Originaltitel: Já, Olga Hepnarová
Produktionsland: Frankreich / Polen / Slowakei / Tschechische Republik 2016
Regie: Petr Kazda / Tomás Weinreb
Darsteller: Michalina Olszanska, Martin Pechlát, Klára Melísková, Marika Soposká, Juraj Nvota
Als Olga Hepnarová am 12. März 1975 in Prag gehenkt wird, ist sie die letzte Frau überhaupt, die in der Tschechoslowakei die Todesstrafe erfahren muss. Anlass für ihre Hinrichtung ist, dass sie zwei Jahre zuvor einen LKW mitten in die wartenden Fahrgäste an einer Straßenbahnhaltestelle gesteuert hat. Acht Menschen sterben, etliche weitere werden schwer verletzt. Hepnarová bekennt sich von Anfang an zu ihrer Tat: Sowohl vor der Justiz wie auch in einem Abschiedsbrief, den sie hinterlassen hat. Sie sei nicht geistig umnachtet gewesen, als die Kraftfahrerin sich hinter das Steuer ihres Gefährts klemmte und zielsicher auf die Menschenmenge zufuhr; sie habe keinen Alkohol, keinen Drogen im Blut gehabt; sie habe die Tat vielmehr lange im Vorfeld geplant, sei einmal sogar an der Haltestelle vorbeigefahren, weil noch nicht genügend Menschen an ihr gestanden hätten. Anlass für diesen Massenmord ist, dass sie sich zeitlebens als Prügelknabe empfunden hat, missachtet und gedemütigt von ihrem Umfeld, von ihrer Familie, ihren Vorgesetzten in Gelegenheitsjobs, von den Frauen und Männern, bei denen sie Zuneigung und Zärtlichkeit zu finden gehofft habe, von der gesamten Gesellschaft, die sie immer habe kleinhalten wollen, auf sie herabgeblickt, sie bespuckt habe. Hepnarová plädiert selbst für die Todesstrafe: Man solle sie hinrichten, damit die Gesellschaft wachgerüttelt werde, und nicht weitere Prügelknaben produziere, die sich auf ähnlich blutige Weise für ihre Missachtungen und Demütigungen zu rächen gezwungen seien.
I, OLGA HEPNAROVÁ der beiden Regisseure Tomáš Weinreb and Petr Kazda schaut auf den ersten Blick aus wie ein Film, der auch von Philippe Garrell hätte inszeniert sein können: Die Schwarzweißbilder sind glatt und spröde zugleich, auf jeden Fall aber wunderschön; die Bildkompositionen besitzen eine Präzision und Strenge, der man beinahe eine klinische Kühle unterstellen könnte; die Schauspieler wirken automatenhaft, sprechen gemessen, verstecken ihre Emotionen eher tief in sich als dass sie sie herauslassen, - allen voran Michalina Olszańska in der Titelrolle, die eine anbetungswürdige Performance liefert, bei der jede noch so unscheinbare Gestik und Mimik das große innere Drama der zutiefst verletzten jungen Frau nach außen transportiert: Wie sie sich ständig an ihre Zigaretten klammert, als seien das die letzten Strohhalme, bevor ein gewaltsamer Strom sie mit sich reißt; wie sie sich manchmal in sich zusammenzieht, sich duckt wie ein Hund, der schon zu viele Prügel empfangen hat, um seiner Umwelt noch vorbehaltlos zu vertrauen; wie sie manchmal die Lippen zu einem sardonischen Grinsen verzieht, als sei sie ein wildes Tier, das Blut wittert, dann aber wieder durch die Straßen Prags schlurft, als sei sie zerbrechlich wie Glas, und ein Windstoß, ein falsches Wort könne sie einfach umpusten und in tausend Splitter zerfallen lassen.
I, OLGA HEPNAROVÁ folgt seiner Protagonistin von einem Suizidversuch in Teenager-Jahren über die Emanzipationsbewegung fort von der dominanten Mutter hin zum eigenstänidgen, aber einsamen Leben in einer Waldhütte, zur Entdeckung der eigenen Homosexualität, zu sozial wenig geachteten, wenn auch relevanten Jobs in Fabriken und schließlich im Führerhaus eines LKWs bis hin zu einer Reihe maßloser Enttäuschungen zwischenmenschlicher Art, die letztlich zur anfangs beschriebenen Katastrophe führen. Gefilmt ist das alles so rücksichtsvoll und zurückhaltend wie nur irgend möglich: Es gibt keine Originalmusik; es gibt keine Versuche, die Biographie Hepnarovás unnötig dramaturgisch aufzuwerten oder zu glätten; es gibt keine Parteinahem, keine Verurteilung der Figur, keine Rechtfertigung ihrer Tat; es gibt letztlich keinen Hoffnungsschimmer, der irgendwie in dieses schwarze Loch hineinlugen würde, es sei denn, der Betrachter müht sich selbst darum, die Taschenlampe anzuknipsen und in das menschliche Drama hineinzuleuchten, das sich vor ihm ausbreitet angesichts so viel geballter Empathielosigkeit von wirklich allen Haupt- und Randfiguren.
Ein weiterer Name, der mir unweigerlich einfällt, wenn ich über die Inszenierungsstrategien des Films nachdenke, über die Tatsache, dass oft nur das gezeigt wird, was absolut nötig ist, dass die Montage relativ elliptisch daherkommt, Dinge eher andeutet als offenlegt und es viele uneindeutige Zeitsprünge gibt, das ist derjenige Robert Bressons. Möglicherweise hätte der große Franzose den finalen Anschlag ähnlich inszeniert wie Weinreb und Kazda es tun: Wir sitzen hinter Olga am Steuer; wir fahren auf die Haltestelle zu; vom Kühlergrill scheinen die Opfer regelrecht verschluckt zu werden; danach folgt bereits ein unaufgeregter Schnitt, und Olga sitzt nach verrichteter Rache regungslos in der Fahrerkabine, um auf die Polizei zu warten – Auslassungen, die eine viel heftigere Intensität gerade des Nicht-Gezeigten evozieren als es jede Actionszene mit Pauken und Trompeten vermocht hätte. Dem Finale ergeht es ähnlich: So banal und unsichtbar wie da gestorben wird, bekommt man den Kloß lange nicht aus dem Hals.
Oh ja, wem sein Leben derzeit zu bunt und zu fröhlich ist, der kann sich mit I, OLGA HEPNAROVÁ einen wahren Downer ins Haus holen.
I, OLGA HEPNAROVÁ der beiden Regisseure Tomáš Weinreb and Petr Kazda schaut auf den ersten Blick aus wie ein Film, der auch von Philippe Garrell hätte inszeniert sein können: Die Schwarzweißbilder sind glatt und spröde zugleich, auf jeden Fall aber wunderschön; die Bildkompositionen besitzen eine Präzision und Strenge, der man beinahe eine klinische Kühle unterstellen könnte; die Schauspieler wirken automatenhaft, sprechen gemessen, verstecken ihre Emotionen eher tief in sich als dass sie sie herauslassen, - allen voran Michalina Olszańska in der Titelrolle, die eine anbetungswürdige Performance liefert, bei der jede noch so unscheinbare Gestik und Mimik das große innere Drama der zutiefst verletzten jungen Frau nach außen transportiert: Wie sie sich ständig an ihre Zigaretten klammert, als seien das die letzten Strohhalme, bevor ein gewaltsamer Strom sie mit sich reißt; wie sie sich manchmal in sich zusammenzieht, sich duckt wie ein Hund, der schon zu viele Prügel empfangen hat, um seiner Umwelt noch vorbehaltlos zu vertrauen; wie sie manchmal die Lippen zu einem sardonischen Grinsen verzieht, als sei sie ein wildes Tier, das Blut wittert, dann aber wieder durch die Straßen Prags schlurft, als sei sie zerbrechlich wie Glas, und ein Windstoß, ein falsches Wort könne sie einfach umpusten und in tausend Splitter zerfallen lassen.
I, OLGA HEPNAROVÁ folgt seiner Protagonistin von einem Suizidversuch in Teenager-Jahren über die Emanzipationsbewegung fort von der dominanten Mutter hin zum eigenstänidgen, aber einsamen Leben in einer Waldhütte, zur Entdeckung der eigenen Homosexualität, zu sozial wenig geachteten, wenn auch relevanten Jobs in Fabriken und schließlich im Führerhaus eines LKWs bis hin zu einer Reihe maßloser Enttäuschungen zwischenmenschlicher Art, die letztlich zur anfangs beschriebenen Katastrophe führen. Gefilmt ist das alles so rücksichtsvoll und zurückhaltend wie nur irgend möglich: Es gibt keine Originalmusik; es gibt keine Versuche, die Biographie Hepnarovás unnötig dramaturgisch aufzuwerten oder zu glätten; es gibt keine Parteinahem, keine Verurteilung der Figur, keine Rechtfertigung ihrer Tat; es gibt letztlich keinen Hoffnungsschimmer, der irgendwie in dieses schwarze Loch hineinlugen würde, es sei denn, der Betrachter müht sich selbst darum, die Taschenlampe anzuknipsen und in das menschliche Drama hineinzuleuchten, das sich vor ihm ausbreitet angesichts so viel geballter Empathielosigkeit von wirklich allen Haupt- und Randfiguren.
Ein weiterer Name, der mir unweigerlich einfällt, wenn ich über die Inszenierungsstrategien des Films nachdenke, über die Tatsache, dass oft nur das gezeigt wird, was absolut nötig ist, dass die Montage relativ elliptisch daherkommt, Dinge eher andeutet als offenlegt und es viele uneindeutige Zeitsprünge gibt, das ist derjenige Robert Bressons. Möglicherweise hätte der große Franzose den finalen Anschlag ähnlich inszeniert wie Weinreb und Kazda es tun: Wir sitzen hinter Olga am Steuer; wir fahren auf die Haltestelle zu; vom Kühlergrill scheinen die Opfer regelrecht verschluckt zu werden; danach folgt bereits ein unaufgeregter Schnitt, und Olga sitzt nach verrichteter Rache regungslos in der Fahrerkabine, um auf die Polizei zu warten – Auslassungen, die eine viel heftigere Intensität gerade des Nicht-Gezeigten evozieren als es jede Actionszene mit Pauken und Trompeten vermocht hätte. Dem Finale ergeht es ähnlich: So banal und unsichtbar wie da gestorben wird, bekommt man den Kloß lange nicht aus dem Hals.
Oh ja, wem sein Leben derzeit zu bunt und zu fröhlich ist, der kann sich mit I, OLGA HEPNAROVÁ einen wahren Downer ins Haus holen.