Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau (1974)

Grusel & Gothic, Kannibalen, Zombies & Gore

Moderator: jogiwan

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CamperVan.Helsing
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von CamperVan.Helsing »

OT: No Profanar el sueno de los Muertos! – Non si profonara al Sonno dei Morti

Spanien/ Italien 1974

D: Ray Lovelock, Christina Galbo, Arthur Kennedy

London Calling (The Clash)

George (ein durch einen Vollbart gut getarnter Ray Lovelock) betreibt eigentlich ein Antiquariat in London, doch kotzt ihn das Stadtleben an. Überall Smog, die Menschen auf den Straßen tragen Schutzmasken vor dem Mund, um den ganzen Dreck nicht einatmen zu müssen. Immerhin rennen sporadisch durchgeknallte Feministinnen nackt durch die Straßen…

Dem will George entfliehen, er schnappt sich sein Motorrad für ein Wochenende auf dem Land, wo er sich ein Haus gekauft hat. Bei einem Tankstopp wird sein Zweirad allerdings von der etwas verwirrten Edna niedergefahren (Frau am Steuer – Ungeheuer!). Da die Reparatur ein paar Tage dauern wird, nötigt George Dame Edna kurzerhand, ihn mitzunehmen. Vielleicht war George auch einfach überzeugt, dass Ednas lange schwarze Lederstiefel gut mit seiner schwarzen Lederjacke harmonieren könnten. Anyway, Edna ist auf dem Weg zu ihrer Schwester Cathy, die auf einer Farm in der Nähe wohnt und ein massives Drogenproblem hat (Heroin is coming back in a big fucking way). Auf dem Weg zu Sister Morphine verfahren sich die beiden aber zunächst, so dass George einen anderen Farmer nach dem Weg fragt. Dabei fällt ihm ein merkwürdiges Gerät an einem Mähdrescher auf, das mittels Radioaktivität Insekten und anderen Schädlingen den Garaus machen soll. Edna, an ihrem Mini zurückgelassen, wird dort unterdessen von einem Mann attackiert, bei dem es sich um einen Landstreicher Guthrie handeln soll. Doch ist jener vor einer Woche verstorben!

Endlich bei Schwesterchen angekommen, wird dort just Schwager Martin ebenfalls angegriffen und getötet. Der ermittelnde Inspektor (Kennedy) verdächtigt Cathy, da
a) die Ehe eher unglücklich und streitbehaftet verlaufen sein soll und
b) bekanntlich unter Drogeneinfluss Menschen zu Taten fähig sind, die sonst nicht begehen könnten und sich nachher an nichts erinnern können.
Außerdem hat er eine nicht verheimlichte Abneigung gegen Hippies wie George: „Ihr seid alle gleich, ihr ungewaschenen, verkommenen Langhaarigen, angezogen wie Schwule, Drogen, Sex – fähig zu jeder Schweinerei!“ George verabschiedet sich darauf hin mit „Heil Hitler!“ Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft – NOT!

Da Cathy einen Kollaps erlitten hat, wurde sie ins örtliche Krankenhaus gebracht, wo der Chefarzt ratlos vor anderen Patienten steht: Seit ein paar Tagen wird eine unglaubliche Aggressivität auf der Säuglingsstation festgestellt.

George und Edna investigieren unterdessen auf dem Friedhof, wo sie feststellen müssen, dass Guthries Sarg leer ist! Der stakst nämlich in der Tat untot in der Gegend herum, hat dem Friedhofswärter bereits das Lebenslicht ausgepustet und erkannt, dass mit ein bisschen Blut auch die übrigen herumliegenden Leichen wieder zum Leben erweckt werden können. George und Edna können zwar entkommen, indem sie die Zombies verbrennen, ein sie bewachender Bobby wird jedoch von den Ereignissen ziemlich zerrissen (angesichts des Trailers hätte ich so eine krasse Gewaltdarstellung nicht erwartet)…

Inspektor Kennedy ist nun endgültig davon überzeugt, es mit Satanisten zu tun zu haben. Nun klingt es natürlich unglaubwürdig, dass Tote aus den Gräbern steigen, aber ein eingeschränkter Ermittlungshorizont ist nicht unbedingt von Vorteil…

Mittlerweile ist es gelungen, die Reichweite des radioaktiven Insektentöters auf 5 Meilen zu steigern. Das bedeutet, noch mehr frisch Verschiedene im Strahlungsradius, und sie scheinen alle auf dem Weg ins Krankenhaus zu sein, wo heute großes Barbecue angesagt ist. Na ja, eigentlich gibt es ja eher rohes Fleisch…

Auch unter den Helden des Filmes breitet sich das Zombietum aus. Der Inspektor knallt George als vermeintlichen Mörder ab und lässt sich von der Presse feiern, doch es gibt noch ein Wiedersehen, und danach bewirbt sich der Inspektor bei den Dead Kennedys.

Nachdem heute auch der Bundesrat zugestimmt hat, aus der Kernkraft auszusteigen, obwohl doch noch vor wenigen Monaten die Laufzeit drastisch verlängert werden sollte, war auch eine Sichtung von Jorge Graus Zombiefilm mal wieder fällig.

„Das Leichenhaus der lebenden Toten“ aka „Invasion der Zombies“ ist schließlich nicht nur ein Zombiefilm (der er freilich ist), sondern auch ein gesellschaftskritisches Werk, das die Fortschrittsgläubigkeit jener Zeit anprangert. Es sollte allerdings noch einige Zeit vergehen, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, Emissionen zu reduzieren oder zu filtern. Atommüll wurde kurzerhand in sog. „Forschungsbergwerke“ wie Asse 2 gekippt und kleine Zwischenfälle wie Harrisburg oder Tschernobyl geflissentlich ignoriert. Wer in der Elbmarsch lebte, hatte halt Pech, dass die Kinder aus ungeklärten Gründen an Leukämie erkrankten. 1974 dürften Atomkraftgegner in der Tat noch als „Spinner“ durchgegangen sein, zum Glück ändern sich die Dinge auch mal positiv.

Auch die Polizei kommt hier sehr schlecht von der Parade, und ich weise darauf hin, dass bei Erscheinen des Films in Graus Heimatland Spanien noch der Franco regimte, und damit meine ich nicht den Jess. Es dürfte also nicht allzu weit hergeholt sein, wenn ich annehme, dass Grau über den englischen Umweg das Verhalten der spanischen Polizei anprangern wollte.

Umso bedauerlicher, dass auch deutsche Gesetzeshüter mit dem Film auf Kriegsfuß standen und den Film im Rahmen der Ermittlungen gegen den Astro-Krekel auf Basis eines 27-seitigen Gutachtens von Rudolf Stefen beschlagnahmen ließen. Leider kenne ich das Gutachten, doch ich bezweifle, dass Stefen die Kritik von David Pirie in seinem legendären „Vampir Filmkult“ von 1977 gelesen hat, in dem Pirie dem Film bescheinigt, dem Vampirfilm neue Wege zu erschließen, indem er die Ideen seines außergewöhnlichen Vorbildes (gemeint ist Romeros „Night of the living dead“) weiter zu entwickeln. Aber „Night“ ist ja trotz FSK 16 und diverser Ausstrahlungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ja auch mittlerweile beschlagnahmt hierzulande, weil inkompetente Richter zwei unterschiedliche Filme mit gleichem Titel nicht auseinander halten können.
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sid.vicious
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von sid.vicious »

Es gibt wahrlich eine Menge an Zombiefilmen. Angeführt von Romeros Night/ Dawn/ Day, Geisterstadt und Glockenseil bis hin zum absoluten Müll der Neuzeit. Neben den genannten 5 Klassikern, gibt es einen Film, der sich mit der Zombie-Thematik auseinandersetzt und dessen Bekanntheitsgrad, dem allgemeinen Tenor zur Folge, leider eher unten anzusiedeln ist. Dieser Film, der längst nicht die Lorbeeren erhalten hat, die ihm eigentlich zustehen, ist zweifelsohne: „Das Leichenhaus der lebenden Toten“, sprich "Invasion der Zombies".

Was Jorge Grau in diesem Film einbringt ist absolut beeindruckend. Gesellschaftskritik, Sozialkritik, Vorurteile auf der einen, Atmosphäre und eine richtig gute Story auf der anderen Seite. Um dieses zu vermitteln, hat Grau eine vorzügliche Auswahl der Hauptdarsteller getroffen. Arthur Kennedy, als faschistischer Polizeichef und Ray Lovelock in der Rolle des Kunsthändlers George, sind hier besonders zu erwähnen. Die Parts, in denen die beiden, vollkommen unterschiedlichen Personen aufeinander treffen, sind von verbalen Sprachduellen gezeichnet, welche für gute Unterhaltung sorgen.

Atmosphärisch hat der Film Alles zu bieten was man sich wünscht. Die Locations sind perfekt ausgewählt und die Nachtaufnahmen einfach genial umgesetzt. Der Film ist von der ersten bis zur letzten Sekunde unterhaltsam, spannend inszeniert und es macht immer wieder Freude, sich Jorge Graus „Leichenhaus der lebenden Toten“ anzusehen.

10/10
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dr. freudstein
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von dr. freudstein »

Zwar ist alles schon gesagt worden, aber noch mal mit eigenen Worten.

Die Kernaussage unser schon damals verseuchten Umwelt kommt hier zu Tage. Schon bei der Fahrt durch die Stadt wird das sehr deutlich. Die Menschen tragen vereinzelt Atemschutzmasken, man sieht Atomkraftwerke, rauchende Schornsteine, protestierende Menschen (die Frau die nackt um mehr Frauenrechte wirbt) und die Ausfahrt ins Grüne vom George scheint ein Entrinnen dessen zu sein. Doch weit gefehlt, auch die scheinbar heile Natur bietet keinen Schutz, denn die Landwirtschaft muß effektiv und kostenbringend genutzt werden. Allen Warnungen zum Trotz.

Paralellen zu Night of the living dead zeigen sich vereinzelt schon, z.B. als der Landstreicher (R.I.P.) die Edna im Auto angreift und auch vorher, als dieser zunächst noch unscheinbar und nicht als Gefahr deutend das Auto anzielt und sich erst bei seinem Herannahen zeigt, daß etwas mit diesem Mann nicht stimmt. Einen Abklatsch ansich sehe ich hier aber nicht, aber einige Anregungen einzelner Szenen scheint der Regisseur aus NIGHT OF...erhalten zu haben.

Ansonsten ist der Film vor allem durch damals zeitgenössischen Denkweisen geprägt.
Langhaarige werden als Satansanhänger, Anarchisten, Kommunisten, Verbrecher, Haschbrüder usw. tituliert und natürlich sind sie auch schwerhörig. Wobei der George natürlich auch seine Vorbehalte gegenünber der Polizei hat.
Der ertrunkene Landtreicher erregt auch kein Mitleid, im Gegenteil, man zeigte sich erfreut über den Tod. Gehört nicht zur Norm, also weg damit.

Die Polizei hingegen erfüllt auch jedes Klischee in Sachen Korrektheit (Uniform zuknüpfen), dann natürlich die Vorbehalte gegenüber Menschen mit etwas längeren Haaren (zum Glück haben sie sein Motorrad nicht gesehen, da defekt in der Werkstatt dank Edna - Frau am Steuer, ein weiteres Vorurteil) und allem sonst ihnen Unbekannten. Zugleich gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie man mit "Verbrechern" umzugehen hat. Der eine plädiert für Gegengewalt, der andere protestiert dagegen.

Was die Zombies angeht, so finden sich auch hier Paralellen zu Night of..., auch hier haben sie Angst vorm Feuer, bewegen sich langsam, vermögen aber noch über soviel Intelligenz (schließlich sind sie frisch verstorben und somit dürften nicht alle Hirnzellen abgestorben sein), um eine Tür aufzubrechen, hinter der sich lebendene Menschen verbergen.

Hier findet man den Umgang mit auferstandenen Toten auf engstem Raum (in einer Provinz) gepaart mit den ganzen Vorurteilen der dort lebenden Menschen, aber auch einer gehörigen Portion Gesellschaftskritik an der gesamten Menschheit, die nach wie vor nichts an ihrer Aktualität verloren hat.

Klassiker
8,5/10
Tendenz aber je nach Tageslaune höher und nur durch die Konkurrenz leicht gebremst. Kann man immer wieder mal anschauen. Prädikat "besonders wertvoll"
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DrDjangoMD
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von DrDjangoMD »

Gleiche Meinung wie der Herr Kollege :nick: Unter den stark sozialkritischen Zombiefilmen ist das mein Liebster! Die Atmosphäre ist so schön düster, sowohl die ländliche Location alsauch die immergraue Wetterlage entwickeln ein herrliches Gefühl der Isolation, Spannunglevel ist äußerst hoch, das Ende beweist den Mut des Regisseurs und überhaupt und obendrein hat man einen sozialkritische pro-Langhaar anti-Establishment Unterton einfließen lassen, und dies ist nie verkehrt :D
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reggie
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von reggie »

Stimme hier auch allen zu, einer meiner liebsten Zombiefilme! Gleich nach Woodoo der beste aus Italien ;)
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igore
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von igore »

Edition Tonfilm bringt da ja eine Neuauflage auf DVD. Das war schon länger bekannt,
aber gestern haben sie bei den Kollegen von dirty pictures bekanntgegeben, dass auch
ne BD kommt :) juche!
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CamperVan.Helsing
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von CamperVan.Helsing »

igore hat geschrieben: juche!
:shock: Nordkorea??? :o

http://de.wikipedia.org/wiki/Juche
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igore
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von igore »

upps, erwischt..... :oops:
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jogiwan
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von jogiwan »

Hui! Am besten gleich DVD und Blu-Ray kaufen und dann folgendes daraus basteln:

Bild

:kicher:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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Onkel Joe
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Re: Das Leichenhaus der lebenden Toten - Jorge Grau

Beitrag von Onkel Joe »

Jogi du schaust doch aus wie das Stunt Double von Ray Lovelock und dann magste diesen wirklich grandiosen Streifen nicht :|, verstehe ich einfach net :? .
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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