Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

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sergio petroni
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano

Beitrag von sergio petroni »

Zitat vom 29.09.2010: Hellseher oder was? :?
Blap hat geschrieben:Demnächst wird endlich die bisher als verschollen geltende XXX-Version, von einem uns allen bekannten und allseits geschätzten Label veröffentlicht!
Die CO-Scheibe landete gestern bei mir in der Abspielstation. Dieser fiese Giallo-Poliziescho-Hybrid
von Massimo Dallamano ist immer wieder auf's neue sehenswert. Adorf in einer Nebenrolle neigt
leicht zum Overacting, aber das liebt man ja an ihm.
Der leider viel zu früh verstorbene Claudio Cassinelli spielt dagegen seine Rolle sehr glaubhaft und seriös.
Ebenso ernsthaft agiert Giovanna Ralli als Staatsanwältin. Alle drei zusammen ergeben dann auch eine
denkwürdige Schlußszene.
Dank der harschen Inszenierung, dem kongenialen Score sowie dem mehr als unangenehmen Thema, das
hier kritisch angepackt wird, ist ein Klasse-Genrevertreter mit sozialkritischer Note entstanden.
8/10


Nach Sichtung des Bonusmaterials noch zwei Anmerkungen:

1) Der Cutter Antonio Siciliano spricht über seine Erinnerungen an den Film. Dabei werden
ihm auch die wohl 2015 entdeckten "Hardcore"-Szenen (5 Min.) vorgeführt. Hierbei handelt
es sich um aus starrer Kameraposition gefilmte, aneinandergereihte Schnipsel. Recht
explizit geht es dabei nicht zu Sache. Siciliano sagt, daß er diese Szenen nicht kennt.
Weder vom Set, noch vom Schneideraum. Ein Widerspruch zur Handlung des Films
besteht darin, daß die Darstellerin keineswegs jugendlichen Alters ist.
Zum Film paßt jedoch, daß diverses Sexspielzeug zu sehen ist, das auch auf den Tonbändern
Erwähnung findet. Und daß die Szenen offensichtlich am Set des Filmes gedreht wurden
(gleiche Tapete!).
Ein weiteres Indiz liefert Siciliano dann doch: Eine Stellung (beide stehend, ihr Bein mittels
eines Hilfsmittels angehoben) ordnet er ganz klar Dallamano zu. Eine seiner
Lieblingsstellungen angeblich, die er wohl auch in anderen Filmen so oder ähnlich
abdrehte.

2) Siciliano spricht vom recht frühen Tod Dallamanos nach kurzer, schwerer Krankheit.
Überall sonst ist zu lesen, Dallamano starb bei einem Autounfall!?
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
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Onkel Joe
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von Onkel Joe »

Ich bin auf der Suche nach einem deutschen Kino Plakat.
Hat jemand ne Idee??
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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Reinifilm
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von Reinifilm »

Ab dem 03.03.2025 nochmals von Camera Obscura als limitiertes Mediabook (Blu-Ray und Bonus-DVD).

IMG_0624.jpeg
IMG_0624.jpeg (1.67 MiB) 6273 mal betrachtet
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buxtebrawler
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von buxtebrawler »

Reinifilm hat geschrieben: So 5. Jan 2025, 13:47 Ab dem 03.03.2025 nochmals von Camera Obscura als limitiertes Mediabook (Blu-Ray und Bonus-DVD).
Extras:
- Featurette* "Eternal Melody" mit Komponist Stelvio Cipriani (Bonus-DVD)
- Featurette* "Dallamano's Touch" mit Editor Antonio Siciliano (Bonus-DVD)
- Audiokommentar** mit Dominik Graf und Marcus Stiglegger
- Ungenutzte Hardcore-Szenen
- englischer, italienischer und deutscher Trailer
- Fotogalerie
- Booklet mit Texten von Kai Naumann und Andrea Napoli

* mit optionalen deutschen und englischen Untertiteln
** mit optionalen englischen Untertiteln

Quelle: https://www.ofdb.de/vorabfassung/809,13 ... zes-Leder/
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von fritzcarraldo »

Forentreffen Düsseldörf 35mm

Der Tod trägt schwarzes Leder
Ein Thriller der sich später sogar als Polit-Thriller entpuppt und dabei keine Kompromisse eingeht. Im Gegensatz zu den Kompromissen, die die Ermittler eingehen müssen.
Ich hatte schon vor ein paar Jahren gesagt, dass der Film in einer möglichen modernen Version genauso wie er damals gedreht wurde, fast keine Änderungen benötigt. Das sehe ich immer noch so und füge hinzu, dass das Thema heftigerweise immer wieder aktuell schien, aber fast noch nie so aktuell war wie heute.
Unglaublich guter Film.
"Das ist nicht möglich!"
"Aber notwendig!"

(Interstellar)

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(Patrick Bateman, American Psycho)

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Blap
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von Blap »

Im Kino natürlich nochmal eine andere Hausnummer. Ein herausragendes Werk! Bester Film des Forentreffens, trotz der sehr starken Begleiter! :knutsch:
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buxtebrawler
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano

Beitrag von buxtebrawler »

Nach meiner Erstsichtung notierte ich wie folgt:
buxtebrawler hat geschrieben: Di 28. Sep 2010, 13:18 „Der Tod trägt schwarzes Leder“ von Massimo Dallamano, veröffentlicht 1974, ist eine außergewöhnliche Symbiose aus Giallo und Poliziesco, die mitnichten von einer in Lack und Leder gehüllten Femme fatale handelt (wie es angesichts des Titels meine erste Assoziation war), sondern die Geheimnisse um einen mordenden, lederoveralltragenden Mopedfahrer mit Hackebeilchen zum Thema hat. Dabei beginnt der Film etwas unvorteilhaft mit einer aufgeknüpften Leiche eines pubertierenden Mädchens, die ohne Schwierigkeiten als Plastikpuppe zu erkennen ist. Die sich nach und nach offenbarende Geschichte um einen Callgirlring minderjähriger Mädchen sowie der Umstand zartbusiger weiblicher Nacktheit lässt eine bedenkliche spekulative Richtung erahnen, die das Drehbuch aber überraschend zugunsten polizeilicher Ermittlungsarbeiten inkl. einer emanzipierten Staatsanwältin und politisch-kritischen Kommentaren verlässt – denn während auf der Straße junge Rebellen wüten, führt die Spur in die Oberschicht… Dadurch erhält Dallamanos Film einen gewissen inhaltlichen Anspruch, der ihn von reine Schauwerte präsentierenden Gialli oder gewaltverherrlichenden Poliziesci wohltuend abhebt. Der Killer indes ist wenig zimperlich und sorgt für manch wohldosierte Blutspritzerei, während ein genialer Soundtrack fast schon für Wohlfühlatmosphäre sorgt. Die schauspielerischen Leistungen sind ordentlich, Mario Adorf bekommen wir in einer ungewöhnlichen Nebenrolle als emotional aufgewühlten Polizisten zu sehen, lediglich die jungen Mädchen wirken etwas hölzern. Letzteres mag aber auch mit der deutschen Synchronisation zusammenhängen, die ich auch bei den abgespielten Tonbandaufnahmen von sexuellen Handlungen bis hin zu Vergewaltigungen als etwas befremdlich empfand. Mich vermutlich auf dem falschen Fuß erwischt hat das Finale des Films, das vollkommen giallountypisch ausfiel, also entgegen meiner Erwartungshaltung keinen ausgeklügelten respektive an den Haaren herbeigezogenen Plottwist anbietet. Bei näherer Betrachtung mag aber gerade darin der Clou, die Pointe liegen. Ein (Halb-)Giallo wäre natürlich kein (Halb-)Giallo, wenn sich nicht auch hier ein paar Logiklücken (und Goofs) eingeschlichen hätten. In Anbetracht der gelungenen Inszenierung, die auf allzu künstlerisches Geschwurbel verzichtet und einer Dramaturgie, die keine Langeweile aufkommen lässt und sich zeitweise sogar recht rasant gibt, fallen ein paar Kleinigkeiten aber nicht weiter ins Gewicht. Somit ist „Der Tod trägt schwarzes Leder“ sicherlich ein empfehlenswerter Italo-Thriller, der nicht nur Die-Hard-Giallo- oder Poliziesco-Freaks anspricht.
Nach meiner Zweitsichtung ergänzte ich:
buxtebrawler hat geschrieben: Mi 25. Jan 2012, 20:41 Besonders aufgefallen ist mir bei der Zweitsichtung im Kino, während der ich den Film übrigens wesentlich Polizieso-lastiger als giallig emfpand, wie der Film eine vermutlich damals dank Pille & Co. grassierende Panikwelle konservativer Kreise aufgegriffen bzw. mitgeschürt hat, für die das Erwachen der Sexualität junger Mädchen und ihr selbstbewusster Umgang damit unweigerlich in Tod und Verderben führen mussten :angst: :mrgreen: Umso ungewöhnlicher in diesem Zusammenhang die obrigkeitskritische Aussage des Films. Also auch hier ein Zwitter.
Zunächst war ich also von der Machart dieses Genrehybriden überrascht und nahm anscheinend den inhaltlichen Anspruch nicht sonderlich ernst. Später hatte ich mich stärker mit der sexuellen Revolution beschäftigt, somit auch mit den konservativen Reaktionen auf diese, und wähnte, diese in diesem Film wiederzuerkennen. Während meiner Drittsichtung und vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Epstein Files, die Magdebürger Lars auch in seiner Einführung erwähnte, machte der Film einen wiederum anderen Eindruck auf mich, der stark in Richtung solchen Machtmissbrauchs tendierte, womit das Ende dann auch stimmig und rund erscheint - und ich vermutlich nah an der intendierten Wirkung bin. Logiklücken fielen mir hingegen keine mehr auf, dafür empfand ich die Kameraarbeit als umso beeindruckender. Auch hier geht's also einen Punkt nach oben!
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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jessicaRabbit
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von jessicaRabbit »

Nachdem der schönerweise auf dem Forentreffen lief, musste ich den ehrlicherweise erstmal sacken lassen.

Die maskierte Gestalt in schwarzer Motorradkleidung verbreitet zwar Angst und Schrecken, während die Polizei fieberhaft versucht, dem Täter auf die Spur zu kommen, aber ich gestehe, das hat mich gar nicht so sehr gefesselt. Ich fand es furchtbar, dem gequälten Vater zuzusehen, als er herausfindet, dass auch seine Tochter missbraucht wurde. Ich fand es furchtbar, die Tonbänder zu hören. Und es war massiv frustrierend letztendlich zu der Erkenntnis geführt zu werden, dass die Richtigen nicht bestraft werden. Wie heißt es so schön: „Alle Menschen sind gleich, aber manche noch ein bisschen gleicher“. Natürlich ist „Der Tod trägt schwarzes Leder“ ein Klassiker, großartig geschnitten, gefilmt, der Soundtrack ist atmosphärisch und an den richtigen Stellen beklemmend, für mich bleibt aber die Emotionalität der Ungerechtigkeit auf allen Ebenen am eindrücklichsten. Was in der (sehr schönen!) Einführung erwähnt wurde, ist mir auch nochmal besonders aufgefallen: dass zwar eine gewisse Anziehung zwischen der Staatsanwältin und dem Kommissar spürbar ist, aber eben bewusst keine Liebesgeschichte eingeflochten wird. Es wäre fast zynisch gewesen, die beiden verliebt zu sehen, wenn auf der anderen Seite in jeder Ecke Korruption und moralischer Verfall lauern. Dadurch entsteht eine Leerstelle, so als wäre in dieser Welt kein Platz dafür. Besonders als Frau hat mich glaube ich der gesamte Missbrauch nochmal besonders berührt, weil ich doch auch viele Parallelen zu heute sehe. So viele Fälle, die nicht angezeigt werden, die nicht nachweisbar sind, die nicht verurteilt werden.

In meinen Augen ist das, was Dallamano besonders herausarbeitet: Die absolute Hilflosigkeit, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film zieht, dass es einen ganz langsam zermürbt. In den Blicken zwischen dem Kommissar und der Staatsanwältin, den Gesten, den nach unten sackenden Schultern, den leeren Händen, den Tränen, der Wut, der gesamten, ausgelaugten Farbwelt, den zerfallenen Straßen, der Musik, der Isolation der einzelnen Personen. Mir wird das noch lange im Gedächtnis bleiben.
Zuletzt geändert von jessicaRabbit am Mo 3. Nov 2025, 14:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Onkel Joe
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Re: Der Tod trägt schwarzes Leder - Massimo Dallamano (1974)

Beitrag von Onkel Joe »

jessicaRabbit hat geschrieben: So 2. Nov 2025, 21:51 Nachdem der schönerweise auf dem Forentreffen lief, musste ich den ehrlicherweise erstmal sacken lassen.

Die maskierte Gestalt in schwarzer Motorradkleidung verbreitet zwar Angst und Schrecken, während die Polizei fieberhaft versucht, dem Täter auf die Spur zu kommen, aber ich gestehe, das hat mich gar nicht so sehr gefesselt. Ich fand es furchtbar, dem gequälten Vater zuzusehen, als er herausfindet, dass auch seine Tochter missbraucht wurde. Ich fand es furchtbar, die Tonbänder zu hören. Und es war massiv frustrierend letztendlich zu der Erkenntnis geführt zu werden, dass die Richtigen nicht bestraft werden. Wie heißt es so schön: „Alle Menschen sind gleich, aber manche noch ein bisschen gleicher“. Natürlich ist „Der Tod trägt schwarzes Leder“ ein Klassiker, großartig geschnitten, gefilmt, der Soundtrack ist atmosphärisch und an den richtigen Stellen beklemmend, für mich bleibt aber die Emotionalität der Ungerechtigkeit auf allen Ebenen am eindrücklichsten. Was in der (sehr schönen!) Einführung erwähnt wurde, ist mir auch nochmal besonders aufgefallen: dass zwar eine gewissen Anziehung zwischen der Staatsanwältin und dem Kommissar spürbar ist, aber eben bewusst keine Liebesgeschichte eingeflochten wird. Es wäre fast zynisch gewesen, die beiden verliebt zu sehen, wenn auf der anderen Seite in jeder Ecke Korruption und moralischer Verfall lauern. Dadurch entsteht eine Leerstelle, so als wäre in dieser Welt kein Platz dafür. Besonders als Frau hat mich glaube ich der gesamte Missbrauch nochmal besonders berührt, weil ich doch auch viele Parallelen zu heute sehe. So viele Fälle, die nicht angezeigt werden, die nicht nachweisbar sind, die nicht verurteilt werden.

In meinen Augen ist das, was Dallamano besonders herausarbeitet: Die absolute Hilflosigkeit, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film zieht, das es einen ganz langsam zermürbt. In den Blicken zwischen dem Kommissar und der Staatsanwältin, den Gesten, den nach unten sackenden Schultern, den leeren Händen, den Tränen, der Wut, der gesamten, ausgelaugten Farbwelt, den zerfallenen Straßen, der Musik, der Isolation der einzelnen Personen. Mir wird das noch lange im Gedächtnis bleiben.
Schöner Text und toll das dir der Film so gut gefallen hat. :thup:
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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