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Originaltitel: Mangiati vivi!
Herstellungland: Italien / 1980
Regie: Umberto Lenzi
Darsteller: Robert Kerman, Janet Agren, Ivan Rassimov, Paola Senatore, Me Me Lai, Fiamma Maglione, Franco Fantasia, Gianfranco Coduti, Alfred Joseph Berry, Michele Schmiegelia, Mel Ferrer u. A.
In New York geschehen mysteriöse Mordfälle. Auf der Flucht vor den Hütern des Gesetzes wird der Mörder überfahren. In seiner Tasche findet die Polizei die Adresse der jungen Diana, die seit 6 Monaten vermisst wird, und einen 8 mm Film, der ein grausames Ritual zeigt. Sheila, Dianas Schwester, und Mark machen sich auf die Suche nach der Vermissten und geraten so in den Sog sich überstürzender Ereignisse. In den unerforschten Dschungelwäldern Neuguineas stossen sie auf eine geheimnisvolle Sekte mit abstossend-Faszinierenden Kulthandlungen. Hier ist Mitleid ein Fremdwort. Wer hier eindringt, taumelt von einem Entsetzen in das andere! Fressen oder gefressen werden ist das grausame Gesetz der Kannibalen!
Die grosse Welle und die exzessive, explizite Ausschlachtung.
Umberto Lenzi filmte in seiner vielschaffenden Karriere allerlei Filme und begann seine Laufbahn in einer Blütezeit des Filmes als Sandalenfilme, Monumentalfilme und Historienfilme der allerletzte Schrei waren. Lenzi war schon immer ein Regisseur, der den Zahn der Zeit erkannte, ohne dabei existierende Trends plumpt zu kopieren, sondern einfach auf der Welle des Hype gekonnt mitzuschwimmen. Sein heutiges Erstlingswerk von 1958 Mia Italida stin Ellada, ein ungewöhnlicher Start mit einer Liebeskomödie für einen bis heute berüchtigten Exploitationsfilmer, gilt heute als nahezu verschollen. Die Folgejahre in den 60ern waren geprägt von namhaften und genreklassischen Werken wie Robin Hood in der Stadt des Todes (1962), besetzt mit einem Weltstar Pierre Brice (Winnetou - Verfilmungen), Piratenfilme wie Meute der Verdammten (1964), Gladiatorenfilme wie Der Letzte der Gladiatoren / Kaiser der Gladiatoren (1964), unzähligen Western wie Colt für hundert Särge (1968), Wallaceverfilmungen wie Das Rätsel des silbernen Halbmonds (1971) mit denen er, meist mittelmäßig budgetiert, wesentliche Erfolge feiern konnte, ohne dabei jedoch wirkliche Meilensteine des Genres zu setzen.
Einen eigenen Stein brachte er jedoch 1972 mit dem weltweit ersten Kannibalenfilm Mondo Cannibale (Me Me Lai) ins Rollen, in der Thematik so unverwüstlich neu und schockierend war, dass ihm dieser Stempel des Kannibalenfilmers bis heute unverwährt blieb. Mondo Cannibale, ein einstigst schockierendes Werk, aufgrund diverser Tierschlachtungsszenen und expliziter Kannibalenthematik, fixierte sich aber damals eher auf die Entwicklung eines Mannes, aus der Zivilisation kommend, der in die Fänge eines primitiven Eingeborenenstammes gerät und dort aufgrund Andersartigkeit gefoltert wird. Mondo Cannibale beschrieb dieses ungleiche Aufprallen zweier völlig unterschiedlicher Kulturen, wobei in der Unmöglichkeit der beiden Kulturen, der Unverständnis sich eine Beziehung zwischen Eingeborenenschönheit und Grossstadtmann entfachte, wobei Kannibalismus und Kannibalen, wohlgemerkt der Stamm wo der Mann landet, sind keine Kannibalen, sich eher in den Hintergrund drängte, und Mondo Cannibale der Alternativtitel Man from deep River, wesentlich passender, zum Liebesdrama mit Urlaubsromantik wurde.
Trotz des Erfolges und des Etablierens in der Filmlandschaft wurden Lenzis Folgejahre von mittelmäßigen Polizeifilmen Schlitzohr und der Bulle und Gialli wie Spasmo (1974) geziert, bevor er nach einem Ausrutscher ins Zombiegenre Großangriff der Zombies (1980), durch die Erfolge von Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch (Ruggero Deodato / 1977) & Cannibal Holocaust / Nackt und zerfleischt (Ruggero Deodato / 1980) wieder Fuss im aufkommenden und publik gewordenen Kannibalenfilm fassen wollte. Doch die Situation war diesmal eine Andere. Lenzi brachte dieses Mal keinen Stein ins rollen, sondern musste auf einen immer grösserwerdenden Stein aufspringen, den er damals ganz klein und neu ins Rollen brachte. Nackt und zerfleischt revolutionierte das Genre, den Horrorfilm an sich und war schockierend, eindringlich, vielschichtig, böse und düster. Ein grosser Kuchen, von dem ein einstiger Begründer etwas abhaben wollte. Doch Lenzi verpasst mit seinem Lebendig gefressen, so der Versuch Lenzi's Nackt und zerfleischt zu übertrumpfen, die Chance die gleiche eindringliche, nahezu schon intelligente Ausrichtung zu bilden, denn Lebendig gefressen fasst dort an, wo Nackt und zerfleischt aufgrund seiner Bösartigkeit und Inszenierung doppeldeutig, auch widersprüchlich, aber immer kritisch wurde.
Der Plot von Lebendig gefressen ist durchgängig linear, Höhepunkte sind hier keine auszumachen, wobei die Szenerie dort beginnt, wo man sie nicht erwartet. In der Antarktis wird eine Gruppe Fotografen von einem asiatischwirkenden Mann getötet, wobei sich die Kulisse schnell in die Großstadtmetropole von New York verlagert. Gleicher Mann, gleiche Tötungsart. Die Opfer tot, der Täter ebenfalls und so findet man ein Video bei ihm, auf dem sich ein Ritual von einer Sekte befindet. Shyla, eine Reporterin erkennt auf dem Video ihre verschollene Schwester und macht sich mit Hilfe eines Mannes namens Mark auf die Suche in den Dschungel. Die Spur führt die junge Frau Syhla (Janet Agren / Ein Zombie hing am Glockenseil), in ein kleines Dorf, wobei sie dort schon von Unverständnis konfrontiert werden.
Lenzi kehrt hiermit zurück zu seinen Wurzeln, konzentiert sich nämlich, wie in seinem Mondo Cannibale auf eine Sekte von fanatischen Gläubigern, hier keine Primitiven, sondern ein Volk voller vereinter Menschen, aus der Zivilisation der Grossstädte und den Slums Neuguniea geflohen, unter Führung eines diktatorischen Sektenführers (Ivan Rassimov / Mondo Cannibale / Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch), um unter Einklang der Gemeinschaft zurück zur Natur und weg vom verlogenen Wirtschaftsleben zu finden, ohne dabei anfänglich die Interesse auf zu erwartende Kannibalen zu lenken. Das mag ja an sich nicht unbedingt schlecht klingen, ist in Anbetracht der kritischen Herangehensweise und der Thematik dieser Rückbesinnung, nicht Reprimitivierens, sogar recht originell und Baustein für wirkliche Deodato Konsequenz, aber Lenzi verpackt diesen Mantel aus der falschen Sekte eines diktatorischen Führers mit verlogenen und falschen Absichten einfach zu gewollt, wobei dort, vorallem in den ersten 60 Minuten, diverse Längen aufkommen.
Auch wenn Ivan Rassimov als machtgieriger Sektenführer generell nicht schlecht spielt und auch die verführerisch schöne Me Me Lai (Mondo Cannibale / Mondo Cannibale 2) wieder mit an Bord ist, weiss die Choose generell nicht zu gefallen, wobei die unbefangene, direkte, wenig treffsichere, schon gar nicht kritische Inszenierung, das Einleuchten ähnlich expliziter Szenen wie in Nackt und zerfleischt, zu Unbehagen führen. Vollkommen zusammenhanglos, wirklich zum reinen Selbstzweck, noch mehr als in Nackt und zerfleischt werden hier Tiere getötet, gefoltert und ohne jedes Bedenken so zelebriert, dass es weder zur Intention des Filmes oder dem Inhalt passt. Waren die Tiere in Nackt und zerfleischt leidliche Opfer dieser sogenannten Sensationsgeilheit der filmenden Kameramänner, oder einfach notwendiges Konsumgut hungernder Menschen, sinds hier Opfer für Spiele, Feste oder nichts. Noch zusammenhangloser und komischer wirds hierbei aber noch, wenn in diesem selbstzweckhaftem, bisweilen aber schön abgefilmten Sleaze, Frauen ohne jeden Grund vergewaltigt werden. Shyla, die mitunter, eher zwanghaft in die Sekte eingeführt wurde, wird hier aufgrund eines Verstoßes mit einem, mit Schlangenblut getränkten Dildo (???) penetriert, warum auch immer, während Me Me Lai, aufgrund einer Stammessitte, für Fortpflanzungszwecke nach ein ander von 4-5 Mann vergewaltigt wird.
Zwiespältige Szenen, die Wut entfachen, aber womöglich den eigentlichen Horrors, dieses, wirklich nachvollziehbar beschlagnahmten Werks ausmachen, schliesslich ist es auch hier der Widerspruch, die Sekte will weg von Selbstzerstörung einer kranken Kapitalgesellschaft unter unmenschlichen Bedingungen, Mitglieder werden aber unmenschlichsten Bedingungen, mit Rauschgift gefügig gemacht und unter Nichtbeachtung von sittenstrengen Regeln gefoltert und gequält. Ein Gefängnis, welchem sie nicht entkommen können, denn neben diesem eigentlichem Erzählstrang der Sekte existieren hier eben, in diesem Dschungel, rund um das Sektendorf, noch Kannibalenstämme, die Flüchtlinge alt aussehen lassen. Ein taktischer Schachzug des Führers, denn lebend wird den Kannibalen wohl keiner entkommen.
Die erste Kannibalenbegegnung ist dann auch schliesslich schon von hartgesottener Art, wobei mir die Fressszene doch arg bekannt aus Mondo Cannibale vorkam. Nicht nur, dass Lenzi selbst aus eigenem älterem Material klaut, ist der weitere negative Punkt, dass selbst die Kannibalen recht uneindringlich, nahezu schon aufgesetzt gespielt wirken. Heftige Goreeffekte, Selbstzweck der Szenen und Thematik hin und her, aber im Vergleich zu Deodatos Meisterwerk ist das wirklich ein billiges Trauerspiel voll inszenatorischer Oberschwächen, wobei Ekelsplatter hier stellenweise ohnehin klein geschrieben wird. Lenzi's Stärke liegt in der Kamera, denn die Kulisse des Dschungels, mitsamt seinen Tieren und wunderschön malerischen Weiten, fängt er gut ein, um dabei natürlich minutenweise die Vielfalt des Tierreiches zu zeigen. Vor laufender Kamera wird dann eine Affeverschlingende Schlange gezeigt, wobei der Affe noch traurig mit den Wimpern zuckt. Da zuckt auch der Zuschauer zusammen, aber so ist die Realität.
Trotzdem mag dort irgendwie keine Atmosphäre aufkommen, zu selbstzweckhaft die Snuffszenen, zu frauenfeindlich die Ausrichtung der Sekte, zu peinlich die Kannibalen, die Effekte zu billig, die Schauspieler ohnehin schmalgezeichnete Unsymphaten, sofern wir mal von Me Me Lai und Janet Agren absehen.
Ein Happy - End bleibt dabei nicht aus, wird die Flucht auf brenzlichste Weise, dass mag auch der spannungsreichste Punkt des Filmes sein, mit einer Verfolgungsjagd der Kannibalen inszeniert, bevor sich die beiden Protagonisten in ein rettenden Heli hieven können. Nicht aber, um zuvor noch mit reichlich Kunstblut und Ekeleffekten Me Me Lai's Brustkorb aufzuschneiden, ihre Gedärme zu essen und die Schwester von Shyla zu vergewaltigen und ihr Ohr zu verspeisen. Ist ja klar, oder?
Fazit:
Frauenfeindlicher, absolut selbstzweckhafter, selten treffsicher kritischer Kannibalenstreifen mit erheblich vielen Längen und seichter Atmosphäre. Dafür aber wahnsinnig viel Tiersnuff ohne Sinn, lächerliche Kannibalen, ein uninteressanter Sektenplot und Szenen, die wütend machen. Von einem Nackt und zerfleischt weit entfernt, am Ende bleibt ein solider Pflichtfilm, nicht nur wegen fehlender Konkurrenz, sondern auch der ekelerregenden Tatsache, dass selbstzweckhaftere Filme ebenso Mangelware sind. Ein Ekel an Film, der als Abenteuer recht solide ist, aber dennoch extrem abstossend ist. Zurecht verboten, auch wenn die Gewalteffekte in ihrer Darbietung sehr billig sind. Lenzi kanns eigentlich besser & intelligenter.
Mit dem Humberto wird der Lenzi wohl leben können, wo er sich doch oft genug in den Vorspännen seiner Filmchen als Literaturkenner erwies und sich das schicke Pseudonym Humbert Humbert zulegte.
Salvatore Baccaro hat geschrieben:
Mit dem Humberto wird der Lenzi wohl leben können, wo er sich doch oft genug in den Vorspännen seiner Filmchen als Literaturkenner erwies und sich das schicke Pseudonym Humbert Humbert zulegte.
Oder er ist Kubrick-Fan
Früher war mehr Lametta
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Salvatore Baccaro hat geschrieben:
Mit dem Humberto wird der Lenzi wohl leben können, wo er sich doch oft genug in den Vorspännen seiner Filmchen als Literaturkenner erwies und sich das schicke Pseudonym Humbert Humbert zulegte.
auf dem deutschen Poster ist Regie als "Humphrey Humbert" gelistet
Im Prinzip funktioniere ich wie ein Gremlin:
- nicht nach Mitternacht füttern
- kein Wasser
- kein Sonnenlicht
Umberto Lenzi jagt seine Hauptdarstellerin Janet Agren in den Busch, am Rande des Grauens stellt er ihr Robert Kerman zur Seite, den wir in der Rolle eines Ex-Soldaten sehen. Frau Agren sucht nach ihrer Filmschwester, gespielt von Paola Senatore, die einem wahnsinnigen Sektenguru Sektenguru (Ivan Rassimov) in den Dschungel folgte. Bereits die Anreise wird zum Problem, überall wimmelt es von hungrigen Raubtieren und mordlüsternen Kannibalen. Endlich im Dorf angekommen, will Guru Ivan weder die Neulinge noch das Schwesterlein weggehen lassen, Ärger der fiesen Sorte ist vorprogrammiert! ...und die Kannibalen haben sowieso immer groooßen Hunger!
"Lebendig gefressen" punktet mit einem bemerkenswerten Ensemble, zu den bereits genannten Herrschaften gesellen sich die bezaubernde Me Me Lai und Mel Ferrer in Nebenrollen. Rassimov steht der durchgeknallte, größenwahnsinnige Sektenführer bestens zu Gesicht, die Handlung nimmt lose Bezug auf den 1978 in Guayana verübten Massenfreitod einer fragwürdigen "Religionsgemeinschaft". Umberto Lenzi erweitert seinen unterhaltsamen Abenteuerfilm um schmackhafte Möpse, grotesk aus der Wäsche glotzende Kannibalen, Mettgut darf selbstverständlich nicht fehlen, an Schauwerten mangelt es daher nicht. Für mich ist "Lebendig gefressen" eher ein Abenteuerstreifen, der Flick wird jedoch dem Kannibalenfilm zugerechnet. Was solls, ich möchte nicht in Wortklauberei verfallen, mir gefällt dieser kurzweilige Trip in die grüne Hölle extrem gut.