Der Mann aus Virginia – Michele Lupo
Moderator: jogiwan
- DrDjangoMD
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Der Mann aus Virginia – Michele Lupo
Originaltitel: California
Alternativtitel: Spiel mir das Lied von Californien
Land: Italien
Jahr: 1977
Regie: Michele Lupo
Darsteller: Giuliano Gemma, William Berger, Malisa Longo, Raimund Harmstorf, Chris Avram, Franco Ressel,…
Handlung:
Nach dem Bürgerkrieg befreundet sich der heimatlose Soldat „California“ mit dem jungen Willy Preston, welcher aber wenig später das Zeitliche segnet. Als er Willys Eltern die traurige Nachricht überbringt verkuckt sich California in die Schwester des Toten, doch Unheil naht als diese von dem gesetzlosen Ex-Kopfgeldjäger Whitaker entführt wird…
Kritik:
Übersichtlicher wurde die Landschaft der Italowestern in der zweiten Hälfte der 70er. Hier und da konnte man noch Keoma oder Mannaja durch die schlammigen Wüsten reiten sehen und manchmal schaute Bud Spencer auch noch kurz vorbei. In dieser Zeit drehte Michele Lupo seinen Schwanengesang auf die große Genreära und schuf einen Western, der uns gekonnt ein düsteres Endzeitszenario bietet mit gelegentlichen Silberstreifen am fernen Horizont.
Meisterhaft setzt Lupo vor die meisten brutalen und teilweise erschreckenden Szenen berührende Momente, die den Zuseher kurz in die Hoffnung versetzten, dass endlich alles besser werden könnte, nur um ihn gleich darauf mit Schüssen prompt aus den süßen Träumen zu reißen. Einer der stärksten dieser Momente ist der Tod von Willy Preston, der direkt auf eine gleichsam berührende und witzige Szene folgt, in welcher er und California als Freunde gemeinsam auf einem Pferd durch einen verlassenen Saloon reiten. Dadurch geht die Gewalt in „Der Mann aus Virginia“ deutlich mehr unter die Haut und das mitfiebern mit dem nach Frieden trachtenden Helden wird umso größer, doch immer, wenn er diesen vermeintlich gefunden hat, wartet Lupo mit dem nächsten Downer auf.
Gemmas „California“ ist als Held recht originell, was ziemlich beeindruckend ist, betrachtet man die bunten Reihen der Italowestern-Helden von denen nicht wenige von Gemma selbst verkörpert wurden. California zeichnet sich aber durch die perfekte Mischung aus hartgesottenen Einzelgänger und freundlichem Kumpel aus. Er ist anfangs zu unbekannten Menschen ziemlich abweisend, vermag sich aber mit ihnen anzufreunden und wird schnell zu einem sorgenden treuen Gefährten. Seine Seele scheint ständig hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Ruhe und Frieden und seiner unruhigen Wanderernatur.
Diese Figur wird in eine apokalyptische Welt gesetzt und ich muss gestehen, dass ich die Nachwirkungen des Bürgerkrieges noch nie so ergreifend umgesetzt gesehen habe wie hier (ja ich habe „Vom Winde verweht“ gesehen ). Dreck und Schlamm bestimmen stets die Landschaft, heruntergekommen und verlassen begegnen uns die meisten Städte. Namenlose Nebencharaktere sind zu 80% Wahrscheinlichkeit unhöfliche Bastarde und das Leid mit dem die Ex-Soldaten in dieser Zeit zu kämpfen haben spiegelt sich in zahllosen Szenen der Armut wider.
Das einzige was man kritisieren könnte, ist, dass die Story nicht elegant getimed ist. Der Part mit Willy Preston, welcher im Verlauf der Geschichte nicht mehr als ein Prolog zu sein scheint, zieht sich über eine halbe Stunde dahin, nur um dann plötzlich zu enden und eine Riege neuer Charaktere einzuführen. Danach kommt es zu recht vielen Szenen in denen California mit Willys Familie interagiert, nur um kurz vor Schluss den Hauptplot mit der entführten Liebschaft zu beginnen. Ich sagte man „könnte“ dies kritisieren, denn es hat mich ehrlich gesagt nicht sonderlich gestört. Lupo zeichnet ein sehr genaues Bild von unserem Helden und der Welt in der er sich befindet und dies benötigt eben Zeit. Die Handlung mag vielleicht ein wenig darunter leiden, aber dafür bekommen wir einen entwickelten Hauptcharakter mit dem wir den ganzen Film über mitleiden können und dafür ist mir kein Preis zu hoch.
Dies ist was den Film allgemein auszeichnet, Freunde des Italowesterns im Speziellen werden noch dazu gefallen daran finden, dass Willys Vater von niemand anderem als DEM William Berger verkörpert wird und Franco Ressel einen kleinen aber feinen Auftritt als mit California befreundeter Glücksspieler bekommt.
Fazit: Meisterhaftes Portrait eines herumirrenden Ex-Soldaten, der inmitten der apokalyptischen Nachkriegswelt auf der Suche nach einem kleinen Bisschen Glück ist. Sehr einfühlsam umgesetzt. 10/10
- Italo-West-Fan
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Re: Der Mann aus Virginia – Michele Lupo
Geiler, sehr düsterer Film mit nem gigantischen Gemma ! Einer seiner besten Western, und auch einer der besten aus der Endphase des Genres !!
Die New DVD ist ziemlich Kacke, aber gottseidank bringt Koch den nächstes Jahr raus !!!
Ein Spitzen Film !!!!
Die New DVD ist ziemlich Kacke, aber gottseidank bringt Koch den nächstes Jahr raus !!!
Ein Spitzen Film !!!!
- DrDjangoMD
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Re: Der Mann aus Virginia – Michele Lupo
Ja, der gute Giuliano hat wirklich phantastische Genrebeiträge abgeliefert. Bei den meisten Schauspielern fällt es mir recht leicht zu sagen, welchen Film mit ihnen ich am liebsten mag, aber bei Gemma streiten sich immer noch "Ringo kommt zurück", "Blutiges Blei", "Der Tod ritt dienstags", "Arizona Colt" und eben "Der Mann aus Virginia" um den ersten PlatzItalo-West-Fan hat geschrieben:Geiler, sehr düsterer Film mit nem gigantischen Gemma ! Einer seiner besten Western,
Re: Der Mann aus Virginia – Michele Lupo
Nach dem Bürgerkrieg wollen die, in den Kriegsgefangenenlagern der Nordstaaten inhaftierten, Südstaatler nur noch eins: Nach Hause und neu anfangen. Zu ihnen gehört auch ein Mann, der sich Michael Random nennt (Giuliano Gemma). Zunächst gegen seinen Willen, befreundet er sich mit dem jungen William Preston (Miguel Bosé). Dieser überredet ihn, sich gemeinsam zu Williams Familie durchzuschlagen. So ziehen sie dann zu Fuß durch das vom Bürgerkrieg zerstörte Land. Dabei begegnen sie Bob Whittaker (Raimund Harmsdorf) und seiner Gruppe von Kopfgeldjägern, die gesuchte Südstaatler für ein paar Dollar töten.
„Der Mann aus Virginia“ gehört zu den letzten großen Italo-Western. Daraufhin sollte nur noch „Silbersattel“ (ebenfalls mit Gemma und in der Koch Media „Italo Western“-Reihe erschienen) von Lucio Fulci, sowie einige vereinzelte, kommerziell leider wenig erfolgreiche Lebenszeichen („Die Rache des weißen Indianers“, „Djangos Rückkehr“, „Alles fliegt Dir um die Ohren“) folgen. Und man merkt deutlich, dass der Italo-Western hier an seinem Ende angekommen ist. Traurigkeit, Pessimismus und das schmerzhafte Abschiednehmen von einer glorreichen Vergangenheit, sind die Themen, die den Film durchziehen.
Besonders in den ersten Szenen, wenn die Südstaatensoldaten im Gefangen-Camp von den Kriegsgewinnlern als Lohnsklaven angeworben werden, oder wenn sie auf dem Heimweg von skrupellosen Kopfgeldjägern für ein paar Dollar niedergemetzelt werden, ist die Luft von Traurigkeit und Resignation erfüllt. Humor findet man hier kaum, ebenso Hoffnung. Die Farben sind ausgebleicht, der Boden vom Regen zu einer einzigen Matschlandschaft verkommen. Überall herrscht Hass und Misstrauen. Es ist keine schöne Welt, die Michele Lupo – eigentlich auf Komödien abonniert – hier zeigt. Er gibt dem Zuschauer auch nicht viel Anlass zu glauben, die Geschichte hier könnte am Ende irgendwie gut ausgehen. Zur Mitte des Filmes hin baut er dann auch noch einen treffsicheren Magenschwinger ein, nach dem man dann auf wirklich alles gefasst ist.
Die zweite Hälfte des Filmes beginnt dann aber doch zunächst vorsichtig optimistisch. Aber die Schatten der vorangegangenen Ereignisse liegen trotzdem wie einen schwarzer Schleier über den Szenen. Und so kommt es wie es kommen muss. Zartes Glück zerbricht und der Film kippt in eine Rachegeschichte, welche entfernt an John Fords düsteren „Der schwarze Falke“ erinnert. Wie die legendäre Figur Ethan Edwards, macht sich auch Gemma auf eine Suche, von der man sicher sein kann, dass sie kein Happy End haben wird. Auch wenn der Film nun in konventionellen Bahnen läuft, so unterscheidet sich diese traurige Hoffnungslosigkeit doch deutlich von den Filmen, die noch einige Jahre zuvor entstanden. Insbesondere die Besetzung von Sunny-Boy Giuliano Gemma entpuppt sich dabei als perfekte Wahl, denn er erinnert uns einerseits an die locker-unbeschwerten Zeiten des “alten” Italo-Westerns, als auch daran, wie sehr sich mittlerweile alles verändert hat.
Gemmas Gegenspieler wird kraftvoll von Raimund Harmsdorf gegeben. Sein „Rope“ Whittaker ist eine todbringende Naturgewalt, der jegliches Maß für den Wert des Lebens abhanden gekommen ist. Aber auch er wird widersprüchlich gezeigt. Einmal äußert er Gemma gegenüber, dass auch er der Gewalt müde geworden sei, doch gezwungen wird, immer weiter zu machen. Und die Art und Weise, wie er sich mit Gemma befreundet, zeigt ihn durchaus von einer zunächst unerwarteten menschlichen Seite. Aber letztendlich gibt es in dieser trostlosen Welt keine Freundschaften mehr, und das Happy End ist vergiftet. Es zeigt uns zwei innerlich gebrochene Menschen, die keine Ahnung haben, wie es weitergehen könnte.
Es wäre interessant zu wissen, warum der deutsche Titel die Wurzeln des Hauptcharakters von Kalifornien (im Original heißt Giuliano Gemmas Figur „California“ und dies ist auch der Originaltitel des Filmes) nach Virginia verlegt. Aber das wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Hervorzuheben ist noch die großartige Kameraarbeit von Alejandro Ulloa und der moderne, manchmal an Gialli oder die italienischen Horrorfilme der frühen 80er erinnernde, Soundtrack von Gianni Ferrio, der sofort im Gehörgang kleben bleibt. In den Extras befindet sich ein erhellendes Interview mit dem Drehbuchautor Mino Roli und auch Fabio Melelli hat wieder einiges zum Film und seine Entstehungszeit zu sagen.
Screenshots und der Rest der Koch Media Italowestern-Enzyklopädie No. 2: http://www.filmforum-bremen.de/2013/06/ ... adie-no-2/
„Der Mann aus Virginia“ gehört zu den letzten großen Italo-Western. Daraufhin sollte nur noch „Silbersattel“ (ebenfalls mit Gemma und in der Koch Media „Italo Western“-Reihe erschienen) von Lucio Fulci, sowie einige vereinzelte, kommerziell leider wenig erfolgreiche Lebenszeichen („Die Rache des weißen Indianers“, „Djangos Rückkehr“, „Alles fliegt Dir um die Ohren“) folgen. Und man merkt deutlich, dass der Italo-Western hier an seinem Ende angekommen ist. Traurigkeit, Pessimismus und das schmerzhafte Abschiednehmen von einer glorreichen Vergangenheit, sind die Themen, die den Film durchziehen.
Besonders in den ersten Szenen, wenn die Südstaatensoldaten im Gefangen-Camp von den Kriegsgewinnlern als Lohnsklaven angeworben werden, oder wenn sie auf dem Heimweg von skrupellosen Kopfgeldjägern für ein paar Dollar niedergemetzelt werden, ist die Luft von Traurigkeit und Resignation erfüllt. Humor findet man hier kaum, ebenso Hoffnung. Die Farben sind ausgebleicht, der Boden vom Regen zu einer einzigen Matschlandschaft verkommen. Überall herrscht Hass und Misstrauen. Es ist keine schöne Welt, die Michele Lupo – eigentlich auf Komödien abonniert – hier zeigt. Er gibt dem Zuschauer auch nicht viel Anlass zu glauben, die Geschichte hier könnte am Ende irgendwie gut ausgehen. Zur Mitte des Filmes hin baut er dann auch noch einen treffsicheren Magenschwinger ein, nach dem man dann auf wirklich alles gefasst ist.
Die zweite Hälfte des Filmes beginnt dann aber doch zunächst vorsichtig optimistisch. Aber die Schatten der vorangegangenen Ereignisse liegen trotzdem wie einen schwarzer Schleier über den Szenen. Und so kommt es wie es kommen muss. Zartes Glück zerbricht und der Film kippt in eine Rachegeschichte, welche entfernt an John Fords düsteren „Der schwarze Falke“ erinnert. Wie die legendäre Figur Ethan Edwards, macht sich auch Gemma auf eine Suche, von der man sicher sein kann, dass sie kein Happy End haben wird. Auch wenn der Film nun in konventionellen Bahnen läuft, so unterscheidet sich diese traurige Hoffnungslosigkeit doch deutlich von den Filmen, die noch einige Jahre zuvor entstanden. Insbesondere die Besetzung von Sunny-Boy Giuliano Gemma entpuppt sich dabei als perfekte Wahl, denn er erinnert uns einerseits an die locker-unbeschwerten Zeiten des “alten” Italo-Westerns, als auch daran, wie sehr sich mittlerweile alles verändert hat.
Gemmas Gegenspieler wird kraftvoll von Raimund Harmsdorf gegeben. Sein „Rope“ Whittaker ist eine todbringende Naturgewalt, der jegliches Maß für den Wert des Lebens abhanden gekommen ist. Aber auch er wird widersprüchlich gezeigt. Einmal äußert er Gemma gegenüber, dass auch er der Gewalt müde geworden sei, doch gezwungen wird, immer weiter zu machen. Und die Art und Weise, wie er sich mit Gemma befreundet, zeigt ihn durchaus von einer zunächst unerwarteten menschlichen Seite. Aber letztendlich gibt es in dieser trostlosen Welt keine Freundschaften mehr, und das Happy End ist vergiftet. Es zeigt uns zwei innerlich gebrochene Menschen, die keine Ahnung haben, wie es weitergehen könnte.
Es wäre interessant zu wissen, warum der deutsche Titel die Wurzeln des Hauptcharakters von Kalifornien (im Original heißt Giuliano Gemmas Figur „California“ und dies ist auch der Originaltitel des Filmes) nach Virginia verlegt. Aber das wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Hervorzuheben ist noch die großartige Kameraarbeit von Alejandro Ulloa und der moderne, manchmal an Gialli oder die italienischen Horrorfilme der frühen 80er erinnernde, Soundtrack von Gianni Ferrio, der sofort im Gehörgang kleben bleibt. In den Extras befindet sich ein erhellendes Interview mit dem Drehbuchautor Mino Roli und auch Fabio Melelli hat wieder einiges zum Film und seine Entstehungszeit zu sagen.
Screenshots und der Rest der Koch Media Italowestern-Enzyklopädie No. 2: http://www.filmforum-bremen.de/2013/06/ ... adie-no-2/
Früher war mehr Lametta
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