Dabei ist 5 DONNE PER L’ASSASSINO zunächst einmal ein recht durchschnittlicher Giallo nach dem Baukastenschema: Der Journalist oder Romancier George – an was er genau schreibt, wird nie so richtig klar, offenbar scheint er aber sowohl als freier Mitarbeiter einer Zeitschrift Artikel zuzusteuern als auch mehr oder minder berühmte Romane zu schreiben – kehrt von einer Reise zurück, und findet sein bislang geordnetes Leben in rauchenden Trümmern vor. Seine schwangere Frau hat ihr Kind zwar zur Welt gebracht, bei der Geburt allerdings das eigene Leben verloren, und dann muss George in seiner Trauer und Verzweiflung von seiner Schwägerin Lydia, eine promovierte Ärztin, erfahren, dass besagtes Kind nicht mal von ihm stammen könne, denn er sei seit jeher zeugungsunfähig. Nichtsdestotrotz nimmt sich George des Kleinen an – und mehr noch: Alsbald ist eine wesentlich jüngere Medizinstudentin engagiert, die in Georges Haushalt die Rolle des Kindermädchens einnimmt. Nicht nur mit ihr verbindet den Witwer mehr als das schnöde Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auch mit einer englischen Touristin, die außerdem Fan seiner Bücher ist, bandelt er an. Das Problem ist nur: Diese Frau wird am Morgen danach auf bestialische Weise ermordet aufgefunden, von der Klitoris bis zum Hals aufgeschlitzt, und außerdem – man mag es kaum glauben – mit okkulten Fruchtbarkeitssymbolen, fein säuberlich eingeritzt in ihren Körper.
Natürlich steht nicht nur George bald auf der Verdächtigtenliste der ermittelnden Beamten, sondern eine ganz Handvoll schräger Figuren, die 5 DONNE PER L’ASSASSINO im Dutzend billiger aus dem Ärmel schüttelt. Da hätten wir den Chefarzt Aldo Betti, der es mit seinem Hippokratischen Eid nicht so genau nimmt, und sich – in Anwesenheit von Kollegen, Krankenschwestern und sogar Hinterbliebenen – auf der Babystation in Gewaltphantasien darüber ergeht, wie man das Problem der Überbevölkerung in den Griff bekommen könnte. Da hätten wir einen Zuhälter aus Rom, der gemeinsam mit seiner Freundin den genialen Plan ausheckt, sie solle ihrer Affäre, eben jenem Chefarzt, weismachen, dass sie schwanger von ihm sei, und ihn dadurch ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, und der, um das Ganze noch besser koordinieren zu können, als Krankenpfleger in Bettis Hospital und sogar als dessen Privatchauffeur jobbt. Da hätten wir, nicht zuletzt, ein groteskes Ermittler-Duo, bestehend aus einem knallharten Cop und seinem ältlichen, trotteligen Sidekick Palomo, der keine Gelegenheit ungenutzt lässt, Frauen hinterher zu starren und sich während der Arbeitszeit einen Drink zu genehmigen, die den gesamten Film über sämtlichen Verdächtigten Steppvisitenbesuche abstatten, oft nur um ihnen eine einzige, eher irrelevante Frage zu stellen. Dass alle diese Gestalten auf komplexe Weise miteinander verwoben sind – immer ist irgendwer mit irgendwem verschwägert, oder irgendwer schreibt mit irgendwem zufällig für das gleiche Magazin Artikel oder irgendwer hatte mal mit irgendwem irgendwann einmal ein Techtelmechtel -, macht 5 DONNE PER L’ASSASSINO genauso kurzweilig wie die Tatsache, dass früher oder später nahezu jede weibliche Figur in vorliegendem Film entweder schwanger wird oder zumindest vorgibt, es zu sein, und Stelvio Massis Umgang mit der Sexualität seiner Protagonisten und sexualisierter Gewalt prinzipiell ein eher lockerer ist: Wie selbstverständlich tröstet George sich über seine tote Ehefrau mit dem neuen Kindermädchen hinweg, und wie selbstverständlich hinterlässt der unbekannte Killer sein Markenzeichen – besagtes Fruchtbarkeitssymbol – auf den Klitorides seiner Opfer – und um sich vorstellen zu können, wie genau er das mit einem handelsüblichen Messer bewerkstelligt haben soll, muss man wohl die misogynen Phantasien eines italienischen Schmuddelfilmers teilen.
In dieser Hinsicht werten die rasant geschnittenen Mordszenen den Film, der sich abwechselnd, gerade wenn es um die Herzschmerzbefindlichkeiten seiner Protagonisten geht, anfühlt wie eine Seifenoper, ein Fernsehkrimi der betuchteren Sorte und, für kurze Momente, wie ein Abgleiten in ungemein spekulative Sleaze-Sümpfe, ungemein auf. Obwohl Massi sich zu keinem Zeitpunkt mit der Speerspitze des Genres, der Trias Bava-Argento-Martino, messen kann, und er auch nicht an die zweite Liga um Lenzi, Cozzi oder Fulci herankommt, gerade den Szenen, in denen Rasiermesserklingen im Halbdunkel zum Einsatz kommen, merkt man an, dass der gute Mann, wenn es drauf ankommt, durchaus fähig ist, Spannung und Schocks gleichermaßen zu erzeugen. Schlicht großartig empfand ich beispielweise den zweiten Mord an der von einer blutjungen Ilona Staller gespielten englischen Touristin – eben weil er im Grunde gar nicht dargestellt wird. Eben noch haben wir die junge Frau und Georgio miteinander plauschen gesehen, einen Schnitt später hat sich auch im intradiegetischen Universum des Films ein Cut vollzogen, nämlich der, von dem die Arme vom Leben in den Tod befördert worden ist. Es hat schon etwas von der Juxtaposition-Montage in Jacopettis und Prosperis MONDO-CANE-Filmen, wenn wir völlig unvermittelt aus einer mit leicht knisternder Erotik durchsetzten Mitternachtsplauscherei zu der Großaufnahme eines blutverschmierten Frauenunterleibs gestoßen werden. Ein weiteres Highlight des Giallo-typischen schönen und zugleich schrecklichen Sterbens ist der Mord an Dr. Bettis Geliebter. Hübsch der Reihe nach geht Massi hier die Genre-Zutatenliste ab: Erst muss die Frau sich entkleiden, denn sie will eigentlich in die Wanne, dann fällt das Licht aus, dann schält sich aus der Dunkelheit der vermummte Killer, dessen Gesicht sich für Sekundenbruchteile in der Klinge seiner Mordwaffe spiegelt, und aus dessen Perspektive wir schließlich mitansehen wie sein nacktes Opfer zu Boden stürzt und die Haut von ersten Schnitten versehrt bekommt. Erneut spielt Massi die Gewalt nicht offen aus: Zu einem schrillen Tonspur-Jaulen sehen wir, erneut nur für Bruchteile von Sekunden, wie das Messer sich der Vagina der Frau nähert, und eine Blutfontäne sich von dort aus über ihren Körper ergießt. Das mag technisch zwar leicht durchschaubar sein, verfehlt seine Wirkung aber zumindest bei mir überhaupt nicht.
Freilich stehen diese jähen Einbrüche graphischer physischer Dekomposition ziemlich vereinzelt in einem Film, der sich ansonsten mehr für das Privatleben seiner Protagonisten und, vor allem im Mittelteil, wenn der Fokus allmählich von Giorgio weggerückt wird, die klassische Polizeiarbeit interessiert. Über weite Strecken bietet 5 DONNE PER L’ASSASSINO hierbei solides Mittelmaß. Massi mangelt es zwar nicht an schrägen Einfällen – wieso eröffnet bspw. eine Szene, in der unser Beamten-Duo Dr. Betti in dessen Arztzimmer vernehmen, mit Großaufnahmen berühmter italienischer Mediziner, deren Photographien dort an den Wänden angebracht sind?, und was genau ist denn an dem Michelangelo-Gemälde an der Wand des Kommissar-Büros nun so spektakulär, dass Betti, bei einer weiteren Vernehmung, explizit auf es hinweisen muss? -, irgendwie lehnt er sich mit ihnen jedoch niemals so weit aus dem Fenster der Rationalität, dass sein Film in einem wirklich surrealen Windzug flattern würde. Wenn ich mir während der Sichtung von 5 DONNE PER L’ASSASSINO öfter mal an die Stirn gefasst habe, dann lag das eigentlich immer an dieser wirklich unglaublichen Synchronisation, von der ich zum Schluss noch einige Perlen vor die Säue werfen möchte. Gleich nach der Beerdigung seiner Frau glaubt der Priester, Giorgio noch den einen oder anderen gutgemeinten Ratschlag mit auf den Weg geben zu müssen: „Ihr wart wirklich ein christliches Paar, so wie ich es mir wünsche. Ja doch, auch wenn Du nicht an Gott glaubst. Ihr habt an die Liebe geglaubt und euer Sohn ist die Frucht eurer Liebe. Dein Sohn, den Dir Gott gegeben hat, ist Deine Zukunft. Deine und Erikas. Das habe ich in der Kirche nicht gesagt. Denk bitte immer daran, Giorgio.“ Noch mehr Vögel schießt Dr. Betti ab, als er zwischen Frühgeborenen, angehenden Ärzten und trauernden Hinterbliebenen ausführt: „Irgendwann lade ich Sie mal zum Abendessen ein, damit ich Ihnen erklären kann, welcher unaufhaltsamen Katastrophe die Menschheit entgegengeht. Es gibt zu viele von uns, meine Lieben, einfach zu viele. Wenn wir uns weiter so vermehren, gibt es bald zwei Menschen pro Quadratmeter. […] Und wisst ihr, wo die Lösung steht? In der Bibel, ja, in der Bibel! Herodes. Der Bethlehemer Kindermord.“ Meine liebste Stilblüte aber bleibt wohl die des Kommissars Howard Ross, der nach dem vergleichsweise lahmen Finale dem andächtig zuhörenden Giorgio erklärt: „Diese Verdachtsmomente haben mich dazu gebracht, eine geheime Autopsie an Ihrer Frau vornehmen zu lassen. Ich bin davon ausgegangen, dass der Mörder auch an ihr das orientalische Fruchtbarkeitszeichen hinterlassen hat. Und so war es auch. Man fand dieses Zeichen. Es war grob und eilig in ihrer Klitoris eingeritzt.“ Man kommt aus dem Staunen nicht heraus…