Torso - Sergio Martino (1973)
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Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Erscheint heute bei X-Rated in verschiedenen Varianten auf Blu-ray:
kleine Hartbox, limitiert auf 101 Exemplare
Große Hartbox Cover A, limitiert auf 66 Exemplare
Große Hartbox Cover B, limitiert auf 66 Exemplare
Große Hartbox Cover C, limitiert auf 66 Exemplare
Extras:
- alternative Tagessequenz
- US Trailer 1
- US Trailer 2
- US DVD Anfang
- US Videoanfang
- italienischer Kinotrailer
- US Abspann
- Dt. Videoanfang (Erstauflage)
- Dt. Videoanfang (Neuauflage)
- US Kinocredits
- TV Spot 1
- TV Spot 2
- Radiospot
Quelle: OFDb-Shop
kleine Hartbox, limitiert auf 101 Exemplare
Große Hartbox Cover A, limitiert auf 66 Exemplare
Große Hartbox Cover B, limitiert auf 66 Exemplare
Große Hartbox Cover C, limitiert auf 66 Exemplare
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Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Als Hinweis noch: ein Repack der Edition Tonfilm Ausgabe.
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Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Erscheint voraussichtlich am 30.07.2015 bei X-Rated auf Blu-ray im Mediabook:
Extras:
- Italienischer Kinotrailer
- US Abspann
- Alternative Tagessequenz der Mordszene im Wald
- US Trailer
- US Trailer 2
- US DVD-Anfang
- US Videoanfang
- original ungeschnittene italienische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- deutscher VHS Anfang Erstauflage
- deutscher VHS Anfang Neuauflage
- US Kino Credits
- TV Spot 1
- TV Spot 2
- Radiospot
- tenebrarum-Booklet von Martin Beine „Sergio Martino und der Giallo“
- Bonus DVD mit kostenlosem, zusätzlichen Giallo
Bemerkungen:
Mediabook mit dem original italienischen Kinoposter-Motiv, DVD+Blu-ray, limitiert und nummeriert auf 399 Exemplare
Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=64387
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Bemerkungen:
Mediabook mit dem original italienischen Kinoposter-Motiv, DVD+Blu-ray, limitiert und nummeriert auf 399 Exemplare
Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=64387
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Re: Torso - Sergio Martino
Über "Torso" hab ich ja schon zweimal was getippelt, dann erspar ich mir großartige und weitere Worte. Zwar sicher nicht Martinos Bester, aber doch ein besonderer Film in meinem Herzen. Je öfter man den guckt, desto mehr fallen einem aber bei aller Liebe zum Genre doch die doch etwas holprigen Erzählstrukturen auf. Spannend wirds eigentlich auch erst im Finale und die männlichen Figuren... naja! Egal, ich mag den einfach und auf Blu-Ray ist "Torso" dann noch schöner zu gucken.
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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- Salvatore Baccaro
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Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Anfang der 70er hat der italienische Regisseur Sergio Martino, der zuvor, wenn überhaupt, einzig durch drittklassige Mondo-Filme wie AMERICA COSÌ NUDA, COSÌ VIOLENTA (1970) und einen Western namens ARIZONA SI SCATENO…E LI FECE FUORI TUTTI (1970) aufgefallen war, eine Reihe von Gialli gedreht, die heute zurecht zu den großen Klassikern und Meilensteinen des Genres gezählt werden dürfen. Gerade seine ersten beiden, nach einem ähnlichen Rezept entstandenen Gelblinge, LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH und LA CODA DELLO SCORPIONE, beide von 1971, liefern, meine ich, so etwas wie Giallo-Prototypen. In zwei späteren Werken, einmal IL TUO VIZIO É UNA STANZA CHIUSA E SOLO IO NE HO LA CHIAVE (1972) und dann noch TUTTO Il COLORI DEL BUIO (1972), variiert Martino zwar sein Grundmuster bzw. seine ästhetische Ausrichtung, dennoch fügen sich die beiden Filme problemlos in das Genre, aus dem sie den Großteil ihrer Inspiration ziehen. I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE (1973), mit dem er seine klassische Giallo-Phase beenden sollte, tanzt zumindest personell ein wenig aus der Reihe. Keiner seiner bisherigen Stammschauspieler wie Edwige Fenech, George Hilton oder Ivan Rassmiov sind im Cast vertreten. Für den Soundtrack ist nicht mehr Maestro Bruno Nicolai zuständig, stattdessen teilen die Aufgabe Guido und Maurizio de Angelis unter sich auf. Produziert wurde der Film auch nicht von Sergios Bruder Luciano, sondern von dem ungleich renommierteren und millionenschweren Carlo Ponti, der der Welt zuvor unter anderem zu Meisterwerken wie Godards LE MÉPRIS oder Antonionis BLOW UP verholfen hat.
I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE kann man, meiner Meinung nach, als ein transmissives Werk nicht nur im Oeuvre Martinos, sondern im Giallo-Genre an sich bezeichnen. Wie vielleicht nur noch Mario Bavas zwei Jahre zuvor entstandener REAZIONE A CATENA steht Martinos letzter Giallo Pate für die Ende des Jahrzehnts in den Vereinigten Staaten einsetzende Slasher-Welle, deren prominentesten Vertreter wie FRIDAY THE 13TH oder HALLOWEEN sich unverhohlen und unübersehbar von Bava und Martino haben inspirieren lassen. Beide, Bava und Martino, entwickeln sich in ihren jeweiligen Filmen sukzessive weg von der prototypischen Giallo-Formel. Gerade im Finale von I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE steht nicht mehr so sehr die Frage im Vordergrund, wer sich denn nun unter der Maske des irren Schlächters verbirgt, sondern eher die, wie es unser final girl, Jane, schaffen wird, diesem unversehrt zu entrinnen.
Abb.1: Eine dieser archetypischen Szenen, von denen man in jedem Martino-Giallo mindestens eine, wenn nicht sogar zwei oder gar drei, findet. Der gesamte Mord im Sumpf ist eine zugleich poetische, zugleich abstoßend brutale, in sich geschlossene Vignette, die die Mechanismen des noch unbegründeten Slasher-Genres nahezu komplett antizipiert. Gleich, wenn unser Opfer von irgendwelchen losflatternden Sumpfhühnern abgelenkt sein wird, wird die unheimliche Silhouette spurlos verschwinden und dort auftauchen, wo wir sie am wenigsten erwarten.
Eine Frau, deren Gesicht wir nicht erkennen, wird aus ihren Kleidungsstücken geschält. Zwischen ihren Schenkeln liegt eine Puppe mit etwas unheimlichem Blick. Damit sie der nun folgenden Orgie nicht länger als stummer Zeuge beiwohnen kann, drückt ihr eine Männerhand fast schon zärtlich die Augen ein. Ein weiterer Zeuge des lustvollen Treibens zwischen dem ebenfalls gesichtslosen Mann und den zwei Frauen ist jedoch trotzdem noch vorhanden: eine Photokamera, die in schöner Regelmäßigkeit Bilder von den sexuellen Vorgängen direkt vor ihrer Linse macht. In Großaufnahme sehen wir wie sie zuschnappt, ein bisschen wie ein Tier auf Beutefang. Unsere drei Akteure stört das nicht im Geringsten. Eingestäubt mit Weichzeichner und während die Credits des Vorspanns sich über ihren nackten Körper entrollen, wälzen sie sich auf den Laken. Zu sehen bekommen wir sie sinnigerweise niemals in einer Totalen. Stets sind es Details, zuweilen abstrakt in ihrer Bruchstückhaftigkeit, zuweilen verwaschen von den Filtern, die später über die Bilder gelegt wurden, niemals das große Ganze. Es scheint, als würde die Kamera den Geschlechtsakt zerstückeln. Als sei jedes Zuschnappen von ihrer Seite wie ein Schnitt, der einen Teil aus der Welt herausschneidet, letztere damit verwundend. Als sei jedes Zuschnappen von ihrer Seite wie ein Schuss, der einen kleinen Ausschnitt der Welt tötet und in einer noch zu entwickelnden Photographie konserviert oder einbalsamiert.
Diese Auffassung der Kamera als Waffe lässt sich freilich bis weit in die frühen Tage des Kinos und der Photographie, seiner Vorläuferin und Schwester, zurückverfolgen. Etwa seit den frühen 1880er Jahren, als der französische Physiologe Etienne Jules Marey eine photographische Apparatur baut, die schon von ihrer Optik her an eine Flinte erinnert, und mit der es möglich gewesen sein soll, das auserkorene Beuteobjekt – sagen wir: eine Sumpfente - zeitgleich sowohl in eine Photographie einzuschließen als auch vom Leben in den Tod zu befördern, konstituiert allein etymologisch das Schießen und Geschossen-Werden unseren Umgang mit den neuen Medien. Man darf ebenfalls nicht vergessen: die Photokamera, die im Vorspann von I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE so rege damit beschäftigt ist, nackte Tatsachen festzuhalten, ist dabei natürlich nicht allein. Unsichtbar, doch dennoch anwesend steht ihr Martinos eigene Filmkamera zur Seite, die wir freilich niemals zu Gesicht bekommen, die aber notwendig ist, damit wir überhaupt etwas von den Ereignissen zu Gesicht bekommen, von denen Martinos Film wie mit einem vorangestellten Motto verziert ist. Ähnlich vielleicht wie Alberto Cavallones Vorspann zu BLUE MOVIE – dort sind es Schüsse, die von der Tonspur erklingen, während wir dazu zu Filmstreifen angeordnete Screenshots aus dem somit eingeleiteten Film zu sehen bekommen -, verweist Martinos Vorspann zu I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE auf gleich mehreren unterschiedlichen Ebenen auf das, worauf wir uns in den kommenden neunzig Minuten einstellen dürfen. Zunächst: es ist ein inszeniertes Kunstwerk, das wir sehen werden, beileibe keine mimetische Realitätsabbildung. Sodann: dieser Film ist sich dessen voll und ganz bewusst, eine Fiktion zu sein. Drittens: es wird ein Film sein, der vorrangig vom Töten und Getötet-Werden handeln wird.
Abb.2: Ein Blick hinter die Kulissen: Die Kamera als Waffe, zu sehen für Sekundenbruchteile. Ihre Beute - das Verwaschene, Verschwommene, das sich in ihrer Linse spiegelt - soll übrigens, wenig überraschend, ein nackter Frauenkörper sein.
Der Heilige Sebastian steht an eine Säule gebunden. Sein Blick ist andächtig nach oben gerichtet, nicht mal unbedingt fromm, eher neugierig, so, als suche er etwas zwischen den Wolken. Hauchdünn verläuft der Heiligenschein um seinen blondgelockten Kopf. Er ist fast nackt, nur seine Lendengegend mit einem Tuch umhüllt, das indes so weit nach unten gerutscht ist, dass nicht mehr viel fehlen würde und wir könnten seinen Penis sehen. Zwei Pfeile, einer links, einer rechts, stecken in seinem Körper, durchbohren seinen Arm und seinen Brustkorb. Blut fließt aber keins, darauf weist Professor Franz seine Kunstgeschichtsstudenten nachdrücklich hin, nachdem er mit seinem Zeigestock, sozusagen als drittem Pfeil, gegen den von einem Diaprojektor an die Wand geworfenen schönen Körper des frühchristlichen Märtyrers getippt hat. Wir befinden uns an der Universität von Perugia, Hauptstadt von Umbrien, und Geburtsort des Malers, der Mittelpunkt der aktuellen Vorlesung von Professor Franz ist, weswegen man ihn später schlicht Perugino genannt hat. Geboren wurde er um 1445, gestorben ist er 1523. Sein Sebastian, sagt Professor Franz, ist im Prinzip eine hellenistische Statue, die man vor einen Renaissance-Hintergrund platziert hat. Er sei, sagt Professor Franz, ein Meister darin gewesen, die örtlichen Bauern und Prostituierte in seinen Gemälden zu Heiligen und Madonnen werden zu lassen.
Interessanterweise geschieht das, wofür er den berühmten Maler lobt, noch in der gleichen Nacht mit einer seiner Studentinnen und ihrem Liebsten. Sie sind mit dem Auto raus aufs Land gefahren, um ungestört miteinander schlafen zu können. Da entdecken sie einen Voyeur außerhalb des Fahrzeugs. Statt sofort das Weite suchen, sucht der männliche Teil des Pärchens in der Dunkelheit nach dem Spanner, um ihm die Fresse zu polieren. Seine zurückbleibende Liebste wird dadurch folgerichtig sein erstes Opfer. Als sie aussteigt, um nach ihrem Freund Ausschau zu halten, den es inzwischen jedoch schon off-screen erwischt hat, packt sie der maskierte Killer von hinten, schlingt ihr einen Schal um den Hals und zieht diesen so lange zu bis das Mädchen als Bilderbuchleiche, fast wie gemalt, zu Boden sinkt und mit nach oben gerichtetem, starrem Blick liegenbleibt. Ich finde es interessant wie Martino in diesen knapp acht Minuten noch einmal mit ausladenderen Gesten und intensiverem Vokabular wiederholt, was schon der Vorspann zu vermitteln versucht hat. Zunächst: dieser Film handelt primär von nichts anderem als vom Töten und Getötet-Werden. Dann noch: dieser Film ist sich dessen voll und ganz bewusst, und tippt sogar überdeutlich mit dem Professorenzeigestock darauf. Drittens: Martino stellt seinen Film vielleicht nicht qualitativ, aber quantitativ in eine Reihe mit bedeutenden Werken der Kunst, die sich alle mit dem Schrecken und der Schönheit des Tötens und Getötet-Werdens beschäftigt haben. Ein Maler wie Perugino hat Huren als Madonnen gemalt, d.h. das Profane zum Sakralen erhöht. Ein Regisseur wie Martino, der das Sterben kinematographisch ästhetisiert, lässt normale Kunststudentinnen im Tod zu Kunstwerken werden, d.h. er erhebt ebenfalls das Profane zum Sakralen. Der einzige Unterschied: bei Perugino dient seine Obsession von Tod und Gewalt noch einem gleichsam heiligen Zweck, bei Martino ist das Ästhetisieren des Sterbens Zweck und Sinn seiner selbst. Deswegen wird Martinos Film Opfer von Zensurstellen und Jugendschutzgremien und Peruginos Bilder in jedem Kunstunterrichtsschulbuch abgedruckt.
Abb.3: Peruginos Heiliger Sebastian. Die Legenda Aureae, jene von einem Dominikaner namens Jacobus de Voragine im dreizehnten Jahrhundert zusammengestellte Sammlung von Heiligenlegenden, berichtet: "Kaiser Diokletian rief Sebastian zu sich und sagte: ,Ich habe Dich in meinem Palast immer wie einen meiner wichtigsten Männer behandelt. Du hast meinem Wohl zum Schaden diesen Frevel gegen die Götter so lange geheim gehalten.' Ihm antwortete Sebastian: ,Für Dein Wohl habe ich Christus immer geehrt und für das Wohl des römischen Imperiums habe ich Gott im Himmel immer angebetet.' Da befahl Diokletian, ihn in der Mitte des Feldes zu fesseln und von den Soldaten erschießen zu lassen. Diese beschossen ihn so heftig mit Pfeilen, dass er wie ein Igel aussah. Als sie ihn für tot hielten, gingen sie. Innerhalb weniger Tage wurde Sebastian gesund. Sebastian stand auf der Treppe zum Palast und machte den Kaisern heftige Vorwürfe wegen ihrer Vergehen gegen die Christen. Diokletian ließ ihn auspeitschen, bis er tot war. Er befahl, den Leichnam in den Abwasserkanal zu werfen."
I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE ist alles andere als ein homogener Film. Das kann man ihm gerne zum Vorwurf machen. Seine Handlung ist verwirrend, teilweise unlogisch. Viel zu überstrapaziert sind die vielen roten und glitschigen Heringe, auf denen man ständig regelrecht ausrutscht. Mitten im Film gibt es einen wenig motivierten Bruch. Nachdem wir eine knappe Dreiviertelstunde zugesehen haben wie ein ominöser Killer mit auffälligem Schal junge Studentinnen in Perugia meuchelt, reisen vier dieser Studentinnen, um die Ferien zu genießen, den Kopf freizubekommen und lesbischem Sex zu frönen, zu einem Landhaus weit weg vom Schlag. Während der Film in seiner ersten Hälfte noch durchaus weitgehend den typischen Giallo-Pfaden folgte, wird sein Ton nun der eines waschechten Proto-Slashers. Nahezu die komplette letzte halbe Stunde ist eine Solo-Show unserer plötzlichen Heldin Jane, die, nachdem ihre Freundinnen allesamt vom ihnen hinterhergereiste Killer niedergestreckt worden sind, mit verstauchtem Knöchel, allerdings noch unbemerkt vom Antagonisten, in besagtem Landhaus regelrecht gefangen ist und verzweifelt nach Möglichkeiten sucht, sich den Dorfbewohnern im Tal bemerkbar zu machen. Dabei ist I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE randvoll mit Details, die scheinbar weniger eine plausible Relevanz für die Story darstellen, vielmehr um ihrer selbst willen ins Spiel gebracht wurden. Was ist zum Beispiel mit dem rotschwarzgescheckten Schal, der in der ersten Hälfte eine so große Rolle spielt? Eins der Mädchen erinnert sich, jemand mit diesem gesehen zu haben: nur wen?, und ist dieser dann der Mörder? In der zweiten Hälfte fällt über etwaige Schals, die einen auf des Mörders Schliche führen können, kaum mehr ein Wort. Was ist außerdem mit den lesbischen Anwandlungen, die unsere Heldinnen, sobald sie ihr Landhaus der Wollust erreicht haben, überkommen? Nackt liegen sie nicht nur unter der Sonne und lassen sich von deren Strahlen zerstechen, sie sind gegenseitigen Körpererkundungstouen ebenso wenig abgeneigt. Eine Motivation, abgesehen von reiner Geilheit, führt Martino jedenfalls nicht ins Feld, um mir zu erklären, weshalb die Kommilitonen auf einmal so scharf aufeinander sind. Die zahllosen Verdächtigungen, mit denen Martino noch den hinterletzten Nebencharakter als potentiellen Killer in Verruf bringt, habe ich schon erwähnt. Der Vater eines der Mädchen linst verstohlen ins Badezimmer, wo seine Tochter sich mit einer Freundin unterhält und ergötzt sich am Anblick der nackten Beine. Ist er der Gesuchte? Ein anderes Mädchen wird von einem Kommilitonen gestalkt, der sie liebt bis zur Raserei. Ist er der Gesuchte? Zwei Motorrad-gangmitglieder, mit denen ein drittes Mädchen sich gerne mal zu Joints und Lagefeuer vergnügte, sind die Letzten, die sie lebend gesehen haben. Sind sie die Gesuchten? Hinzukommen irgendwie deplatzierte komödiantische Einsprengsel, für die die recht tumb gezeichnete Landbevölkerung zuständig ist, ermittelnde Polizisten, die irgendwann einfach nicht mehr stattfinden, und ein unvermittelt aus dem Skript gezauberter Landarzt, bei dem den Frauen die Knie weich und die Herzen schmachtend werden.
I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE kommt mir vor wie eine Boutique, die man bis unters Dach mit allem vollgestopft hat, was ein handelsüblicher Giallo normalerweise an Ingredienzien mitbringen sollte, wobei man jedes Element vorsichtshalber gleich mehrmals bestellt hat. Es ist nicht nur so, dass wir es mit im Grunde zwei in sich geschlossenen Filmen zu tun hätten – zum einen die Perugia-Hälfte, zum andern die Slasher-Landhaus-Hälfte -, es scheint mir eher so, dass selbst die beiden Großabschnitte noch einmal in zahlreiche Einzelkammern unterteilt sind, in denen man vom Wichtigem bis zum Unwichtigem so ziemlich alles finden kann, wonach das genreaffine Herz begehrt. Das macht den Film zu einem Sammelsurium, zu einem Flohmarktstand ganz in Gelb. Erneut gilt: dieser Film ist sich dessen voll und ganz bewusst, und verweist deshalb ständig auf andere Medien und damit auf sich selbst als Medium – eine Prostituierte preist eine Sammlung schwedischer Pornos an, denn die seien besonders heftig / an einem Straßenkiosk werden die Pornoheftchen extra deutlich in den Fokus gerückt / der Inspektor, der übrigens Martino heißt, präsentiert den Studenten, übrigens im Vorlesungssaal vom Anfang, Detailaufnahmen ihrer getöteten Kommilitonen und weist explizit darauf hin, nein, das, was Sie da sehen, das ist kein Werk abstrakter Kunst, sondern das Ergebnis eines Verbrechens. Außerdem gilt: Dieser Film realisiert in seiner Struktur, was der Vorspann schon angedeutet hat. Es sind Fragmente, die uns vorgeführt werden, nicht die einer kohärenten Geschichte, sondern die des übergeordneten Meta-Themas bzw. Genres. Drittens gilt nämlich natürlich: all diese Einzelhappen stehen voll und ganz im Dienst dessen, womit der Film sich in seinem Kern beschäftigt - wie das denn funktioniert mit dem medialen Repräsentieren von Töten und Getötet-Werden.
Abb.4 & 5: Exquisite Kadaver. Großaufnahme eines Verbrechens und Tina Aumont als Bilderbuchleiche. Nein, dies sind, wie man denken könnte, keine abstrakten Kunstwerke.
Visuell schert I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE kein bisschen von dem Pfad aus, den ihm sein Drehbuch vorgezeichnet hat. Vor allem fällt auf, wie oft Martino das Anfangsmotiv des Kameraschusses und des tödlichen Pfeils optisch in den verschiedensten Varianten umsetzt. Denken wir nur einmal an die Säge, die der Killer benutzt, um seine finalen Opfer auseinanderzunehmen und somit besser im Forst verstecken zu können. Zerstückelt er sie nicht genauso wie die Kamera zu Beginn das horizontale Gefecht zerstückelt hat? Verfährt er nicht ähnlich wie Martino selbst, wenn er seinen Film eben nicht zu einer runden, sinnigen Sache werden, sondern bewusst zerfasert bleiben lässt? Außerdem sind da Lichtreflektionen, die wie Pfeile oder Schüsse aus dem Bild heraustreten, um den Zuschauer direkt zu attackieren und zu affizieren. Einmal hebt der Maskenmörder in der zugleich verträumten und äußerst bedrohlichen Sumpfsequenz sein Messer. Es gebiert einen Lichtstrahl, fast wie einen Heiligenschein. Später sitzt Jane in ihrer Falle fest. Sie kann nicht aus dem Zimmer, denn unten sägt sich der Killer durch ihre toten Freundinnen. Das Fenster ist verschlossen und zudem viel zu hoch. Sie würde sich den Hals brechen, würde sie es wagen, aus ihm herauszuspringen. Doch sie ist erfinderisch genug, einen Spiegel zur Hand zu nehmen und zu versuchen, mit diesem, indem sie ihn gegen die Sonne hält, Lichtblitze zu erzeugen, deren Adressaten sowohl die gerade den Tag beginnenden Dörfler im Tal sind als auch wir in unseren Kino- oder Fernsehsesseln. Zuletzt: der Titel. Die Körper zeigen Anzeichen von sexueller Gewalt. Ein Satz, nüchtern wie aus einem Polizeibericht. Ein Satz, nüchtern wie der Titel eines Gemäldes, das ursprünglich keinen Titel besessen hat – so wie Peruginos Heiliger Sebastian heute einfach Heiliger Sebastian heißt.
Abb.6 & 7: Zerstochene Bilder oder: Spiegel und Messer schießen zurück.
Abschließende Worte. Sergio Martino hat mit zwei im besten Sinne des Wortes konventionellen Gialli begonnen, mit einem Wiener Killer und einem Skorpionsschwanz, und diese beiden, wie gesagt, inhaltlich, strukturell und ästhetisch ziemlich verschwisterten Filme sodann als Ausgangsbasis für mitunter ausufernde Erkundungen und/oder Dekonstruktionen des Genres genutzt. In der abgeschlossenen Sünde, für die nur er den Schlüssel hat, beginnt Martino, frisches Blut in den Giallo zu pumpen, koppelt ihn mit Gothic-Novel-Phantasien und Ausflügen ins Experimentalkino. Letztere werden schließlich zu nächtlichen Farben, die man nur kurz anzublicken braucht, und schon dreht sich einem der Kopf um mindestens dreihundertsechzig Grad. Seine Anzeichen von sexueller Gewalt tragenden Körper markieren so etwas wie eine Rückkehr aus der reinen Deliriums- und Traumästhetik des Films zuvor. I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE sieht, verglichen mit dem unmittelbaren Vorgängen TUTTI I COLORI DEL BUIO, wieder mehr wie ein normaler Film aus. Die Demontage, die er bebildert, ist nicht mehr zugleich die Demontage der Bilder selbst, sondern nunmehr die ihrer Kohärenz. Außerdem ist dieser Film eine Passionsgeschichte, nicht so sehr die eines spezifischen Menschen oder einer spezifischen Menschengruppe zu einer spezifischen Zeit an einem spezifischen Ort, sondern, weiter gefasst, die Geschichte des menschlichen Schmerzes, des menschlichen Leidens, des menschlichen Tötens und Getötet-Werdens an sich. Wie ein Motto steht der Heilige Sebastian mit seinem exemplarischen Märtyrerdasein vor dem eigentlichen Film. Es ist, als wolle Martino uns zeigen: dieser da ist gestorben, für Gott, edel und schön. Es ist, als wolle er danach seine eigenen Leichensammlung präentieren: diese da sind gestorben, für Dich, Zuschauer, schön und blutig.
I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE kann man, meiner Meinung nach, als ein transmissives Werk nicht nur im Oeuvre Martinos, sondern im Giallo-Genre an sich bezeichnen. Wie vielleicht nur noch Mario Bavas zwei Jahre zuvor entstandener REAZIONE A CATENA steht Martinos letzter Giallo Pate für die Ende des Jahrzehnts in den Vereinigten Staaten einsetzende Slasher-Welle, deren prominentesten Vertreter wie FRIDAY THE 13TH oder HALLOWEEN sich unverhohlen und unübersehbar von Bava und Martino haben inspirieren lassen. Beide, Bava und Martino, entwickeln sich in ihren jeweiligen Filmen sukzessive weg von der prototypischen Giallo-Formel. Gerade im Finale von I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE steht nicht mehr so sehr die Frage im Vordergrund, wer sich denn nun unter der Maske des irren Schlächters verbirgt, sondern eher die, wie es unser final girl, Jane, schaffen wird, diesem unversehrt zu entrinnen.
Abb.1: Eine dieser archetypischen Szenen, von denen man in jedem Martino-Giallo mindestens eine, wenn nicht sogar zwei oder gar drei, findet. Der gesamte Mord im Sumpf ist eine zugleich poetische, zugleich abstoßend brutale, in sich geschlossene Vignette, die die Mechanismen des noch unbegründeten Slasher-Genres nahezu komplett antizipiert. Gleich, wenn unser Opfer von irgendwelchen losflatternden Sumpfhühnern abgelenkt sein wird, wird die unheimliche Silhouette spurlos verschwinden und dort auftauchen, wo wir sie am wenigsten erwarten.
Eine Frau, deren Gesicht wir nicht erkennen, wird aus ihren Kleidungsstücken geschält. Zwischen ihren Schenkeln liegt eine Puppe mit etwas unheimlichem Blick. Damit sie der nun folgenden Orgie nicht länger als stummer Zeuge beiwohnen kann, drückt ihr eine Männerhand fast schon zärtlich die Augen ein. Ein weiterer Zeuge des lustvollen Treibens zwischen dem ebenfalls gesichtslosen Mann und den zwei Frauen ist jedoch trotzdem noch vorhanden: eine Photokamera, die in schöner Regelmäßigkeit Bilder von den sexuellen Vorgängen direkt vor ihrer Linse macht. In Großaufnahme sehen wir wie sie zuschnappt, ein bisschen wie ein Tier auf Beutefang. Unsere drei Akteure stört das nicht im Geringsten. Eingestäubt mit Weichzeichner und während die Credits des Vorspanns sich über ihren nackten Körper entrollen, wälzen sie sich auf den Laken. Zu sehen bekommen wir sie sinnigerweise niemals in einer Totalen. Stets sind es Details, zuweilen abstrakt in ihrer Bruchstückhaftigkeit, zuweilen verwaschen von den Filtern, die später über die Bilder gelegt wurden, niemals das große Ganze. Es scheint, als würde die Kamera den Geschlechtsakt zerstückeln. Als sei jedes Zuschnappen von ihrer Seite wie ein Schnitt, der einen Teil aus der Welt herausschneidet, letztere damit verwundend. Als sei jedes Zuschnappen von ihrer Seite wie ein Schuss, der einen kleinen Ausschnitt der Welt tötet und in einer noch zu entwickelnden Photographie konserviert oder einbalsamiert.
Diese Auffassung der Kamera als Waffe lässt sich freilich bis weit in die frühen Tage des Kinos und der Photographie, seiner Vorläuferin und Schwester, zurückverfolgen. Etwa seit den frühen 1880er Jahren, als der französische Physiologe Etienne Jules Marey eine photographische Apparatur baut, die schon von ihrer Optik her an eine Flinte erinnert, und mit der es möglich gewesen sein soll, das auserkorene Beuteobjekt – sagen wir: eine Sumpfente - zeitgleich sowohl in eine Photographie einzuschließen als auch vom Leben in den Tod zu befördern, konstituiert allein etymologisch das Schießen und Geschossen-Werden unseren Umgang mit den neuen Medien. Man darf ebenfalls nicht vergessen: die Photokamera, die im Vorspann von I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE so rege damit beschäftigt ist, nackte Tatsachen festzuhalten, ist dabei natürlich nicht allein. Unsichtbar, doch dennoch anwesend steht ihr Martinos eigene Filmkamera zur Seite, die wir freilich niemals zu Gesicht bekommen, die aber notwendig ist, damit wir überhaupt etwas von den Ereignissen zu Gesicht bekommen, von denen Martinos Film wie mit einem vorangestellten Motto verziert ist. Ähnlich vielleicht wie Alberto Cavallones Vorspann zu BLUE MOVIE – dort sind es Schüsse, die von der Tonspur erklingen, während wir dazu zu Filmstreifen angeordnete Screenshots aus dem somit eingeleiteten Film zu sehen bekommen -, verweist Martinos Vorspann zu I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE auf gleich mehreren unterschiedlichen Ebenen auf das, worauf wir uns in den kommenden neunzig Minuten einstellen dürfen. Zunächst: es ist ein inszeniertes Kunstwerk, das wir sehen werden, beileibe keine mimetische Realitätsabbildung. Sodann: dieser Film ist sich dessen voll und ganz bewusst, eine Fiktion zu sein. Drittens: es wird ein Film sein, der vorrangig vom Töten und Getötet-Werden handeln wird.
Abb.2: Ein Blick hinter die Kulissen: Die Kamera als Waffe, zu sehen für Sekundenbruchteile. Ihre Beute - das Verwaschene, Verschwommene, das sich in ihrer Linse spiegelt - soll übrigens, wenig überraschend, ein nackter Frauenkörper sein.
Der Heilige Sebastian steht an eine Säule gebunden. Sein Blick ist andächtig nach oben gerichtet, nicht mal unbedingt fromm, eher neugierig, so, als suche er etwas zwischen den Wolken. Hauchdünn verläuft der Heiligenschein um seinen blondgelockten Kopf. Er ist fast nackt, nur seine Lendengegend mit einem Tuch umhüllt, das indes so weit nach unten gerutscht ist, dass nicht mehr viel fehlen würde und wir könnten seinen Penis sehen. Zwei Pfeile, einer links, einer rechts, stecken in seinem Körper, durchbohren seinen Arm und seinen Brustkorb. Blut fließt aber keins, darauf weist Professor Franz seine Kunstgeschichtsstudenten nachdrücklich hin, nachdem er mit seinem Zeigestock, sozusagen als drittem Pfeil, gegen den von einem Diaprojektor an die Wand geworfenen schönen Körper des frühchristlichen Märtyrers getippt hat. Wir befinden uns an der Universität von Perugia, Hauptstadt von Umbrien, und Geburtsort des Malers, der Mittelpunkt der aktuellen Vorlesung von Professor Franz ist, weswegen man ihn später schlicht Perugino genannt hat. Geboren wurde er um 1445, gestorben ist er 1523. Sein Sebastian, sagt Professor Franz, ist im Prinzip eine hellenistische Statue, die man vor einen Renaissance-Hintergrund platziert hat. Er sei, sagt Professor Franz, ein Meister darin gewesen, die örtlichen Bauern und Prostituierte in seinen Gemälden zu Heiligen und Madonnen werden zu lassen.
Interessanterweise geschieht das, wofür er den berühmten Maler lobt, noch in der gleichen Nacht mit einer seiner Studentinnen und ihrem Liebsten. Sie sind mit dem Auto raus aufs Land gefahren, um ungestört miteinander schlafen zu können. Da entdecken sie einen Voyeur außerhalb des Fahrzeugs. Statt sofort das Weite suchen, sucht der männliche Teil des Pärchens in der Dunkelheit nach dem Spanner, um ihm die Fresse zu polieren. Seine zurückbleibende Liebste wird dadurch folgerichtig sein erstes Opfer. Als sie aussteigt, um nach ihrem Freund Ausschau zu halten, den es inzwischen jedoch schon off-screen erwischt hat, packt sie der maskierte Killer von hinten, schlingt ihr einen Schal um den Hals und zieht diesen so lange zu bis das Mädchen als Bilderbuchleiche, fast wie gemalt, zu Boden sinkt und mit nach oben gerichtetem, starrem Blick liegenbleibt. Ich finde es interessant wie Martino in diesen knapp acht Minuten noch einmal mit ausladenderen Gesten und intensiverem Vokabular wiederholt, was schon der Vorspann zu vermitteln versucht hat. Zunächst: dieser Film handelt primär von nichts anderem als vom Töten und Getötet-Werden. Dann noch: dieser Film ist sich dessen voll und ganz bewusst, und tippt sogar überdeutlich mit dem Professorenzeigestock darauf. Drittens: Martino stellt seinen Film vielleicht nicht qualitativ, aber quantitativ in eine Reihe mit bedeutenden Werken der Kunst, die sich alle mit dem Schrecken und der Schönheit des Tötens und Getötet-Werdens beschäftigt haben. Ein Maler wie Perugino hat Huren als Madonnen gemalt, d.h. das Profane zum Sakralen erhöht. Ein Regisseur wie Martino, der das Sterben kinematographisch ästhetisiert, lässt normale Kunststudentinnen im Tod zu Kunstwerken werden, d.h. er erhebt ebenfalls das Profane zum Sakralen. Der einzige Unterschied: bei Perugino dient seine Obsession von Tod und Gewalt noch einem gleichsam heiligen Zweck, bei Martino ist das Ästhetisieren des Sterbens Zweck und Sinn seiner selbst. Deswegen wird Martinos Film Opfer von Zensurstellen und Jugendschutzgremien und Peruginos Bilder in jedem Kunstunterrichtsschulbuch abgedruckt.
Abb.3: Peruginos Heiliger Sebastian. Die Legenda Aureae, jene von einem Dominikaner namens Jacobus de Voragine im dreizehnten Jahrhundert zusammengestellte Sammlung von Heiligenlegenden, berichtet: "Kaiser Diokletian rief Sebastian zu sich und sagte: ,Ich habe Dich in meinem Palast immer wie einen meiner wichtigsten Männer behandelt. Du hast meinem Wohl zum Schaden diesen Frevel gegen die Götter so lange geheim gehalten.' Ihm antwortete Sebastian: ,Für Dein Wohl habe ich Christus immer geehrt und für das Wohl des römischen Imperiums habe ich Gott im Himmel immer angebetet.' Da befahl Diokletian, ihn in der Mitte des Feldes zu fesseln und von den Soldaten erschießen zu lassen. Diese beschossen ihn so heftig mit Pfeilen, dass er wie ein Igel aussah. Als sie ihn für tot hielten, gingen sie. Innerhalb weniger Tage wurde Sebastian gesund. Sebastian stand auf der Treppe zum Palast und machte den Kaisern heftige Vorwürfe wegen ihrer Vergehen gegen die Christen. Diokletian ließ ihn auspeitschen, bis er tot war. Er befahl, den Leichnam in den Abwasserkanal zu werfen."
I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE ist alles andere als ein homogener Film. Das kann man ihm gerne zum Vorwurf machen. Seine Handlung ist verwirrend, teilweise unlogisch. Viel zu überstrapaziert sind die vielen roten und glitschigen Heringe, auf denen man ständig regelrecht ausrutscht. Mitten im Film gibt es einen wenig motivierten Bruch. Nachdem wir eine knappe Dreiviertelstunde zugesehen haben wie ein ominöser Killer mit auffälligem Schal junge Studentinnen in Perugia meuchelt, reisen vier dieser Studentinnen, um die Ferien zu genießen, den Kopf freizubekommen und lesbischem Sex zu frönen, zu einem Landhaus weit weg vom Schlag. Während der Film in seiner ersten Hälfte noch durchaus weitgehend den typischen Giallo-Pfaden folgte, wird sein Ton nun der eines waschechten Proto-Slashers. Nahezu die komplette letzte halbe Stunde ist eine Solo-Show unserer plötzlichen Heldin Jane, die, nachdem ihre Freundinnen allesamt vom ihnen hinterhergereiste Killer niedergestreckt worden sind, mit verstauchtem Knöchel, allerdings noch unbemerkt vom Antagonisten, in besagtem Landhaus regelrecht gefangen ist und verzweifelt nach Möglichkeiten sucht, sich den Dorfbewohnern im Tal bemerkbar zu machen. Dabei ist I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE randvoll mit Details, die scheinbar weniger eine plausible Relevanz für die Story darstellen, vielmehr um ihrer selbst willen ins Spiel gebracht wurden. Was ist zum Beispiel mit dem rotschwarzgescheckten Schal, der in der ersten Hälfte eine so große Rolle spielt? Eins der Mädchen erinnert sich, jemand mit diesem gesehen zu haben: nur wen?, und ist dieser dann der Mörder? In der zweiten Hälfte fällt über etwaige Schals, die einen auf des Mörders Schliche führen können, kaum mehr ein Wort. Was ist außerdem mit den lesbischen Anwandlungen, die unsere Heldinnen, sobald sie ihr Landhaus der Wollust erreicht haben, überkommen? Nackt liegen sie nicht nur unter der Sonne und lassen sich von deren Strahlen zerstechen, sie sind gegenseitigen Körpererkundungstouen ebenso wenig abgeneigt. Eine Motivation, abgesehen von reiner Geilheit, führt Martino jedenfalls nicht ins Feld, um mir zu erklären, weshalb die Kommilitonen auf einmal so scharf aufeinander sind. Die zahllosen Verdächtigungen, mit denen Martino noch den hinterletzten Nebencharakter als potentiellen Killer in Verruf bringt, habe ich schon erwähnt. Der Vater eines der Mädchen linst verstohlen ins Badezimmer, wo seine Tochter sich mit einer Freundin unterhält und ergötzt sich am Anblick der nackten Beine. Ist er der Gesuchte? Ein anderes Mädchen wird von einem Kommilitonen gestalkt, der sie liebt bis zur Raserei. Ist er der Gesuchte? Zwei Motorrad-gangmitglieder, mit denen ein drittes Mädchen sich gerne mal zu Joints und Lagefeuer vergnügte, sind die Letzten, die sie lebend gesehen haben. Sind sie die Gesuchten? Hinzukommen irgendwie deplatzierte komödiantische Einsprengsel, für die die recht tumb gezeichnete Landbevölkerung zuständig ist, ermittelnde Polizisten, die irgendwann einfach nicht mehr stattfinden, und ein unvermittelt aus dem Skript gezauberter Landarzt, bei dem den Frauen die Knie weich und die Herzen schmachtend werden.
I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE kommt mir vor wie eine Boutique, die man bis unters Dach mit allem vollgestopft hat, was ein handelsüblicher Giallo normalerweise an Ingredienzien mitbringen sollte, wobei man jedes Element vorsichtshalber gleich mehrmals bestellt hat. Es ist nicht nur so, dass wir es mit im Grunde zwei in sich geschlossenen Filmen zu tun hätten – zum einen die Perugia-Hälfte, zum andern die Slasher-Landhaus-Hälfte -, es scheint mir eher so, dass selbst die beiden Großabschnitte noch einmal in zahlreiche Einzelkammern unterteilt sind, in denen man vom Wichtigem bis zum Unwichtigem so ziemlich alles finden kann, wonach das genreaffine Herz begehrt. Das macht den Film zu einem Sammelsurium, zu einem Flohmarktstand ganz in Gelb. Erneut gilt: dieser Film ist sich dessen voll und ganz bewusst, und verweist deshalb ständig auf andere Medien und damit auf sich selbst als Medium – eine Prostituierte preist eine Sammlung schwedischer Pornos an, denn die seien besonders heftig / an einem Straßenkiosk werden die Pornoheftchen extra deutlich in den Fokus gerückt / der Inspektor, der übrigens Martino heißt, präsentiert den Studenten, übrigens im Vorlesungssaal vom Anfang, Detailaufnahmen ihrer getöteten Kommilitonen und weist explizit darauf hin, nein, das, was Sie da sehen, das ist kein Werk abstrakter Kunst, sondern das Ergebnis eines Verbrechens. Außerdem gilt: Dieser Film realisiert in seiner Struktur, was der Vorspann schon angedeutet hat. Es sind Fragmente, die uns vorgeführt werden, nicht die einer kohärenten Geschichte, sondern die des übergeordneten Meta-Themas bzw. Genres. Drittens gilt nämlich natürlich: all diese Einzelhappen stehen voll und ganz im Dienst dessen, womit der Film sich in seinem Kern beschäftigt - wie das denn funktioniert mit dem medialen Repräsentieren von Töten und Getötet-Werden.
Abb.4 & 5: Exquisite Kadaver. Großaufnahme eines Verbrechens und Tina Aumont als Bilderbuchleiche. Nein, dies sind, wie man denken könnte, keine abstrakten Kunstwerke.
Visuell schert I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE kein bisschen von dem Pfad aus, den ihm sein Drehbuch vorgezeichnet hat. Vor allem fällt auf, wie oft Martino das Anfangsmotiv des Kameraschusses und des tödlichen Pfeils optisch in den verschiedensten Varianten umsetzt. Denken wir nur einmal an die Säge, die der Killer benutzt, um seine finalen Opfer auseinanderzunehmen und somit besser im Forst verstecken zu können. Zerstückelt er sie nicht genauso wie die Kamera zu Beginn das horizontale Gefecht zerstückelt hat? Verfährt er nicht ähnlich wie Martino selbst, wenn er seinen Film eben nicht zu einer runden, sinnigen Sache werden, sondern bewusst zerfasert bleiben lässt? Außerdem sind da Lichtreflektionen, die wie Pfeile oder Schüsse aus dem Bild heraustreten, um den Zuschauer direkt zu attackieren und zu affizieren. Einmal hebt der Maskenmörder in der zugleich verträumten und äußerst bedrohlichen Sumpfsequenz sein Messer. Es gebiert einen Lichtstrahl, fast wie einen Heiligenschein. Später sitzt Jane in ihrer Falle fest. Sie kann nicht aus dem Zimmer, denn unten sägt sich der Killer durch ihre toten Freundinnen. Das Fenster ist verschlossen und zudem viel zu hoch. Sie würde sich den Hals brechen, würde sie es wagen, aus ihm herauszuspringen. Doch sie ist erfinderisch genug, einen Spiegel zur Hand zu nehmen und zu versuchen, mit diesem, indem sie ihn gegen die Sonne hält, Lichtblitze zu erzeugen, deren Adressaten sowohl die gerade den Tag beginnenden Dörfler im Tal sind als auch wir in unseren Kino- oder Fernsehsesseln. Zuletzt: der Titel. Die Körper zeigen Anzeichen von sexueller Gewalt. Ein Satz, nüchtern wie aus einem Polizeibericht. Ein Satz, nüchtern wie der Titel eines Gemäldes, das ursprünglich keinen Titel besessen hat – so wie Peruginos Heiliger Sebastian heute einfach Heiliger Sebastian heißt.
Abb.6 & 7: Zerstochene Bilder oder: Spiegel und Messer schießen zurück.
Abschließende Worte. Sergio Martino hat mit zwei im besten Sinne des Wortes konventionellen Gialli begonnen, mit einem Wiener Killer und einem Skorpionsschwanz, und diese beiden, wie gesagt, inhaltlich, strukturell und ästhetisch ziemlich verschwisterten Filme sodann als Ausgangsbasis für mitunter ausufernde Erkundungen und/oder Dekonstruktionen des Genres genutzt. In der abgeschlossenen Sünde, für die nur er den Schlüssel hat, beginnt Martino, frisches Blut in den Giallo zu pumpen, koppelt ihn mit Gothic-Novel-Phantasien und Ausflügen ins Experimentalkino. Letztere werden schließlich zu nächtlichen Farben, die man nur kurz anzublicken braucht, und schon dreht sich einem der Kopf um mindestens dreihundertsechzig Grad. Seine Anzeichen von sexueller Gewalt tragenden Körper markieren so etwas wie eine Rückkehr aus der reinen Deliriums- und Traumästhetik des Films zuvor. I CORPI PRESENTANO TRACCE DI VIOLENZA CARNALE sieht, verglichen mit dem unmittelbaren Vorgängen TUTTI I COLORI DEL BUIO, wieder mehr wie ein normaler Film aus. Die Demontage, die er bebildert, ist nicht mehr zugleich die Demontage der Bilder selbst, sondern nunmehr die ihrer Kohärenz. Außerdem ist dieser Film eine Passionsgeschichte, nicht so sehr die eines spezifischen Menschen oder einer spezifischen Menschengruppe zu einer spezifischen Zeit an einem spezifischen Ort, sondern, weiter gefasst, die Geschichte des menschlichen Schmerzes, des menschlichen Leidens, des menschlichen Tötens und Getötet-Werdens an sich. Wie ein Motto steht der Heilige Sebastian mit seinem exemplarischen Märtyrerdasein vor dem eigentlichen Film. Es ist, als wolle Martino uns zeigen: dieser da ist gestorben, für Gott, edel und schön. Es ist, als wolle er danach seine eigenen Leichensammlung präentieren: diese da sind gestorben, für Dich, Zuschauer, schön und blutig.
- buxtebrawler
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Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Erscheint voraussichtlich am 01.02.2017 abermals bei X-Rated auf Blu-ray:
Cover A, limitiert auf 150 Exemplare
Cover B, limitiert auf 250 Exemplare
Extras:
- Italienischer Kinotrailer
- US Abspann
- Alternative Tagessequenz der Mordszene im Wald
- US Trailer
- US Trailer 2
- US DVD-Anfang
- US Videoanfang
- original ungeschnittene italienische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
- deutscher VHS Anfang Erstauflage
- deutscher VHS Anfang Neuauflage
- US Kino Credits
- TV Spot 1
- TV Spot 2
- Radiospot
- tenebrarum-Booklet von Martin Beine „Sergio Martino und der Giallo“
- Bonus DVD mit kostenlosem, zusätzlichen Giallo
Quelle: OFDb-Shop
Cover A, limitiert auf 150 Exemplare
Cover B, limitiert auf 250 Exemplare
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- Alternative Tagessequenz der Mordszene im Wald
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Quelle: OFDb-Shop
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Der Proto-Slasher könnte heute locker FSK 16 kriegen.
(eigentlich fast jeder Giallo, neee, quatsch, alle Gialli natürlich)
9/10
(eigentlich fast jeder Giallo, neee, quatsch, alle Gialli natürlich)
9/10
Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Torso ist mein zuletzt gesehener Gialli, Zweitsichtung nach Jahren. Was soll ich sagen?! "Amor vecchio non fa ruggine."
-Ist eigentlich etwas über die Drehorte bekannt?
-Ist eigentlich etwas über die Drehorte bekannt?
Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Erstmals hallo und herzlich willkommen, VenturiniVenturini hat geschrieben:Torso ist mein zuletzt gesehener Gialli, Zweitsichtung nach Jahren. Was soll ich sagen?! "Amor vecchio non fa ruggine."
-Ist eigentlich etwas über die Drehorte bekannt?
"Torso" ist natürlich ein ganz großartiger Film und auf der IMDB findest du eine keine Liste der Drehorte:
https://www.imdb.com/title/tt0069920/lo ... _=tt_dt_dt
Diese wurden auch schon von netten Leutchen wie z.B. der werten Mauritia besucht:
https://schatten-lichter.blogspot.com/2 ... e-des.html
it´s fun to stay at the YMCA!!!
» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
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Re: Torso - Sergio Martino (1973)
Danke für das Willkommen und die Info.