The Vampire of the Opera - Renato Polselli (1964)

Grusel & Gothic, Kannibalen, Zombies & Gore

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39396
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

The Vampire of the Opera - Renato Polselli (1964)

Beitrag von jogiwan »

The Vampire of the Opera

Bild

Originaltitel: Il Mostro dell'opera

Alternativtitel: L'Orgie des vampires

Herstellungsland: Italien / 1964

Regie: Renato Polselli

Darsteller: Marco Mariani, Giuseppe Addobbati, Barbara Howard, Alberto Archetti, Carla Cavalli

Story:

A theater troupe's young, energetic leader has secured an old theater in which to produce his new production. The theater's elderly caretaker urges the group to leave at once. A vampire is awakened and discovers that one of the troupe is the reincarnation of the woman who he once loved. (quelle: imdb.com)
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3071
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: The Vampire of the Opera - Renato Polselli (1964)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Es sind Polselli-Wochen in meinem Kopf:

Mit L’AMANTE DEL VAMPIRO, seinem frühsten mir bekannten Film, hat mich der studierte Philosoph Polselli, wie man an entsprechender Stelle nachlesen kann, sturmhaft angeblasen und umgeworfen, indem er seine an sich eher belanglose Geschichte von Kameramann Baistrocchi in Bilder kleiden ließ, deren Ästhetik ich mir gerne als Abendgarderobe wünschen würde. L’AMANTE DEL VAMPIRO mag an mancher Stelle hinken oder lahmen, letztendlich ist der Film für mich eine wahre Augentrauerweide gewesen, ein Reigen schauriger Bilder, wohl nicht ganz auf einer Höhe mit Klassikern wie Dreyers VAMPYR oder Murnaus NOSFERATU, jedoch definitiv einer ihrer unmittelbaren Erbverwalter.

IL MOSTRO DELL’OPERA nun, vier Jahre später veröffentlicht, scheint auf den ersten Blick exakt die Ingredienzien erneut zu vereinen, die einem schon L’AMANTE DEL VAMPIRO zu bieten hatte. Im Mittelpunkt agiert eine Gruppe junger Tänzerinnen und, ja, diesmal auch Tänzer, die allerdings hinter den weiblichen Reizen, für die sich Polselli freilich stets am meisten interessiert, einigermaßen zurückstehen müssen, wieder ist das titelgebende Untier ein saugender Untoter, der auf den für einen Vampir ungewöhnlichen Namen Stefano hört und weitaus weniger lächerlicher daherkommt als sein Vorgänger in L'AMANTE DEL VAMPIRO, stattdessen tatsächlich ein kleines Bisschen gar wie Christopher Lee anmutet, und wieder läuft die reine Handlung ansonsten ziemlich leer, das heißt: ohne dramaturgische oder storytechnische Höhepunkte. So weit, so gut, könnte man denken, wenn Polselli seinen Film denn erneut in eine visuelle Form gegossen hätte, die jegliche inhaltlichen Mängel schon deshalb nicht als Mängel gelten lässt, weil die bloße Handlung unter der puren Bilderflut zu einem zweit-, wenn nicht gar drittklassigen Element degradiert wird. So weit, so schlecht, weil Polselli mir diesen Gefallen diesmal eben nicht tut und, was die Optik betrifft, eigentlich auf alles verzichtet, was mein Herz bei L’AMANTE DEL VAMPIRO so hoch hat springen lassen. Nicht, dass Außenaufnahmen völlig fehlen, da der Film einzig und allein in einem alten Theater spielt, sprich: größtenteils in finsteren Räumen, Kammern und einer mit einer leidlich avantgardistischen Kulisse ausgestatten Bühne, wäre mein Hauptkritikpunkt, denn selbst aus diesem minimalistischen, reduzierten Setting hätte man ja im besten Falle noch etwas Begeisterungswürdiges herausholen können, ein düsteres Kammerspiel zum Beispiel, bei dem die Enge und die Abgeschlossenheit des Gebäudes, aus dem unsere Helden, wie sollte es anders sein?, irgendwann nicht mehr herauskönnen und sich als Gefangene im Netz des Vampirs realisieren, zu wahrhaft klaustrophobischen Zuständen geführt hätte, sondern dass Polselli und sein Team sich scheinbar gar nicht erst die Mühe gemacht haben, aus einem konventionellen Muster auszubrechen, das dem Film über weite Strecke das Gesicht einer beliebigen TV-Produktion gibt. Während man nun aber visuelle Schauwerte mit der Lupe suchen muss, sind andere Aspekte so penetrant, dass sie ihm wie Bunuels Rasiermesser mitten und schmerzhaft ins Auge stechen. Vor allem die komödiantischen Einsprengsel sind es, die mich wenig belustigt, sondern eher penetriert haben. Dadurch, dass Polselli sein Stück im Theatermilieu ansiedelt, scheint er es für eine gute Idee gehalten zu haben, so tief wie möglich in der Klischeekiste zu wühlen, um seinen Zuschauern solche Gestalten wie einen andauernd in unerträglichem Pathos monologisierenden Bühnenregisseur, eine junge, ständig zwischen ihrem Gackern und Kichern harmlose Witzchen fallenlassende Schauspielerin und einen absolut stereotypen Homosexuellen vorzuführen. Zum Lachen sind die Sprüche und das affektierte Gebärden so gut wie nie, ebenso wenig wie mich die auch in IL MOSTRO DELL’OPERA einmal mehr ausgiebig ausgewalzten Tanzszenen in irgendeiner Weise inspiriert haben, zumal sie, da Polselli dieses Werk mit angezogener Handbremse, was seine sonst gerne hervorbrechenden voyeuristischen Ambitionen betrifft, inszeniert zu haben scheint, weit weniger sexuell aufgeladen ausgefallen sind als die in seinem vorherigen Schauerfilm. Die Musik, leicht konsumierbarer Big-Band-Swing der wenig einprägsamen Sorte, ein, zwei wirklich melodramatische Szenen, die in keinem Liebesfilm der damaligen Zeit deplatziert gewirkt hätten, sowie der Umstand, dass das, je nach Sprachfassung, titelgebende Monster bzw. Vampir, ein Herr, der mit seinem greisen Diener und einem Haufen von ihm zu Untoten gebissenen Damen, die im Keller angekettet an den Wänden hängen, seit Jahrhunderten in jenem normalerweise leerstehenden Theater auf die Reinkarnation der Frau wartet, die er einst, wohl irgendwann zu Renaissance-Zeiten, unsterblich geliebt und die ihn dann schändlich verraten hat, trotz der Gesamtlaufzeit von gerade mal achtzig Minuten erst nach circa einer Dreiviertelstunde wirklich aktiv in Erscheinung tritt, können nur dazu führen, dass ich in IL MOSTRO DELL’OPERA, an den ich allerdings nun wirklich keine geringe Erwartungen hatte, um ein Vielfaches schlechter bewerten muss als den im direkten Vergleich nur noch gewinnenden L’AMANTE DEL VAMPIRO.

Gerade einmal drei Szenen sind es, die aus dem betuchten Treiben herausragen und Polsellis krakelige, teilweise kaum leserliche Handschrift erkennen lassen. Zunächst wäre da der Prolog zu nennen, eine völlig abgefahrene Traumszene, für die erneut meine allseits geliebten Stummfilm-Allusionen herhalten müssen, da mich die durchaus surreale, assoziative Montage nicht wenig an vergleichbare Filme Marcel L’Herbiers oder Germaine Dulacs aus den 20ern erinnert haben. Mit einem Schnitt, der härter nicht hätte ausfallen können, wirft Polselli, fast so, als wolle er uns eine lange Nase ziehen, einen aus diesem angenehm beklemmenden Bilderwirrwarr, in dem der Vampir ein Mädchen verfolgt, um es mit einer Heugabel zu durchbohren, und hat einen Lidschlag später, nachdem das Ganze sich „nur“ als Nachtmähre entpuppt hat, schon den seichten Jazz und die tanzenden Sixties-Girls vorbereitet, was immerhin zu einem wirklich irritierenden Kontrast führt. Zweitens ist da ein Totentanz, vielleicht ein bisschen so wie in Jean Renoirs LA RÈGLE DU JEU. Flackerndes Licht, Tänzer in Ganzkörper-Skelett-Kostüme, eine dann doch recht ausgefallenen Choreographie verbinden sich zu der einzigen Tanzeinlage, der ich persönlich etwas habe abgewinnen können. Polsellis dritter ungewöhnlicher Einfall wiederum ist dann glücklicherweise genau einer dieser Kopfpatsch-Momente, für das ich sein Oeuvre und überhaupt das gesamte delirierende italienische Genre-Kino so sehr liebe. Völlig unvermittelt, und ohne dass es auf der Text- bzw. Sprachebene irgendwie legitimiert werden würde, fällt nämlich der Wahnsinn über unsere Tanzgemeinschaft herein, ein Wahnsinn, der sich darin äußert, dass die jungen Leute nicht anders können als das zu tun, was sie sowieso die ganze Zeit ununterbrochen getan haben: sie tanzen sich zu lauen Big-Band-Sounds die Seelen aus den Leibern, während Vampir Stefano lachend und grinsend im Auditorium herumsteht und, das wird nicht explizit genannt, wie gesagt, ich vermute das lediglich, lässt im wahrsten Sinne des Wortes die Puppen tanzen, indem er unsere Protagonisten per telepathischer Kräfte bis zur Erschöpfung zu immer neuen Sprüngen antreibt. Es wäre möglich, dass Polselli mit diesem Glanzmoment des Films bewusst auf jenes mittlerweile schon unzählige Male psychoanalytisch zerpflücktes Phänomen hat anspielen wollen, das in der frühen Neuzeit so manches Nonnenkloster heimsuchte: "plötzlich begannen die frommen Frauen zu maunzen, sich gegenseitig abzulecken oder wild herum zu hüpfen". Tatsächlich bricht das Chaos für einige wenige Minuten hemmungslos in die brave Inszenierung ein und man kann sich eigentlich gar nichts mehr fragen, gar nichts mehr sagen, bloß noch in extremer Verwirrung hinnehmen und schlucken.

Leider war es das aber weitgehend auch schon, was mir von IL MOSTRO DELL’OPERA im Gedächtnis bleiben wird. Von allen Filmen Polsellis, die ich bislang gesehen habe, ist dieser dann wohl auch der, der mir noch am wenigsten gefallen hat. Aus der seltsamen Mischung zwischen DRACULA und PHANTOM OF THE OPERA hätte durchaus mehr werden können, in der Form, in der der Film indes vorliegt, ist es definitiv zu wenig, wenn sich natürlich auch die Frage stellt, inwieweit man ein Werk per se verurteilen kann, in dem sogar innerhalb geschlossener Räume der Kunstnebel ekstatischer wabert als in anderen Filmen auf so manchem Friedhof oder in so manchem verfluchten Wald.
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39396
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: The Vampire of the Opera - Renato Polselli (1964)

Beitrag von jogiwan »

"Danza Macabra - Vol. 1" - demnächst in den Staaten von Severin - Italienischer Gothic Horror in einer 4-Film-Box:

- The Monster of the Opera
- The Seventh Grave
- Scream of the Demon Lover
- Lady Frankenstein

001.jpg
001.jpg (1.26 MiB) 323 mal betrachtet
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
Salvatore Baccaro
Beiträge: 3071
Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10

Re: The Vampire of the Opera - Renato Polselli (1964)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Nach wiederholter Sichtung von Polsellis zweitem Horrorfilm, der zwar erst im Jahre 1964 auf den Leinwänden flimmert, jedoch schon 1961 begonnen worden ist, muss ich die eher verhaltenen Worte meines jüngeren Selbst von vor bald zehn Jahren dann doch grundlegend revidieren:

Sicherlich zählen die drei Sequenzen, die ich vor einer Dekade als die im Grunde einzigen Meriten von IL MOSTRO DELL’OPERA bezeichnet habe - diese famose eröffnende Alptraumsequenz, die mit ihrem wilden Kameraperspektiven, (einmal bringt es die Kamera gar fertig, sich über dem Kopf einer unter ihr dahinschreitender Schauspielerin um 180 Grad zu drehen, sodass wir sie am Ende aus dem Blickwinkel einer ruhenden Fledermaus sehen!), ihrem gnadenlosem Overacting inklusive permanentem hysterischen Schreien und Gelächter, ihren bizarren Einfällen wie, dass der Vampir, als er seines Opfers endlich habhaft wird, ausgerechnet zu einer Mistgabel greift, um es zu molestieren, also eben jenem Werkzeug, das im klassischen Horrorfilm oft genug in den Händen eines wütenden Mobs dazu dient, dem jeweiligen Monster den Garaus zu machen, oder wenn der Sanguiniker im weiteren Verlauf der Hatz seine Beute in spe per Kutsche durch die Nacht jagt, und das Ganze einer offensiven Traumlogik folgt, der mit Vernunft nicht beizukommen ist, denn die junge Frau könnte doch, um sich ihrem Verfolger zu entziehen, einfach von der Straße ins unwegsame Unterholz hüpfen; diese mich immer noch frappant an den Totentanz in Jean Renoirs LA RÈGLE DU JEU erinnernde Tanzsequenz, in der die hauptdarstellende Theatertruppe in Ganzkörpergerippenkostümen eine zugleich schaurige wie schalkhafte Showeinlage darbieten; das aberwitzige Finale, dessen Sinn ich damals wohl nicht recht begriffen habe, denn ich schrieb damals davon, unsere Helden würden plötzlich von Wahnsinn überfallen werden, und hörten deshalb für Minuten nicht auf, ihre Körper in Bewegung zu setzen, sprich, wie wild umherzuspringen, zu tänzeln, sich zu verrenken, wobei in Wirklichkeit aber postuliert wird, dass sie das eben nicht aus Verstandesverwirrung tun, sondern aus purer Rationalität, um ihr Leben zu schützen, da Vampir Stefano die jungen Leute angeblich nur dann anzapfen kann, wenn sie stillstehen, (was dann auch einer vor Erschöpfung zusammenklappender Dame passiert) - für mich noch immer zu den Sternstunden dieses eigenartigen Films, (und des italienischen Gothic Horrors der 60er überhaupt).

Darüber hinaus hat IL MOSTRO DELL'OPERA aber noch viel mehr zu bieten, was mir jetzt erst so richtig klarwird. Sicher, Polsellis erster Vampirschocker L'AMANTE DEL VAMPIRO wird in meinem Herzen wohl immer den größeren Garten haben, doch dass ich IL MOSTRO DELL'OPERA seinerzeit habe "betucht" nennen könne, lässt mich schon etwas an meinem früheren Selbst zweifeln, denn ganz offensichtlich stellt Polsellis Film eine Verbeugung vor Theatertraditionen wie vor allem der Commedia dell'arte dar, reflektiert fortwährend die eigene Fiktionalität, indem die Figuren aus dem Stegreif Shakespeare zitieren, sich in besonders blumigen, besonders üppigen Dialogen und Monologen üben, sich überhaupt, sowohl, was die Sprache wie auch das Schauspiel betrifft, eines ausgesprochen theatralen Duktus befließigen, und entrollt seine Geschichte wohl nicht zufällig - abgesehen von gerade mal zwei Außenaufnahmen - in einem runtergerockten Opernhaus. Albernes Herumgeblödel trifft auf Schauerromantisches; gerade im Finale sind die Darsteller offenkundig zu exzessivem Overacting angehalten, (allen voran Giuseppe Addobbati als Vampir Stefano); die bei Polselli zumeist vorhandenen sexuellen Untertöne brechen sich Bahn in der Figur der Yvette, die einst auf der Insel Lesbos geboren wurde und dem Leumund von Lesbos' berühmtester Dichterin Sappho in allen Belangen gerecht wird, in dem Harem angeketteter Frauen, die sich der Vampir aus purem Sadismus hält, in der BDSM-lastigen Herr/Knecht-Konstellation zwischen Stefano und seinem ältlichen Diener Achill, und, natürlich, in den ausgiebigen körperaffinen Tanzsequenzen, die gerade im Finale etwas durchweg Orgasiatisches erlangen, (und mich nachgerade an das süditalienische Phänomen der "Tarantella" erinnern). Ob man IL MOSTRO DELL'OPERA für einen misogynen Film halten möchte oder für einen, der Misogynie thematisiert, um sie zu dekonstruieren - (Stefanos in Flashbacks erzählte Vorgeschichte, die einerseits Polsellis Lieblingsthema Reinkarnation aufgreift, und andererseits wirkt wie eine Parodie auf Kostümfilme eines Riccardo Freda) -, liegt wohl daran, wie viel Meta-Ebenen man zwischen sich und diesem turbulenten Streifen unterzubringen vermag der mich tatsächlich, je tiefer ich ins Universum Polselli eintauche, immer mehr ergötzt.
Antworten