Der berühmte Erotikstar Lisa Romay (Lina Romay) lebt allein in ihrem riesigen Anwesen. Ab und zu muss sie mal an Photo-Sessions für das Plakat ihres neusten Filmes teilnehmen, was sie gleich nutzt, um den Fotographen zu verführen. Eines Tages heuert sie ihren Liebhaber Erik (Eric Falk) an, für sie den Chauffeur zu spielen, und sie mit ihrem silbernen Rolls Royce durch die Gegend zu fahren. Gemeinsam lesen sie Anhalter auf, die Lisa dann ihrem Rolls Royce vernaschen kann…
Vor vielen Jahren erklärte mit ein guter Mann einmal den Unterschied zwischen Sexfilm, Softcore und Hardcore erklärt. Demnach sieht man beim Sexfilm Nackte und simulierten Geschlechtsakt, beim Softcore primäre Geschlechtsorgane, aber keinen Geschlechtsverkehr und beim Hardcore wird dann das volle Programm geliefert. Mitte der 70er Jahre hatte die Erwin-C.-Dietrich-Fabrik den Schritt zum Hardcore noch nicht vollzogen, wohl aber zum Softcore. Wenn es einen Film gibt, der die oben genannte Definition bebildert, dann ist es wahrscheinlich „Rolls Royce Baby“, welcher sich vollständig um Lina Romays Vagina dreht. Diese wird in fast jeder Einstellung präsentiert. Zum „Äußersten“ kommt es allerdings nicht und die Sexszenen bewegen sich auf dem üblichen Sexfilm-Niveau. Mit dem feinen Unterschied, dass hier auch die Männer zeigen dürfen, womit sie von der Natur ausgestattet worden sind. Aufgebaut ist der Film wie ein typischer Porno und hangelt sich an einem sehr, sehr dünnen Faden von Szene zu Szene. Zu Beginn darf man Lina Romay bei einer Intimrasur zusehen, dann beim Masturbieren und sind auch schon die ersten 10 Minuten vorbei. Wer dies eher langweilig findet, wird den Finger schnell auf der Vorspurtaste haben. Andere wahrscheinlich woanders. Immerhin kann man der Szene zwei Dinge zugute halten. Einmal die hübschen Einfall im Vordergrund ein altes Grammophon zu zeigen, bei dem die Nadel am Ende der Schallplatte im Rhythmus der Handbewegungen der Romay vor und zurück springt. Und dann ist da noch der hübsche Soundtrack von dem immer wieder verlässlichen Walter Baumgartner, der hier offensichtlich auch einige Elemente aus früheren Arbeiten verwendet.
Inszeniert wurde der Film vom Ascot-Elite-Chef Erwin C. Dietrich persönlich, der dabei sein Regiepseudonym Michael Thomas verwendet und das Drehbuch mal wieder als Manfred Gregor beisteuerte. Interessant ist der Film vor allem, weil er einer der wenigen ist, in denen Lina Romay für einen anderen Regisseur, als ihren Seelengefährten Jess Franco, vor der Kamera stand. Da Franco zu der Zeit bei Dietrich angestellt war, stellt sich natürlich die Frage, ob er nicht auch am Set zugegen war und hier und dort im Regiestuhl Platz nahm. Offiziell bestätigt wurde dies nie und auch in den Extras, in denen Eric Falk, Lina Romay und Erwin C. Dietrich interviewt werden, kommt dies nie zur Sprache. Somit bleibt diese Möglichkeit reine Spekulation. Dagegen spricht auch, dass Franco bei aller Deutlichkeit, doch immer noch einen Hauch von sensationellem und erotischem einbrachte. „Rolls Royce Baby“ ist allerdings so direkt in seinem Ausstellen der primären Geschlechtsorgane, dass sich Erotik so gut wie gar nicht einstellen will. Fast möchte man das böse Wort „Fleischbeschau“ in den Mund nehmen. Wäre da nicht die großartige Lina Romay, die ihrer Rolle den nötigen Enthusiasmus verleiht.
Lina Romay war eine bekennende Exhibitionistin, so dass es ihr nicht schwer fiel, vor der Kamera nackt zu agieren. Und dies tut sie hier in aller Ausführlichkeit. Die Szenen, in denen sie vollständig bekleidet ist, dürften zusammen vielleicht gerade eine Minuten ausmachen. Wer sich also an Lina Romays wohlgeformten Körper nicht sattsehen kann, der ist hier absolut richtig. Für alle anderen dürfte sich bald schon Langeweile einstellen. Denn von einer wirklichen Geschichte ist hier – im Gegensatz zu Linas Brüsten – nichts zu sehen. Fast schon muss man Dietrich Respekt zollen, wie er jeden Ansatz einer klassischen Dramaturgie konsequent missachtet. Immer wenn man glaubt, nun würde sich sich so etwas wie ein Handlungsstrang entwickeln, bricht Dietrich diesen ohne große Erklärung ab und wendet sich wieder Linas Körper zu, den er in allen nur erdenklichen Posen und Winkeln fotografiert. Die Figur des Chauffeurs z.B. wird ebenso urplötzlich eingeführt, wie sie dann quasi zum lebenden Requisit wird. Eine scheinbare Liebesgeschichte mit einer anderen Frauen, wird ebenso radikal mit den Worten „Sie ist nicht mehr hier“ beendet, wie überhaupt alle Begegnungen mit den namenlosen Anhaltern keinerlei inhaltliche Relevanz haben. Die gesichtslosen Schauspieler werden von Lina/Lisa benutzt und dann wieder weggeworfen. Ohne, dass man sie irgendwie kennengelernt hätte.
Mit etwas Wohlwollen, könnte man ihr Verhalten als Rache an der Männerwelt verstehen. Denn in einem Rückblick erzählt sie darüber, wie sie sich einst als Anhalterin zwei LKW-Fahrern angeboten hat, nur um dann nackt und „gebraucht“ von diesen, unter höhnischem Gelächter, Mitten auf der Landstraße ausgesetzt zu werden. Diese Geschichte liegt einem durchaus schwer im Magen, da sie übelste Macho-Fantasien von der der immer verfügbaren Frau, „es doch auch wollenden“ Frau auslebt. Denn kaum sitzt Lisa im Truck, beginnt sie sich schon auszuziehen und wenn der nicht unbedingt attraktive Truck-Fahrer seinen in der Kajüte schlummernden Kumpel auffordert, sich doch einfach „zu bedienen“, macht Lisa ganz selbstverständlich mit. Hier wird auch kurz die Grenze zum Hardcore überschritten, wenn deutlich ein Fellatio gezeigt wird. Interessanterweise spiegelt diese Geschichte dann aber auch Lisas späteres Verhalten wieder, wenn sie selber in ihrem Rolls Rocye über das Land fährt, wahllos Anhalter mitnimmt, mit diesen Sex hat und sie dann wieder allein auf der Straße zurücklässt. Nur einmal wird dieses immer wieder gleiche Schema durchbrochen. Da nimmt sie eine Anhalterin mit zu sich aufs Anwesen und gesteht dieser, dass sie doch eigentlich nur gestreichelt werden will, aber „dann die Sucht nach Sex wieder größer ist“. Doch auch dieser kurze Zwischenstopp hält nicht lange an. Die Anhalterin verschwindet – sichtlich zur Erleichterung ihres Chauffeurs – und Lisa macht sich mit ihrem Rolls Rocye wieder auf die Suche nach dem nächsten kurzen Abenteuer.
So gesehen, könnte man „Rolls Royce Baby“ fast schon als tragische Geschichte einer Frau lesen, die durch ein ihr angetanes Unrecht traumatisiert wurde und nun gezwungen ist, dies immer und immer wieder neu durchzuspielen und zu verarbeitet, indem sie die Rolle der Täter einnimmt. Und die dabei immer tiefer in den Strudel ihrer Sexsucht getrieben wird, ohne das zu erlangen, was sie eigentlich sucht: Ein wenig Zärtlichkeit und Liebe. Vielleicht war „Rolls Royce Baby“ von Dietrich ursprünglich auch so intendiert gewesen, allein er inszeniert den Film nicht so. Auffällig sind einige abrupte Sprünge, bei denen man das Gefühl hat, es würde etwas fehlen und der Film wäre im Nachhinein um eben diese Note erleichtert worden. Vielleicht liegt der nun vorherrschende, eher leichte Ton, auch an Lina Romay, die ihre Rolle mit einer solch enthusiastischen Hingabe spielt, dass die dunklere Töne mit ihr hier nicht funktioniert hätten. Wobei sie zu solch einer Rolleninterpretation durchaus in der Lage gewesen wäre, wie viele ihrer Arbeiten mit Jess Franco zeigen.
„Rolls Royce Baby“ ist eine Lina Romay One-Women-Show, bei der die Romay permanent alles zeigt was sie hat, so dass der Fantasie kein Platz mehr eingeräumt wird. Die dünne, episodenhafte Handlung folgt Porno-Konventionen, auch wenn es hier lediglich um Softcore handelt. Möglichkeiten der Hauptfigur eine dunklere, tragischere Seite zu geben sind zwar rudimentär noch vorhanden, werden aber nicht ausgespielt. Für Lina-Romay-Fans natürlich ein Muss, alle anderen werden durch die höhepunktlose, episodenhafte und repetitive „Handlung“ mit ihren abrupten Sprüngen eher gelangweilt sein. Als Plus sei hier noch die ins Ohr gehende Musik von Walter Baumgartner erwähnt.
Details zur DVD und BILDER (!) gibt es hier:
http://www.filmforum-bremen.de/2014/08/ ... oyce-baby/