Originaltitel: L'uomo della sabbia
Produktionsland: Italien 1981
Regie: Giulio Questi
Darsteller: Donato Placido, Francesca Muzio, Saverio Vallone, Mario Feliciani, Ferruccio De Ceresa
Dass Giulio Questi (1924-2014) allein deshalb zu den zwar großen, aber weitgehend unbesungenen Meistern des italienischen Kinos gehört, weil er einzig drei Kinofilme realisiert hat, ist ein Argument, das man spätestens dann nicht mehr gelten lassen kann, wenn man sich angeschaut hat, um was für Filme es sich dabei handelt. SE SEI VIVO SPARA (1967) ist einer der surrealsten und brutalsten Italowestern, die ich kenne. Es werden Halunken mit heißem Gold übergossen, goldene Kugeln aus noch zuckenden Leibern herausgerissen, dazu lungern Gürteltiere, Fledermäuse und Echsen in Gefängniszellenecken herum, und Tomás Milián bekommt es nicht nur mit einer latent homoerotischen Diebesbande zu tun, sondern wird zudem als christusgleiche Figur ans Kreuz gefesselt. Während Questis Studie über die grundlegende menschliche Eigenschaft der Gier wenigstens noch versucht, sich einigermaßen den Statuten des Genres anzupassen, dessen Korsett sie sich geliehen hat, so macht sein nächster Film, immerhin starbesetzt mit Jean-Louis Trintignant und Gina Lollobrigida, keinen Hehl mehr daraus, dass ihm Genre-Konventionen vollkommen gleichgültig sind bzw. lediglich als Steigbügelhalter eines bitteren Requiems auf den abendländischen Kapitalismus dienen. Obgleich oft genug als Giallo gelabelt, legt LA MORTE HA FATTO L’UOVO (1968) nicht nur die Identität seines Killers gleich zu Beginn freimütig offen, sondern beschäftigt sich, statt spannende Polizeiarbeit mit innovativen Mordtaten zu kombinieren, lieber damit, die emotional erstarrten Alltage seiner Oberschichtfiguren mit genauso kaltem Blick zu sezieren wie einen Film früher das über Leiche gehende Goldfieber seiner Westernhelden. Höhepunkte ist sicherlich eine Szene, in der die Entwicklungsabteilung der Hühnerfabrik, wo die Handlung des Films größtenteils angesiedelt ist, es endlich geschafft hat, die größtmögliche Produktionseffizienz zu erreichen: Die neugezüchteten Hühner haben keine Köpfe mehr, keine Flügel, sind bloß noch pralles, pulsierendes, permanent wie ein Geschwür wachsendes Fleisch. Während SE SEI VIVO SPARA ein Genre-Publikum höchstens durch die eine oder andere Szene vor den Kopf gestoßen hat, in der Questi sich etwas zu weit aus dem Fenster der Norm lehnt, dürfte LA MORTE HA FATTO L’UOVO bereits eine herbe Enttäuschung für jeden sein, der einen klassischen Kriminalfilm erwartet, und stattdessen in ein gar nicht allzu fernes Paralleluniversum entführt wird, in dem die menschlichste Tat, zu der ein Mensch fähig ist, noch das Töten eines Mitmenschen ist.
Es dauert vier Jahre bis Questi mit ARCANA seinen Abschied vom Kino nimmt – ein Film, der lange Zeit als verschollen galt, nachdem er aufgrund der finanziellen Pleite seiner Produktionsfirma lediglich mittels einer Handvoll Kopien seinerzeit überhaupt auf den Leinwänden zirkulieren konnte. ARCANA ist einer der seltenen Fälle innerhalb der Geschichte, bei denen ein einziger Film kurzerhand das Kino revolutioniert – oder, besser gesagt: das Kino revolutioniert hätte, wenn dieser Film denn so viele Augen gefunden hätte, wie er sie verdient hat. Questis Okkult-Kompendium voller inzestuöser Phantasien, verstörender Kinderspiele und magischer Praktiken von Séancen bis hin zu Esels-Levitationen und Froschgeburten innerhalb von Frauenmündern ist nicht nur seiner Zeit voraus, sondern viel eher komplett aus der Zeit gefallen – Guerilla-Filmemachen par excellence, das so tut, als gäbe es für Kamera, Montage, Schauspielführung kein Regelwerk, gedreht mit einem winzigen Team in Privatwohnungen und auf offener Straße, dafür angefüllt von so vielen bilderstürmerischen Ideen, dass man damit mehrere Spielfilme hätte füllen können. Zieht man die sinnlose Gewalt von SE SEI VIVO SPARA, die aberwitzige Gesellschaftskritik von LA MORTE HA FATTO L’UOVO und schließlich die kaum in Worte zu fassenden Zauberkunststückchen von ARCANA in Betracht, ist man, wie ich, wohl erst einmal erstaunt, dass ein Avantgardist wie Questi in den 80ern und 90ern – bevor er sich in den 2000er Jahren, weit über siebzig inzwischen, als Video-Künstler neu erfindet! – fürs italienische Fernsehen gearbeitet, und dort mir gänzlich unbekannte Serien wie QUANDO ARRIVA IL GIUDICE (1986) oder Vorabendfilme wie NON APRITE ALL’UOMO NERO (1990) zu verantworten hat.
Nicht mehr unbekannt sind mir indes – und deshalb der vorliegende Text - Questis beiden ersten Ausflüge in die Fernsehlandschaft. Es handelt sich jeweils um eine Episode für die italienischen Sendereihen I GIOCHI DEL DIAVOLO und IL FASCINO DELL’INSOLITO, in denen Klassikern der Phantastischen Literatur vor allem des neunzehnten Jahrhunderts von wechselnden Regisseuren Tribut gezollt werden sollten. Gérard de Nerval, Robert Louis Stevensons und Henry James heißen einige der Autoren, deren oftmals eher esoterischen Erzählungen von Italo Calvino für I GIOCHI DEL DIAVOLO zusammengestellt wurden, um sodann durch mir unbekannte Filmemacher und Filmemacherinnen wie Giovanna Gagliardo oder Marcelo Aliprandi ihre Transformation ins Bewegt-Bild zu erfahren. Dass I GIOCHI DEL DIAVOLO bislang nicht gänzlich in irgendwelchen Archiven zum Verstauben verschwunden ist, hat die Serie allerdings einem recht prominenten Partizipanten zu verdanken. Niemand anderes als Mario Bava, unterstützt von seinem Sohn Lamberto, ist es, der in seiner letzten Regie-Arbeit vor seinem Tod Prosper Mérimées Novelle LA VÉNUS D‘ILLE mit Daria Nicolodi in der Hauptrolle verfilmt. Wenn das allein nicht alles bereits mein Interesse geweckt hätte, wären es sicherlich die Stoffe gewesen, denen wiederum Questi sich zugewendet hat, beide Male nämlich Erzählungen eines meiner liebsten Schriftstellers der Romantischen Schule, wenn nicht der deutschsprachigen Literatur überhaupt, dem Gespenster-Hoffmann Ernst Theodor Amadeus, der gerade mit den von Questi bearbeiteten Texten wie DER SANDMANN oder VAMPIRISMUS seinen ganz eigenen und eigenwilligen Beitrag zum aufknospendem Horror-Genre um die Jahrhundertwende zwischen siebzehn und achtzehn geleistet hat.
DER SANDMANN dürfte – nicht zuletzt dank diverser Deutsch-Abis – mit Abstand E.T.A. Hoffmanns bekanntester Text sein. Erstmals veröffentlicht 1816 als Teil seiner NACHTSTÜCKE, doktert die Literaturwissenschaft noch heute an der kurzen und kurzweiligen, dennoch aber ungemein komplexen und vielschichtigen Erzählung herum, sodass es nicht übertrieben ist, von einer wahren Flut an sich gegenseitig manchmal ergänzenden, oft genug aber auch widersprechenden Analysen, Interpretationen, Kontextualisierungen der Erzählung zu sprechen. Im Zentrum der Handlung steht der Student Nathanael („das Gottesgeschenk“, was im Griechischen Theodor heißt und wie durch Zufall einer der Vornamen Hoffmanns ist), der sich in einem Brief an seinen Busenfreund Lothar Luft bezüglich eines Kindheitstraumas macht, das er nun seit vielen Jahren mit sich herumschleppt. Ein unheimlicher Hausfreund ist damals bei seinen Eltern ein- und ausgegangen, der Advokat Coppelius, mit dem sein Vater alchemistische Experimente veranstaltet habe, die Nathanaels Papa letztlich das Leben kosteten. Aufgrund der schlimmen Erinnerungen an den Advokaten identifiziert Nathanael ihn seither mit dem Sandmann, einem Kinderschreckpopanz, der ungehörigen Buben angeblich die Augen ausreißt und sie seinen vogelartigen Kindern zum Fraß vorwirft. Aber nicht nur das: Der Anlass für Nathanaels Briefbeichte ist der Wetterglashändler Coppola, der heute bei ihm hausierend vor der Türe stand, und in dem er nun ebenfalls den Unheilbringer von damals zu erkennen glaubt. In seiner Aufregung unterläuft Nathanael allerdings das Missgeschick, dass er den Brief nicht an Lothar, sondern an seine Verlobte Clara schickt, die auf das, was sie für alberne Hirngespinste hält, allergisch reagiert, und ihren Liebsten zur Vernunft zu rufen versucht. In einem dritten und letzten Brief an Lothar wischt Nathanael dann auch die ganze Geschichte vom Tisch, und bittet den Freund, vor ihm und vor Clara nicht mehr über die Sache zu reden. Nun schaltet sich der auktoriale Erzähler ein, angeblich ein Freund wiederum Lothars, von dem er dann auch erfahren habe, was das Schicksal weiterhin mit Nathanael anstellte: Der verliebt sich in die Tochter eines Hochschulddozenten, des Physikers Spalanzani, geht dadurch immer mehr zu Distanz auf Clara, und bemerkt nicht, dass die schöne Olimpia, der er sein Herz geschenkt hat, nichts weiter ist als ein zwar lebendig wirkender, aber völlig maschinell betriebener Automat, eine Puppe, die nur „Ach, Ach!“ von sich zu gibt. Schuld an Nathanaels Liebestrunkenheit ist ein Perspektiv, das er Coppola abgekauft hat, und durch das ihm die Welt wie verändert erscheint. Ebenso wähnt er bald, dass Spalanzani und Coppola, so wie sie Vater einst, gemeinsam unter einer Decke stecken, deren Stoff aus verbotenen Experimenten gewoben ist…
Mehrere Aspekte des SANDMANNS machen es, finde ich, zu einem eher schwierigen Unterfangen, den Text ohne einschneidende Eingriffe auf den Fernsehschirm zu bringen. Zum einen wären da natürlich die angesprochenen mannigfaltigen Deutungsebenen, die man in dem Text vorgefunden hat und heute noch vorfindet. Wahlweise kann man den SANDMANN interpretieren als: a) die Schilderung des Einbruchs übernatürlicher Mächte in unsere vermeintlich geordnete Welt – dann wäre die Erzählung ein klassisches Beispiel für eine Phantastische Literatur, die sich nicht in fadenscheinige Erklärungen flüchtet, um ihre irrealen Phänomene zu erklären, b) als Psychogramm eines dem Wahnsinn verfallenden jungen Manns – dann existieren all die phantastischen Interventionen einzig und allein in Nathanaels Kopf, aus dessen Sicht wir sie dann ja auch ausnahmslos erzählt bekommen -, oder c) auf einer Metaebene sogar als poetologische Aussage über Lüge und Wahrheit innerhalb der Dichtung – da selbst der auktoriale Erzähler immer mal wieder durchblicken lässt, man solle seine Worte vielleicht nicht als ganz so bare Münze nehmen. Außerdem hat Hoffmann natürlich verschiedene Diskurse seiner Zeit in der Geschichte verpackt, am prominentesten wohl die Opposition von Aufklärung und Romantik, erstere repräsentiert durch Clara, deren sprechender Name allein schon an Bündel voller Licht denken lässt, letztere repräsentiert durch Nathanael, einem verkappten Dichter, der nicht die geringsten Staudämme in seinem Innern besitzt, um sich gegen seine Phantasie zur Wehr zu setzen. Wie aber verfilmt man einen Text, der derart intensiv mit Fragen der authentischen Vermittlung spielt, der quasi permanent verdeutlicht, dass das, was wir als Fakten präsentiert bekommen, auch bloß Gespinste eines überreizten Hirns sein können, der zudem zusammenkompiliert ist aus drei Briefen und einem Erzählteil, und sich damit rein strukturell schon die erwähnten verschiedenen Perspektiven einschreibt? Demgegenüber hat DER SANDMANN allerdings aber auch das eine oder andere Bild in petto, das einer filmischen Ausgestaltung entgegenkommt. Erwähnt seien nur das hysterische Finale auf einem Aussichtsturm oder die Kindheitserinnerungen Nathanaels, die dann auch zum Garstigsten gehören, was nicht nur Hoffmann, sondern die gesamte deutsche Romantik an bizarren Horrorszenen hervorgebracht hat.
Questis L’UOMO DELLA SABBIA beginnt mit einer Szene, die in dieser Form in der Vorlage nicht zu finden ist: Nathanael, Lothar und Clara befinden sich im Elternhaus des ersteren, und zwar mitten in einer Nacht, die Nathanael aus schweren Träumen hat hochschrecken lassen. Während alle drei durch die komplett finsteren Räume wandeln, die einzig durch die mitgeführten Kerzen ein bisschen erleuchtet werden, vertraut Nathanael seinem besten Freund und seiner Verlobten an, was ihn seit Kindertagen quält. An dieser Szene sind mehrere Dinge symptomatisch für den gesamten Film: Dass Questi Nathanaels Offenbarungen vom Briefpapier in ein direktes Zwiegespräch verlegt, wirkt verständlich. Dass er uns aber die vermutlich visuell interessantesten Szenen des zugrundeliegenden Textes – Nathanaels Kindheitstage voller Angst vor Coppelius, Schlüssellochblicken in das alchemistische Labor seines Vaters und Panikträume vom Sandmann, der ihm Sandkörner ins Gesicht wirft bis ihm die Augen blutig aus den Höhlen springen – vorenthält bzw. lediglich oral vermitteln lässt, wirkt wie eine (enttäuschende) Geste der Verweigerung. Immerhin entschädigt L’UOMO DELLA SABBIA für das Fehlen surreal-beklemmender Bilder in seiner Auftaktszene mit einer Ausleuchtung zum Niederknien. Die stockdunklen Zimmer, der flackernde Kerzenflammenschein, dazu die Kostümierung der Personen im Stil des frühen neunzehnten Jahrhunderts, das evoziert eine irgendwie traumwandlerische Atmosphäre, die zwar rein gar nichts mit Hoffmanns Text zu tun hat, sich aber hübsch anfühlt – zumindest zunächst, denn je länger die Szene andauert, und je mehr Rückblenden Questi einfach in den Mund Nathanaels packt, um sie uns nicht zeigen zu müssen, desto ermüdender wird die Inszenierung, und desto deutlicher tritt ein Hauptproblem des Films zutage: Über weite Strecken wirkt L’UOMO DELLA SABBIA, als habe Questi einfach die Theateradaption des Hoffmann-Textes einer beliebigen Volksbühne mit seiner Kamera begleitet.
Schön verdeutlicht gerade der Auftakt, der, entgegen der Vorlage, in Nathanaels Elternhaus spielt, wo er sich mit Clara, Lothar und seiner Mutter zusammengefunden hat, um seine Hochzeit zu planen, was ich meine: Szene folgt auf Szene, klar voneinander geschieden, wobei jede einzelne im Grunde einzig daraus besteht, dass unsere Protagonisten sich in langen Dialogen, Monologen oder sogar Deklamationen in Richtung des Auditoriums ergehen, ohne dass L’UOMO DELLA SABBIA diese Abfolge verbaler Schlagabtäusche in irgendeiner Weise visuell kreativ ausgestalten würde. Stets beäugt die Kamera unsere Helden, als sei sie ein Theaterbesucher in einer der ersten Sitzreihe vor der Bühne, fährt ab und zu mal ein bisschen hin und her, zoomt, schwenkt, damit hat es sich aber schon an Initiativen, optisch mehr aus den staubtrockenen Gesprächen herauszuholen als in ihnen steckt. Höhepunkt dieser (im negativen Sinne) Theatralik ist eine sage und schreibe siebzehn Minuten lange Szene, die ausnahmslos in Nathanaels Studentenstube spielt. In die hat Questi so ziemlich alles reingestopft, was er in Hoffmanns Text finden konnte – eben genauso wie ein Theaterregisseur verfahren würde, wenn er den Auftrag hätte, einen hochkomplexen Text so zu straffen, dass nichts Wesentliches von ihm verlorengeht, alles aber zeitökonomisch dicht zusammenhängt. Nathanael erhält Besuch von einem Studienfreund, Nathanael erhält Besuch von Coppola, der ihm seine Guckgläser andreht, Nathanael bespitzelt die gegenüber wohnende Olimpia mit seinem neu erworbenen Fernrohr – das alles so ermüdend inszeniert wie möglich, da komplett beschränkt auf die visuell kaum interessanten vier Wände unseres Helden, die, erneut, an schlecht bzw. gar nicht kaschierte Theaterbretter erinnern.
Während man aufgrund der Tatsache, dass Nathanaels Kindheitstraumata uns lediglich durch seinen Mund kundgetan werden, noch denken könnte, Questi habe sich für einen realistischen Zugriff auf Hoffmanns Text entschieden – im Sinne von: dass er uns nur das zeigt, was Lothar und Clara ebenfalls sehen, und all das, was Nathanael vielleicht nur imaginiert, in seinem Kopf belässt -, so sieht man sich in der Folge getäuscht – glücklicherweise, muss ich sagen, denn die grotesken Dinge, die unser Held vor Linse und Auge bekommt, geben dem Film wenigstens eine klitzekleine Chance, etwas über die konventionellen Stränge zu schlagen. Wenn Nathanael am Ende feststellt, dass seine Liebste Olimpia nur eine aus Einzelbauteilen zusammengesetzte Puppe ist, um die sich Coppola und Spalanzani regelrecht prügeln, und sie dadurch genauso regelrecht zerstückeln, oder wenn Nathanael – eine von Questi erfundene Szene – sich an Coppolas Fersen heftet, und ihn heimlich dabei beobachtet, wie er von einer zwielichtigen Gestalt in einem Kellerraum eine Kiste mit einem vermeintlichen amputierten Menschenbein entgegennimmt, dann sind das Momente, die wie ein ganz entferntes und ganz leises Echo jener surrealer Bilder wirken, mit denen Questi in seinen drei Kinofilmen nur so um sich geworfen hat. Zusammen mit den Kulissen – gerade die Außenaufnahmen, für die es das Team in die verwinkelten Gassen irgendeiner italienischen Altstadt verschlagen hat, sind ein Traum -, der bereits gelobten Ausleuchtung und dem Einsatz einer Handkamera, die manchmal wirkt, als stünde sie kurz davor, das zunehmende psychische Desarrangement Nathanaels in verwackelte Bilder zu kleiden – es dann aber doch nie tut -, und zeitorientier Kammermusik mit haufenweise Streichereinsatz, können diese paar positiven Perlen in einem weitgehend statischen Meer jedoch auch nicht verhindern, dass L’UOMO DELLA SABBIA weder der literarischen Vorlage Hoffmanns in irgendeiner Weise gerecht wird noch dass er als eigenständiger Film in irgendeiner Weise nennenswert unterhaltsam, spannend oder, wie seine Integration in eine dezidierte Horror-Reihe suggeriert, gar schaurig wäre.
Ob all diese Defizite nun primär damit zu tun haben, dass Questi im Kontext einer TV-Serie wie I GIOCHI DEL DIAVOLO einfach nicht die Möglichkeit bekommen hat, sich auch nur ein Stückchen über den biederen Fenster-rahmen hinauszulehnen, oder ob er den Film selbst als bloße Auftragsarbeit betrachtet hat, für die es nicht lohnt, allzu viel Mühe und Herzblut hineinzustecken, kann ich nicht sagen. Bei all den verschenkten Chancen, zumindest im Kleinen einen respektablen Genre-Beitrag zu drehen, bleibt nichtsdestotrotz ein bitterer Beigeschmack, der nur verstärkt wird von der einzigen Szene, die tatsächlich wirkt, als hätte sie auch ARCANA gut zu Gesicht gestanden. Nathanael dringt dort nachts ins Haus Spalanzanis ein, um endlich Olimpia in Fleisch und Blut gegenüberzutreten. Die Handkamera begleitet ihn durch einen langen Flur, der gesäumt ist von ausgestopften Vögeln. Sie hängen an den Wänden, sitzen in Glasvitrinen. Es ist, als sei ein feuchter Traum Norman Bates‘ Gestalt geworden. Einmal – wenn auch viel zu kurz – versprüht L’UOMO DELLA SABBIA ein bisschen von der Film-Magie, die ansonsten in umständlichen Dialogen, standardisierten Kameraperspektiven und einer Montage nach dem Filmhochschullehrbuch erfolgreich erstickt wird. Schade drum.
Es dauert vier Jahre bis Questi mit ARCANA seinen Abschied vom Kino nimmt – ein Film, der lange Zeit als verschollen galt, nachdem er aufgrund der finanziellen Pleite seiner Produktionsfirma lediglich mittels einer Handvoll Kopien seinerzeit überhaupt auf den Leinwänden zirkulieren konnte. ARCANA ist einer der seltenen Fälle innerhalb der Geschichte, bei denen ein einziger Film kurzerhand das Kino revolutioniert – oder, besser gesagt: das Kino revolutioniert hätte, wenn dieser Film denn so viele Augen gefunden hätte, wie er sie verdient hat. Questis Okkult-Kompendium voller inzestuöser Phantasien, verstörender Kinderspiele und magischer Praktiken von Séancen bis hin zu Esels-Levitationen und Froschgeburten innerhalb von Frauenmündern ist nicht nur seiner Zeit voraus, sondern viel eher komplett aus der Zeit gefallen – Guerilla-Filmemachen par excellence, das so tut, als gäbe es für Kamera, Montage, Schauspielführung kein Regelwerk, gedreht mit einem winzigen Team in Privatwohnungen und auf offener Straße, dafür angefüllt von so vielen bilderstürmerischen Ideen, dass man damit mehrere Spielfilme hätte füllen können. Zieht man die sinnlose Gewalt von SE SEI VIVO SPARA, die aberwitzige Gesellschaftskritik von LA MORTE HA FATTO L’UOVO und schließlich die kaum in Worte zu fassenden Zauberkunststückchen von ARCANA in Betracht, ist man, wie ich, wohl erst einmal erstaunt, dass ein Avantgardist wie Questi in den 80ern und 90ern – bevor er sich in den 2000er Jahren, weit über siebzig inzwischen, als Video-Künstler neu erfindet! – fürs italienische Fernsehen gearbeitet, und dort mir gänzlich unbekannte Serien wie QUANDO ARRIVA IL GIUDICE (1986) oder Vorabendfilme wie NON APRITE ALL’UOMO NERO (1990) zu verantworten hat.
Nicht mehr unbekannt sind mir indes – und deshalb der vorliegende Text - Questis beiden ersten Ausflüge in die Fernsehlandschaft. Es handelt sich jeweils um eine Episode für die italienischen Sendereihen I GIOCHI DEL DIAVOLO und IL FASCINO DELL’INSOLITO, in denen Klassikern der Phantastischen Literatur vor allem des neunzehnten Jahrhunderts von wechselnden Regisseuren Tribut gezollt werden sollten. Gérard de Nerval, Robert Louis Stevensons und Henry James heißen einige der Autoren, deren oftmals eher esoterischen Erzählungen von Italo Calvino für I GIOCHI DEL DIAVOLO zusammengestellt wurden, um sodann durch mir unbekannte Filmemacher und Filmemacherinnen wie Giovanna Gagliardo oder Marcelo Aliprandi ihre Transformation ins Bewegt-Bild zu erfahren. Dass I GIOCHI DEL DIAVOLO bislang nicht gänzlich in irgendwelchen Archiven zum Verstauben verschwunden ist, hat die Serie allerdings einem recht prominenten Partizipanten zu verdanken. Niemand anderes als Mario Bava, unterstützt von seinem Sohn Lamberto, ist es, der in seiner letzten Regie-Arbeit vor seinem Tod Prosper Mérimées Novelle LA VÉNUS D‘ILLE mit Daria Nicolodi in der Hauptrolle verfilmt. Wenn das allein nicht alles bereits mein Interesse geweckt hätte, wären es sicherlich die Stoffe gewesen, denen wiederum Questi sich zugewendet hat, beide Male nämlich Erzählungen eines meiner liebsten Schriftstellers der Romantischen Schule, wenn nicht der deutschsprachigen Literatur überhaupt, dem Gespenster-Hoffmann Ernst Theodor Amadeus, der gerade mit den von Questi bearbeiteten Texten wie DER SANDMANN oder VAMPIRISMUS seinen ganz eigenen und eigenwilligen Beitrag zum aufknospendem Horror-Genre um die Jahrhundertwende zwischen siebzehn und achtzehn geleistet hat.
DER SANDMANN dürfte – nicht zuletzt dank diverser Deutsch-Abis – mit Abstand E.T.A. Hoffmanns bekanntester Text sein. Erstmals veröffentlicht 1816 als Teil seiner NACHTSTÜCKE, doktert die Literaturwissenschaft noch heute an der kurzen und kurzweiligen, dennoch aber ungemein komplexen und vielschichtigen Erzählung herum, sodass es nicht übertrieben ist, von einer wahren Flut an sich gegenseitig manchmal ergänzenden, oft genug aber auch widersprechenden Analysen, Interpretationen, Kontextualisierungen der Erzählung zu sprechen. Im Zentrum der Handlung steht der Student Nathanael („das Gottesgeschenk“, was im Griechischen Theodor heißt und wie durch Zufall einer der Vornamen Hoffmanns ist), der sich in einem Brief an seinen Busenfreund Lothar Luft bezüglich eines Kindheitstraumas macht, das er nun seit vielen Jahren mit sich herumschleppt. Ein unheimlicher Hausfreund ist damals bei seinen Eltern ein- und ausgegangen, der Advokat Coppelius, mit dem sein Vater alchemistische Experimente veranstaltet habe, die Nathanaels Papa letztlich das Leben kosteten. Aufgrund der schlimmen Erinnerungen an den Advokaten identifiziert Nathanael ihn seither mit dem Sandmann, einem Kinderschreckpopanz, der ungehörigen Buben angeblich die Augen ausreißt und sie seinen vogelartigen Kindern zum Fraß vorwirft. Aber nicht nur das: Der Anlass für Nathanaels Briefbeichte ist der Wetterglashändler Coppola, der heute bei ihm hausierend vor der Türe stand, und in dem er nun ebenfalls den Unheilbringer von damals zu erkennen glaubt. In seiner Aufregung unterläuft Nathanael allerdings das Missgeschick, dass er den Brief nicht an Lothar, sondern an seine Verlobte Clara schickt, die auf das, was sie für alberne Hirngespinste hält, allergisch reagiert, und ihren Liebsten zur Vernunft zu rufen versucht. In einem dritten und letzten Brief an Lothar wischt Nathanael dann auch die ganze Geschichte vom Tisch, und bittet den Freund, vor ihm und vor Clara nicht mehr über die Sache zu reden. Nun schaltet sich der auktoriale Erzähler ein, angeblich ein Freund wiederum Lothars, von dem er dann auch erfahren habe, was das Schicksal weiterhin mit Nathanael anstellte: Der verliebt sich in die Tochter eines Hochschulddozenten, des Physikers Spalanzani, geht dadurch immer mehr zu Distanz auf Clara, und bemerkt nicht, dass die schöne Olimpia, der er sein Herz geschenkt hat, nichts weiter ist als ein zwar lebendig wirkender, aber völlig maschinell betriebener Automat, eine Puppe, die nur „Ach, Ach!“ von sich zu gibt. Schuld an Nathanaels Liebestrunkenheit ist ein Perspektiv, das er Coppola abgekauft hat, und durch das ihm die Welt wie verändert erscheint. Ebenso wähnt er bald, dass Spalanzani und Coppola, so wie sie Vater einst, gemeinsam unter einer Decke stecken, deren Stoff aus verbotenen Experimenten gewoben ist…
Mehrere Aspekte des SANDMANNS machen es, finde ich, zu einem eher schwierigen Unterfangen, den Text ohne einschneidende Eingriffe auf den Fernsehschirm zu bringen. Zum einen wären da natürlich die angesprochenen mannigfaltigen Deutungsebenen, die man in dem Text vorgefunden hat und heute noch vorfindet. Wahlweise kann man den SANDMANN interpretieren als: a) die Schilderung des Einbruchs übernatürlicher Mächte in unsere vermeintlich geordnete Welt – dann wäre die Erzählung ein klassisches Beispiel für eine Phantastische Literatur, die sich nicht in fadenscheinige Erklärungen flüchtet, um ihre irrealen Phänomene zu erklären, b) als Psychogramm eines dem Wahnsinn verfallenden jungen Manns – dann existieren all die phantastischen Interventionen einzig und allein in Nathanaels Kopf, aus dessen Sicht wir sie dann ja auch ausnahmslos erzählt bekommen -, oder c) auf einer Metaebene sogar als poetologische Aussage über Lüge und Wahrheit innerhalb der Dichtung – da selbst der auktoriale Erzähler immer mal wieder durchblicken lässt, man solle seine Worte vielleicht nicht als ganz so bare Münze nehmen. Außerdem hat Hoffmann natürlich verschiedene Diskurse seiner Zeit in der Geschichte verpackt, am prominentesten wohl die Opposition von Aufklärung und Romantik, erstere repräsentiert durch Clara, deren sprechender Name allein schon an Bündel voller Licht denken lässt, letztere repräsentiert durch Nathanael, einem verkappten Dichter, der nicht die geringsten Staudämme in seinem Innern besitzt, um sich gegen seine Phantasie zur Wehr zu setzen. Wie aber verfilmt man einen Text, der derart intensiv mit Fragen der authentischen Vermittlung spielt, der quasi permanent verdeutlicht, dass das, was wir als Fakten präsentiert bekommen, auch bloß Gespinste eines überreizten Hirns sein können, der zudem zusammenkompiliert ist aus drei Briefen und einem Erzählteil, und sich damit rein strukturell schon die erwähnten verschiedenen Perspektiven einschreibt? Demgegenüber hat DER SANDMANN allerdings aber auch das eine oder andere Bild in petto, das einer filmischen Ausgestaltung entgegenkommt. Erwähnt seien nur das hysterische Finale auf einem Aussichtsturm oder die Kindheitserinnerungen Nathanaels, die dann auch zum Garstigsten gehören, was nicht nur Hoffmann, sondern die gesamte deutsche Romantik an bizarren Horrorszenen hervorgebracht hat.
Questis L’UOMO DELLA SABBIA beginnt mit einer Szene, die in dieser Form in der Vorlage nicht zu finden ist: Nathanael, Lothar und Clara befinden sich im Elternhaus des ersteren, und zwar mitten in einer Nacht, die Nathanael aus schweren Träumen hat hochschrecken lassen. Während alle drei durch die komplett finsteren Räume wandeln, die einzig durch die mitgeführten Kerzen ein bisschen erleuchtet werden, vertraut Nathanael seinem besten Freund und seiner Verlobten an, was ihn seit Kindertagen quält. An dieser Szene sind mehrere Dinge symptomatisch für den gesamten Film: Dass Questi Nathanaels Offenbarungen vom Briefpapier in ein direktes Zwiegespräch verlegt, wirkt verständlich. Dass er uns aber die vermutlich visuell interessantesten Szenen des zugrundeliegenden Textes – Nathanaels Kindheitstage voller Angst vor Coppelius, Schlüssellochblicken in das alchemistische Labor seines Vaters und Panikträume vom Sandmann, der ihm Sandkörner ins Gesicht wirft bis ihm die Augen blutig aus den Höhlen springen – vorenthält bzw. lediglich oral vermitteln lässt, wirkt wie eine (enttäuschende) Geste der Verweigerung. Immerhin entschädigt L’UOMO DELLA SABBIA für das Fehlen surreal-beklemmender Bilder in seiner Auftaktszene mit einer Ausleuchtung zum Niederknien. Die stockdunklen Zimmer, der flackernde Kerzenflammenschein, dazu die Kostümierung der Personen im Stil des frühen neunzehnten Jahrhunderts, das evoziert eine irgendwie traumwandlerische Atmosphäre, die zwar rein gar nichts mit Hoffmanns Text zu tun hat, sich aber hübsch anfühlt – zumindest zunächst, denn je länger die Szene andauert, und je mehr Rückblenden Questi einfach in den Mund Nathanaels packt, um sie uns nicht zeigen zu müssen, desto ermüdender wird die Inszenierung, und desto deutlicher tritt ein Hauptproblem des Films zutage: Über weite Strecken wirkt L’UOMO DELLA SABBIA, als habe Questi einfach die Theateradaption des Hoffmann-Textes einer beliebigen Volksbühne mit seiner Kamera begleitet.
Schön verdeutlicht gerade der Auftakt, der, entgegen der Vorlage, in Nathanaels Elternhaus spielt, wo er sich mit Clara, Lothar und seiner Mutter zusammengefunden hat, um seine Hochzeit zu planen, was ich meine: Szene folgt auf Szene, klar voneinander geschieden, wobei jede einzelne im Grunde einzig daraus besteht, dass unsere Protagonisten sich in langen Dialogen, Monologen oder sogar Deklamationen in Richtung des Auditoriums ergehen, ohne dass L’UOMO DELLA SABBIA diese Abfolge verbaler Schlagabtäusche in irgendeiner Weise visuell kreativ ausgestalten würde. Stets beäugt die Kamera unsere Helden, als sei sie ein Theaterbesucher in einer der ersten Sitzreihe vor der Bühne, fährt ab und zu mal ein bisschen hin und her, zoomt, schwenkt, damit hat es sich aber schon an Initiativen, optisch mehr aus den staubtrockenen Gesprächen herauszuholen als in ihnen steckt. Höhepunkt dieser (im negativen Sinne) Theatralik ist eine sage und schreibe siebzehn Minuten lange Szene, die ausnahmslos in Nathanaels Studentenstube spielt. In die hat Questi so ziemlich alles reingestopft, was er in Hoffmanns Text finden konnte – eben genauso wie ein Theaterregisseur verfahren würde, wenn er den Auftrag hätte, einen hochkomplexen Text so zu straffen, dass nichts Wesentliches von ihm verlorengeht, alles aber zeitökonomisch dicht zusammenhängt. Nathanael erhält Besuch von einem Studienfreund, Nathanael erhält Besuch von Coppola, der ihm seine Guckgläser andreht, Nathanael bespitzelt die gegenüber wohnende Olimpia mit seinem neu erworbenen Fernrohr – das alles so ermüdend inszeniert wie möglich, da komplett beschränkt auf die visuell kaum interessanten vier Wände unseres Helden, die, erneut, an schlecht bzw. gar nicht kaschierte Theaterbretter erinnern.
Während man aufgrund der Tatsache, dass Nathanaels Kindheitstraumata uns lediglich durch seinen Mund kundgetan werden, noch denken könnte, Questi habe sich für einen realistischen Zugriff auf Hoffmanns Text entschieden – im Sinne von: dass er uns nur das zeigt, was Lothar und Clara ebenfalls sehen, und all das, was Nathanael vielleicht nur imaginiert, in seinem Kopf belässt -, so sieht man sich in der Folge getäuscht – glücklicherweise, muss ich sagen, denn die grotesken Dinge, die unser Held vor Linse und Auge bekommt, geben dem Film wenigstens eine klitzekleine Chance, etwas über die konventionellen Stränge zu schlagen. Wenn Nathanael am Ende feststellt, dass seine Liebste Olimpia nur eine aus Einzelbauteilen zusammengesetzte Puppe ist, um die sich Coppola und Spalanzani regelrecht prügeln, und sie dadurch genauso regelrecht zerstückeln, oder wenn Nathanael – eine von Questi erfundene Szene – sich an Coppolas Fersen heftet, und ihn heimlich dabei beobachtet, wie er von einer zwielichtigen Gestalt in einem Kellerraum eine Kiste mit einem vermeintlichen amputierten Menschenbein entgegennimmt, dann sind das Momente, die wie ein ganz entferntes und ganz leises Echo jener surrealer Bilder wirken, mit denen Questi in seinen drei Kinofilmen nur so um sich geworfen hat. Zusammen mit den Kulissen – gerade die Außenaufnahmen, für die es das Team in die verwinkelten Gassen irgendeiner italienischen Altstadt verschlagen hat, sind ein Traum -, der bereits gelobten Ausleuchtung und dem Einsatz einer Handkamera, die manchmal wirkt, als stünde sie kurz davor, das zunehmende psychische Desarrangement Nathanaels in verwackelte Bilder zu kleiden – es dann aber doch nie tut -, und zeitorientier Kammermusik mit haufenweise Streichereinsatz, können diese paar positiven Perlen in einem weitgehend statischen Meer jedoch auch nicht verhindern, dass L’UOMO DELLA SABBIA weder der literarischen Vorlage Hoffmanns in irgendeiner Weise gerecht wird noch dass er als eigenständiger Film in irgendeiner Weise nennenswert unterhaltsam, spannend oder, wie seine Integration in eine dezidierte Horror-Reihe suggeriert, gar schaurig wäre.
Ob all diese Defizite nun primär damit zu tun haben, dass Questi im Kontext einer TV-Serie wie I GIOCHI DEL DIAVOLO einfach nicht die Möglichkeit bekommen hat, sich auch nur ein Stückchen über den biederen Fenster-rahmen hinauszulehnen, oder ob er den Film selbst als bloße Auftragsarbeit betrachtet hat, für die es nicht lohnt, allzu viel Mühe und Herzblut hineinzustecken, kann ich nicht sagen. Bei all den verschenkten Chancen, zumindest im Kleinen einen respektablen Genre-Beitrag zu drehen, bleibt nichtsdestotrotz ein bitterer Beigeschmack, der nur verstärkt wird von der einzigen Szene, die tatsächlich wirkt, als hätte sie auch ARCANA gut zu Gesicht gestanden. Nathanael dringt dort nachts ins Haus Spalanzanis ein, um endlich Olimpia in Fleisch und Blut gegenüberzutreten. Die Handkamera begleitet ihn durch einen langen Flur, der gesäumt ist von ausgestopften Vögeln. Sie hängen an den Wänden, sitzen in Glasvitrinen. Es ist, als sei ein feuchter Traum Norman Bates‘ Gestalt geworden. Einmal – wenn auch viel zu kurz – versprüht L’UOMO DELLA SABBIA ein bisschen von der Film-Magie, die ansonsten in umständlichen Dialogen, standardisierten Kameraperspektiven und einer Montage nach dem Filmhochschullehrbuch erfolgreich erstickt wird. Schade drum.