner Film! Es gibt schon eine gute DVD von Mondo Macabro, die Bildstörung hoffentlich (mit einer BD vielleicht ...?) toppen kann.

Impressionen aus dem Film:

Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39402
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von jogiwan »

Hui! Die Geschichte der diabolischen Anne, die gemeinsam mit ihrer Freundin Lore ein böses Spiel mit ihren Mitmenschen treibt ist ja schon sehr provokant und es ist eigentlich wenig verwunderlich, dass Sérias Streifen im Jahre 1971 einen Skandal ausgelöst hat und in seinem Entstehungsland verboten wurde. Minderjährige Klosterschülerinnen, die mit ihren Reizen ältere Männer verführen und sich in bösen Gedanken und Taten ergehen wären ja schon schlimm genug, aber was den Zuschauer im Finale erwartet, lässt einem wirklich den Atem stocken. Ein böser Film über Verweigerung, falschen Idealen, Verderbtheit und Dominanz, der beim Zuschauer auch heute noch mühelos Unbehagen auslöst und einem nach der Sichtung auch so schnell nicht wieder los lässt. Hui!
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
Arkadin
Beiträge: 11225
Registriert: Do 15. Apr 2010, 21:31
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von Arkadin »

Die beiden Klosterschülerinnen Anne (Jeanne Goupil) und Lore (Catherine Wagener) haben ein sehr inniges Verhältnis zueinander und sind von dem Bösen fasziniert. Auch die Sommerferien verbringen die Beiden zusammen. Annes Eltern sind ohne sie in den Urlaub gefahren und Lores Eltern kümmern sich nicht sonderlich um ihre Tochter. Gemeinsam radeln Anne und Lore durch die schöne Landschaft und hecken teuflische Bösartigkeiten aus…

Den Wunsch „Und erlöse uns nicht von dem Bösen“ kann man in diesem blasphemischen Film von 1971 durchaus ernst nehmen. Denn das dringlichste Ziel seiner beiden Protagonistinnen ist es, böse zu sein und sich dadurch von traditionellen, repressiven Systemen wie der Kirche zu lösen.

„Und erlöse uns nicht von dem Bösen“ ist damit das perfekte Begleitstück zu dem tschechischen Nouvelle-Vague-Film „Tausendschönchen“, den das vorbildliche Label Bildstörung bereits im Juli veröffentlicht hatte (Besprechung hier). Hier wie dort geht es um zwei junge Mädchen, die beschließen, nicht mehr nach den Regeln zu spielen und „verdorben“ bzw. „böse“ zu sein. Doch konnte man Marie und Marie im tschechischen Film aufgrund ihrer Kindlichkeit und hemmungslosen Lebensfreude noch Sympathien entgegen bringen, fällt dies bei Anne und Lore schon schwerer. Marie und Marie begründen ihre Rebellion gegen alles noch damit, dass die Welt verdorben sei. Bei Anne und Lore werden zwar die bigotte und unterdrückende Kirche sowie die gleichgültigen Eltern als Motive herangezogen, doch die kompromisslose Bösartigkeit der Beiden scheint durch beides nicht unbedingt gerechtfertigt.

Auch ist ihre Rebellion keine anarchistische Revolte von unten. Anne stammt aus einer reichen Aristokraten-Familie und auch Lore stammt aus einem mittelständischen, guten Elternhaus. Statt nun aber wie soziale Rebellen gegen gesellschaftliche Zwänge und bürgerliche Konventionen aufzubegehren, müssen vor allem die Armen und Schwachen unter ihren Boshaftigkeiten leiden. Ein – von ihnen im Vorfeld schon als Trottel deklarierter – Bauer wird erst von ihnen vorsätzlich zu einem sexuellen Übergriff gereizt, später zünden sie seine Ernte an und amüsieren sich über seine Familie, die sie heimlich als dumm und hässlich beschimpfen. Noch verstörender ist es, wie sie mit einem offensichtlich geistig zurückgebliebenen Diener umgehen, dessen geliebte Vögel sie langsam und qualvoll töten. Der Todeskampf eines Kanarienvogels und das todtraurige Gesicht des Dieners, wenn er seinen gefiederten Freund tot vorfindet, stechen einem direkt ins Herz.

Ebenfalls schwer zu ertragen ist eine Stelle, in der die Mädchen kichernd aus dem Roman „Die Gesänge des Maldoro“ von Lautréamont vorlesen, in dem die Hauptfigur detailliert seine Lust ein Baby zu quälen beschreibt. Diese radikale Abkehr von allem was als „Gut“ bezeichnet wird, macht den Film zu einem gut gezielten Tritt gegen das Schienbein und hinterfragt auf hinterhältige Weise die Faszination des Bösen. Woher kommt es? Wie kann es im Familienschoß unbemerkt erblühen? Die Langeweile des Familienlebens und die Heuchelei der Kirche allein können das brutale, eiskalte Verhalten der Mädchen nicht rechtfertigen. Zumal gerade die Kirchenmänner und -frauen als Witzfiguren und wenig bedrohlich daherkommen. Können vielleicht Bücher mit bösen Gedanken die Seelen Heranwachsender verderben, wenn Kirche und Familie den Acker für die giftige Saat bereiten? Antworten gibt Regisseur und Drehbuchautor Joël Séria keine, und so wirkt das Handeln der Mädchen – die immer aktiv auf ihre Umwelt Einfluss nehmen und mit spielerischer Freude deren dunkelste Begierden hervorkitzeln – nicht irgendwo niedlich (wie in „Tausendschönchen“), sondern wirklich bedrohlich und zutiefst verstörend.

Auch fühlt man sich als Zuschauer sehr unbehaglich, wenn die Mädchen sich entblößen und die Männer aufreizend necken. Zwar waren die Hauptdarstellerinnen Jeanne Goupil und Catherine Wagener zum Zeitpunkt des Drehs bereits 19 und 21, aber sie wirken sehr viel jünger, wie höchstens 14, und damit als frühreife Lolitas ausgesprochen glaubwürdig. Insbesondere Jeanne Goupil als Anne ist ein Naturtalent. Sie, die zuvor nie etwas mit Film zu tun hatte, spielt in „Und erlöse uns nicht von dem Bösen“ so natürlich, verführerisch und hintergründig, dass es einem gleichzeitig fröstelt und in der Magengrube kribbelt. Dagegen kann Catherine Wagener, die Schauspiel gelernt hat, nicht anspielen. Überhaupt hat sie die undankbarere Rolle. Ihre Lore wird, wie der ganze Film, von Anne dominiert. Die Beziehung zwischen beiden ist keine gleichberechtigte Liebschaft, sondern eine Beziehung durch Abhängigkeiten. Anne genießt es, Lore zu manipulieren, Macht über sie auszuüben. Auch wenn sie es Lore nicht direkt spüren lässt. Lore wiederum ist fasziniert von der – auch gesellschaftlich höher stehenden – Anne und lässt sich bereitwillig auf den passiven Part ein. Bezeichnend dafür sind zwei Szenen, in denen Anne Lore mutwillig in Gefahr bringt. Wenn sie den Bauern soweit gereizt haben, dass er über Lore herfällt, verschwindet Anne und treibt lieber die Kühe von der Weide, als ihrer Freundin beizustehen. Auch in der Szene, die zum Mord führt – und die Bauern-Szene spiegelt – sorgt sie dafür, dass Lore mit einem sexuell aufgeheizten Mann alleine bleibt und dessen Opfer wird. Warum tut sie das? Weil sie ihre Lust daraus zieht zu dominieren, zu manipulieren und zu kontrollieren. Wie sie es als Spross einer herrschenden Familie gelernt hat. Sie ist keine rebellische Jeanne D’Arc, sondern eher ein mordender Gilles de Rais.

Man merkt Joël Sérias Erstlingswerk seine Leidenschaft und Wut an. Wie Anne und Lore besitzt auch der Regisseur eine Lust am Zerstören und sei es nur die Moralvorstellung der Zuschauer. In einem, auf der DVD als Extra enthaltenen, Interview räumt er ein, dass der Film viele autobiographische Elemente enthält. Aber auch ohne dieses Wissen merkt man seine Leidenschaft und unbedingten Zwang, diese Geschichte genauso zu erzählen, wie er es tut. Ohne Kompromisse.

Dadurch ist „Und erlöse uns nicht von dem Bösen“ zu einem kleinen, leider fast vergessenen, Meisterwerk geworden, welches stark von der überzeugenden Jeanne Goupil in ihrer ersten Filmrolle geprägt wird. Aber auch darüber hinaus findet der Film hinterhältige Bilder, die sich aufgrund ihrer verführerischen Schönheit ins Gehirn des Zuschauers einfräsen und dort ihre giftige Saat hinterlassen. Fast könnte man bei diesem Film von der Schnittstelle zwischen „Tausendschönchen“ und „Ein Kind zu töten“ (ebenfalls bei Bildstörung erscheinen) sprechen.

Neben dem erwähnten 15-minütigen Interview finden sich auf der wie immer vorbildlich ausgestatteten Bildstörung-DVD noch die beiden Dokumentationen „Advokat des Teufels“ – ein 12-minütiges Interview mit Jeanne Goupil – und „Höllische Kreaturen“ (ebenfalls 12 Minuten), in dem der Autor Paul Buck über die Gemeinsamkeiten der Filmhandlung und dem realen Mordfall Pauline Parker/Juliet Hulme (von Peter Jackson als “Heavenly Creatures” mit Kate Winslet verfilmt) spricht. Wie auch das Interview, sind diese Extras der US-amerikanischen „Don’t Deliver Us From Evil“-Ausgabe aus dem Hause Mondo Macabro entnommen.

Eine deutsche Tonspur liegt nicht vor, obwohl in dem Interview mit Joël Séria eine Kinoauswertung in Deutschland erwähnt wird. Im Gegensatz zu den “Bildstörung”-Veröffentlichungen davor, gibt es diesmal keine Limited Edition mit dem Soundtrack. Was schade ist, denn Claude Germain und Dominique Neys Musik ist wirklich ein wunderschöner Ohrwurm.

Screenshots: http://www.filmforum-bremen.de/2012/10/ ... dem-bosen/
Früher war mehr Lametta
***************************************************************************************
Filmforum Bremen
Weird Xperience
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39402
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von jogiwan »

ob der wirklich mal in den deutschen Kinos gelaufen ist? Ganz kann ich mir das ja nicht vorstellen...
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
Arkadin
Beiträge: 11225
Registriert: Do 15. Apr 2010, 21:31
Wohnort: Bremen
Kontaktdaten:

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von Arkadin »

jogiwan hat geschrieben:ob der wirklich mal in den deutschen Kinos gelaufen ist? Ganz kann ich mir das ja nicht vorstellen...
In dem interview mit dem Regisseur meint dieser, dass der Film zwar in Frankreich verboten war, aber im Ausland recht erfolgreich lief. Und da sagt er sinngemäß so etwas wie, "erst wurde der Film nach XY verkauft und dann kam Deutschland...".
Früher war mehr Lametta
***************************************************************************************
Filmforum Bremen
Weird Xperience
Benutzeravatar
horror1966
Beiträge: 5597
Registriert: Mo 7. Jun 2010, 01:46
Wohnort: Hildesheim

Und erlöse uns nicht von dem Bösen - Joel Seria

Beitrag von horror1966 »

Bild




Und erlöse uns nicht von dem Bösen
(Mais ne nous delivrez pas du mal)
mit Jeanne Goupil, Catherine Wagener, Bernard Dheran, Gerard Darrieu, Marc Dudicourt, Michel Robin, Veronique Silver, Jean-Pierre Helbert, Nicole Merouze, Henri Poirier, Serge Frederic, Rene Berthier
Regie: Joel Seria
Drehbuch: Joel Seria
Kamera: Marcel Combes
Musik: Claude Germain / Dominique Ney
FSK 16
Frankreich / 1971

Die beiden 14jährigen Klosterschülerinnen Anne und Lore interessieren sich nicht sonderlich für das, was Mädchen ihres Alters normalerweise so umtreibt. Statt sich mit so profanen Dingen wie Jungs abzugeben, lesen sie nachts lieber heimlich unter der Bettdecke die Werke von Lautréamont und Baudelaire und huldigen, ganz dem verführerischen Reiz des Verbotenen erlegen, hingebungsvoll ihrer einzig wahren Liebe, dem Teufel. Angefacht von ihrer Leidenschaft für das Böse und dem Plan, ihrem Liebsten zu imponieren, um sich ihm bei einem Hochzeitsritual vollends hingeben zu können, beginnen die beiden in den Sommerferien, den Männern aus ihrem Dorf gemeine Streiche zu spielen. Was als Spiel aus Verführung und Demütigung beginnt, gerät aber zusehends außer Kontrolle…


Einmal mehr hat das Label Bildstörung eine absolut provokante Film-Perle ausgegraben, die erstaunliche Ähnlichkeiten zum tschechischen Film "Tausendschönchen" aufweist. Auch hier stehen zwei junge Mädchen im Mittelpunkt der Geschichte, die sich durch ihr Verhalten äußerst stark von der Menge abheben und durch ihre provokanten Taten für jede Menge Aufsehen sorgen. Anne und Lore schwören nämlich der Kirche ab und huldigen dem Satan, so das man den im Film-Titel geäußerten Wunsch "Und erlöse uns nicht von dem Bösen" durchaus wörtlich nehmen kann. Anders als in "Tausendschönchen" handelt es sich in vorliegendem Fall aber nicht um eine anarchistische Attacke zweier Außenseiterinnen gegen die bessere Gesellschaft, denn beide kommen aus guten Familien, wobei Anne sogar aus einer echten Aristokraten-Familie stammt. Gerade dieser Tatsache ist es aber auch geschuldet, das die Mädchen anscheinend aus dem spießbürgerlichen Mief entkommen wollen, denn schaut man sich als Zuschauer einmal die familiären Verhältnisse an, schnürt es einem die Luft zum atmen ab. Strenge Regeln und absolute Monotonie kennzeichnen das Leben der beiden Mädchen, für Spaß und die Entfaltung einer eigenen Persönlichkeit scheint dabei kein Platz zu sein. Zudem müssen beide auch noch eine Klosterschule besuchen, in der es streng und extrem gläubig zur Sache geht. Und so fassen sie den Beschluss sich dem Satan zuzuwenden und schwören der Kirche ab, so das man das gesamte Szenario schon als äußerst krasse Blasphemie ansehen kann.

In der Folge denken sich die Teenager immer boshaftere Streiche aus und provozieren vor allem die Männer in ihrer Umgebung mit sexuellen Provokationen. Dabei sollte man anmerken, das die beiden Hauptdarstellerinnen im Film 14 Jahre alt sind und vom Optischen her auch so wirken, jedoch beim Dreh des Filmes schon 19 und 21 Jahre alt waren. Das optische Erscheinen der hübschen Mädchen kommt dem Gesamtbild sehr zu Gute, kann man ihnen doch einerseits die kindliche Naivität im Gesicht ablesen und verspürt doch andererseits den Aspekt des Frühreifen, der nicht nur visuell sondern insbesondere in den provokanten Dialogen extrem gut zur Geltung kommt. Hier liegt auch die meiner Meinung nach größte Stärke der Geschichte, denn obwohl die Handlungen der Mädchen immer boshaftere Züge erkennen lassen, liegt jederzeit ein Hauch von Verspieltheit und kindlicher Naivität über den Ereignissen. Dadurch entsteht eine noch höhere Intensität und der Zuschauer steht dem Ganzen mit ziemlich zwiespältigen Gefühlen gegenüber. So werden beispielsweise auch durch lediglich kleine Szenen durchaus Gründe präsentiert, warum man die Abkehr der beiden Mädchen vom sogenannten Guten begründen könnt, wären da die lüsternen Blicke des Pfarrers bei der Beichte, oder aber auch die Andeutung lesbischer Liebesspiele zweier Nonnen beim Blick durch ein Schlüsselloch.

Diese dezenten Andeutungen sind vollkommen ausreichend, um die schon oft ins Bild gesetzte Doppelmoral der Kirche anzuprangern und den Beweggründen der beiden Teenies Vorschub zu leisten. Die Art der Darstellung ist das Besondere in diesem Szenario, denn Regisseur Joel Seria war sehr wohl darauf bedacht, dem Geschehen eine gewisse Anrüchigkeit zu verleihen, dabei jedoch nie die verspielte Note außer acht zu lassen, die phasenweise sogar einen heiteren Eindruck hinterlässt. Umso schockierender wirken dann die folgenden Ereignisse, denn das Spiel der beiden jungen Grazien mit dem Feuer nimmt zum Ende hin sehr dramatische Formen an. Die Provokationen steigern sich immer mehr und das Szenario nimmt eine Wendung, die einem mit dem gewählten Finale einen Tiefschlag in die Eingeweide versetzt. Auf einmal ist nichts mehr von der Heiterkeit zu verspüren, die selbst die boshaftesten Streiche der Mädchen begleitet hat und auch die kindliche Naivität ist gänzlich verschwunden. Stattdessen entfaltet sich eine regelrechte Schock-Starre, in die man mit den letzten Bildern des Filmes versetzt wird. Das abrupte Ende wirkt dann auch sehr nachhaltig und man braucht eine geraume Weile, bis man das Gesehene einigermaßen verdaut hat. Dennoch rundet gerade der Aspekt das es hier kein Happy End gibt die Geschichte perfekt ab und entlässt einen aus einem Film, den man insgesamt nur als absolut grandios bezeichnen kann. Zu diesem Eindruck trägt insbesondere das herausragende Schauspiel der beiden Haupt-Darstellerinnen bei, denn Jeanne Goupil (Anne) und Catherine Wagener (Lore) liefern eine Performance ab, die man nur als absolut brillant bezeichnen kann.

"Und erlöse uns nicht von dem Bösen" ist ein absolutes Meisterwerk des provokanten Filmes und bietet dem Betrachter ein Szenario, das ihn in einen absoluten Zwiespalt der Gefühle versetzt. Der Kontrast zwischen kindlicher Naivität und absoluter Boshaftigkeit ist dermaßen frappierend, das man hin-und her gerissen ist zwischen aufkommender Symphatie für zwei verspielte Mädchen und der strikten Ablehnung ihrer boshaften Taten gegenüber ihren Mitmenschen. Es ist ein äußerst schmaler Grat zwischen Gut und Böse auf dem man sich hier bewegt und die Umsetzung des Ganzen ist so perfekt gelungen, das man einfach nur applaudieren kann. Trotz der fast durchgehend vorhandenen heiteren Note entfaltet der Film gerade durch diesen Gesichtspunkt eine ungeheuer starke Intensität und ist ein absoluter Schlag in die Magengrube, von dem man sich erst nach einer gewissen zeit wieder erholen kann. Man muss sich dieses Werk einfach selbst anschauen, um sich ein Bild von der teils verstörenden Wirkung zu machen, die das Szenario beim Zuschauer hinterlässt.


Fazit:


Über 4 Jahrzehnte hat es gedauert, bis dieser fantastische Film dank Bildstörung nun auch endlich bei uns eine würdige Veröffentlichung erfahren hat. Dabei hat das Label einmal mehr sein Gespür für die außergewöhnlichen Film-Perlen eindrucksvoll unter Beweis gestellt und dem Zuschauer ein Geschenk gemacht, das man nur zu gern dankend annimmt. Wie immer hat man die DVD auch wieder mit üppigem Bonus-Material ausgestattet, so das man letztendlich nur eine dicke Empfehlung an jeden aussprechen kann, der ganz besondere Werke zu schätzen weiß.


Die DVD:

Vertrieb: Bildstörung
Sprache / Ton: Französisch DD 2.0 Mono
Untertitel: Deutsch
Bild: 1,66:1 (anamorph 16:9)
Laufzeit: 97 Minuten
Extras: Interview mit Regisseur Joel Siera, Interview mit Hauptdarstellerin Jeanne Goupil, Hellish Creatures, Exclusives Booklet


10/10
Big Brother is watching you
Benutzeravatar
CamperVan.Helsing
Beiträge: 10905
Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40

Re: Don't Deliver Us from Evil - Joël Séria (1971)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Sehr sehenswerte Ausgrabung des Bildstörung-Labels über zwei pubertierende Mädchen, die sich dem Teufel verschreiben, Männer provozieren, was zu einem Vergewaltigungsversuch führt, harmlose Vögel töten und einem Bauern das Heu abfackeln. Als ein zweiter Mann sich an den Lolitas vergreifen will, wird ihm der ewige Garaus gemacht. Als die Polizei ihnen immer näher rückt, bleibt in rollin'scher Konsequenz nur noch eine Lösung...

Vielen Dank an die Bildstörer dafür, dieses französische Kleinod, das mich sehr an Jean Rollin erinnerte, entdeckt und zugänglich gemacht zu haben. Glücklicherweise hat man dabei auf eine Synchro verzichtet und stattdessen den Film untertitelt. Empfehlung!
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
Antworten