Turist Ömer Uzay Yolu'nda - Hulki Saner (1973)

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Salvatore Baccaro
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Turist Ömer Uzay Yolu'nda - Hulki Saner (1973)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

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Originaltitel: Turist Ömer Uzay Yolu'nda

Herstellungsland: Türkei 1973

Regie: Hulki Saner

Darsteller: Sadri Alisik, Erol Amaç Cemil Sahbaz, Ferdi Merter, Kayhan Yildizoglu, Elif Pektas, Sule Tinaz, Oytun Sanal, Füsun Olgaç

Dieser Film ist ein absolutes Meisterwerk!

Soweit ich das sehe, handelt es sich bei dem titelgebenden "Turist Ömer" um ein alter ego des Komikers Sadri Alisik, das von diesem seit 1964 in einer Reihe von Spielfilmen auf die Leinwände der türkischen Provinztheater losgelassen wurde. TURIST ÖMER UZAY YOLU'NDA ist dabei, wenn man der imdb glauben darf, der letzte Beitrag zur Serie, von der ich bislang auch nur dieses Finalopus zu Gesicht kriegte, und, zumindest ohne Kenntnis der übrigen Streifen, ernsthaft sagen kann, dass mir damit eben jener Film des türkischen Trashkinos gegenübertrat, der mich bis jetzt von allen am meisten begeisterte und es gar schaffte, den haarsträubenden DÜNYAYI KURTARAN ADAM in den Schatten zu stellen. Turist Ömer ist einer dieser Typen, die man nie freiwillig auf eine Party von sich einladen würde. Er quasselt ununterbrochen, das meiste davon irgendwelcher Unsinn, wirkt generell wie ein quengeliges, enervierendes Kind, ist zappelig, unkonzentriert, verfügt dabei über ein beachtliches Ego, hat chauvinistische Züge, die sich vor allem in einer unterschwelligen Lüsternheit zeigen, und macht all diese unsympathischen Eigenschaften nicht mal durch einen mehr oder weniger vorhandenen Charme wett. Dieser Ömer ist eine absolute Plage für seine Umwelt und bringt sich mit seinem asozialen Verhalten von einer unangenehmen Situation in die nächste. Im vorliegenden Film besteht diese darin, dass die Familie einer Dame, die er offenkundig schwängerte und es nicht schaffte, schnellstmöglich Reißaus zu nehmen, ihn mit körperlicher Gewalt dazu zu zwingen versucht, diese zu ehelichen und das werdende Leben als ein von ihm verursachtes anzuerkennen. Ömer wehrt sich mit Händen und Füßen, gegen die Übermacht der Cousins, Brüder und des Vaters kann er indes nicht viel ausrichten als in einen endlosen Jammermonolog zu verfallen, der darin gipfelt, dass er Allah persönlich um Hilfe anfleht, während schon der Priester bzw. sein islamisches Pendant auf ihn zutritt und von ihm das Ja fordert, das dem Eingehen des ehelichen Bündnisses noch im Wege steht, er solle ihn aus dieser grausamen Lage befreien. Zwar ist es nicht Gott, der ihn von einer Sekunde zur nächsten spurlos verschwinden lässt, nichtsdestotrotz sieht sich die Hochzeitsgesellschaft einen Lidschlag später vor das Problem gestellt, dass Ömers Stuhl plötzlich leer ist und von ihm jede Spur fehlt.

Da der internationale Verleihtitel (hust) dieses Machwerks auf den Namen TURKISH STAR TREK hört, kann sich jeder halbwegs gescheite Zuschauer denken, dass Ömers Verschwinden mit diversen interstellaren Konflikten zu tun hat, in die unter anderem die längst zum Inventar der Popkultur avancierten Weltallhelden Cpt. Kirk, Dr. McCoy sowie Mr. Spock, der hier konsequent "Spack" pronounciert wird, verwickelt sind. Hierzu muss ich bemerken, dass ich ein völliger Laie bin, was die Abenteuer der Enterprise und sämtlicher Nachfolgeschiffe betrifft. Weder habe ich einen der zahllosen Spielfilme gesehen, die im Übrigen, wie mir wieder die imdb verrät, erst Jahre nach diesem türkischen Rip-Off an die Kinokassen geschickt wurden, noch auch nur eine Folge der Original-Serie. Mag sein, dass mir dadurch spezifische Feinheiten oder Freiheiten entgehen, die diese türkische Kopie von ihrem Vorbild unterscheidet, allein, das ist nicht der Reiz, den TURIST ÖMER UZAY YOLU'NDA für mich ausmacht, dieser liegt nämlich 1. in seinem unbekümmerten Plot, sodann 2. in seiner unkonventionellen Struktur und schließlich 3. in der offensiven Gegenüberstellung zweier Filmgenres, die eben nicht zusammenprallen und sich vermischen, sondern durchweg einander fremd bleiben und sich beinahe weigern, eine Symbiose eingehen.

Die Frage, weshalb nun Turist Ömer aus dem türkischen Hinterland in den Kosmos gebeamt wurde, zu beantworten, heißt, schonungslos offenzulegen, in welchen wirren Sphären die türkischen Drehbuchautoren auch hier wieder wilderten. Zu Beginn sind Mr. Spack und zwei weitere Enterprise-Mannschaftsmitglieder auf einem fremden Planeten unterwegs, der von einem gewissen Professor Krater und dessen Töchterchen bewohnt wird. Dieser Wissenschaftler, offenbar der Enterprise unterstehend und von dieser regelmäßig mit Lebensmitteln bzw. Forschungsutensilien versorgt werdend, befasst sich mit den üblichen dubiosen Experimenten, und scheint, das fällt auch Mr. Spack auf, vor allem ein reges Interesse daran zu haben, dass die Salzvorräte des Planeten stets in Blüte stehen. Allerdings kommt es bald zu einem rätselhaften Vorfall. Einer von Spacks beiden Begleitern wird von diesem tot aufgefunden: sein Körper bis zum letzten Tropfen Salz geleert. Krater und dessen Tochter, die den Leichnam aufgefunden hat, versuchen, den Todesfall kleinzureden, und stoßen bei Spack auf taube Ohren. Nach Rücksprache mit Kirk wird der Tote auf die Enterprise gebeamt, um dort ausgiebig untersucht zu werden. Währenddessen macht sich Spack, nun zum Kriminalinspektor mutiert, daran, den Planeten von oben bis unten nach Hinweisen auf den Mördern, denn den muss es nach seiner Logik ja irgendwo geben, zu durchsuchen. Indes erfährt der Zuschauer, dass Krater durchaus mit dem Mordfall in Verbindung steht, ihn zumindest vertuschen möchte, denn er verfällt auf die grandiose Idee, wahllos einen Erdenmenschen ins Weltenall hochzuholen, um diesen der Enterprise-Besatzung dann als Schuldigen zur präsentieren, ein, wenn man mich fragt, recht blödsinniger Einfall, vor allem, da er ja schlussendlich darauf hinausläuft, dass sich Turist Ömer inmitten der Felsenlandschaften manifestiert und, von Spack eingefangen und auf die Enterprise geschafft, dort zwar keine Auskünfte über den angeblich von ihm verübten Mord machen kann, die Mannschaft indes mit seinen albernen Sprüchen und seinem nervtötenden Gebaren nahezu in den Wahnsinn treibt.

Nachdem der Film bis dahin als unterhaltsames murder mystery im Sci-Fi-Gewand funktioniert, dabei trotz aller cinematographischen Mängel, die natürlich auch in TURIST ÖMER UZAY YOLU'NDA nicht fehlen dürfen, und ihn, was die technische Seite betrifft, kein Stück über Machwerke wie bspw. 3 DEV ADAM oder YILMANAZ SEYTAN erhebt, alles andere als spannungsarm und langweilig, wird er nun, im Mittelteil, zu einer reinen One-Man-Show Sadri Alisiks, der nicht nur Kirk, Spack und Konsorten den letzten Nerv raubt, indem er an Gerätschaften herumspielt, die weiblichen Besatzungsmitglieder mit ihren extrem knappen Röcken zu verführen trachtet oder generell im ADHS-Modus die buntesten Späße treibt, sondern das Gefühl, das die seriösen Raumfahrer beschleicht, unmittelbar auf den Zuschauer übertragt, was allein ja schon eine Leistung ist: zumindest ich habe zum ersten Mal in meinem Leben einen ungefähren Eindruck davon gewonnen, wie anstrengend es denn nun wirklich sein muss, wenn meine späteren Kinder tatsächlich welche von der unbändigsten Sorte sein sollten. Die Kriminalgeschichte gerät darüber freilich in den Hintergrund, obwohl inzwischen klar ist, dass der eigentliche Übeltäter eine Art Monstrum ist, das beliebig seine Gestalt wandeln kann, und, nachdem es den ersten Mord in Verkleidung des Professorentöchterchens verübte, nun in Enterprise-Uniform auf dem Raumschiff herumschleicht und weiter tötet, um zu Salz zu kommen, das für dieses Ungeheuer ungefähr so wichtig ist wie für den gemeinen Vampir der rote Lebenssaft. Im dritten Teil schließlich erfolgt eine neuerliche Wendung und die Komödie verwandelt sich zurück in einen ernsthaft auftretenden Weltraumthriller, der noch einen äußerst trashigen Monsterkampf bereit hält (das Monstrum steht dabei nahezu regungslos, bloß mit den Armen fuchtelnd, und in erbärmlichem Kostüm auf einem Felsen, während Kirk darunter umherrennt, ohne dass eine wirkliche Attacke stattfinden würde, inszeniert ist das Ganze indes, als würde man hier die nervenzerreißendste Szene der Filmgeschichte serviert bekommen) und natürlich darin mündet, dass Krater sowie dessen salzhungrige Kreation ihr verdientes Ende finden (ohne dass mir klargeworden wäre, weshalb Krater nun ein Ungetüm schuf, dessen einziger Lebenszweck darin besteht, sich permanent mit Salz versorgen zu müssen, um nicht zu zerfallen.)

Wie man sieht, ist TURIST ÖMER UZAY YOLU'NDA gedankenloser, was seine Geschichte betrifft, vergleicht man ihn mit ähnlichen Erzeugnissen des türkischen B- oder C-Kinos wie SÜPERMAN DÖNÜYOR, die immerhin über eine inhärent schlüssige Logik verfügen, allerdings scheint es mir, dass dies gerade zum Konzept des Stark-Trek-Rip-Offs gehört, dem ich einen beinahe experimentellen Charakter dahingehend bescheinigen muss, dass hier zwei unabhängige, unzusammenhänge Dinge, nämlich einmal die kindischen Blödeleien eines Turist Ömer und andererseits das ernst und ambitioniert inszenierte Science-Fiction-Detektivabenteuer überhaupt nicht harmonisch miteinander verschränkt werden, sondern sich wie Blöcke, fast ohne Annäherung von irgendeiner Seite, gegenüberstehen. Ömer wirkt wie der Fremdkörper auf der Enterprise, der er ist. Er und die übrigen Protagonisten gehören zwei verschiedenen Welten an, die einfach nicht zueinanderfinden. So hat der Film ein äußerst zerrissenes Auftreten. Einmal ist er ein nerviges, recht primitives Lustspiel, andererseits versucht er sich darin, spannende, packende Unterhaltung abzuliefern. Wohl dass beides eben nicht verbunden wird, stattdessen jedes Genre in seinem Naturzustand belassen wird, ließ mich TURIST ÖMER UZAY YOLU'NDA euphorisch beklatschen. Nicht mal der sicher unbeabsichtigte Trash (ich sage nur: Monsterkampf, oder erinnere an die Innenausstattung des Raumschiffs, von der sich selbst ein Ed Wood distanziert hätte) vermag den Eindruck zu schmälern, dass TURIST ÖMER UZAY YOLU'NDA mehr als es zunächst scheint mit Lautréamonts sprichwörtlich gewordener zufälliger Begegnung auf dem Seziertisch gemein hat, selbst wenn seine Verantwortlichen als letztes im Sinn hatten, ein avantgardistisches Experiment auszugestalten, in dem, beinahe schon postmodern, auf einer Metaebene, so man will, über die vorhandenen Grenzen von Genres reflektiert wird, und darüber, sie nicht zu überschreiten, sondern zu belassen.

Ich empfehle diese Unglaublichkeit uneingeschränkt! Ich bin verzückt!
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Onkel Joe
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Re: Turist Ömer Uzay Yolu'nda - Hulki Saner (1973)

Beitrag von Onkel Joe »

Während dem Forentreffen warste wohl mal eben in Istanbul Filmchen holen, oder???
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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Salvatore Baccaro
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Re: Turist Ömer Uzay Yolu'nda - Hulki Saner (1973)

Beitrag von Salvatore Baccaro »

Hehe. Nein, nein, die Filmchen hatte ich schon früher vorliegen, nur war ich die letzten zwei Wochen, d.h. auch zu Forentreffenszeit, krank und bettlägerig und dadurch endlich fähig, sie mir auch anzuschauen - wobei ich nicht weiß, ob das die Krankheit unnötig hinauszögerte oder ob ich mich deshalb jetzt wieder so frisch fühle... ;-)

Übrigens kann das gesamte Spektakel hier genossen werden (inkl. englischer Untertitel!):

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Dick Cockboner
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Re: Turist Ömer Uzay Yolu'nda - Hulki Saner (1973)

Beitrag von Dick Cockboner »

Salvatore Baccaro hat geschrieben:
Dieser Film ist ein absolutes Meisterwerk!
Ich empfehle diese Unglaublichkeit uneingeschränkt! Ich bin verzückt!
:thup:
Yupp!
Ich habe dieses schier unglaubliche Werk in 2 verschiedenen VHS-Varianten im Schrank stehen und rate Jedem zu,sich dieses dreiste Stück türkischer Klau-Kultur mal zu Gemüte zu führen.
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