MARINA - DER BRUTALE AUFSTIEG EINER HURE / LITTLE MOTHER (1973)
mit Christiane Krüger als Marina Pinares
und Siegfried Rauch, Mark Damon, Ivan Desny, Anton Diffring, Elga Sorbas, Vida Jerman, u.a.
eine deutsch-jugoslawische Gemeinschaftsproduktion der Peter Carsten Produktion | Jardan Film
in Anlehnung an die Geschichte der Eva Perón
ein Film von Radley Metzger
»Was starrst du so auf meinen Schwanz, Mutter? Foltern macht geil, he?«
Dieser Film fand seinen Weg eigentlich nicht primär wegen Regisseur Radley Metzger in die eigene Sammlung, sondern vor allem wegen Hauptdarstellerin Christiane Krüger und der Tatsache, dass die Hamburgerin, die ich schon immer sehr faszinierend gefunden habe, hier eine ihrer wenigen Hauptrollen zum Besten gibt. Dieser Polit-Thriller von 1973 ist leider vollkommen unbekannt, und wenn man sich den Film angeschaut hat, fragt man sich warum eigentlich. Es ist unglaublich, welch überragenden Film (der in der Bundesrepublik keine Kino-Auswertung erfahren hat) man hat in der Versenkung verschwinden lassen, und bei der Suche nach Superlativen fehlen mir bei der Leistung von Christiane Krüger tatsächlich die Worte. Für Metzgers Verhältnisse ist der Film in Sachen Exposition und reißerischer Elemente eher harmlos ausgefallen, wobei man angesichts des Produktionsjahres wieder sagen muss, dass diverse gewagte Szenen veranschaulicht werden, vor allem aber hinsichtlich dessen, inwiefern die Hauptdarsteller dort involviert sind.
So kommt es mitunter zu langen, aber sehr ästhetisch arrangierten Sex-Szenen zwischen Krüger und beinahe allen männlichen Akteuren, die scharfzüngigen Dialoge verleiten hin und wieder zum Staunen, und die permanent vorhandene, unterschwellige Brutalität und das unerbittliche Macht-Kalkül der Protagonistin arten zu einer beeindruckenden Demonstration aus. Der Plot konzentriert sich im Wesentlichen nur auf Marina Pinares und zeigt ihren brutalen Weg einerseits sehr pragmatisch, andererseits jedoch auch sehr geschickt in zahlreichen Facetten. Da die Spieldauer des Films eigentlich nur wenige Wochen umfassen würde, die Geschichte der Marina aber in allen Einzelheiten erzählt werden musste, überrascht der Film mit zahlreichen Rück- und sogar Vorblenden, die trotz der straffen Montage nicht kompliziert wirken. Teils fehlt bei den kurzen, einschießenden Bildern zwar zunächst der Zusammenhang, aber die Konstruktion ist im Endeffekt so dicht und klar aufgebaut, dass der Eindruck eines äußerst straffen Erzähltempos entsteht, auch wenn in manchen Passagen weniger zu passieren scheint.
Sowohl in der deutschen Version auf Karo-Video (dort: "Marina - der brutale Weg einer Hure"), als auch in der US-DVD-Fassung sprechen sich alle deutschen Akteure selbst, was besonders bei Christiane Krüger ein Hochgenuss ist. Im Englischen macht sich zwar der harte deutsche Akzent stets bemerkbar, aber die Dialoge kommen wesentlich deftiger daher. Wer hat Christiane Krüger zuvor beispielsweise einmal 'F*ck you' sagen hören, und das auch noch vier Mal hintereinander, zu den höchsten Offizieren der Armee? Aber sie wird in dieser Beziehung hier noch weitere Register ziehen, so viel ist sicher. Die deutsche VHS ist im Gegensatz zur DVD deutlich gekürzt, einige Szenen-Abfolgen sind unterschiedlich montiert worden. Die Parallelen zu Eva Perón werden im Plot immer wieder überdeutlich transportiert. Nicht nur Christiane Krügers Erscheinungsbild lässt eine gewisse Ähnlichkeit mit der argentinischen Staatsfrau erkennen, auch das Thema Promiskuität spielt eine entscheidende Rolle, die ausweglose Erkrankung in frühen Jahren, der Hass des Militärs, ihre Macht und die Verehrung durch das Volk, oder der damit verbundene Personenkult; vieles wurde aufgegriffen und mit imaginären Inhalten ausgeschmückt und zu einem ordentlichen Thriller verarbeitet.
Der Film überzeugt mit vielen großartigen Momenten. Als Marina erfährt, dass sie sterben wird, bleibt sie sachlich und kalt und mobilisiert zusätzlich ihre gesamten Kräfte. Fortan ist sie nur noch von dem Gedanken an ihr Vermächtnis getrieben, sie kennt keine Sentimentalitäten, geschweige denn Zeit raubende Kompromisse. Quittiert wird das Ganze schließlich nur mit: »Ob das Volk mich vermissen wird?«. Auch die Szenen-Abfolgen, in denen die erste Dame im Staat grausam foltern lässt, sorgen nicht nur für Staunen, sondern auch für unangenehme Gänsehaut-Momente, und egal ob es sich nur um unbequeme Aufsässige handelt, oder um enge Vertraute, sie geht über Leichen. Metzger schafft es problemlos, die vielen abgehandelten Elemente miteinander zu vereinen und legt dabei großen Wert auf Ausstattung, Variation und Charakter-Zeichnungen, die ausgezeichnete Kamera-Arbeit von Hans Jura gibt zusätzlich einen bedeutenden Schliff. 'Little Mother' ist ein recht typischer, wenn auch für seine Verhältnisse dezenter ausgefallener Metzger-Film, der zwar über viele Strecken seine reißerischen Absichten nicht verbergen möchte, aber dennoch an einer ernsthaften Abhandlung interessiert ist. Es gibt viele Genre überschneidende Elemente, so dass für beinahe jeden etwas dabei sein dürfte, und mein Urteil ist und bleibt eindeutig: Überragend und absolut fesselnd, und unterm Strich bleibt wesentlich mehr, als nur eine umwerfende Christiane Krüger!