Die Stewardessen - Michael Thomas

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
CamperVan.Helsing
Beiträge: 10905
Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40

Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von CamperVan.Helsing »

1971, „Ryan Air“ ist der Welt noch kein Begriff. Noch muss man nicht extra zahlen, um im Flugzeug müssen zu dürfen, und nicht im Traum würde jemand daran denken, dass es in Flugzeugen Stehplätze geben könnte. Stewardess galt für viele junge Mädchen als Traumjob. Lag es daran, dass man so den Piloten (deren Gewerkschaft ja immerhin „COCKpit“ heisst!) nahe sein konnte. Oder ist das nur eine Vermutung neidgeplagter Männer gewesen, die sich einen Platz in der Touristen-Klasse eines Jumbo-Jets nicht leisten konnten?

Erwin C. Dietrich (das „C.“ ist übrigens reine Wichtigtuerei!) wäre nicht ECD gewesen, wenn er nicht versucht hätte, die Lösung für diese Frage zu finden. Er setzte das Trio ECD (Produktion), Manfred Gregor (Drehbuch) und Michael Thomas (Regie), auch als „me, myself and I“ bekannt, auf das Mysterium an und heraus kam „Die Stewardessen“, ein Film, mit dem ECD seine Konkurrenz alt aussehen ließ.

Das begann schon mit dem Filmplakat und seinem unschlagbaren Werbespruch „Sie fliegen durch die Lüfte – Vögeln gleich“ (was Dietrich wieder aufgriff bei „Die Betthostessen“: Das Plakat zeigt ein nacktes Mädchen und einen Kakadu, darüber steht „Junge Mädchen – gut zu Vögeln…“), auf einem der Plakate bekam der Film noch den wunderbaren Spruch verpasst „Mädchen zwischen Jet und Bett“. Was soll da also noch schief gehen?

Bild

„Dieser Film ist kein Report – es liegen ihm auch keine Tatsachen zugrunde. Wir sind auch nicht der Ansicht, dass sich Stewardessen so verhalten, wie es dieser Film zeigt.“ Wäre ja auch zu schön gewesen… ;)

Gleich zu Beginn vergnügt sich während des Fluges die rothaarige Jenny (Margrit Siegel) mit dem Piloten, wobei ihr Gesäusel über den Bordfunk übertragen wird. Ein älterer Passagier namens Peter, der sich als Computerfachmann ausgibt, aber tatsächlich Textilvertreter ist, wird darauf aufmerksam und träumt darauf von der nackten Jenny, ehe er sie zum Frühstück auf der Hotelterrasse einlädt. Jenny ergreift unverzüglich die Initiative (48 Stunden Flugpause sind kurz!), was Peter tief irritiert, zumal sein Versuch, als Manager Eindruck zu schinden, nicht im geringsten fruchtet. So entzieht er sich dem Verkehr, indem er kurzerhand einschläft. Der Zimmerkellner könnte für Ersatz sorgen, aber: „Ich kein Vorstellung für Frau, ich Gastarbeiter!“ Hätte der Hotelier doch Rinaldo Talamonti für die Saison eingestellt…

So darf dann eine Swimming-Pool-Bekanntschaft zunächst als Züricher Stadtführer für Jenny herhalten (musikalisch untermalt mit einer instrumentalen Easy-Listening-Version von „Gruezi wohl, Frau Stirnimaa“), ehe das Hotelbett seiner Bestimmung zugeführt wird, wobei ECD Aufnahmen original alpenländische Kühe, einen Alphornbläser und einen alten Mann, der die Schweizer Fahne schwenkt, in die Sexszenen reinschnitt (wiederum untermalt von der „Stirnimaa“)! Der Schweizer Tourismusverband dürfte extrem neidisch geworden sein… :mrgreen:

Anschließend machen sich Jenny und ihre Kollegin Frances auf nach Rom, wobei der Film erstmal von Archivaufnahmen der USA überfallen wird. Frances vergnügt sich in Rom mit Pilot David (sie versucht dabei, im Trevi-Brunnen „Miss Wet T-Shirt“ zu werden und strippt anschließend in der Hotellobby!), während Jenny versucht, den Co-Piloten Robert, „Der Gartenzwerg“ genannt, zu verführen. Der allerdings ist homosexuell, und so bleibt Jennys Umpolungsversuch erfolglos. David und Frances hingegen planen hingegen, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Unverzüglich wird der Chef (ECD himself) hiervon in Kenntnis gesetzt. Als Frances ihre Kollegin Evelyn (Evelyne Traeger) auf dem Flur sieht und das Büro des Chefs verlässt, bemerkt der trocken „sicher will sie sich zu einem Kochkurs anmelden“! Alice Schwarzer, bitte übernehmen Sie!

Evelyn fliegt nämlich nach Kopenhagen, und Frances hat noch einen Wohnungsschlüssel eines gewissen Sven dort, den sie Evelyn als Junggesellinnenabschied vermacht. Der freut sich einen Keks über die hochattraktive Evelyn, die erstmal baden will. Die Badewanne ist allerdings von Ingrid (Ingrid Steeger) und ihrem Freund Olaf besetzt, weshalb Evi erstmal (wir sind schließlich im Dänemark des Jahres 1971) ein Pornomagazin durchblättert, natürlich so, dass die Kamera auch halbwegs gut sehen kann. Den gleichen Kniff, das damals noch illegale Material über die Hintertür so ins Kino zu bringen, wandte vorher auch schon Rolf Olsen in „Das Stundenhotel von St. Pauli“ an. Danach darf Olaf noch seinen Penis in die Kamera halten, bevor Evi in der Kiste von Bodybuilder Sven landet. Als Abendunterhaltung darf dann ein Pornofilm aus dem Sex-Shop (die übrigens ihren Rabatt als „Preis Krieg“ bezeichnen) herhalten, in dem die Verkäuferin selbstverständlich oben ohne bedient! („Wir hätten gerne was an klassischer Literatur.“ „In dänisch oder in deutsch?“ „In deutsch, und nicht zu anspruchsvoll, bitte.“). Evelyn ist allerdings von dem Filmchen (auch hier noch mal Explizitäten zu sehen) hochgradig angeödet, und Ingrid testet mit Sven die Funktionsmöglichkeiten einer Liebesschaukel aus. Evelyn landet somit bei Olaf, womit auch das Thema Partnertausch abgehandelt wurde, während Walter Baumgartner unseren Ohren dazu Easy Listening vom feinsten angedeihen lässt.

Schließlich geht es nach München, wo gerade das Oktoberfest stattfindet („Sie, gibt’s hier etwas, wo man ein männliches Bedürfnis loswird?“ „Ja, da drüben!“ „Ja mei, auf’s Häuserl kann ich auch zu Haus gehen!“) Dort trifft die Stewardess auf den Kommunarden Sascha („die postrevolutionäre Gesellschaft wird sich das nicht als Musik unterjubeln lassen, was hier zum Zwecke der Massenverblödung gedudelt wird!“), wobei ich auf diese Episode hier jetzt nicht weiter eingehen möchte. Die müsst ihr euch schon selbst anschauen, so unglaublich ist sie. Ohne ECDs Regiewerk näher zu kennen, würde ich doch glatt bezweifeln, dass Onkel Erwin noch mal so etwas meisterhaftes gelungen ist. Die K-Gruppen trieben noch die gesamten 70er ihr Unwesen – und wurden von ECD in 15 Minuten entlarvt („Schluss jetzt – in erster Linie gehört ihr dem Staat!“). War der Film schon bis hierhin schon ein echtes Sehvergnügen, lässt Baumgartner hier die Sitar erklingen und ECD dringt in filmische transzendentale Sphären vor, die man in einem kommerziellen Sexfilm nie erwartet hätte. Toll!

Schließlich stellt sich alles als Film im Film heraus (und wenn man noch mal an den Kopenhagener Pornoloop denkt, ist man schon beim Film im Film im Film), ein junger Mann (Andreas Mannkopff) verlässt das Kino, draußen gibt ihm Ingrid Steeger Feuer, er folgt ihr ins Treppenhaus eines Berliner Mietshauses, wo sie sich bis auf ihre kniehohen Stiefel auszieht. Doch auch dies ist nur ein Traum – tatsächlich reicht ihm ein alter Mann das Streichholz. „War also doch alles Kohl mit den Stewardessen!“ Der Flieger hebt ab – und der Film ist endgültig vorbei.

Ich gebe zu, dass ich ECD bisher hauptsächlich als Produzent diverser Franco-Knaller aus der Zeit von 1975-1977 oder als „Bearbeiter“ von Fremdproduktionen („Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill“) auf dem Schirm hatte. Von seinen eigenen Regiearbeiten kannte ich nur seinen WIP-Nachzügler „Gefangene Frauen“, „Eine Armee Gretchen“ und den m.W. immer noch nicht als DVD erschienenen „Was geschah wirklich mit Miss Jonas?“, irgendeinen Teil der „Blutjungen Verführerinnen“ hab ich in frühen Jahren auch mal auf RTLplus gesehen. Nichts davon ist mir als in irgendeiner Weise als mehr als kommerzielles Fließbandprodukt durchschnittlicher Güte erinnerlich. Entsprechend habe ich auch von den „Stewardessen“ nichts erwartet und bin auch nach dem zweiten Ansehen immer noch geplättet. Einfach Wahnsinn, was ECD hier geschaffen hat. Der Oscar für den besten fremdsprachigen Film wäre hier mindestens angebracht gewesen… :D


Kinostart war am 19.11.1971, zum 40-jährigen Jubiläum erwarte ich einen Neustart des Films in den CinemaXXen bundesweit, bevor anschließend die Doppel-DVD-Edition in der „Arthaus Premium“-Reihe mit Audiokommentaren von ECD, Ingrid Steeger und Familienministerin Kristina Schröder mit Elke Monssen-Engberding erscheint. Nachdem der Film seit einigen Jahren ab 16 freigegeben ist, sollte das ja kein Problem mehr sein.
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
Benutzeravatar
Blap
Beiträge: 6841
Registriert: Sa 19. Dez 2009, 14:21

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von Blap »

Grins, da freue ich mich doch noch mehr darauf, die seit ein paar Wochen im Regal stehende "Ingrid Steeger Gold Collection" bald der Defloration zu unterziehen.

:D

...nur die Spoiler sind nicht angenehm. Kannst du sie bitte mit der entsprechenden Markierung ausstatten? :)
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
Benutzeravatar
Nello Pazzafini
Beiträge: 4710
Registriert: Di 16. Feb 2010, 18:50
Wohnort: Roma
Kontaktdaten:

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von Nello Pazzafini »

wow, man sieht Ugo würdigt gute Filme mit ausführlichsten Reviews und schönen freds :D
hat er aber auch verdient, der Film.......Vögeln gleich! :thup:
Bild

"Ein Grab im K-Gebiet wünscht dir Dein Ugo"
Benutzeravatar
jogiwan
Beiträge: 39401
Registriert: So 13. Dez 2009, 10:19
Wohnort: graz / austria

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von jogiwan »

"Sie fliegen durch die Lüfte
Vögeln gleich"

Absolut wunderbar! Wohl die beste Werbezeile, die jemals auf ein Plakat gedruckt wurde! :lol:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
Benutzeravatar
Blap
Beiträge: 6841
Registriert: Sa 19. Dez 2009, 14:21

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von Blap »

jogiwan hat geschrieben:"Sie fliegen durch die Lüfte
Vögeln gleich"

Absolut wunderbar! Wohl die beste Werbezeile, die jemals auf ein Plakat gedruckt wurde! :lol:
So ist es. Vor allem längst nicht so platt wie z.B. "Sie vögeln in der Luft wie Fliegen". :mrgreen:
Das Blap™ behandelt Filme wie Frauen
Benutzeravatar
CamperVan.Helsing
Beiträge: 10905
Registriert: Sa 26. Dez 2009, 12:40

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Nello Pazzafini hat geschrieben:wow, man sieht Ugo würdigt gute Filme mit ausführlichsten Reviews und schönen freds :D
hat er aber auch verdient, der Film.......Vögeln gleich! :thup:
Ehre, wem Ehre gebührt. ;)
My conscience is clear

(Fred Olen Ray)
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40644
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 13.05.2014 bei Ascot Elite auf Blu-ray und auch noch mal auf DVD:

Bild Bild
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
Nello Pazzafini
Beiträge: 4710
Registriert: Di 16. Feb 2010, 18:50
Wohnort: Roma
Kontaktdaten:

Re: Die Stewardessen - Michael Thomas

Beitrag von Nello Pazzafini »

DAS ist natürlich ein Traum von einem cover!!!!! :D
Bild

"Ein Grab im K-Gebiet wünscht dir Dein Ugo"
Antworten