Wir sind deine Community rund ums Thema Film mit Schwerpunkt auf italienischem bzw. europäischem Genre-Kino. Vom Giallo über den Poliziesco/die Poliziotteschi, den Italo-Western, den Horror und der Science-Fiction bis hin zum Eurospy, zur Commedia sexy all'italiana, zu Barbaren und Endzeit, Sex- und Nunploitation, Sleaze und Trash – tausch dich bei uns gratis mit Gleichgesinnten aus, werbefrei und unkommerziell.
supervillain hat geschrieben:Der X-cess Release wird einen Audiokommentar von Marcus Stiglegger und Ivo Ritzer beinhalten, der auf der Koch DVD fehlen wird.
Dafür hat die Koch Interviews mit Gianni Garko und Erika Blanc.
Ist mir lieber als so ein Audiokommentar. Hier gibt es sicher Infos aus erster hand, da Garko und Blanc schon einige gute Interviews gegeben haben
Dann sind wir uns ja alle einig.
Ich habe mich ebenfalls auf die Koch Box festgelegt. Bei meinem Kommentar bezüglich des Audiokommentars ging es mir nur um die Info (der Vollständigkeit halber).
Ich habe den Film gestern im Zuge der Koch Box gesichtet und bin sehr angetan. Kein großartiger aber dafür ein sehr unterhaltsamer Sonderling unter den Italowestern. Der Film hat einfach was.
7/10
Nach zwölf Jahren im Gefängnis für einen Mord, den er nicht begangen hat, kehrt Johnny Liston (Anthony Steffen) heim. Doch dort haben sich die Dinge geändert. Sein Bruder Sartana (Gianni Garko) hat nicht nur Johnnys frühere Geliebte geheiratet, sondern tyrannisiert mit seiner Bande auch die ganze Gegend. Johnny stellt sich seinem brutalen und zunehmend psychopathischer agierenden Bruder entgegen, unterstützt von Jerry (Roberto Miali), dem stummen Bruder seiner ehemaligen Geliebten, der von Sartana zutiefst gedemütigt wird, und Joselita (Erika Blanc), der Tochter des angeblich von ihm Ermordeten…
1966 betrat eine Figur die Bühne des Italo-Western, die bald zu den beliebtesten überhaupt gehören sollte: Sartana. Doch mit dem Sartana, der in einem eleganten schwarzen Anzug und langem schwarzen Mantel, zahlreichen Gadgets im Gepäck und einem flotten Spruch auf den Lippen, den Wilden Westen aufmischen sollte, hat die hier eingeführte Figur nur den Namen und den Darsteller gemein. Dieser“ Sartana“ hier ist ein sadistischer Psychopath, ein Muttersöhnchen und skrupelloser Mörder. Auch kommt er nicht im Anzug, sondern einer alten, verschlissenen Armeeuniform daher und lässt sich von seiner Bande als „General“ ansprechen. Gespielt wird er von Gianni Garko, einem italienischen Theaterschauspieler, der hier seinen ersten Auftritt in einem Italo-Western hatte und sich danach zu einem der populärsten Darsteller dieses Genre entwickelte. Dass Garko – im Gegensatz zu vielen seiner Western-Kollegen – ein klassisch ausgebildeter Theaterschauspieler ist, merkt man deutlich. Er wirft sich mit viel Elan und Enthusiasmus in seine Rolle und spielt quasi „für die letzte Reihe“. Das ist dann teilweise etwas zu viel des Guten, besonders, wenn er seinem Sartana einige Ticks angedeihen lässt. Aber es sorgt auch dafür, dass die Psychosen dieser Figur förmlich von der Leinwand perlen. Im Gegenüber steht der Brasilianer Antonio De Teffè, besser bekannt als Anthony Steffen. Dieser verkörpert das komplette Gegenteil zu Garko. Seine Figuren zeichnen sich durch ein unbewegliches stone-face und minimalistische Gesten aus. So, wie der hier von ihm dargestellte Johnny Liston. Dieser extrem gegenteilige Schauspiel-Ansatz, lässt Garko noch wilder, Steffen noch cooler wirken. Ebenfalls erwähnenswert ist eine noch blutjunge (und blonde) Erika Blanc, die jede Produktion an der sie beteiligt ist, aufwertet.
Am Drehbuch dieser italienisch-deutschen Co-Produktion hat auch der, durch seine legendären St.-Pauli-Filme und den großartigen „Blutiger Freitag“, zu kultischer Verehrung gekommene Rolf Olsen mitgeschrieben. Ich hoffe, dass die komisch gemeinten Szenen mit der deutschen Dreingabe Chris Howland nicht auf sein Konto gehen. Diese mögen so gar nicht in den grimmig-finsteren Kontext des Filmes passen. Und finster ist dieser Film, denn Sartana lässt keinen Zweifel an seiner diabolischen Ader. Wie er den stummen Bruder seiner Geliebten immer wieder demütigt oder wahllos Leute erschießt, macht ihn zu einem der gemeingefährlichsten Antagonisten des Genres. Und Garko lebt jede dieser Gemeinheiten aus, lässt seinen Sartana schmeicheln, wimmern, brüllen, lachen und eiskalt töten. Größenwahnsinniger Sadist und kleiner Junge in einer Person. Besonders stimmungsvoll inszeniert und beinah in der Tradition des Gothic Horror, ist die Szene, in der ein Verräter verzweifelt versucht, irgendwo in der Stadt Zuflucht vor Sartana zu finden. Er rüttelt an Türen und verrammelten Fenster, doch nirgendwo lässt sich eine Seele blicken. Dazu heult der Wind durch die Straßen und füllt der Staub die Leinwand. Sartana wirkt dabei wie ein aus der Hölle aufgestiegener Todesengel.
Die bei den Dreharbeiten erst 40jährige – und damit nur drei Jahre älter als ihr Filmsohn Anthony Steffen – Carla Calò in der Rolle der Mutter, weckt Assoziationen zu einem Film wie „Psycho“, wenn sie grau geschminkt und mit strengen Blick in einem Schaukelstuhl sitzt und die Bildgestaltung dabei die ganze Palette an Farben und Schatten auffährt, die für die Gruselfilme der frühen 60er typisch waren. Ihre Figur ist durch eine deutlich sichtbare Verbitterung gezeichnet. Sie kann nicht verzeihen, dass die Reichen der Stadt sie noch immer als ein ihrer nicht würdiges Hausmädchen ansehen, dass sich hoch geschlafen hat. Dieser Zorn auf die eingebildeten, arroganten „besseren Leute“, führte erst dazu, dass sie die Hölle auf Erden, in Gestalt ihres Sohnes Sartana, entfesselt. Mythisch das Versteck der Sartana-Bande, in den Ruinen eines alten Azteken-Tempels. Interessant die Zeichnung der Bürger der von Sartana heimgesuchten Städte. Allesamt würdevoll, aber feige und auf ihre Sicherheit bedacht. Vielleicht sogar zu recht, denn als sie schließlich dann doch zu den Waffen greifen, erfüllen sich ihre tiefsten Ängste.
Früher war mehr Lametta
*************************************************************************************** Filmforum Bremen Weird Xperience