Der Wilderer vom Gasteinertal - Karl Pichler (1980er)

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Salvatore Baccaro
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Der Wilderer vom Gasteinertal - Karl Pichler (1980er)

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Originaltitel: Der Wilderer vom Gasteinertal

Produktionsland: Österreich Anfang der 1980er

Regie: Karl Pichler

Cast: Johann Kreuzer, Siegfried Abfalter, Rudolf Renzel, Rudl Egger, Toni Obersamer, Sepp Langegger, Hans Bacher


…und noch ein Film aus der Super8-Schmiede von Karl Pichler (Regie), Sepp Schock (Gesamtleitung) und Gerhard Ofner (Tonschnitt), die 1984 mit ALS HANSI VOM KRAMPUS TRÄUMTE den ultimativen alpenländischen Amateurstreifen zum Thema vorgelegt haben, und die bei DER WILDERER VOM GASTEINERTAL von Franz Pichler (Kamera) und Tom Langegger (Ton) unterstützt werden. Ob der WILDERER zeitlich vor oder nach dem KRAMPUS entstanden ist, habe ich nicht herausfinden können, da vorliegender Film in den (erwartungsgemäß kaum vorhandenen) Quellen vage auf die frühen 1980er datiert wird; feststeht jedenfalls, dass so mancher Darsteller, der auch beim KRAMPUS mitwirkte, sich ebenfalls für den WILDERER vor die Kamera bitten ließ, darunter jener Herr, der den „Körblträger“ des Heiligen Nikolaus spielt, und auch den Buben, der Titelheld Hansi verkörpert, meine ich zu Beginn in einer kurzen Einstellung erspäht zu haben.

Während ALS HANSI VOM KRAMPUS TRÄUMTE sich an den alpenländischen Mythen rund um das Untier abarbeitet, das im Gefolge des Heiligen Nikolaus unerzogenen und aufmüpfigen Kindern einen schlimmen Abend bereitet, wirkt DER WILDERER VOM GASTEINERTAL wie die Home-Video-Variante eines klassischen Heimatfilms der 50er und 60er Jahre, bei der sämtliche Genre-Ingredienzien zu einem narrativ eher unausgegorenen, aufgrund der (wahrscheinlich nicht nur mich extrem becircenden) Super8-Optik in ästhetischer Hinsicht allerdings wahrhaft traumhaften Süppchen verrührt werden: Der Film beginnt in einer Gasteiner Gaststube, wo die zitherspielenden und Volkslieder schmetternden Zecher, die Kellnerin, der Wirt sich offenbar selbst spielen, und ihre (nachträglich über die Bilder gestreuten) Dialogzeilen dementsprechend im kräftigsten österreichischen Dialekt zum Besten geben. So viel immerhin habe ich verstanden, dass einer der Anwesenden seinen Saufkumpanen eine Geschichte erzählen möchte, die sich in der Region Gastein vor geraumer Zeit zugetragen habe, und die sich um den titelgebenden Wilderer rankt.

Dieser tut das, was Wilddiebe eben so tun: Er setzt sich über das Gesetz hinweg, lauert einer arglosen Gams auf, schießt sie über den Haufen, schultert ihren Leichnam und möchte ihn hinab ins Tal zu Kindern und Frau tragen, auf dass diese daraus einen schmackhaften Braten zubereite. Allerdings hat der Wilderer die Rechnung ohne den umsichtigen Jägersmann gemacht: Der nämlich vermutet nämlich schon länger, dass ein Wilddieb in seinem Revier sein Unwesen treibt, und stiefelt daher jeden Abend bei Einbruch der Dunkelheit durchs Gehölz, um auf etwaige Schüsse oder andere verdächtige Vorkommnisse zu lauern. Die beiden Kontrahenten stehen sich im Faustduell gegenüber, und dem Wilderer gelingt es, den Jäger niederzuschlagen. Jedoch hat dieser längst die Identität des Verbrechers erkannt, und steckt sein Wissen schnurstracks dem Oberförster, mit dem er dann auch kurz darauf beim Wilddieb zu Hause vorbeischaut. Nachdem dessen Hütte komplett auf den Kopf gestellt worden ist, ohne dass man von der erbeuteten Gams ein Haarbüschel entdeckt hat, wollen Jäger und Oberförster den Verdächtigen mit auf die Gendarmerie nehmen. Vorher erbittet sich der Wilderer jedoch, noch einmal ein mitten auf freier Flur stehendes Toilettenhäuschen aufsuchen zu dürfen, was ihm unsere Helden nach anfänglichem Zögern gewähren. Auf diese Gelegenheit hat der Wilderer nur gewartet: Kaum ist die Tür des archaischen Dixie-Häuschens hinter ihm ins Schloss gefallen, klettert er ins Plumpsklo hinab, sodass Jäger und Oberförster, als sie Minuten später nach dem Rechten sehen, nur noch eine verwaiste Kabine vorfinden. Zurück in der Gegenwart dröhnt das Wirtshaus unter einem Gelächter, das nicht unbedingt so klingt, als würde man es der staatlichen Autorität in Gestalt von Jäger und Oberförster nicht gönnen, dass der schlitzohrige Wilddieb ihnen ein Schnippchen geschlagen hat.

Zugegeben, für einen knapp dreißigminütigen Film trägt diese Zote kaum, - zumal sie auch dramaturgisch reichlich versemmelt wird, indem die Verantwortlichen das eigentliche Highlight, nämlich die Tauchstation des Wilderers, fast schon beiläufig abhandeln; andererseits dauert es bis zum ersten Spannungsmoment, dem Zusammentreffen von Jäger und Wilddieb, weit über zwanzig Minuten, in denen Pichler und sein Team uns mitnehmen auf einen handlungstechnisch völlig irrelevanten Spaziergang durch Flora und Fauna des Salzburger Landes. Gerade hierhin liegen dann aber auch wieder die Qualitäten dieses süßen kleinen Films: Über weite Strecken ergötzt sich die Super8-Kamera an rauschenden Wäldern, an misstrauisch in ihre Linse blickendem Damwild, an Szenen, die lediglich illustrieren, wie Jäger und Wilderer unabhängig voneinander zu Fuß kleine Anhöhe erklimmen, sich ins Gebüsch schlagen, vor malerischer Kulisse eine Verschnaufpause einlegen – es wirkt tatsächlich so, als hätten die Gasteiner Amateurfilmer für DER WILDERER VOM GASTEINERTAL größtenteils Aufnahmen verwendet, die sie zunächst ohne erzählerisches Fundament aus reinem Zeitvertreib geschossen haben.

Dass der Film trotzdem auf seine Weise „funktioniert“, hat zunächst einmal mit der Post-Production zu tun. Es ist so simpel wie effektiv, wenn Pichler & Co. dadurch Spannung zu generieren versuchen, dass sie den Aufstieg von Jäger und Wilderer parallel montieren, sodass spürbar wird, dass beide auf eine Klimax zusteuern, die nur daraus bestehen kann, dass der eine den andern beim Wildern erwischt und es zum handfesten Konflikt kommt. Was die Verantwortlichen indes auf der Tonspur entfachen, das stellt nachgerade noch die eigenartigen Collagen in den Schatten, die man für ALS HANSI VOM KRAMPUS TRÄUMTE aus Volksmusik, Schellenlärm und John Williams E.T.-Score (!) zusammengestellt hat. Sicher, auch in DER WILDERER VOM GASTEINERTAL gibt es reichlich volkstümliche Klänge zu hören – Zithermelodien, Blasmusik, in besonders aufwühlenden Momenten ein dräuendes Orchester –, doch ebenso unterlegen Pichler und sein Team ihre Bilder mit Geräuschen, die sich anhören wie verfremdete Walgesänge, mit Ziegengemecker und Vogelgezwitscher, mit Natursound-Assemblagen, bei denen derart viele Klangschichten übereinander gelegt worden zu sein scheinen, dass das Resultat mehr als nur dazu tendiert, ins Atonale abzugleiten. Brillant sind auch manche schauspielerischen/narrativen Momente, die mich zu der Frage führen, mit wie viel (Selbst-)Ironie die Verantwortlichen ihr Projekt angegangen haben mögen: Die Gams, die der Wilderer schießt, besteht beispielweise offenbar einzig und allein aus dem ausgestopften Oberkörper einer solchen, (was der Film dann auch bloß halbherzig zu kaschieren versucht, wenn ihr "Tod" dadurch versinnbildlicht wird, dass Hände außerhalb des Bildkaders den präpartierten Rumpf nach hinten kippen lassen); die „Hausdurchsuchung“ des Oberförsters und Jägers beim Wilddieb erschöpft sich darin, dass man nach dem erlegten Tier in Schrankschubladen (!) und unter einer Kinderwiege (!) Ausschau hält; besonders bizarr mutet der Faustkampf zwischen Wilderer und Jäger an, bei dem man der Groteskkomik des Slapstick-Kinos (oder dessen Derivaten im 70er Lederhosen-Klamauk) die Reverenz erweist: Die Bilder rasen im Zeitraffer an uns vorbei, wozu penetrante Kirmesmusik ertönt.

Wenn ich mir nur vorstelle, wie viele solcher Schätze in den Super8-Archiven überall auf der Welt noch schlummern mögen, (und wie viele von ihnen voraussichtlich niemals das Licht der Öffentlichkeit - geschweige denn das Licht meiner Augen! - erblicken werden), wird mir ganz schummrig…

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