Deliria-Italiano

Vesper Chronicles (Originaltitel: Vesper)
Litauen/Frankreich/Belgien 2022
Regie: Kristina Buožytė, Bruno Samper
Darsteller: Raffiella Chapman (Vesper), Eddie Marsan (Jonas), Richard Brake (Darius), Rosy McEwen (Camellia) u. a.

In der Zukunft ist das Ökosystem der Erde durch die Verbreitung genmanipulierter Pflanzen zusammengebrochen. Die gesellschaftliche Elite lebt in sogenannten Zitadellen. Wer außerhalb lebt, wie das etwa 13-jährige Mädchen Vesper mit ihrem schwerkranken Vater, der das Bett nicht verlassen kann, ist auf die karge Versorgung mit Saatgut angewiesen, das von den Zitadellen ausgegeben wird, aber genetisch so programmiert ist, dass es nur eine einzige Ernte hervorbringt. Auf eigene Faust experimentiert Vesper mit Bakterien, um so vielleicht an fruchtbarere Saaten zu kommen. Begleitet wird sie von einer Drohne, die von ihrem Vater geistig gesteuert wird. Ihr Onkel Jonas macht derweil finstere Geschäfte mit Waisenkindern, denen er für die Zitadelle Blut abzapft, und lässt künstliche Menschen, sogenannte Jugs, für sich arbeiten. Als ein Luftfahrzeug der Zitadelle abstürzt und eine junge Frau namens Camellia als Überlebende bei Vesper einzieht, geraten beide in eine gefährliche Lage, denn sowohl Jonas als auch die Zitadelle wollen Camellia finden.

Vor einiger Zeit im Kino gesehen: Sehr fantasievolle und ansprechende Öko-Science-Fiction. Hier geht es nicht um futuristische Paläste und Wunderwerke der Technik, sondern die Menschheit ist zum Großteil wieder im Matsch gelandet und vieles sieht eher nach Mittelalter als nach Zukunft aus. Die weitgehend gesichtslose gesellschaftliche Elite hält die Menschen außerhalb der Machtzentren in einem ziemlich erbärmlichen Zustand. Die litauische Regisseurin Kristina Buožytė hatte zuvor den erotisch angehauchten und nicht minder interessanten SF-Thriller Vanishing Waves gedreht. Dem Genre ist sie treu geblieben, aber das Szenario ist nun ein ganz anderes und natürlich sehr zivilisationskritisch geraten. Wer denkt bei dem Thema limitiertes Saatgut nicht an Monsanto u. Co.? Dass der Film dadurch nicht zum öden Trauerspiel wird, ist dem lebhaften Spiel von Hauptdarstellerin Raffiella Chapman zu verdanken, aber auch der Vielzahl an Details wie etwa den seltsamen Wesen, die diese Welt bevölkern und unerwartet in die Handlung eingreifen. Mitunter gerät der Film auch recht morbide und erinnert stellenweise an die Bildwelten eines David Cronenberg. Klare Empfehlung!

(Dass man an den Originaltitel "Vesper" in der deutschen Fassung ein "Chronicles" hängen musste, finde ich ziemlich sinnlos, aber das nur nebenbei)