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Darsteller: Laura Antonelli, Alessandro Momo, Orazio Orlando, Lilla Brignone, Tino Carraro, Monica Guerritore, Lino Toffolo, Stefano Amato, Lino Banfi, Dominique Boschero, Fiona Florence, Massimo Vanni u. A.
Renzo (Orazio Orlando) bittet seinen 16jährigen Bruder Sandro (Alessandro Momo) um einen delikaten Gefallen: Während Sandro Urlaub an der italienischen Riviera macht, soll Renzos Gattin Laura (Laura Antonelli) vor üblen Strand-Gigolos beschützen. Natürlich verknallt sich der Aufpasser prompt selbst in die sinnliche Schöne. Als er Renzo gesteht, er liebe eine verheiratete Frau, ermutigt der ihn nur noch – weiß er doch nicht, das Laura die Glückliche ist.
„Ich weiß doch gar nicht, was man mit so ’ner alten Frau redet!“
Nicht einmal ein Jahr nach „Malizia“ ließ der italienische Regisseur Salvatore Samperi erneut Laura Antonelli mit dem Minderjährigen Alessandro Momo schlafen, diesmal für seine Erotik-/Coming-of-Age-Komödie „Der Filou“, der im Januar 1974 seine Premiere hatte. Die folgende Auseinandersetzung mit dem Film spoilert Handlung und Ausgang.
Renzo (Orazio Orlando, „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“) möchte Urlaub an der italienischen Riviera machen, derweil soll sein 16-jähriger kleiner Bruder Sandro (Alessandro Momo) ein Auge auf seine Frau, die attraktive Laura (Laura Antonelli), haben. Doch Sandro verliebt sich seinerseits in seine Schwägerin – und wird von Renzo sogar noch angestachelt, als er ihm telefonisch eröffnet, sich in eine erwachsene Frau verguckt zu haben…
Reichlich albern beginnt Samperi seinen weiteren Sexuelle-Initiations-Coming-of-Age-Streifen, wenn er pubertierende Jungs zeigt, die ein Mädchen mit Damenbart befummeln. Sandro wiederum hat zunächst überhaupt kein Interesse an seiner „Puschel“ genannten Schwägerin. Man hängt gemeinsam am toskanischen Strand ab, an dem Samperi einen Running Gag um einen Muskelprotz etabliert, der eine Panne nach der anderen erlebt. Sandro ist dabei, als seine beiden streichespielenden Freunde Laura bespannen, doch will ihm nicht in den Sinn, was sie an ihr finden. Langsam jedoch versteht er und steigert sich immer weiter in seine Faszination für Laura hinein, hört sie schließlich sogar ab, nachdem Renzo für kurze Zeit zurückgekehrt ist. Mit Vorliebe frönen Laura und Renzo dem Dirty Talk, was Sandro für bare Münze nimmt und so zu Missverständnissen führt. Dass Renzo Laura eigentlich gar nicht verdient hat, wird spätestens deutlich, als er sie versetzt, damit er ihr fremdgehen kann. Sandro ergreift daraufhin die Initiative und nimmt sie auf eine Party mit, auf der er schließlich eifersüchtig wird. Im Anschluss kommt es zum ersten Kuss zwischen beiden, woraufhin Laura vor sich selbst erschrickt. Dass sich eine Gleichaltrige in Sandro verschossen hat, interessiert ihn da wenig.
Bis zu diesem Punkt ist „Der Filou“ eine relativ sensibel und angenehm ungehetzt erzählte, gut nachvollziehbare Geschichte in sommerlichem Flair, die sich wie eine Art Urlaubsabenteuer anfühlt, unterbrochen von der einen oder anderen klamaukigen Einlage. Wie schon für „Malizia“ orientiert sich Samperi darüber hinaus in Richtung eines Familienporträts und charakterisiert Sandros Verwandtschaft, beispielsweise seine Mutter (Lilla Brignone, „Orgasmo“), die den Familienhund offenbar mehr liebt als ihren Mann (Tino Carraro, „Die neunschwänzige Katze“), einen Offizier im Ruhestand, der gern das Familienoberhaupt wäre, jedoch weitaus weniger zu sagen hat, als ihm lieb ist und in seiner Naivität kaum etwas davon mitbekommt, was wirklich um ihn herum geschieht. Als er durch einen Zufall Sandro in Frauenkleidung erwischt, fürchtet er, sein Sohn sei homosexuell geworden, worüber seine kleine Welt zusammenbricht. Eine wirkliche Verbindung zur Gefühlswelt des sensiblen Sandro hat er jedoch nicht. Einmal mehr karikiert Samperi damit von Machismo und Patriarchat geprägte italienische Familienverhältnisse. Ein großartiger Seitenhieb gelingt Samperi zudem, als er den in unerträglichem Italo-Klamauk à la „Der Idiotenzwinger“ den Komiker mimenden Lino Banfi, der hier eine Nebenrolle bekleidet, durch Sandro für komplett unlustig erklären lässt.
Ab einem gewissen Punkt überwiegt indes der Drama-Anteil der Handlung: Sandro befummelt Laura auf dem Autorücksitz und im Kino. Sie wehrt sich, ergibt sich ihm jedoch schließlich. Zu Hause versucht er sie gar zu vergewaltigen. Endgültig zu eskalieren droht die schwierige Konstellation, als der zurückgekehrte Renzo Laura tatsächlich vergewaltigt, ohne es zu bemerken, da er ihre Reaktion für eine Art Rollenspiel hält. Erst, nachdem Sandro Laura androhte, sich umzubringen, kann er mit ihr schlafen.
Damit begibt sich „Der Filou“ auf noch gefährlicheres Terrain als ohnehin schon, könnte er doch missverstanden werden, als suggeriere er, Suizid-Androhungen könnten in Beziehungsfragen zum Erfolg führen. Aufgrund der Entwicklung und eingeschlagenen Richtung des Films behagt mir seine Mischung aus Drama und Komödie nicht wirklich. Tatsächlich witzig ist jedoch die Pointe des Komödienanteils, dass Renzo bis zum Schluss nicht begreift, was wirklich passiert ist und seinem Bruder sogar zu dessen Entjungferung gratuliert. Wie es nach all diesen Ereignissen weitergehen könnte, lässt der Film offen, wobei gerade das interessant gewesen wäre. Diesmal zeigt Samperi auch zu keiner Sekunde Antonelli nackt oder oben ohne, versteht es aber (natürlich) dennoch, die grazile Schauspielerin derart in Szene zu setzen, dass man Sandros Begierde nachvollziehen kann. Ohne dass es explizit würde, wurde auch „Der Filou“ anscheinend zeitlich nicht in der damaligen Gegenwart angesiedelt, sondern spielt irgendwann in den 1950ern, vielleicht auch frühen ‘60ern, ohne sich jedoch allzu sehr auf die eigene zeitliche Kategorisierung zu konzentrieren. Auffällig ist ferner, dass fast alle Rollen die echten Namen ihrer Darsteller bzw. deren Abkürzungen tragen. Hauptdarsteller Alessandro Momo verunglückte bedauerlicherweise noch im Jahr der Filmveröffentlichung, wodurch sein nächster Film „Der Duft der Frauen“ zugleich sein letzter wurde. Seit 2015 weilt auch Laura Antonelli nicht mehr unter den Lebenden.
„Malizia“ war der eindeutig bessere Film, „Der Filou“ ist jedoch mehr als lediglich dessen lauer Aufguss. Aufgrund seiner bedenklichen Tendenz und des zurückgeschraubten Erotikfaktors gibt’s wohldosierte 5,5 von 10 Kinofummeleien von mir und irgendetwas sagt mir, dass das noch nicht der letzte Samperi war, der den Weg in mein Abspielgerät gefunden hat...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)