Originaltitel: Bad Black
Produktionsland: Uganda 2016
Regie: Isaac Godfrey Geoffrey Nabwana
Darsteller: Nalwanga Gloria, Alan Hofmanis, Bisaso Dauda, Bukenya Charles, Kizito Robert
BAD BLACK beginnt mit einer zehnminütigen Actionsequenz, die allein schon ausreichen dürfte, die Kinnlade unbedarfter Zuschauer zum Sinkflug ansetzen zu lassen: Ein Mann namens Swaaz, „the Ugandian Swarzenegger“, wie ihn der unvermeidliche, bereits aus CAPTAIN ALEX sattsam bekannte „Video Joker“ Mc Emmie aus dem Off benamst, ist gerade dabei, einen Banküberfall zu begehen, und zwar in Komplizenschaft eines kleinen Jungen von weit unter zehn Jahren, der wiederum von Emmie auf den Namen „Buddy Spencer“ getauft wird. Da uns Nabwana ins kalte Wasser wirft und keine Zeit für eine noch so bündige Exposition verschwendet, sondern sofort mit wilden Schießereien und einer Verfolgungsjagd zwischen Swaaz und Polizei ansetzt, fällt es dem Video Joker zu, uns zu erklären, dass es sich bei Swaaz nicht etwa um einen skrupellosen Kriminellen handelt, sondern dass sein Bankraub gerade ein Zeichen dafür sei, mit was für einem liebenden Ehemann und Familienvater wir es bei ihm zu tun haben: Seine Frau nämlich liegt sterbenskrank im örtlichen Hospital, dessen Ärzte wiederum sich weigern, ihr ohne ein gewisses Entgelt eine lebensrettende Behandlung angedeihen zu lassen. In seiner Not hat Swaaz keinen anderen Ausweg aus der Misere gewusst, als sich zu bewaffnen und in die nächstbeste Bankzentrale einzudringen. (Schon an diesem Punkt übrigens schimmert in BAD BLACK ein sozialkritischer Subtext durch, den ich in CAPTAIN ALEX kaum einmal wahrgenommen habe, und der offensichtlich darauf abzielt, das ugandische Gesundheitswesen als von pekuniären Motiven, wenn nicht sogar purer Korruption durchdrungen zu zeichnen.) Zwar gelingt es Swaaz, einen Batzen Geld an sich zu nehmen, und seinem Sohnemann wiederum, mit diesem Batzen aus dem fahrenden Fluchtfahrzeug zu hüpfen, und somit der Polizei zu entkommen, doch mit dem Papa nimmt es ein grausiges Ende: Mit der Verzweiflung eines in die Enge getriebenen Raubtiers ballert er wie wild in der Gegend herum, nachdem sein PKW sich überschlagen hat und liegengeblieben ist, wodurch er diesen in Brand setzt und gemeinsam mit ihm in die Luft fliegt. (Wer CAPTAIN ALEX gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, auf welchem Homemade-Niveau all diese Effekte siedeln, in denen jemand von Kugeln zersiebt wird, oder irgendwelche Dinge explodieren.)
Szenenwechsel: Auf einem Markt geraten mehrere Männer in Streit, und beschließen daraufhin, aneinander ihre Kung-Fu-Skills zu testen – sehr zum Leidwesen einer älteren Dame, der durch die sinnbefreite Prügelei innerhalb von Sekunden ihre gesamte Obstauslage zerstört wird, und damit das Einkommen von mindestens einer Woche. Ihr Sohn zeigt sich über den Verlust zwar naturgemäß entrüstet, scheint die Gelegenheit aber sogleich beim Schopf zu packen, um ein kleines Mädchen, das bei ihm und seiner Mutter im Haushalt lebt, zu verstoßen. Diese Waise nämlich sei schon seit jeher ein hungriges Mäulchen zu viel, und überhaupt mehr Krücke denn Gehhilfe, und außerdem ja nicht mal mit ihnen verwandt: Wenn man sie vor die Tür setzen würde, würde man mit dem Ersparten zumindest so lange über die Runden kommen bis eine neue Obstlieferung hereinschneit. Selbst muss sich der Hausherr allerdings nicht die Finger schmutzig machen, denn das Kind hat die Unterredung heimlich mitangehört, und sich bereits aus dem Staub gemacht: Verloren und verlassen irrt das Mädel durch die Ghettos Kampalas bis zwei Straßenbuben sie spotten und, Böses im Schilde führend, zur Verfolgung ansetzen. Zur Hilfe kommt unserer Heldin indes ein etwas älteres Mädchen, das die Schurken mit einer Holzlatte ausknockt, und sie anschließend einer Straßenkindergang zuführt, die von einem ausgemachten Schlitzohr regiert wird, der seine minderjährigen Schützlinge zum Betteln, Stehlen und Aluminiumverkaufen anhält, und sie auch schon mal ordentlich durchprügelt oder gleich über den Haufen schießt, wenn sie mit nicht genügend Scheinen von ihren tagtäglichen Streifzügen in den bescheidenen Hüttenverschlag seines Hauptquartiers zurückkehren. Für mehrere Minuten wird BAD BLACK spätestens an dieser Stelle zu einer relativ schonungslosen Studie der prekären sozialen Lage ugandischer Straßenkinder angesichts derer neorealistischer Töne, kompromissloser Darstellungsweise verschiedener Facetten von Ausbeutung und Misshandlung, und anrührenden Momentbeobachtungen der Solidarität der Kinder untereinander sogar der Video Joker einmal seine überdrehten Späße fallenlässt. Das Drama kulminiert, als unsere Heldin eines Tages fälschlicherweise von einer Gespielin ihres Bosses beschuldigt wird, diese bestohlen zu haben. Der Boss droht, sie zu erschießen, doch ihre ältere Freundin wirft sich dazwischen, und fängt sich stattdessen die Kugel ein. In der Nacht fasst unsere Heldin einen Entschluss, der ihre weitere Zukunft besiegeln wird: Sie schleicht sich an die Matratze des Bosses, entwendet ihm seine Waffe, und macht vor den erstaunten Augen ihrer Leidensgenossen kurzen Prozess mit ihm.
Zehn Jahre später: „America’s Best Action Star“ Alan Ssali (dargestellt von Alan Hofmanis, einem engen Freund Nabwanas, seines Zeichens aufgrund einer Lebenskrise nach Uganda ausgewanderter US-Amerikaner, der federführend dabei ist, Wakaliwood im internationalen Ausland zu promoten) spielt einen altruistischen Arzt, den es in die Slums von Wakali verschlagen hat, um die Lebensqualität der dortigen Bevölkerung anzuheben, wobei ihm sein Sidekick, ein kleiner Junge, der, laut Video Joker, „Wesley Snipes“ genannt wird, tatkräftig zur Seite steht. Obwohl VJ Emmie nicht müde wird, Ssali als „Van Damme“ zu titulieren, ist Ssali doch eine sehr friedfertige Natur: Sein Vater, sein Bruder, selbst sein Hund seien „Commandos“ gewesen, doch ihn habe der Söldnerberuf nie interessiert, weshalb er die Laufbahn des Mediziners eingeschlagen habe. Als Erinnerung an seine im Kampf gefallenen Verwandten und Haustiere trägt er allerdings deren militärische Erkennungszeichen („Dog Tags“) stets um seinen Hals. Dort erregen sie dann auch früher oder später die Aufmerksamkeit der Wakali-Straßengang, deren Anführerin Black nunmehr geworden ist, die sich nun, zehn Jahre älter und böser, „Bad Black“ nennt. Black und ihre mehrheitlich männlichen Weggefährten, denen der weißhäutige Doktor sowieso ein Dorn im Auge ist, überfallen Ssali kurzerhand, und verschwinden mit seinen Memorabilien in den Schutz des Ghettos. Verständlicherweise ist Ssali am Boden zerstört, von wo ihn aber sein kleiner Freund Wesley Snipes aufrichtet. Im wahrsten Sinne des Wortes prügelt der Bub dem verweichlichten Mediziner die Erkenntnis ein, dass es seine Pflicht sei, die Ehrenabzeichen seines Vaters, Bruders und Hundes zurückzuerobern. Anders gesagt: Von in allen möglichen Kampfkunsttechniken geschulten Knaben wird Ssali zum unbesiegbaren Kämpfer ausgebildet, der den Slum endlich von dem negativen Einfluss Bad Blacks befreien soll.
Die indes sinnt in einem parallel verlaufenden Handlungsstrang ebenfalls auf Rache, und zwar an ihrem leiblichen Vater Hirigi, einem steinreichen Geschäftsmann, der natürlich nicht ahnt, dass es die eigene Tochter ist, die ihm da schöne Augen macht, ihn schließlich zum Eheversprechen verleitet, ihn in die Blutschande stürzt. Spätestens ab dem Zeitpunkt allerdings, wenn sich Bad Black in der luxuriösen Villa Hirigis einnistet, und dessen Sohn Kenny, dem der Papa zuvor die Heirat mit einer angeblich sozial tieferstehenden Dame verboten hat, gegen ihn ausspielt, wenn die leibliche Großmutter Blacks Hirigi darüber aufklärt, dass er mit der eigenen Tochter das Bett teilt, wenn wir quasi beiläufig erfahren, dass auch der ugandische Schwarzenegger aus dem Prolog in irgendeiner verwandtschaftlichen Beziehung zu Black steht, die ich nun beim besten Willen nicht mehr erinnere, und wenn dann auch noch zeitgleich Einzelkämpfer Dr. Ssali und eine ugandische Spezialeinheit ausrücken, um Black und ihrer Bande das Handwerk zu legen, bin ich heillos überfordert, dem Plot in einer Weise folgen zu können, die es möglich machen würde, die letzte Viertelstunde plausibel nachzuerzählen.
Aber, sei’s drum, BAD BLACK mag über eine ziemlich inkohärente Erzählstruktur verfügen, und, natürlich, der Film sieht niemals anders aus als ein Amateurprojekt, das man für eine Handvoll Dollar in der eigenen Nachbarschaft inszeniert hat, und, sicher, die Permanentbeschallung durch den Video Joker, der sich selbst am meisten über seinen running gag kaputtlacht, Hofhühner als „Watch Dogs“ zu bezeichnen, oder die bereits aus CAPTAIN ALEX bekannten Slogans wie „Uganda!“ oder „You’re watching a Movie!“ raushaut, scheint auf den ersten Blick kaum dazu beizutragen, Nabwanas Film einen seriösen Mantel umzuhängen. Das alles zählt für mich jedoch sowieso nicht, der ich gar nicht weiß, wo ich mit meinen Begeisterungsbekundungen gegenüber diesem Füllhorn an Ideen und Stimmungen anfangen soll. Bei der Tatsache, dass Nabwana sich, wie schon bei CAPTAIN ALEX, eine überaus unterhaltsame Fortschreibung der narrativen Parameter des klassischen Exploitation-Kinos aus dem Ärmel schüttelt, die solch unterschiedliche Genres wie Action, Martial Arts und sogar WIP gleichermaßen streift? Dass der Off-Kommentar VJ Emmies metareflexiv mit diesen Genre-Zitaten auf eine unbekümmert-naive Weise spielt, wie sie Tarantino, mit dem Nabwana einfallsloserweise in westlichen Medien oft in einen Topf geworfen wird, bei all den ihm immanenten Postmodernismen niemals hinbekommen würde? Dass der Plot um Blacks Familiengeschichte wirkt, als habe man mindestens eine gesamte Staffel einer beliebigen Nollywood-Seifenoper auf knapp zwanzig Minuten heruntergebrochen, während der Plot um Ssalis Emanzipation als Gerechtigkeitskrieger wiederum den Eindruck erweckt, sie solle eine gezielte Parodie vergleichbarer ausgeleierter Plots um Mr. Nobodys sein, die im Angesicht einer Gefahr über sich hinauszuwachsen gezwungen sind? Dass Nabwana es schafft, mich trotz all der wirklich teilweise haarsträubenden Effekte, Plot-Entwicklungen, Dialoge und Figuren stellenweise jenseits puren Amüsements wirklich zu berühren, wenn er bspw. das Elend von Straßenkindern in dokumentarisch-drastische Bilder kleidet, oder wenn er Ssalis Charakter als einfältigen, jedoch herzensguten Gutmenschen zeichnet, den die Umstände dazu bringen, mit Fäusten und Knarren für Recht und Ordnung zu sorgen? Nach CAPTAIN ALEX bin ich, muss ich gestehen, noch ein bisschen skeptisch gewesen, doch BAD BLACK hat mich nunmehr überzeugt, was für ein visionärer, eigenartiger und eigenwilliger Regisseur dieser I.G.G. Nabwana doch ist.
Wer übrigens solche und ähnliche Ausführungen meinerseits einmal live (und mit eventueller Skype-Schaltung nach Wakaliwood!) erleben möchte, möge sich doch bitte am Morgen des 12. März auf dem 33. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquium in Braunschweig einfinden...