Sex Maniacs 2 - Francis Leroi (1977)

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Maulwurf
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Sex Maniacs 2 - Francis Leroi (1977)

Beitrag von Maulwurf »

 
Sex Maniacs 2
Jeux de langues
Frankreich 1977
Regie: Francis Leroi
Ursula White, Guy Royer, Emmanuelle Parèze, Willy Braque, Lisa Stophenberg, John Oury, Élisabeth Buré, Gérald Delaire


Couples voyeurs et fesseurs.jpg
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OFDB

Was wäre wohl nach dem Jahr 2000 aus folgender Handlung für ein Porno zusammengeschustert worden: Das Paar Henri und Hélène langweilt sich beim Sex ziemlich. Bis zu dem Tag, an dem sie entdecken, dass im Haus gegenüber ein Ehepaar sich damit verlustiert, die erwachsene Tochter auf den Hintern zu schlagen. Henri und Hélène macht allein schon das Zuschauen ganz furchtbar an, also besorgen sie sich eine Kameraausrüstung und filmen das Sexualleben der Nachbarn. Weil ihnen das heimliche Zuschauen zunehmend mehr Spaß macht, fahren sie aus Neugier mit dem Auto in die Peripherie der Stadt und beäugen dort Liebespaare im Auto, wodurch sie die Bekanntschaft von André machen, der sich als Swinger versteht, die beiden ganz spontan zu einer Orgie einlädt, und anschließend mit geschenktem Sexspielzeug wieder nach Hause schickt, wo die Nachbarn beim Abrichten der eigenen Tochter derweil immer neue und heftigere Wege gehen. Bis zu dem Tag, an dem die Nachbarn die Voyeure entdecken …

Nach dem Jahr 2000 wäre das ein zweieinhalb Stunden langer, athletischer Dauerfick geworden, der einen ganzen Haufen künstlich aufgebrezelter Tussis mit dem plakativ schmerzvollen Sexualleben asozial aussehender Bodybuilder konfrontiert hätte. Künstlich, langweilig, überflüssig.
Doch was hat ein Könner wie Francis Leroi in der goldenen Zeit des europäischen Pornos nicht alles aus so einem Stoff herausgeholt! Schon gleich zu Beginn wähnt man sich in einem italienischen Giallo, wenn ein Unbekannter in Lederhandschuhen die Voyeure belauert, und dazu unheilvolle Musik eine sinistere und mysteriöse Stimmung zaubert. Dabei sind Henri und Hélène genauso wie ihre Nachbarn ganz normal gebaute Menschen, die halt einfach an ihrem 08/15-Sexualleben herumlaborieren und neue Wege beschreiten wollen. Das, was die Nachbarin und ihr Mann mit der Tochter Cathy treiben, mag aus Sicht des heutigen politisch korrekten Zeitgeistes vielleicht ein absolutes No-Go sein, wobei man freilich nicht übersehen darf, dass inzestuöse „Handlungen“ in Pornos schon immer beliebt waren. Aber es ist sexy, es ist erstklassig gefilmt, und die Frage, ob Cathy das freiwillig tut oder gezwungen, stellt sich zwar dem heutigen Betrachter schon des Öfteren in den Weg, wird aber bis zum Ende des Films nicht wirklich zufriedenstellend aufgelöst. Abgesehen davon reden wir hier von einem Sexfilm aus dem 70ern, und da kann man 50 moralgeänderte Jahre später gestellte Fragen zur sozialen Verantwortung des Geschlechterdiskurses auch vielleicht mal für 90 Minuten hintan stellen …

Herausragend bei COUPLES VOYEURS ET FESSEURS ist dabei nicht nur das Zusammenspiel aus Musik und Bild, sondern was Kamera und vor allem Schnitt dabei zaubern, das ist pornografische Filmkunst auf höchstem erotischem Niveau:
Vorne befriedigt Hélène sich selbst und/oder ihren Henri, während im Hintergrund, im Monitor der Kamera, Cathy den Hintern versohlt bekommt. Dadurch, dass das Spanking dabei fast immer ohne Ton gezeigt wird, schließlich findet die Beobachtung ja nur mit einer „tauben“ Kamera statt, gewinnen die Szenen eine zunehmend abstraktere und gleichzeitig sinnlichere Dimension. Spannend und sehr erotisch ist es auch, wenn Cathy ihrem Vater und als Parallelmontage Hélène ihrem Henri einen bläst – Beide Damen in getrennten Wohnungen machen gleichzeitig die gleichen Dinge und haben gleichzeitig einen Höhepunkt, was grafisch sehr schön gelöst ist und ausgesprochen erotisch rüberkommt.
Gleichzeitig hat es dann aber auch immer wieder den Handschuhträger, der anonym in einem Auto sitzt, Zigaretten raucht, und dessen Rolle lange Zeit nicht klar ist. Ein weiterer Voyeur? Ein Vergewaltiger? Ein Polizist? Jemand der übles plant? Die Stimmung des Films pendelt damit und dank der überragenden Musik immer wieder zwischen einem angedeuteten Thriller und dem tatsächlichen Porno, was zu einer, in einem Sexfilm sehr ungewohnten, inneren Spannung führt.

Der Film ist auf jeden Fall ausgesprochen sehenswert, und man darf sich von dem völlig idiotischen Titel der deutschen DVD-Veröffentlichung SEX MANIACS 2 nicht abschrecken lassen. Die Übersetzung des Originaltitels „Zungenspiele“ klingt diesem wirklich schönen Film doch gleich viel angemessener.

7/10
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
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