Trio Infernal - Francis Girod (1974)

Moderator: jogiwan

Benutzeravatar
Maulwurf
Beiträge: 3749
Registriert: Mo 12. Okt 2020, 18:11
Wohnort: Im finsteren Tal

Re: Trio Infernal - Francis Girod (1974)

Beitrag von Maulwurf »

 
Trio Infernal
Le trio infernal / Trio infernale
Frankreich / Deutschland / Italien 1974
Regie: Francis Girod
Michel Piccoli, Romy Schneider, Mascha Gonska, Philippe Brizard, Jean Rigaux, Monica Fiorentini, Luigi Zerbinati, Hubert Deschamps, Monique Tarbès, Andréa Ferréol, Francis Claude, Pierre Dac, Jean-Pierre Honoré, Henri Piccoli, Martine Ferrière, Nicole Chomo, Isabelle Lebel


Trio Infernal.jpg
Trio Infernal.jpg (101.01 KiB) 496 mal betrachtet
OFDB

Filme über Zeitgenossen, die aus reiner Gier andere Menschen gleich reihenweise ermorden, kennt man eigentlich eher aus amerikanischen Filmen. Aber aus Frankreich? Spannenderweise gab es den Serienmörder Georges Sarret tatsächlich, und die hier geschilderte Geschichte scheint extrem nah an der Wirklichkeit, bis hin zu dem Fakt, dass die Namen der Personen die historisch korrekten Namen sind …

Im Frankreich der 20er Jahre lernt der Wirtschaftsanwalt Georges Sarret die junge Deutsche Philomène Schmidt kennen. Er kommt auf den Idee, Philomène mit einem alten und kranken Mann zu verheiraten, eine Lebensversicherung auf dessen Frau abzuschließen (wobei die erforderliche ärztliche Untersuchung mit Hilfe eines Komplizen und ein wenig Schminke problemlos durchgeführt werden kann), und gegebenenfalls beim Tod des alten Mannes ein klein wenig nachzuhelfen. Als Philomènes Schwester Catherine dazustößt ist das Trio Infernal komplett. Mehrere Hochzeiten und Todesfälle später wird der Komplize, weil er zu gierig wurde, mitsamt seiner Freundin ermordet und in Schwefelsäure aufgelöst, und anschließend ist die Bahn frei für einen richtig großen Plan: Philomène organisiert eine junge und kranke Waise, Catherine pflegt diese, und wenn die Waise stirbt wird offiziell Catherine Schmidt sterben und das Geld für fünf(!) Lebensversicherungen eingestrichen. Ob das gut geht?

Wie gesagt, der Film orientiert sich bis auf ein oder zwei kleinere Ausnahmen an der wahren Geschichte, und ist auch ohne diese Vorkenntnisse sehr wohl zu goutieren. Allein die lange und sehr intensive Auflösung der beiden Leichen mittels Schwefelsäure und das Wegschaffen des dadurch entstanden Breis ist düsteres und intensives Kino wie man es nicht oft sieht. Doch der Weg dorthin dauert ein wenig, und die Beziehung zu den Figuren aufzubauen ist nicht ganz einfach, sind doch alle drei Charaktere von Grund auf schlechte Menschen, deren Haupteigenschaften Habgier und Habsucht sind, gepaart mit einer gesunden Bereitschaft über Leichen (beziehungsweise das was von ihnen übrig ist) zu gehen. Die geld- und lebensgierige Philomène, dargestellt von einer Romy Schneider auf dem absoluten Höhepunkt ihres Könnens, ist natürlich herauszuheben, genauso wie die Skrupellosigkeit Sarrets (Michel Piccoli). Sicher, beide wollen raus aus dem spießigen Muff der frühen 20er-Jahre, aus dem scheinbar sicheren und ruhigen Lebens eines Anwalts und seiner Geliebten. Aus der Kleinbürgerlichkeit und dem Spießertum. Beide wollen feiern, wollen leben, Liebe machen … Der Weg von hier bis zu den Charakteren aus Filmen wie beispielsweise GRIFTERS ist ein logischer Weg, trotz des grundsätzlich anderen Ansatzes, und wer Filme über Trickbetrüger mag, könnte möglicherweise auch bei TRIO INFERNAL seinen Spaß haben, der sich aber nicht im bieder-heimeligen Ambiente US-amerikanischer Filme wohlfühlt, sondern eher von Begriffen herkommt wie Zynismus oder Menschenverachtung.

Als Gegensatz zu dem wahrlich teuflischen Duo Sarret/Philomène dann Mascha Gonska als Catherine, die ruhiger als Philomène erscheint, aber in deren Adern die gleiche unruhige Lust nach Liebe und Leben fließt. Und mit deren Schicksal, das im Film ein wenig anders als im wahren Leben verlief, wird dann auch die Nähe zum Zuschauer aufgebaut. Catherine ist die einzige des Trios, die sich Gefühle erlaubt, oder die es zum Kotzen findet, Leichen wegschaffen zu müssen. Und auch der Plan mit Magalie, dem kranken Mädchen, scheint Catherine nicht immer zu schmecken, obwohl die von Sarret verordnete lesbische Liebe doch gleichzeitig auch eine gewisse indifferente Zuneigung erzeugt. Das, was an dieser Stelle zwischen Catherine und Magali angedeutet wird, hat viel mit Erniedrigung und Demütigung zu tun, und Catherines schlussendliche Reaktion darauf ist möglicherweise der einzig richtige Weg. Gleichzeitig fällt auf, dass Magali innert kürzester Zeit eine robuste Gesundheit an den Tag legt, was andeutet, dass auch Magali in diesem Spiel aktiv dabei ist, anstatt nur als Figur über das Spielbrett geschoben zu werden. Aus exploitativer Sicht ein bemerkenswerter Gedanke …

Das, was das unheilige Dreigestirn Piccoli, Scheider und Gonska hier abliefert, ist menschenverachtender Hedonismus auf allerhöchstem (Schauspiel-) Niveau, ähnlich wie es sonst nur spanische oder italienische Exploitationer der untersten Kategorien hinbekommen, untermalt von einer leichten und komischen Musik Ennio Morricones, die aber unmerklich immer düsterer und abgründiger wird, und das Treiben sehr zutreffend beschreibt. Sind die ersten kleinen Betrügereien noch verspielt und heiter, so ist spätestens der Mittelteil des Film, die Ermordung von Chambon und Noemie, eine Tortur für die Charaktere genauso wie für den Zuschauer. Wir begleiten die drei Infernalischen hautnah dabei, die Toten in das obere Stockwerk zu bugsieren und in Schwefelsäure aufzulösen, was nicht ohne Kotzerei und ordentlich Ekelhaftem vonstattengeht. Noch intensiver und anstrengender ist es, die aufgelösten Leichen als mit Fleischbrocken und Knochen durchsetzte Suppe wieder in den Garten zu bringen, um sie dort mit dem Erdreich zu vermanschen. Eine Knochenarbeit, im wahrsten Sinne des Wortes, und nicht nur bei den Figuren liegen die Nerven blank. Selbst der kurze Imbiss Catherines sieht in diesem Zusammenhang aus wie etwas, was man normalerweise eigentlich nicht essen mag, während Philomène gleichzeitig ihre erwachenden sexuellen Begierden nicht mehr unterdrücken kann …

Und so entwickelt sich TRIO INFERNAL von einer mit Sex und mehr oder weniger knuffigen Betrügereien durchzogenen, leichten Geschichte zuerst zu einer ekeligen und blutigen Moritat, um dann, mit der Handlung rund um das junge Mädchen mit Tuberkulose, zu einer widerlichen und abgrundtief bösen Story um Manipulation zu werden. Hier schwinden die Sympathien für die Figuren schnell, und einzig Catherine bleibt als Identifikationsfigur noch übrig, gerade weil sie von wirklich allen Beteiligten dieses miesen Spiels bis zur letzten Konsequenz ausgenutzt wird. Mit dieser Episode werden Emotionen ins Spiel gebracht, die den Zuschauer nachhaltig schmerzen, und ihn am Ende plötzlich und unerwartet niederwerfen. Und doch ist es gleichzeitig grotesk was hier alles passiert: Grotesk sind die verschiedenen Hochzeiten, grotesk ist die Auflösung der Leichen am Heiligabend, und grotesk ist der zur Schau gestellte Zynismus der Charaktere. TRIO INFERNAL erweist sich dadurch als bitterböser und stellenweise exploitativer Kommentar zur Befindlichkeit der Bourgeoisie, die hier ihre Phantasien ausleben darf, und dabei vor nichts und niemandem Halt macht. Geld und Sex, Sex und Geld, und gerne auch ein gerüttelt Maß an Macht, das ist es, was die Spießbürger dieser Welt antreibt. Wirklich nur die Spießbürger? Wenn wir ehrlich sind ist es doch das, was uns alle antreibt, und vielleicht wären wir auch gerne wie Sarret und Philomène: Skrupellos, versaut, rücksichtslos, und geil. Ein Film als Spiegelbild der Gesellschaft, und zwischen den Zuständen im Jahr 1925, 1974 und 2025 scheint gar kein großer Unterschied mehr zu liegen …

7/10
Der Sieg des Kapitalismus ist die endgültige Niederlage des Lebens.
(Bert Rebhandl)
Antworten