A Werewolf in Amazonia - Ivan Cardoso
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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A Werewolf in Amazonia - Ivan Cardoso
Originaltitel: Um Lobisomem Na Amazônia
Herstellungsland: Brasilien 2005
Regie: Ivan Cardoso
Darsteller: Paul Naschy, Nuon Leal Maia, Joana Medeiros, Evandro Mesquita, Karina Bacchi, Guará Rodrigues, Danielle Winitis
Nachdem ich Ivan Cardosos Debut, den halbstündigen No-Budget-Film NOSFERATU ON BRASIL, zumindest mit wohlwollendem Interesse aufgenommen habe und bei seinem ersten Langspielfilm, dem zwölf Jahre später veröffentlichten O SEGREDO DA MÙMIA, in wahre Entzückungszuckungen verfallen bin, die dem hysterischen Treiben des Films selbst durchaus zu vergleichen gewesen sind, kann ich über das bislang letzte Werk des Brasilianers, UM LOBISOMEM NA AMAZÔNIA nämlich, leider nicht mehr allzu viel Positives vermelden.
Was die Story betrifft, ist Cardoso sich immerhin dahingehend treu geblieben, dass sie an haarsträubenden Einfällen mit der von O SEGREDO DA MÙMIA durchaus mithalten kann, wenn es auch recht konventionell mit einer Gruppe nervtötender junger Leute beginnt, die sich mitten in den Amazonas-Dschungel wagen, um dort - nein, nicht etwa die letzten Kannibalen aufzustöbern oder die Überbleibsel eines verschollenen Filmteams zu finden - sondern den ultimativen Drogenrausch zu erleben. Den soll ihnen nämlich eine mysteriöse Pflanze verschaffen, die einzig und allein in der Grünen Hölle wächst, und bereits seit Vorzeiten Schamanen auf den Weg der Erleuchtung geschickt hat. Parallel zu diesem dann doch eher unspektakulären Dschungel-Trip, den Cardoso, wie sollte es anders sein?, mit einigen nackten Brüsten, pseudo-coolen Sprüchen und dramatischen Szenen wie der Attacke einer Giftspinne würzt, lernen wir einen gewissen Dr. Moreau (!) kennen, dessen Aufenthalt im zivilisationsfernsten Amazonas-Gebiet nichts mit Drogen zu tun hat, sondern der dort in einem geheimen Labor mit höchst geheimen Experimenten beschäftigt ist, bei denen er sich - wie sollte es anders sein?! - auf die Forschungsergebnisse seines großen Kollegen und Vorbilds Dr. Mengele beruft. Tatsächlich plant Dr. Moreau nichts weniger als eine neue Menschenrasse zu schaffen, den Nietzsche-Übermensch in seiner trivialsten Form, mit dem er dann die Welt erobern möchte - oder zumindest so ähnlich, denn völlig klar ist zumindest mir die genaue Motivation hinter Moreaus Treiben nicht geworden, der nämlich noch auf mehreren skurrilen Nebenschauplätzen unterwegs ist. So hat er einen stark behaarten Diener namens Zoltan, den er angeblich vor langer Zeit von einer bestimmten "Krankheit" heilte, als Gefährten sowie, als Bettgefährtin, eine Dame namens Penthisileia (!), die, sozusagen, seine eigene Schöpfung ist. Diese Penthisileia nämlich, ihres Zeichens "Königin der Amazonen", wurde von Moreau, neben einigen anderen attraktiven Damen, ebenfalls vor langer Zeit entführt und einer Gehirnwäsche unterzogen, sodann zur Kriegerin ausgebildet und einem in der Nähe lebenden Eingeborenenstamm als Göttin präsentiert, sodass dieser sich ohne zu murren der Gewaltherrschaft der Frauen unterwarf, die vor allem dessen männliche Mitglieder auf tyrannischste Weise unterjochten, jedoch wiederum bloße Marionette in den Händen Moreaus sind. Falls jemand hier bereits nicht mehr in der Lage ist, der komplexen Geschichte zu folgen, so liegt das definitiv nicht an meiner Zusammenfassung, sondern am Stoff selbst - und zwar dem, den Cardoso sich beim Schreiben des Drehbuchs offenkundig reingezogen hat, wenn in der Folge dann noch ein leidlich witziges comic-relief-Duo in die ganze Sache verwickelt wird, ein hünenhafter Cop und ein Zoologe, die ausziehen, um rätselhafte Morde aufzuklären, die angeblich von einem wolfsähnlichen Ungetüm verübt wurden, wenn unsere "Helden" eben mit jenem Ungetüm zusammentreffen und eine von ihnen außerdem wegen einer angeblichen vorzeitlichen Prophezeiung zur neuen Amazonen-Königin ernannt werden soll und wenn schließlich Amazonen, Eingeborene und Werwölfe in undurchschaubaren Scharmützeln gegeneinander antreten - dazwischen niemand Geringeres als Paul Naschy höchstpersönlich, der sich als einziges Cast-Mitglied der spanischen Sprache bedient, während alle anderen um ihn herum und mit ihm auf Portugiesisch kommunizieren.
Ich gebe zu, das hört sich dann doch recht unterhaltsam und launig an, und ich kann auch nicht behaupten, dass mir der Film nicht auf irgendeine Weise Spaß gemacht hätte, trotz oder gerade wegen seiner billigen Ausstattung, den klar als solche erkennnbaren Studiokulissen, den debilen Dialogen, den - Naschy mal ausgenommen - mangelnden Schauspielkünsten und dem generellen Direct-To-Video-Look - trotzdem oder deshalb: mit großer Avantgarde-Kunst, die ich in O SEGREDO DA MÚMIA, dessen Montage vor allem mich gar Vergleiche zu Eisenstein oder Gance ziehen ließ, gewittert habe, hat das Ganze nun rein gar nichts mehr zu tun, eben weil Cardoso auf der Storyebene seiner verqueren Phantasie weiterhin freien Lauf lässt, technisch aber völlig in der Konvention verbleibt. So ist UM LOBISOMEM NA AMAZÔNIA freilich kein schockierender Horrorfilm, dafür nimmt er sich selbst zu wenig ernst, leider aber auch keine subversive Genre-Parodie geworden, denn dafür ist die Chose nicht sonderlich von ähnlich gelagerten Filmen zu unterscheiden, in denen Naschy im Herbst seiner Karriere mitwirkte, wie beispielweise TOMB OF THE WEREWOLF oder COUNTESS DRACULA'S ORGY OF BLOOD. Gerade wenn man sich vergegenwärtigt, dass Cardoso immerhin eine Legende wie Naschy hatte gewinnen können, ausgerechnet die Werwolf-Thematik, die immerhin den Filmtitel stellt, jedoch völlig nebensächlich behandelt wird, muss man sich schon wundern. Statt dass Cardoso eine Synthese seiner vielen, unleugbar vorhandenen Ideen anstrebt, stellt er sie relativ unverbunden nebeneinander, was einem Film wie diesem, der nun - mal abgesehen von reichlich entblößten Frauenkörpern - keine nennenswerte Schauwerte hat, nicht unbedingt guttut, und schon gar nicht, wenn man ihn mit jenen Klassikern vergleicht, in denen Naschys Wolfpelz Filmgeschichte geschrieben hat. Bezeichnend ist hierfür das "große Finale", wo so getan wird, als habe nicht selbst der betrunkenste Zuschauer längst begriffen, dass es Dr. Moreau selbst ist, der sich bei Vollmond in eine Bestie verwandelt, man die Überraschung vielmehr regelrecht zelebriert, obwohl schon in der ersten Filmhälfte zu sehen gewesen ist wie der irre Wissenschaftler sich den Trank einverleibt hat, der ihn daraufhin zum Wolf werden lässt. Ansonsten gibt es nicht viel zu melden: ein bisschen Landschaftsaufnahmen aus dem stock-footage-Bestand der brasilianischen Filmarchive, ein bisschen Schmuddelerotik, ein bisschen Gewalt, jedoch nie in einer Weise, dass es wehtut, sowie - vielleicht der einzige GROSSE Moment des Films - eine äußerst bizarre Sexszene zwischen Naschy und der Amazonien-Queen... na ja.