Charisma Kommando
„Diese zwei Stunden sind es wert!“
Die österreichischen Musik-Doku-Regisseure Rudi Dolezal und Hannes Rossacher drehten 1998 einen zweistündigen Dokumentarfilm über „Österreichs einzigen Weltstar“ Johann „Hans“ Hölzel, geboren am 19.02.1957 in Wien, der unter seinem Künstlernamen Falco zu Weltruhm gelangte und in den 1980ern zu einem der bedeutendsten Pop-Künstler und -Interpreten des deutschsprachigen Raums avancierte.
Ein durch den Film führender
Off-Sprecher arbeitet Biographie und Œuvre des im Erscheinungsjahr dieses Films tödlich verunfallten Musikers zusammen mit zahlreichen Freunden, Bekannten und Weggefährten auf. Nach einem einführenden groben Überblick über die Inhalte kommt Falcos Mutter höchstpersönlich zu Wort, die einige Kinderfotos ihres Sohns zur Verfügung stellte. Falcos künstlerische Anfänge mit „Spinning Wheel“ sowie dem Wiener Anarcho-Kollektiv „Drahdiwaberl“ werden mit raren Aufnahmen illustriert. Aus dieser Zeit stammt das so einfache wie geniale „Ganz Wien“, das Falco, eigentlich „Drahdiwaberl“-Bassist, selbst sang und trotz Boykott durch den Rundfunk 1982 auch auf seinem Solodebüt platzierte – mit dem seine unvergleichliche Karriere so richtig durchzustarten begann. Aufgrund seines ersten großen Hits „Der Kommissar“ wurde er vom ORF für einen Wahnsinnigen gehalten und weiterhin boykottiert, doch die von Hölzel erschaffene überzeichnet arrogante und zugleich elegante Kunstfigur ging unbeirrt ihren Weg, schuf zusammen mit Produzent Robert Ponger innovative Musik zwischen New Wave, Hip-Hop und Synthie-Pop und erregte sogar Aufsehen in den USA als „Weißer Rapper“, wo Club-DJ Afrika Bambaata ihn populär machte. Durch seine Zusammenarbeit mit Rob & Ferdi Bolland als Produzenten gelang ihm endgültig der Sprung über den großen Teich; zugleich trieb er bisweilen das inhaltlich für Pop-Musik überraschend provokante Potential seiner Songs weiter auf die Spitze, was ihm manch nettes Skandälchen bescherte.
Falcos erste Alben waren musikalisch am Puls der Zeit, urban und trotz deutscher Sprache (bzw. Falcos unnachahmlichem Sprachmix aus Deutsch, Englisch und Wiener Schmäh) kosmopolitisch, Falcos Auftreten zudem polarisierend genug, um im Gespräch zu bleiben. Schade, dass das Regie-Duo keine Informationen zu den ersten Plattenproduktionen preisgibt, das Zweitwerk „Junge Römer“ gar ganz übersprungen wird. Hingegen wird der Nummer-1-Erfolg in den USA mit „Rock Me Amadeus“ natürlich noch einmal ausgiebig in Erinnerung rufen, immerhin handelte es sich um die erste deutschsprachige Spitzenposition in den US-Charts, Falco schrieb somit mit dickem Filzstift Musikgeschichte. Auf eine Schaffenskrise zu Beginn der 1990er folgte ein fulminantes Comeback mit starken Alben und neuerlichen Chart-Erfolgen. „Falco – Hoch wie nie“ zeigt enorm viele Ausschnitte aus Falco-Interviews und -Statements, seltenes Material wie seinen TV-Auftritt mit einem Peter-Alexander-Chanson sowie Auszüge aus Video-Clips, insbesondere aus dem anlässlich des „Junge Römer“-Albums fürs TV produzierten Videoalbum „Helden von heute“, das bedauerlicherweise noch immer nicht für den Heimkino-Markt ausgewertet wurde. Einer linearen Chronologie folgt der Film dabei nicht, sondern springt von Falcos ersten Aufnahmen über ein paar Eindrücke seines Domizils in der Dominikanischen Republik bis hin zu den traurigen Bildern seiner Beerdigung munter in der Zeit.
Letztlich hätte beinahe jeder Aspekt, den der Film aufgreift, gut und gerne vertieft werden können; sei es die Musik, seien es die Texte, sei es Falcos Persönlichkeit, seine Familienkonstellation, seine künstlerische Krise, sein Comeback oder sein exotisches Exil. Es ist unmöglich, Falcos Geschichte in nur zwei Stunden zu erzählen. Als unverzeihlich empfinde ich hier lediglich die erwähnten Lücken hinsichtlich Falcos erster Albenproduktionen; ansonsten gelingt Dolezal und Rossacher ein faszinierender und inspirierender, in erster Linie als Tribut und Hommage gedachter Überblick über einen der schillerndsten Protagonisten der Pop-Kultur der 1980er- und auch 1990er-Jahre, zu dem der häufig bemühte Vergleich mit einer Kerze, die von beiden Seiten brannte, perfekt passt.
In der Folge wurde es offenbar üblich, zu Falcos Geburts- bzw. Todestags-Jubiläen in zehnjährigen Abständen neues Material zu drehen. 2008 erschien Thomas Roths Biographie-Spielfilm „Falco - Verdammt, wir leben noch!“ mit Manuel Rubey als Falco. Die 2017 im TV-Sender Vox ausgestrahlte, fast dreieinhalbstündige Dokumentation
„Er war Superstar: Falco - Eine Legende wird 60“ habe ich bereits gesehen und ausführlich besprochen, „Falco - Die ultimative Doku“ aus demselben Jahr, eine weitere österreichische Produktion unter der Regie Rudi Dolezals, noch vor mir. Dies zeigt: Die Faszination ist ungebrochen – und Falco unsterblich.