Yilmayan Seytan - Yilmaz Atadeniz (1973)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Yilmayan Seytan - Yilmaz Atadeniz (1973)
Herstellungsland: Türkei 1973
Regie: Yilmaz Atadeniz
Darsteller: Mine Mutlu, Kunt Tulgar, Erol Tas, Erol Günaydin, Muzaffer Tema, Tijen Doray, Yalin Tolga
Stellte man sich vor, man würde aus einem dieser in der Frühzeit des Kinos massenweise produzierten Serials wie bspw. LES VAMPIRES von Louis Feuillade sämtliche Action- und Spannungsszenen herausschneiden und sie in einer Art Best of mit Spielfilmlänge zusammenfassen, hätte man schon eine ungefähre Ahnung von dem Rezept, das dem türkischen Sensationsstreifen YILMAYAN SEYTAN zugrundeliegt. Tatsächlich ergaben meine Recherchen, dass der Film wirklich auf einem US-Serial, allerdings der 40er Jahre, beruht, das den klangvollen Namen MYSTERIOUS DOCTOR SATAN trägt, und offenbar in den 60er Jahren zu einem Spielfilm zusammengeschnitten wurde, der sich wiederum DR. SATANS ROBOT nennt, und zu dem YILMAYAN SEYTAN in keinem anderen Verhältnis als dem einen Remakes steht. Halten wir also fest: YILMAYAN SEYTAN ist die türkische Neufassung eines amerikanischen Kompilationsfilms, der sich einzig und allein aus Szenen einer 20 Jahre zuvor veröffentlichten Serie zusammensetzt.
Unbelastet von derartigem Hintergrundwissen habe ich mich YILMAYAN SEYTAN indes, von quälender Krankheit niedergestreckt und, wohl im Delirium dazu veranlasst, mir endlich einmal sämtliche Trash-Filme türkischer Prägung zu Gemüte zu führen, die ich hier seit Äonen herumliegen habe und von denen ich spätestens nach TURKISH STAR WARS erst mal ehrfurchtsvollen Abstand bewahrte, völlig unvoreingenommen gewidmet, auf alles und nichts gefasst. Bekommen habe ich schließlich einen Film, wie er mir in dieser speziellen Weise noch nie unterkam. Es ist nicht gelogen: zu 100 Prozent setzt sich YILMAYAN SEYTAN aus Actionszenen zusammen. Da ist kein einziger Moment der Ruhe, der Besinnlichkeit. In einem Tempo, das mich schon nach zehn Minuten den Faden der Handlung verlieren ließ, sodass ich keine Ahnung mehr hatte, worauf der Plot eigentlich hinauswill, wird hier eine spannungsreiche Situation nach der anderen abgewickelt: Autoverfolgungsjagden, Flugzeugexplosionen, gefühlte hundert Schlägereien, finstere Machenschaften, mordlüsterne Roboter, Falltüren und Folterkammern wechseln sich in einer Rasanz miteinander ab, dass der gesunde Menschenverstand Mühe hat, hinterherzukommen. Was von der Story hängenblieb, ist im Wesentlichen, dass ein bösartiger Doktor Satan, dessen Gesicht mich sicher noch in Alpträumen verfolgen wird, denn so grimmig sieht normalerweise kein Mensch, sondern nur der Herr Teufel persönlich aus, die Weltherrschaft an sich reißen möchte und sich dazu vielerlei, für mich überforderten Zuschauer leider undurchschaubaren Pläne ausheckte, jedoch einen Gegenspieler in dem Superhelden Copperhead, so nennen ihn zumindest die mir vorliegenden englischen Untertitel aufgrund seiner kupferfarbenen Ganzgesichtsmaske, hat, der dies stets zu vereiteln weiß. Daneben wimmelt es noch von einer Reihe Nebenfiguren, darunter einem völlig over-the-top performenden comic-relief-Charakter, der lüstern unter jeden Frauenrock springen möchte, ein paar Professoren/Wissenschaftlern, die klug-besonnen daherschwatzen und ein paar Damen, die ihre Gazellenbeine, zuweilen auch ihre nackten Körper, minus der primären und sekundären Geschlechtsorgane, der Kamera präsentieren dürfen.
Bezeichnend ist schon allein die Szene, in der unser nomineller Held, ein gewisser Tekin, zu Copperhead wird. Ein Professor, der ihn offenbar als Ziehsohn behütete, offenbart ihm in den ersten fünf Filmminuten, dass sein Vater ein Superheld gewesen sei, der von Dr. Satan ermordet wurde, und ihm als letzten Willen mit auf den Weg gab, er müsse seine Kupfermaske für seinen Sohn aufbewahren, um sie ihm eines Tages mit dem Wunsch zu vermachen, er solle in seine Fußstapfen treten. Tekin nimmt das hin, als würde man ihm das Alltäglichste der Welt erzählen. Sein Ziehvater überreicht ihm die Maske und er verlässt ihn. Gleich darauf taucht einer von Dr. Satans Schergen im Büro des Professors auf, ersticht erst seine Angestellte und dann ihn selbst. Was ein Glück, dass gerade jetzt Erkin völlig unmotiviert zurückkehrt, sich flugs die Maske überstreift und zu Copperhead wird, der von nun an seine Gegner mit kühnsten Kampftechniken niederzustrecken weiß (die in der Praxis so aussehen, dass man lediglich den Film vorspulte, um den in Wirklichkeit wohl eher lahmen Kämpfen wenigstens ein bisschen Esprit zu verleihen.)
Im Grunde ist diese Anfangsszene die einzige in YILMAYAN SEYTAN die den Anspruch auf nur einen Hauch von Psychologie erhebt. Ansonsten sind die Charaktere, auch Erkin, blasse, eindimensionale Figuren, die mehr mit Comic-Protagonisten als mit echten Menschen zu tun haben. In der naiven Weltsicht von YILMAYAN SEYTAN, gegen die jeder frühe James Bond wie eine existenzialistische Abhandlung wirkt, sind die Bösen böse und die Guten eben gut. Dass sich zwischendurch Erkin in die Tochter eines Professors, den es zu beschützen gilt, verliebt geschieht genauso beiläufig wie dass Personen plötzlich aus der Handlung verschwinden, zumeist entführt werden, ohne dass aus der Geschichte klar erkenntlich wird, welchen Zweck die Verbrecher damit nun eigentlich verfolgen. Zumindest ich hatte den Eindruck, dass in YILMAYAN SEYTAN schlicht Szenen fehlen, in denen dem Zuschauer wichtige Informationen hätten preisgegeben werden sollen. Da der Regisseur anscheinend zu einem Grundsatz erkor, ja keine Dialogszene einzuflechten, die länger als eine Minute sein darf, ist das nicht verwunderlich. Konzentriert nur auf die Actionspektakel bleibt somit die reine Handlung, die Oberfläche, das Geschehen, das keinen Story-Unterbau besitzt, das ihn stützen könnte. YILMAYAN SEYTAN ist damit, auch aufgrund seiner trashigen Umsetzung, die sich zwar nie in die heiligen Gefilde von TURKISH STAR WARS vorwagt, dennoch in so ziemlich allen Bereichen eine sprachlos machende Inkompetenz vor sich herträgt, ein Actionfilm im wahrsten Sinne des Wortes, ein unschuldiger Film, dessen Hymen noch nicht von Psychoanalyse, filmtheoretischen Betrachtungen, Kunstphilosophie zerstochen worden ist, naiv und blauäugig, kindlich oder höchstens in den Anfängen der Pubertät steckend. In gewisser Weise lässt es mich staunen, dass es diesem türkischen Machwerk tatsächlich einigermaßen gelingt, die Unberührtheit wiederherzustellen, die man in den oben erwähnten Serials von Feuillade vorfindet, die für mich ein Kino repräsentieren, das sich eben erst in seiner Wiege aufrichtete und verschlafen blinzelnd die Welt anblickt.