Le retour d'un aventurier - Moustapha Alassane (1966)
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Le retour d'un aventurier - Moustapha Alassane (1966)
Originaltitel: Le retour d'un aventurier
Produktionsland: Niger 1966
Regie: Moustapha Alassane
Darsteller: Harouna Diarra, Djingareye Maiga, Zalika Souley, Boubakar Souna
Abt.: Western, die Jogi gefallen könnten
Jimi kehrt aus den Vereinigten Staaten in sein Heimatland Niger zurück. Im Gepäck hat er Klamotten und Requisiten, als habe er eine Wildwest-Kulisse geplündert: Cowboyhüte, Sättel, Colts. Die verteilt er unter seinen Freunden, die den Globetrotter bereits sehnsüchtig erwartet haben und sich gar nicht satthören können an den Geschichten, die er ihnen über den Großen Teich mitgebracht hat. Man verkleidet sich als Cowboys und Jimi teilt jedem einen neuen Namen zu, der zur neuen Identität als Revolverheld passt: Casse tout; John Kelly; Billy Walter; Black Cooper – und Jimis Freundin wird zur Reine Christine. Es dauert nicht lange und unsere Protagonisten gehen vollkommen in den Kunstfiguren auf, deren Rollen sie angenommen haben: Man geht auf Schafsdiebstahl; in der lokalen Bar zettelt man eine grundlose Schlägerei an; schließlich überfällt man arglose Bauern, um ihnen die Pferde unterm Hintern zu entführen. Voller Besorgnis wendet sich die Bevölkerung des ruralen Landstrichs an den Ältestenrat der Stammesgesellschaft, ratlos, was man gegen die zunehmend unkontrollierten Umtriebe der Rasselbande unternehmen soll. Derweil keimen aber auch in der sechsköpfigen Clique Zwietracht und Feindseligkeit: Als einer der Pseudo-Cowboys dem Vater eines anderen den Gaul stiehlt, kommt es zum offenen Bruch zwischen den ehemaligen Freunden – und zum großen Showdown in einer Sandgrube…
Moustapha Alassane zählt zu den Pionieren des westafrikanischen Kinos. Nachdem er als technischer Assistent für den französischen Ethnologen Jean Rouch gearbeitet hat und durch dessen Vermittlung mehrere Semester am National Film Board of Canada bei Experimentalfilm-Ikone Norman McLaren studieren konnte, dreht er 1962 die ersten Filme überhaupt, die im Niger von einem nicht-westlichen Regisseur verantwortet werden: AOURÉ (1962) oder LA BAGUE DU ROI KODA (1962) sind naturalistische Kurzstreifen zwischen Dokumentation und Fiktion, lokalen Legenden und Kommentaren zur gegenwärtigen Situation des post-kolonialen Afrikas. Alassanes große Leidenschaft gehört jedoch dem Animationsfilm: Schon als kleiner Bub hat er Freunde und Familie mit den Schattenspielen selbstgeschnittener Figuren unterhalten. LA MORT DE GANDJI (1965) und BON VOYAGE, SIM (1966) gelten als die ersten Animationsfilme, die in Sub-Sahara-Afrika von einem autochthonen Regisseur gedreht werden – und zeugen als politische Parabeln, die im Königreich der Kröten angesiedelt sind, bereits von Alassanes augenzwinkerndem Humor, dem er auch im ersten afrikanischen Western LE RETOUR D’UN AVENTURIER die Zügel schießen lassen wird.
In seinen vierzig Minuten ist der Film ein sowohl intelligentes wie grotesk-komisches Statement zur Aneignung westlicher Kulturversatzstücke durch die indigene Bevölkerung Afrikas – wenn Jimi und seine Freunde Optik, Gestik, Handlungen US-amerikanischer Westernhelden mimetisch nachbilden, hat das eine kaum übersehbare surreale Note: Cowboys, die durch die afrikanische Savanne reiten; Cowboys, die flüchtende Giraffen mit dem Lasso einzufangen versuchen; Cowboys, die Beduinen um ihre Reittiere erleichtern. Nachgerade prophetisch wirkt die düstere Prognose, die Alassane bezüglich der weiteren politischen Entwicklungen in den schlagartig unabhängig gewordenen Staaten Afrikas gibt: Das Amalgamieren eines westlichen Habitus, westlicher Werte, westlicher Güter führt bei Jimi und seinen Freunden eben nicht zu Freiheit und Emanzipation, sondern zunächst dazu, dass sie sich von ihrer Dorfgemeinschaft entfremden, sodann zu einem asozial-anarchistischen Verhalten, das sie zu echten Störfaktoren von Ruhe und Ordnung werden lässt, schließlich dazu, dass sie sich gegenseitig über den Haufen schießen. Inszeniert ist das alles mit Witz und Esprit, zu keinem Zeitpunkt quälend didaktisch, und den moralischen Zeigefinger sieht man auch nie erhoben, sondern lediglich Finger, die sich um die Abzüge von Feuerwaffen krümmen.
LE RETOUR D’UN AVENTURIER ist ein wunderbarer Film – eine Reflexion über Schein und Wirklichkeit, eine Parodie auf die Konventionen des Hollywood-Kinos, ein satirischer Seitenhieb auf den Status Quo Westafrikas Mitte der 60er, schriller Pop-Art-Camp und zugleich ein Western für Menschen, die eigentlich keine Western mögen…