Giallo - Dario Argento (2009)

Bava, Argento, Martino & Co.: Schwarze Handschuhe, Skalpelle & Thrills

Moderator: jogiwan

dr. freudstein
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Re: Giallo - Dario Argento

Beitrag von dr. freudstein »

Bringt dem Onkel seine Pillen :troest: :mrgreen:
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buxtebrawler
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Re: Giallo - Dario Argento

Beitrag von buxtebrawler »

„Er hasst schöne Dinge!“

Nach dem umstrittenen Abschluss seiner Mütter-Trilogie mit „Mother of Tears“ im Jahre 2007 weckte der berüchtigte italienische Filmemacher Dario Argento („Opera“) durch die Titelvergabe seines neuen Films die Hoffnung, wieder an alte Großtaten anzuknüpfen: „Giallo“ hieß der 2009 in US-amerikanisch-britisch-spanisch-italienischer Koproduktion entstandene Thriller und gab sich damit den Namen des Genres, in dem Argento in den 1970ern und 1980ern brillierte. Doch es kam anders...

Ein Serienkiller treibt in Turin sein Unwesen: Als Taxifahrer lockt er attraktive junge Frauen in sein Auto, um sie an einem geheimen Ort zu foltern, zu verstümmeln und schließlich zu ermorden. Die Leichen seiner Opfer hinterlässt er an unterschiedlichen Stellen der Stadt. Die Polizei hat zwar Inspektor Enzo Avolfi (Adrien Brody, „Der Pianist“) auf den Fall angesetzt, doch tappt weitestgehend im Dunkeln. Als das französische Mannequin Celine (Elsa Pataky, „Beyond Re-Animator“) verschwindet, wendet sich ihre Schwester Linda (Emmanuelle Seigner, „Die neun Pforten“) sorgenvoll an die Polizei und beginnt bald, zusammen mit Avolfi die Spur des Täters aufzunehmen. Eines seiner Opfer stammelt mehr tot als lebendig „gelb“, kurz bevor es stirbt und liefert damit den entscheidenden Hinweis.

Der Beginn des Films mit einer Opern-Inszenierung erinnert an Dario Argentos Hang zum Pomp, tolle, dramatische Musik lässt einen nervenaufreibenden Thriller bzw. eben Giallo, jenes Genre italienischer Psycho-Thriller, benannt nach der gelben Farbe des Einbands reißerischer Groschenromane, erwarten. Man bekommt zwar keine eskapadistischen Kamerafahrten wie zu Argentos Hochzeiten mehr geboten, dennoch ist die Kameraführung alles andere als unkreativ. Einige harte Bilder beunruhigen und beweisen den gekonnten Umgang der Make-up-Künstler mit Kunstblut. Ein gelungener Witz auf Kosten von Taxifahrern beweist köstlichen Humor. In Bezug auf seine Charaktere, die erzählte Geschichte und vor allem, wie sie erzählt wird, ist „Giallo“ indes äußerst kritikwürdig geraten. Vornehmlich werden dem Zuschauer die entgegengesetzten Charaktere der besorgten Schwester Linda und des ein Kindheitstrauma mit sich herumschleppenden, kettenrauchenden Inspektors Avolfi präsentiert. Während es Emmanuelle Seigner kaum gelingt, die Empathie des Zuschauers zu wecken und für ihre Rolle zwischen Hysterie und Hölzernheit vor allem durch die ihr vom Drehbuch zugeschriebene Penetranz auffällt, passt Supernase Adrien Brody schon besser in die Rolle des eigenbrötlerischen, introvertierten Inspektors mit traurigem Blick – wenn das Drehbuch ihm nur mehr eingeräumt hätte, als ihn geschafft aussehend eine Kippe nach der anderen rauchen und nach dem entsprechenden Hinweis relativ geradlinig den Täter aufspüren zu lassen. Dass er sich auf Schritt und Tritt von Linda folgen lässt, erscheint zunächst reichlich seltsam und unwahrscheinlich. Aus seiner emotionalen, seelischen Einsamkeit, aus der heraus er das zulässt, hätte man viel mehr machen und damit einen echten, charismatischen Charakter formen können, statt ihn in in Gelbtöne getauchten Erinnerungen schwelgen zu lassen, die jedoch wohlgemerkt in eine wahrhaft schockierende Rückblende münden – eine Gewalteruption, die zwar gut aussieht und ihre Wirkung für den Augenblick sicher nicht verfehlt, zur Glaubwürdigkeit der Rolle aber nicht unbedingt beiträgt. Um es kurz zu machen: Beide Rollen wirken nicht sonderlich sorgfältig konstruiert und die Chemie zwischen beiden Schauspielern (oder ihren Rollen) scheint nicht ganz zu stimmen.

Ein Thriller ist natürlich nichts ohne einen interessanten Täter. Dieser wird ebenfalls von Brody gespielt, den man unter der Maske jedoch nicht erkennt. Wie macht uns der Film mit ihm bekannt? Zunächst verfährt er nach Art eines „Whodunit?“, man bekommt den Täter nicht zu Gesicht. Doch dieses Konzept wirft man nach ca. einer Dreiviertelstunde über den Haufen und zeigt ihn reichlich unvermittelt in voller Pracht. Kurz darauf erklären Rückblenden im Schnelldurchlauf auch noch grob die Eckpunkte seiner (Anti-)Sozialisation, um ihn vollends zu entmystifizieren. Spätestens hier wird klar: Nein, ein Giallo ist „Giallo“ nicht, der Name bezieht sich tatsächlich ausschließlich auf die Hautfarbe des Killers, der an Gelbsucht leidet... Zu allem Überfluss stellt „Giallo“ in fragwürdiger Weise einen Leberkranken als zurückgebliebenen, geistig behinderten Psychopathen dar, der nicht einen geraden Satz herausbringt, nur in Babysprache stammelt. Das Finale inkl. Pointe fiel leider auch noch reichlich unbefriedigend aus, womit es sich dem Film anpasst. Es darf bezweifelt werden, ob die Zusammenarbeit Argentos mit den kaum bis keine Referenzen aufweisen könnenden US-Drehbuchautoren Jim Agnew und Sean Keller eine sonderlich potente war.

„Giallo“ ist unterm Strich eine Art Etikettenschwindel (oder mutwilliger Irreführung?), mit dem sich Argento keinen Gefallen getan hat. Trotz des schmutzigen Ambientes des Täters wirkt er geleckter und sauberer als andere Argentos, was das kleinste Problem dieses Films ist. Ärgerlich ist, welch ein plumper, banaler Thriller „Giallo“ wurde, der zwar nicht langweilt, gar die Neugier des Zuschauers weckt, aber auf breiter Linie enttäuscht – ganz gleich, ob man einen reinrassigen Giallo erwartet oder einen US-amerikanisch geprägten, geradlinigeren, harten Thriller sehen möchte. Ein erschreckend oberflächlicher Film ohne viel Substanz, der außer kurzweiliger Unterhaltung nicht viel zu bieten hat. Aus meiner Sicht wenig markanter, glatter Durchschnitt und damit vielleicht das schlimmste aller möglichen Urteile über ein Werk des sonst so polarisierenden Argentos.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Diese Filme sind züchisch krank!
dr. freudstein
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Re: Giallo - Dario Argento

Beitrag von dr. freudstein »

Nochmals gesehen und ich erhöhe auf 6 Punkte. Trotz einiger Kritikpunkte nach wie vor, empfand ich den Film bei der Zweitsichtung etwas zügiger als beim ersten Mal. Wirklich hervorragendes hat Giallo zwar nicht zu bieten, aber langweilen tut er auch nicht. Das es mit dem Titel mehr mit der Hautfarbe bedingt durch Leberkrankheit zu tun hat als mit dem vielgerühmtem Subgenre, ist ja nun hinlänglich bekannt. Nach wie vor find ich das Drehbuch aber zu holprig und insgesamt alles zu zahm. Und bei der Aufdeckung des Täters hätte man sich auch mehr Spannung und Raffinesse gewünscht. Dennoch, für eine grundsolide Unterhaltung für zwischendurch durchaus brauchbar. Da ich mir jetzt für kleines Geld eine Original Scheibe gegönnt habe, legte ich Giallo wieder ein. Die DVD wird chronologisch in der Regalreihe für Argento ihren Platz finden und mal sehen, wann ich sie dort mal wieder rausholen werde.

6/10
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jogiwan
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Re: Giallo - Dario Argento

Beitrag von jogiwan »

Bei der ersten Sichtung von „Giallo“ im Jahre 2010 war ich ja herzlich wenig begeistert und meine ersten Eindrücke hier fielen auch eher harsch aus. Das lag aber weniger an einer falschen Erwartungshaltung, sondern eher an der sehr augenscheinlicher Tatsache, dass Dario Argento mit „Giallo“ wie schon in „The Card Player“ mit langer Zunge dem amerikanischen Serienkiller-Thriller nachhechelt und sich dabei auch noch hoffnungslos vergaloppiert. Bei der Geschichte von „Giallo“ krankt es meiner Meinung gleich an mehreren Ecken und der gesamte Inhalt wirkt nicht nur wenig originell, sondern auch stets sehr unglaubwürdig in seinen Entwicklungen. Statt düsterem Szenario und abgeklärten Ermittler, erwarten hier den Zuschauer eher eine lahme Außenseiter-Story und ein eher zerknirschter Ermittler, dessen „düsteres“ Geheimnis im Finale wohl von der lahmen Hauptstrang ablenken soll, der meines Erachtens noch dazu recht schlecht erzählt ist. Zwar fällt mein heutiges Urteil nicht mehr ganz so negativ aus, aber ein sonderlich guter Film ist „Giallo“ mit all seiner vorhersehbaren Durchschnittlichkeit ja nicht geworden und so man schöner Moment, die Turiner Locations und die überzogen erscheinenden Gore-Spitzen können nicht über das lahme Drehbuch hinwegtäuschen, dass dem Zuschauer meines Erachtens einfach zu viel an ausgelutschte Klischees, blassen Figuren, zu wenig Spannung und dafür jede Menge lahmer Momente zumutet. Mal schauen, ob „The Sandman“ da noch was besser machen kann, der ja Ende dieses Jahres kommen soll.
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Onkel Joe
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Re: Giallo - Dario Argento (2009)

Beitrag von Onkel Joe »

Tatsächlich habe ich diesen Film bis heute nicht komplett gesehen :D.
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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karlAbundzu
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Re: Giallo - Dario Argento (2009)

Beitrag von karlAbundzu »

Ein Taxifahrer in Turin entführt schöne Frauen, bevorzugt Touristinnen, um sie zu foltern, zu fotografieren und zu töten. An ihm dran ein Kommisar, der selbst so seine Geschichte hat, und die Schwester des letzten Entführungsopfers.

Sehr gut gefel mir der Soundtrack, stimmungsvoll, zurück genommen und klassisch angehaucht. Schön. Und auch toll: Das eine Darstellerin Linda Messerklinge heißt!

Ansonsten haben wir hier einen typischen 90er B-Ami-Sereinmörderthriller. Mit irrem Killer und gebrochenem Polizisten. Mit einigen Gore-Spitzen.
Aber, Moment: Ein Argento-Film von 2008 mit dem Titel Giallo?
So ist das eben ein Verpackungsspiel: Eben kein Giallo, den alle immer von ihm wollen. So gibt es ein paar Argentoeinlassungen: Es beginnt in der Oper.
Augen spielen immer wieder eine wichtige Rolle, aber statt reinzustechen, wird direkt daneben gespritzt. Prominent ins Bild gesetzt, die günstigen reißerischen Romane, die dem Genre den Namen gaben. Und beim Killer liegen viele Filmrollen herum.

Nur macht das alles den Film nicht besser. Und der Tiefpunkt ist tatsächlich der brabbelnde Killer mit seiner Rambo auf Beulenpest Maske.
Und ob dieses alte "Kranker Körper Kranker Geist" Gleichschaltungsklischee bedient wird, oder eben auf die soziale Schiene (Der wurde ja immer gemobt) geschoben wird, ist nicht einmal wichtig.

Insgesamt war ich ganz ok unterhalten. Aber der ist auch nächste Woche wieder vergessen.
jogiwan hat geschrieben: solange derartige Filme gedreht werden, ist die Welt noch nicht verloren.
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