Hatchet for the Honeymoon (Italien, Spanien 1969, Originaltitel: Il rosso segno della follia)
Norman Bates reloaded in blutiger Seide
John Harrington (Stephen Forsyth) und seine Gattin Mildred (Laura Betti) führen in Paris ein erfolgreiches Geschäft für Brautmoden. Der stets galante John wird von Models und Kundinnen verehrt, seine Ehe ist jedoch ein eisiges Desaster aus Hass und Verachtung. Niemand ahnt etwas von der heimlichen Leidenschaft des John Harrington, er tötet junge Damen mit einem Fleischerbeil, vorzugsweise in deren Hochzeitsnacht. Lediglich Inspektor Russell (Jesús Puente) fühlt dem charmanten Geschäftsmann immer wieder auf den Zahn, kann ihm aber nichts nachweisen. Als John auf die attaktive Helen Wood (Dagmar Lassander) trifft, scheint sich sein Gefühlsleben in eine andere Richtung zu bewegen. Doch die tyrannische Mildred denkt gar nicht daran ihren Angetrauten freizugeben, sie akzeptiert nur den Tod als Scheidungsgrund. Diese Unnachgiebigkeit soll nicht nur für Mildred grausige Konsequenzen nach sich ziehen...
Mario Bava erinnert uns mit diesem Thriller an seinen eigenen Klassiker "Blutige Seide" (Sei donne per l'assassino), mit dem 1964 einer der wichtigsten Grundsteine des Giallo gelegt wurde. Tatsächlich sind beide Werke in der Modebranche angesiedelt. Doch während "Blutige Seide" als reinrassiger Thriller unterwegs ist, beschreitet "Hatchet for the Honeymoon" andere Wege, streift den Giallo nur am Rande. Der Killer ist von Anfang an bekannt, er berichtet dem Zuschauer freimütig von seinem Wahn. Oft wird der allseits bekannte Norman Bates (Psycho, Alfred Hitchcock 1960) als Vergleich bemüht, was bei Kenntnis beider Filme kaum wundert. Im späteren Verlauf macht sich zunehmend "Gruselstimmung" breit, die man je nach Vorliebe als Irrsinn des Hauptcharakters abtun mag, oder aber der eigenen Phantasie freien Lauf lassen kann.
"Hatchet for the Honeymoon" bietet dem dem Bava-Verehrer die liebgewonnenen Ingredienzien an, für die man den legendären Regisseur schätzt und achtet. Bava übernahm hier auch die Kameraarbeit, die immerhin sein ursprüngliches Betätigungsfeld darstellt. Die Kamera wird sehr kreativ eingesetzt, ich wundere mich immer wieder darüber, welch nahezu einzigartiges Gespür der Künstler für "spannende" und faszinierende Einstellungen hatte. Nicht minder beeindruckend gelingt das Spiel mit Licht und Schatten, Farben und Räumen. Wenn Stephen Forsyth sein "Puppenkabinett" aufsucht, versinkt man in einem Rausch aus wohlig-bizarrem Grauen und obskurer Schönheit. Zusätzlich wird die Intensität des Films durch den treffsicheren Score von Sante Maria Romitelli gesteigert, der gekonnt zwischen dezent bis wüsten Psychedelic-Sounds und klassischen Ansätzen pendelt.
Stephen Forsyth ist die Rolle des irren Killers gewissermaßen auf den schlanken Leib geschneidert. Dank seiner leicht androgynen Ausstrahlung wirkt er zerbrechlich und rätselhaft zugleich, spielt den immer weiter in den Wahnsinn driftenden Schönling sehr gekonnt. Forsyth gelingt es immer wieder mit entrücktem Blick für Gänsehaut zu sorgen, herrlich. Laura Betti gibt die giftige Ehefrau nicht minder überzeugend, offenbart aber auch zarte Seiten hinter ihrer harschen Fassade. Dagmar Lassander hat mehr zu bieten als man zunächst vermutet, keinesfalls sollte man ihren Part als "schöne Dekoration" abtun. Obschon die Anlage ihrer Rolle nicht die gleichen Möglichkeiten zu Glanzleistungen mit sich bringt, wie die von Forsyth und Betti dargestellten Charaktere. Jesús Puente schlüpfte in die Rolle des Ermittlers, der sachlich und beharrlich seinem Verstand und Instinkt folgt. Sie hübsche Femi Benussi sehen wir als Model, ihr "Abgang" ist wundervoll in Szene gesetzt. Die übrigen Darsteller müssen sich mit kleinen Rollen begnügen. Wir bekommen einige nette Damen zu Gesicht, ferner kurz huscht die geschätze Froschfratze Luciano Pigozzi durchs Bild.
"Hatchet for the Honeymoon" ist eine Pflichtveranstaltung für alle Freunde des italienischen Kinos. Auch wenn der Streifen nicht so recht in die Schublade "Giallo" passen mag, sollte sich kein Freund dieses Genres eine Sichtung entgehen lassen. Auffällig ist der bissige, oft regelrecht zynische Humor, den Bava später auch in "Bay of Blood" aka "Im Blutrausch des Satans" (Reazione a catena, 1971) unterbrachte. Allerdings darf man keine grobschlächtigen Gewaltausbrüche erwarten, die sich blutrot durch Bavas "Ur-Slasher" ziehen. "Hatchet for the Honeymoon" verzichtet nahezu völlig auf Blut und grafische Gewaltdarstellungen, der Film lebt von seiner Atmosphäre, der handwerklichen und künstlerischen Klasse, nicht zuletzt von den gut aufgelegten Darstellern. Sicher, die Auflösung der Story ist leicht zu erraten, wird kaum einen Zuschauer wirklich vom Hocker reissen. Dies ist jedoch zu vernachlässigen, denn die Qualitäten des Flicks sind von anderer Art.
Dank Koch Media liegt der Film in Deutschland ungekürzt vor. Die DVD erfreut mit ihrer schönen Bildqualität, der Ton ist in deutscher und englischer Sprache an Bord. Boni sind dünn gesät, immerhin fügte man ein kleines Booklet bei. Noch ist die Scheibe zu fairen Preisen erhältlich, von meiner Seite gibt es eine klare Empfehlung!
Zwar verfehlt "Hatchet for the Honeymoon" meine persönlichen "Bava-Top 5" deutlich, für dicke 7/10 (gut) reicht es aber locker. Die Tendenz weist in höhere Sphären, der "Wohlfühlfaktor" sprengt (mal wieder) die Skala.
Lieblingszitat:
"Eine Frau sollte nur bis zu ihrer Hochzeitsnacht leben. Einmal lieben und dann sterben."