La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
Moderator: jogiwan
- sergio petroni
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La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
LA SETTIMA TOMBA
Alternativtitel: The seventh grave
Herstellungsland-/jahr: ITA 1965
Regie: Garibaldi Serra Caracciolo
Darsteller: John Anderson, Nando Angelini, Edward Barret, Gianni Dei, Germaine Gesny, Richard Gillies,
Gordon MacWinter, Jack Murphy, Stefania Nelli, ...
Story: A group of people converge at the castle of scientist Sir Reginald Thorne for the reading of his will. The ancient edifice once belonged to Sir Francis Drake and a large fortune is apparently hidden in the walls.
Sir Reginald, who died three years previously from an especially virulent strain of leprosy, dedicated himself to strange experiments with his assistant, Dr. Quick. His body – so disfigured that no autopsy could be performed – now lies in the seventh grave in the family crypt. Quick, also infected with leprosy, is on the run from the police after escaping from a nearby leper hospital.
A séance – organized as a means of discovering the whereabouts of the treasure
is followed by some mysterious deaths.
(quelle: horrorpedia.com)
Alternativtitel: The seventh grave
Herstellungsland-/jahr: ITA 1965
Regie: Garibaldi Serra Caracciolo
Darsteller: John Anderson, Nando Angelini, Edward Barret, Gianni Dei, Germaine Gesny, Richard Gillies,
Gordon MacWinter, Jack Murphy, Stefania Nelli, ...
Story: A group of people converge at the castle of scientist Sir Reginald Thorne for the reading of his will. The ancient edifice once belonged to Sir Francis Drake and a large fortune is apparently hidden in the walls.
Sir Reginald, who died three years previously from an especially virulent strain of leprosy, dedicated himself to strange experiments with his assistant, Dr. Quick. His body – so disfigured that no autopsy could be performed – now lies in the seventh grave in the family crypt. Quick, also infected with leprosy, is on the run from the police after escaping from a nearby leper hospital.
A séance – organized as a means of discovering the whereabouts of the treasure
is followed by some mysterious deaths.
(quelle: horrorpedia.com)
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
- sergio petroni
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Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
Eine Gruppe von Erben findet sich zur Testamentseröffnung auf einem
schottischen Schloß ein. Der Verstorbene war ein Nachfahre des Freibeuters
Sir Francis Drake und Gerüchten zufolge, sollen sich dessen Raubgüter noch
irgendwo versteckt im Schloß befinden. Die Erben sind zum Teil die üblichen
Kotzbrocken und der Testamentsverwalter muß noch zwei volle Tage mit
diesen bis zur vorgesehenen Eröffnung auf dem abgelegenen Schloß ausharren.
Hinzu kommt, daß ein ehemaliger Mitarbeiter Sir Reginalds, der wegen seiner
Lepraerkrankung in einer Klinik festgehalten wurde aus dieser ausgebrochen
ist und möglicherweise seinen ehemaligen Arbeitsplatz als Ziel auserkoren hat.
Um sich die Zeit zu vertreiben, versucht sich die Gruppe in Geisterbeschwörung
mit unabsehbaren Folgen. Bald dezimiert sich die Zahl der potentiellen
Erben und es scheint, als begleiche jemand aus dem Jenseits alte Rechnungen.....
Leider habe ich "La settima tomba" nur in sehr mieser Qualität vorliegen.
Trotzdem meine ich sagen zu können, daß wir es hier mit einem der weniger
interessanten Italo-Mystery-Filme der Mittsechziger zu tun haben.
Die Geschichte hat tatsächlich schon etwas viel Staub angesetzt.
Lediglich manch innovative Kameraeinstellung und -fahrt läßt ab und an
aufblicken.
4/10
schottischen Schloß ein. Der Verstorbene war ein Nachfahre des Freibeuters
Sir Francis Drake und Gerüchten zufolge, sollen sich dessen Raubgüter noch
irgendwo versteckt im Schloß befinden. Die Erben sind zum Teil die üblichen
Kotzbrocken und der Testamentsverwalter muß noch zwei volle Tage mit
diesen bis zur vorgesehenen Eröffnung auf dem abgelegenen Schloß ausharren.
Hinzu kommt, daß ein ehemaliger Mitarbeiter Sir Reginalds, der wegen seiner
Lepraerkrankung in einer Klinik festgehalten wurde aus dieser ausgebrochen
ist und möglicherweise seinen ehemaligen Arbeitsplatz als Ziel auserkoren hat.
Um sich die Zeit zu vertreiben, versucht sich die Gruppe in Geisterbeschwörung
mit unabsehbaren Folgen. Bald dezimiert sich die Zahl der potentiellen
Erben und es scheint, als begleiche jemand aus dem Jenseits alte Rechnungen.....
Leider habe ich "La settima tomba" nur in sehr mieser Qualität vorliegen.
Trotzdem meine ich sagen zu können, daß wir es hier mit einem der weniger
interessanten Italo-Mystery-Filme der Mittsechziger zu tun haben.
Die Geschichte hat tatsächlich schon etwas viel Staub angesetzt.
Lediglich manch innovative Kameraeinstellung und -fahrt läßt ab und an
aufblicken.
4/10
DrDjangoMD hat geschrieben:„Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, doch ach – es wankt der Grund auf dem wir bauten.“
- Salvatore Baccaro
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Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
So sehr ich die Arbeiten Roberto Curtis schätze, ich dem guten Mann für manchen hilfreichen Hinweis dankbar bin und es überhaupt begrüße, dass er sich die Mühe macht, jemandem lange und ausführlich auf Mails zu antworten, so sehr irritiert es mich, wie viele Kübel Verachtung und Häme er im ersten Band seiner dreiteiligen Geschichte des „Italian Gothic Horror Films“ über die Low-Budget-Produktion LA SETTIMA TOMBA ausgießt, die 1965 unter der Regie eines gewissen, später nie wieder dirigiernd in Erscheinung getretenen Garibaldi Serra Caracciolo runtergekurbelt wird, und die anscheinend aufgrund von Lizenzfragen bislang keinerlei Heimkino-Auswertung erfahren hat, und mir einzig in einem qualitativ katastrophalen WebRip vorliegt, der wiederum offenkundig auf einer Ausstrahlung in irgendeinem italienischen Fernsehsender beruht.
Bezüglich ausgewählter Filmschaffender des italienischen Genrekinos lässt Curti auch sonst kein gutes Haar. Paradebeispiel hierfür wäre Renato Polselli, dessen Streifen von ihm in schöner Regelmäßigkeit zerrissen werden, und den er ihm in seinem Buch zu „Mavericks of the Italian Cinema“ en passant gar einen „hack director" schimpft – eine Zuschreibung, mit der ich mir ungefähr genauso schwertue, wie damit, LA SETTIMA TOMBA als einen der hundsmiserabelsten Filme aller Zeiten darzustellen. Das „main asset” des Streifens nämlich sei "its overall amateurishness“, - was Curti daran festmacht, dass Caracciolo sich in Dialogszenen selten an die 180-Grad-Regel hält, oder dass bei Story/Montage ein auffälliger Hang zu Diskontinuitäten und Disruptivem herrsche. „The sets are slapdash”, heißt es weiter, “the lighting is passable at best, the dialogue abounds with absurdly inane lines." Außerdem scheint es Curti zu stören, dass zu Beginn des Films eine Kutsche und einzelne Kulissen irgendeines Italowestern verwendet werden. Am Ende channelt er gar Dante, und warnt alle, die auf die Suche nach diesem obskuren Werk gehen möchten: „Abandon all hope, indeed!“
Nachdem ich mir LA SETTIMA TOMBA nun endlich auch einmal besehen habe, kann ich über all diesen Spott nur den Kopf schütteln. Sicher, der Film ist nicht unbedingt eine dramaturgische Daumenschraube, und es stimmt schon, man merkt ihm an, dass hier mit wenig Zeit und noch weniger Budget eine eher generische Geschichte irgendwo in der Grauzone zwischen Gothic-Horror und Giallo zusammengeschustert wurde, die im Grunde mehr mit Agatha Christie oder den bundesdeutschen Edgar-Wallace-Adaptionen zu tun hat als mit einem Gothic-Schocker à la Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO oder einem perversen Proto-Giallo wie Mino Guerrinis IL TERZO OCCHIO, und, ja, von mir aus kann man das Schauspielensemble als amateurhaft bezeichnen, und manche Dialogzeile, manche Plot-Volte, manchen Schockmoment als unfreiwillig komisch, und die finale Auflösung als haarsträubend und geschwätzig gleichermaßen. Nichtsdestotrotz (oder wohl eher gerade deswegen): LA SETTIMA TOMBA ist ein Film genau von dem Schlage, wie ich ihn in den Schlammgruben, den Mehlspeichern, den Krypten des italienischen Horrorkinos finden möchte: Eine Art jenseits von Logik, Vernunft, Moral funktionierender audiovisueller Automatismus, der sein mangelndes ökonomisches Gewicht mit einer Fülle an wirren Ideen wettmacht, der irgendwann selbst den roten Faden seiner Erzählung zu verlieren scheint, der sich keinen feuchten Kehricht schert um die Goldenen Montage-Regeln Hollywoods oder um irgendeine Form narrativer Kontinuität, - es ist vielmehr so, als würde man einem verrückten, betäubten, dämmrigen Geist beim Produzieren delirierender der Tagträume zuschauen.
Immer dann, wenn’s spannend wird, streunt ein Hündchen durch das Schloss, in dem der gesamte Film angesiedelt ist, spielt abseits dieser drei, vier Auftritte jedoch nicht die geringste Rolle; im Bauch des Gemäuers soll der Schatz des Piraten (!) Sir Francis Drake vergraben sein: Wie gut, dass sich unter einer Gruppe Erben, die angereist sind, das Testament des verblichenen Schlossherrn vorgelesen zu bekommen, ein weibliches Medium befindet, denn nun kann man doch gleich spontan eine Séance abhalten, und den Geist Drakes direkt befragen, wo er seine Kostbarkeiten versteckt hat; andauernd wird irgendwer ohnmächtig, taucht irgendwo eine Leiche auf, nur um sofort wieder zu verschwinden, und Meerschweinchen fungieren als Ratten-Doubles, wie so oft im Italo-Horror; wundervolle Gräber könne man sehen!, prophezeit der Hausdiener enthusiastisch, während er die Schlossgäste zur letzten Ruhestätte seines toten Herrn führt, und als dieser tote Herr sich im Finale putzmunter als Drahtzieher der Mordserie enttarnt, ruft er uns und der Kamera zu: Tja, damit hättet ihr nicht gerechnet, ne!?; der Jazz-Soundtrack wirkt deplatziert, die Séance-Szene sieht aus, als hätte ihr als Vorbild der experimentelle Horrorkurzfilm IL CASO VALDEMAR von 1936 gedient, (und ist tatsächlich effektiv gefilmt!), und als Bonus gibt es einen jungen Gianni Dei, bekannt aus solchen Sleaze-Epen wie GIALLO A VENEZIA oder PATRICK VIVE ANCORA, als Bruder eines der potentiellen Erben. Die Moral am Ende: Der Priester, der zuvor sein Einverständnis dazu gab, eine Spiritische Sitzung abzuhalten, solange keine Schwarze Magie involviert sei, rudert zurück, und warnt moralischen Fingers, man solle die Toten doch besser in Ruhe lassen, das führe bloß zu Unheil, - obwohl die Lebenden die wahren Unruhestifter sind und die Toten, namentlich: Sir Francis Drakes Geist!, sogar versuchten, unsere Helden per Warnrufen zum Verlassen des Schlosses und ihrer materialistischen Gelüste zu animieren: "Get out! Get out!"
“As was commonplace in the frantic days of Italian genre cinema, the rise of a filone caused a number of surrogates to pop up like mushrooms in the woods after a rainstorm”, schreibt Roberto Cuti in “Italian Gothic Horror Films 1957-1969”. “And it was not uncommon to stumble upon inedible, if not poisonous, specimens: low- budget flicks, shot on a shoestring by semi-improvised filmmakers, financed by anonymous hit- and-run companies formed specifically for a single productive effort (and destined to bankruptcy – an easy way to avoid paying the creditors)—and intended for limited home circulation.”
Dieser problematischen Grenzziehung zwischen Hoch- und Trivialkultur, zwischen Kunst und Trash, zwischen Arthouse und Grindhouse, die ja quasi in einem lange Zeit (und mancherorts noch immer) von Kritik und Forschung verschrienen Gebiet wie dem italienischen Genrefilm etablierte Hierarchien des sogenannten „guten Geschmacks“ implementiert, - also auf der einen Seite das Dreigestirn Argento/Bava/Fulci, auf der andern Seite angebliche Amateure wie Polselli/Mattei/Caracciolo - möchte ich zwei surrealistisch motivierte Argumente entgegenhalten:
1) Die Essaysammlung „Le surréalisme au cinema“, die Ado Kyrou 1953 vorlegt, (und die bis zum heutigen Tage aus mir unverständlichen Gründen nicht mal in einer englischen Übersetzung existiert). Dort schreibt Kyrou, dass sie ihre Bressons und Cocteaus behalten können, die Aristokraten und Aristokratien des „guten Geschmacks“, denn die wahren Wunder der Kinematographie seien populär, weshalb man den begeisterungswürdigsten, aufregendsten Filmen weitaus eher in den lokalen Flohkinos als bei den elitären Premieregalen protzig illuminierter Lichtspielpaläste begegne. Kyrous Tiraden gipfeln darin, dass er seinen Lesern und Leserinnen gar den Rat gibt, man solle sich die schlechtesten Filme anschauen, die man zu greifen kriege, denn gerade dort verstecke sich oftmals genau diejenige Kino-Magie, die vor der rein rationalen Organisationsstruktur der Blockbuster, deren Plakate die Metropolen der Welt verunreinigten, längst getürmt sei.
2) Einen Passus aus André Bretons „Les vases communicantes“, wo der Wortführer des französischen Surrealismus 1932 etliche Beispiele anführt, wie man Momente des Zufalls, des Wunderbaren, des Unbeabsichtigten noch in den vermeintlich trivialsten Kulturerzeugnissen aufspüren könne. Bezüglich eines Groschenromanserials wie PARISETTE von Louis Feuillade aus dem Jahre 1921 schreibt er rückblickend „Wie dies Wort [Parisette], das für mich einen ausgesprochen poetischen Klang hat, da inmitten ihres Geplauders fiel, mußte ich an einen französischen Episodenfilm dieses Titels denken. Vor einigen Jahren hatte ich es mir, auf eine Umfrage des Figaro über die Tendenzen der moderne Poesie hin, angelegen sein lassen, die ganz unfreiwillige Poesie dieses Films der geschriebenen Poesie von heute entgegenzusetzen. Mit dieser sich zu beschäftigen, sei, nach meiner damaligen Erklärung, verlorene Zeit: ,Da geht man besser in Parisette oder in die Verhöre am Schwurgericht.‘“
LA SETTIMA TOMBA ist genau ein solches Kleinod unfreiwilliger Poesie: Gedreht, um arglosen Kinobesuchern das Geld aus den Taschen zu ziehen, triggert dieser kleine, feine Film völlig unbeabsichtigt Regionen in meinem Kopf, in meinem Herzen, wo der Verstand die Segel streichen und die Kapitulation einreichen muss. In dem (Un-)Sinne: Scheiß auf die 180-Grad-Regel!
Bezüglich ausgewählter Filmschaffender des italienischen Genrekinos lässt Curti auch sonst kein gutes Haar. Paradebeispiel hierfür wäre Renato Polselli, dessen Streifen von ihm in schöner Regelmäßigkeit zerrissen werden, und den er ihm in seinem Buch zu „Mavericks of the Italian Cinema“ en passant gar einen „hack director" schimpft – eine Zuschreibung, mit der ich mir ungefähr genauso schwertue, wie damit, LA SETTIMA TOMBA als einen der hundsmiserabelsten Filme aller Zeiten darzustellen. Das „main asset” des Streifens nämlich sei "its overall amateurishness“, - was Curti daran festmacht, dass Caracciolo sich in Dialogszenen selten an die 180-Grad-Regel hält, oder dass bei Story/Montage ein auffälliger Hang zu Diskontinuitäten und Disruptivem herrsche. „The sets are slapdash”, heißt es weiter, “the lighting is passable at best, the dialogue abounds with absurdly inane lines." Außerdem scheint es Curti zu stören, dass zu Beginn des Films eine Kutsche und einzelne Kulissen irgendeines Italowestern verwendet werden. Am Ende channelt er gar Dante, und warnt alle, die auf die Suche nach diesem obskuren Werk gehen möchten: „Abandon all hope, indeed!“
Nachdem ich mir LA SETTIMA TOMBA nun endlich auch einmal besehen habe, kann ich über all diesen Spott nur den Kopf schütteln. Sicher, der Film ist nicht unbedingt eine dramaturgische Daumenschraube, und es stimmt schon, man merkt ihm an, dass hier mit wenig Zeit und noch weniger Budget eine eher generische Geschichte irgendwo in der Grauzone zwischen Gothic-Horror und Giallo zusammengeschustert wurde, die im Grunde mehr mit Agatha Christie oder den bundesdeutschen Edgar-Wallace-Adaptionen zu tun hat als mit einem Gothic-Schocker à la Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO oder einem perversen Proto-Giallo wie Mino Guerrinis IL TERZO OCCHIO, und, ja, von mir aus kann man das Schauspielensemble als amateurhaft bezeichnen, und manche Dialogzeile, manche Plot-Volte, manchen Schockmoment als unfreiwillig komisch, und die finale Auflösung als haarsträubend und geschwätzig gleichermaßen. Nichtsdestotrotz (oder wohl eher gerade deswegen): LA SETTIMA TOMBA ist ein Film genau von dem Schlage, wie ich ihn in den Schlammgruben, den Mehlspeichern, den Krypten des italienischen Horrorkinos finden möchte: Eine Art jenseits von Logik, Vernunft, Moral funktionierender audiovisueller Automatismus, der sein mangelndes ökonomisches Gewicht mit einer Fülle an wirren Ideen wettmacht, der irgendwann selbst den roten Faden seiner Erzählung zu verlieren scheint, der sich keinen feuchten Kehricht schert um die Goldenen Montage-Regeln Hollywoods oder um irgendeine Form narrativer Kontinuität, - es ist vielmehr so, als würde man einem verrückten, betäubten, dämmrigen Geist beim Produzieren delirierender der Tagträume zuschauen.
Immer dann, wenn’s spannend wird, streunt ein Hündchen durch das Schloss, in dem der gesamte Film angesiedelt ist, spielt abseits dieser drei, vier Auftritte jedoch nicht die geringste Rolle; im Bauch des Gemäuers soll der Schatz des Piraten (!) Sir Francis Drake vergraben sein: Wie gut, dass sich unter einer Gruppe Erben, die angereist sind, das Testament des verblichenen Schlossherrn vorgelesen zu bekommen, ein weibliches Medium befindet, denn nun kann man doch gleich spontan eine Séance abhalten, und den Geist Drakes direkt befragen, wo er seine Kostbarkeiten versteckt hat; andauernd wird irgendwer ohnmächtig, taucht irgendwo eine Leiche auf, nur um sofort wieder zu verschwinden, und Meerschweinchen fungieren als Ratten-Doubles, wie so oft im Italo-Horror; wundervolle Gräber könne man sehen!, prophezeit der Hausdiener enthusiastisch, während er die Schlossgäste zur letzten Ruhestätte seines toten Herrn führt, und als dieser tote Herr sich im Finale putzmunter als Drahtzieher der Mordserie enttarnt, ruft er uns und der Kamera zu: Tja, damit hättet ihr nicht gerechnet, ne!?; der Jazz-Soundtrack wirkt deplatziert, die Séance-Szene sieht aus, als hätte ihr als Vorbild der experimentelle Horrorkurzfilm IL CASO VALDEMAR von 1936 gedient, (und ist tatsächlich effektiv gefilmt!), und als Bonus gibt es einen jungen Gianni Dei, bekannt aus solchen Sleaze-Epen wie GIALLO A VENEZIA oder PATRICK VIVE ANCORA, als Bruder eines der potentiellen Erben. Die Moral am Ende: Der Priester, der zuvor sein Einverständnis dazu gab, eine Spiritische Sitzung abzuhalten, solange keine Schwarze Magie involviert sei, rudert zurück, und warnt moralischen Fingers, man solle die Toten doch besser in Ruhe lassen, das führe bloß zu Unheil, - obwohl die Lebenden die wahren Unruhestifter sind und die Toten, namentlich: Sir Francis Drakes Geist!, sogar versuchten, unsere Helden per Warnrufen zum Verlassen des Schlosses und ihrer materialistischen Gelüste zu animieren: "Get out! Get out!"
“As was commonplace in the frantic days of Italian genre cinema, the rise of a filone caused a number of surrogates to pop up like mushrooms in the woods after a rainstorm”, schreibt Roberto Cuti in “Italian Gothic Horror Films 1957-1969”. “And it was not uncommon to stumble upon inedible, if not poisonous, specimens: low- budget flicks, shot on a shoestring by semi-improvised filmmakers, financed by anonymous hit- and-run companies formed specifically for a single productive effort (and destined to bankruptcy – an easy way to avoid paying the creditors)—and intended for limited home circulation.”
Dieser problematischen Grenzziehung zwischen Hoch- und Trivialkultur, zwischen Kunst und Trash, zwischen Arthouse und Grindhouse, die ja quasi in einem lange Zeit (und mancherorts noch immer) von Kritik und Forschung verschrienen Gebiet wie dem italienischen Genrefilm etablierte Hierarchien des sogenannten „guten Geschmacks“ implementiert, - also auf der einen Seite das Dreigestirn Argento/Bava/Fulci, auf der andern Seite angebliche Amateure wie Polselli/Mattei/Caracciolo - möchte ich zwei surrealistisch motivierte Argumente entgegenhalten:
1) Die Essaysammlung „Le surréalisme au cinema“, die Ado Kyrou 1953 vorlegt, (und die bis zum heutigen Tage aus mir unverständlichen Gründen nicht mal in einer englischen Übersetzung existiert). Dort schreibt Kyrou, dass sie ihre Bressons und Cocteaus behalten können, die Aristokraten und Aristokratien des „guten Geschmacks“, denn die wahren Wunder der Kinematographie seien populär, weshalb man den begeisterungswürdigsten, aufregendsten Filmen weitaus eher in den lokalen Flohkinos als bei den elitären Premieregalen protzig illuminierter Lichtspielpaläste begegne. Kyrous Tiraden gipfeln darin, dass er seinen Lesern und Leserinnen gar den Rat gibt, man solle sich die schlechtesten Filme anschauen, die man zu greifen kriege, denn gerade dort verstecke sich oftmals genau diejenige Kino-Magie, die vor der rein rationalen Organisationsstruktur der Blockbuster, deren Plakate die Metropolen der Welt verunreinigten, längst getürmt sei.
2) Einen Passus aus André Bretons „Les vases communicantes“, wo der Wortführer des französischen Surrealismus 1932 etliche Beispiele anführt, wie man Momente des Zufalls, des Wunderbaren, des Unbeabsichtigten noch in den vermeintlich trivialsten Kulturerzeugnissen aufspüren könne. Bezüglich eines Groschenromanserials wie PARISETTE von Louis Feuillade aus dem Jahre 1921 schreibt er rückblickend „Wie dies Wort [Parisette], das für mich einen ausgesprochen poetischen Klang hat, da inmitten ihres Geplauders fiel, mußte ich an einen französischen Episodenfilm dieses Titels denken. Vor einigen Jahren hatte ich es mir, auf eine Umfrage des Figaro über die Tendenzen der moderne Poesie hin, angelegen sein lassen, die ganz unfreiwillige Poesie dieses Films der geschriebenen Poesie von heute entgegenzusetzen. Mit dieser sich zu beschäftigen, sei, nach meiner damaligen Erklärung, verlorene Zeit: ,Da geht man besser in Parisette oder in die Verhöre am Schwurgericht.‘“
LA SETTIMA TOMBA ist genau ein solches Kleinod unfreiwilliger Poesie: Gedreht, um arglosen Kinobesuchern das Geld aus den Taschen zu ziehen, triggert dieser kleine, feine Film völlig unbeabsichtigt Regionen in meinem Kopf, in meinem Herzen, wo der Verstand die Segel streichen und die Kapitulation einreichen muss. In dem (Un-)Sinne: Scheiß auf die 180-Grad-Regel!
Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
demnächst in den Staaten von Severin, in einer schicken 4-Film-Box:
- The Monster of the Opera
- The Seventh Grave
- Scream of the Demon Lover
- Lady Frankenstein
- The Monster of the Opera
- The Seventh Grave
- Scream of the Demon Lover
- Lady Frankenstein
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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- Salvatore Baccaro
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Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
Uah, allein das Bonusmaterial ist ja ein wahrer Tempel, - möglicherweise DER entscheidende Grund für mich, mir endlich mal einen Blu-Ray-Player zu besorgen...
Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
Achtung: Die Box ist 50% Region A, also mit europäischen Blu-ray-Playern nicht abspielbar. "La stettima tomba" ist aber eine von zwei codefreien Scheiben (die andere ist "Lady Frankenstein").Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Di 28. Feb 2023, 11:13Uah, allein das Bonusmaterial ist ja ein wahrer Tempel, - möglicherweise DER entscheidende Grund für mich, mir endlich mal einen Blu-Ray-Player zu besorgen...
Früher war mehr Lametta
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- Salvatore Baccaro
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Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
Ah, das ist gut zu wissen! Aber seltsam: Weshalb stellt man denn eine Box zusammen, in der zwei Blu-Rays codefrei sind und zwei nur mit Region-A-Playern abspielbar sind...?Arkadin hat geschrieben: ↑Di 28. Feb 2023, 12:27Achtung: Die Box ist 50% Region A, also mit europäischen Blu-ray-Playern nicht abspielbar. "La stettima tomba" ist aber eine von zwei codefreien Scheiben (die andere ist "Lady Frankenstein").Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Di 28. Feb 2023, 11:13Uah, allein das Bonusmaterial ist ja ein wahrer Tempel, - möglicherweise DER entscheidende Grund für mich, mir endlich mal einen Blu-Ray-Player zu besorgen...
Re: La settima tomba - Garibaldi Serra Caracciolo (1965)
Rechtegründe.Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Di 28. Feb 2023, 13:56Ah, das ist gut zu wissen! Aber seltsam: Weshalb stellt man denn eine Box zusammen, in der zwei Blu-Rays codefrei sind und zwei nur mit Region-A-Playern abspielbar sind...?Arkadin hat geschrieben: ↑Di 28. Feb 2023, 12:27Achtung: Die Box ist 50% Region A, also mit europäischen Blu-ray-Playern nicht abspielbar. "La stettima tomba" ist aber eine von zwei codefreien Scheiben (die andere ist "Lady Frankenstein").Salvatore Baccaro hat geschrieben: ↑Di 28. Feb 2023, 11:13
Uah, allein das Bonusmaterial ist ja ein wahrer Tempel, - möglicherweise DER entscheidende Grund für mich, mir endlich mal einen Blu-Ray-Player zu besorgen...
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