Die Grausamen
I crudeli / Los Despiadados
Italien / Spanien 1967
Regie: Sergio Corbucci
Joseph Cotten, Norma Bengell, Al Mulock, Aldo Sambrell, Julián Mateos, Ángel Aranda, Gino Pernice, Julio Peña, Claudio Gora, Ennio Girolami, Giovanni Ivan Scratuglia, José Nieto, María Martín, Rafael Vaquero, Simón Arriaga, José Canalejas, Álvaro de Luna
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OFDB
Der amerikanische Bürgerkrieg ist vorbei, und die Zeiten sind brutal. So brutal wie Colonel Jonas Morrison, der zusammen mit seinen Söhnen und einer billig eingekauften Spielerin anderthalb Millionen Dollar quer durch die USA schmuggelt, um den Krieg doch noch zu gewinnen. Es ist Morrisons großes Ziel, den Süden mit diesem Geld wieder groß zu machen, und er geht dafür über Leichen. Über die Leichen von 30 Soldaten, denen er das Geld stiehlt. Über die Leichen von Leuten die ihm bei diesem Vorhaben in die Quere kommen. Und wenn es absolut sein muss sogar über die Leichen seiner Söhne?
Den Süden wieder groß machen, das klingt Mitte der 2020er-Jahre so schrecklich nach Donald Trump, und fast könnte einem übel werden bei der Ahnung, dass die Mittel, die Colonel Morrison anwendet um sein Ziel zu erreichen, den Mitteln eines Donald T. gar nicht so unähnlich sein dürften. Diese Mittel heißen neben Mord und Totschlag auch absolute Treue zur Idee, sowie völlige Skrupellosigkeit bei der Erreichung des Ziels, gemischt mit einer guten Portion Hinterhältigkeit und abgefeimter Bosheit. Die Idee, mit der das Geld in die Heimat gebracht werden soll, ist dabei eigentlich gut: Die Kohle ist versteckt im Sarg eines toten Südstaatenoffiziers, und auf dem Kutschbock sitzt die Witwe dieses Offiziers, die mit verweinten Augen und einem gültigen Passierschein jeden lästigen Blaurock umstimmen kann, auf eine genauere Untersuchung zu verzichten. Die „originale“ Witwe säuft zu viel und wird lästig? Ein paar Schläge aufs Maul und weiter geht es. Der Adjutant des echten Offiziers, der auch die trauernde Witwe kannte? Ein Messer hilft. Eine Spur des Todes zieht sich durch den Süden, und dieser Tod heißt Morrison.
Dabei ist DIE GRAUSAMEN aber mitnichten ein auf Action und Brutalo angelegter Western. Stattdessen herrscht viel Melancholie, Joseph Cotten verleiht dem, seinen Illusionen hinterherrennenden, Offizier mit Hang zum Größenwahn bei allem Starrsinn auch viel Leben, und fast könnte man den Mann sogar sympathisch finden in seinem Versuch, dem Scheitern eines Lebensziels auszuweichen. Die Söhne sind da schon weniger angenehme Zeitgenossen, die bestehen aus einer Ansammlung von geilen und eiskalten Schweinen, und dass die deutsche Synchro bei jeder Gelegenheit das aus der Fernsehserie BONANZA bekannte „Pa“ in den Mund nimmt macht die Typen nicht freundlicher, nur die Gänsehaut am Rücken wird ein kleines Stückchen intensiver. Aber die vorherrschende Stimmung ist bei aller Härte eben doch die Melancholie. Nämlich diejenige Melancholie, die sich aus zum Untergang bestimmten Träumen nährt, und die Menschen ohne Lebensinhalt einem sinnlosen Ziel hinterher rennen lässt.
Und Claire, die knallharte Spielerin aus dem Saloon, die als „neue“ Witwe die kleine Truppe begleiten muss, als die bisherige „Witwe“ auf der Strecke liegen blieb? Claire wird von Ben rekrutiert, und Ben ist anders als seine Brüder. Ben ist von einer anderen Mutter, und wird sich darum nie mit der Rohheit der Brüder messen können. Weswegen sich Claire in ihn verliebt. Und versucht, dem Alten einen Strich durch die Rechnung zu machen, irgendwie heil aus der Sache rauszukommen, und das am besten dann noch gemeinsam mit Ben. Ein schwieriges Unterfangen, und fast schafft sie es auch, aber Claire rechnet nicht mit der Sturheit und der Härte des Colonels. Intensive und bittere Szenen, untermalt mit der fast entrückt wirkenden Trompetenmelodie Ennio Morricones, und als Lösung und gleichzeitigen Grund zum Scheitern, ebenso wie als Kitt für die etwas episodenhafte Geschichte, immer wieder Gewalt und noch mehr Gewalt. DIE GRAUSAMEN zeigt auf bedrückende Weise, was Krieg aus Menschen macht. Sehr eindrucksvoll. Und sehr melancholisch …
7/10