Der diskrete Charme der Bourgeoisie - Luis Buñuel (1972)

Moderator: jogiwan

Antworten
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40372
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Der diskrete Charme der Bourgeoisie - Luis Buñuel (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

diskrete_charme_der_bourgeoisie_der.jpg
diskrete_charme_der_bourgeoisie_der.jpg (90.81 KiB) 227 mal betrachtet

Originaltitel: Le charme discret de la bourgeoisie

Herstellungsland: Spanien / Frankreich / Italien (1972)

Regie: Luis Buñuel

Darsteller(innen): Fernando Rey, Paul Frankeur, Delphine Seyrig, Bulle Ogier, Stéphane Audran, Jean-Pierre Cassel, Julien Bertheau, Milena Vukotic, Maria Gabriella Maione, Claude Piéplu, Muni, Pierre Maguelon u. A.
Sechs Personen aus der gehobenen französischen Gesellschaft – darunter die Ehepaare Thévenaut (Paul Frankeur, Delphine Seyrig) und Sénéchal (Jean-Pierre Cassel, Stéphane Audran), eine jüngere Frau und ein Botschafter (Fernando Del Rey) – wollen sich zu einem Abendessen treffen, welches jedoch aufgrund von Missverständnissen und anderweitigen Zwischenfällen immer wieder verschoben werden muss. Zahlreiche Nebenhandlungen, die teilweise im Sande verlaufen, und surreale Sequenzen ergänzen das hämische Portrait der dekadenten Bourgeoisie.
Quelle: www.ofdb.de

Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40372
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Der diskrete Charme der Bourgeoisie - Luis Buñuel (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

Erscheint voraussichtlich am 23.06.2022 bei Arthaus als Ultra-HD-Blu-ray/Blu-ray-Kombination und auch noch einmal auf separater Blu-ray:

Bild Bild

Extras:
Kritische Analyse von Prof. W. Evens
Interview mit Jean-Claude Carriere
Szenenanalyse von Filmkritiker Charles Tesson
Interview mit Charles Tesson
Trailer

Quelle: OFDb-Shop
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Benutzeravatar
buxtebrawler
Forum Admin
Beiträge: 40372
Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
Kontaktdaten:

Re: Der diskrete Charme der Bourgeoisie - Luis Buñuel (1972)

Beitrag von buxtebrawler »

Luis Buñuel („Pesthauch des Dschungels“), spanischer, als Meister des surrealistischen Films geltender Autorenfilmer, lieferte mit der Satire „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ im Jahre 1972 seinen drittletzten Spielfilm – einer seiner besten, sagen viele. Er wurde spanisch-französisch-italienisch koproduziert, von Jean-Claude Carrière mitgeschrieben und für diverse Auszeichnungen nominiert, von denen er u.a. den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann.

Szenen aus der Bourgeoisie: Botschafter Don Rafael Acosta (Fernando Rey, „French Connection“), sein Freund Thévenot (Paul Frankeur, „Die Milchstraße“), Thévenots Frau Simone (Delphine Seyrig, „Blut an den Lippen“) und Simones Schwester Florence (Bulle Ogier, „Der Salamander“) besuchen die Sénéchals (Stéphane Audran, „Neun im Fadenkreuz“ und Jean-Pierre Cassel, „Der Riss“), die eine Einladung zum gemeinsamen Essen ausgesprochen hatten. Unangenehmerweise haben diese sich jedoch offenbar im Datum geirrt: Monsieur Senechal ist gar nicht da und seine Frau hat nichts vorbereitet. Kurzerhand sucht man ein Restaurant auf, bekommt jedoch auch dort nichts zu essen, denn der Besitzer ist gestorben, sein Leichnam befindet sich aufgebahrt in einem Nebenraum. Das Essen wird verschoben und ein neuer Termin vereinbart. Doch ein ums andere Mal entfällt aufgrund von skurrilen Zwischenfällen der Gaumenschmaus…

Dies ist einer der Running Gags des Films, ein anderer sind von Geräuschen überlagerte und damit unverständliche Begründungen. Der Filmaufbau ist episodisch, alle männlichen Hauptpersonen werden sequenziell abgehandelt. Alle drei haben Dreck am Stecken, den sie hinter ihrer bürgerlichen Fassade zu verbergen versuchen – was der Titel wohl mit „diskretem Charme“ meint. Alle drei sind in Rauschgiftschmuggel verwickelt und Acosta entpuppt sich nicht nur als Nebenbuhler Thévenots, der seinem Freund schließlich Hörner aufsetzt, sondern auch als korrupter Botschafter der Militärdiktatur des (fiktionalen) lateinamerikanischen Staats Miranda, deren Verbrechen er kleinredet oder verleugnet.

Die Buñuel-typisch surreale Note erhält „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“, indem sich jede Sequenz als entlarvender Alptraum je eines der Männer herausstellt bzw. die gesamte Handlung als ausgedehnter Traum Acostas, der die Träume der anderen sowie gar die visualisierten Rückblenden einer weiteren Figur enthält: die Spukgeschichten des Lieutenants. Verbunden werden die Episoden durch Szenen, in denen die Gruppe eine Straße entlanggeht – was auch immer Buñuel damit auszudrücken versucht.

Buñuels Abrechnung mit der Bourgeoisie, ihrer aufgesetzten, heuchlerischen Etikette und ihrer willigen Zusammenarbeit mit Faschisten verzichtet weitestgehend auf eine echte Dramaturgie, präsentiert seine Gags leider meist ohne wirkliche Pointe und innerhalb einer zwar präzisen und ökonomischen, jedoch arg nüchternen Mise en Scène. So ist man dann mehr bei Freuds Psychoanalyse – langatmig und irgendwie witzlos – denn bei einer garstigen Verächtlichmachung der Bourgeoisie, die auf zum Auslachen animierende Weise der Lächerlichkeit preisgegeben würde.

Mit seinem Hang zum Surrealismus bleibt Buñuel zudem übermäßig diffus, was mit dem Faschismus in seiner spanischen Heimat zu tun gehabt haben kann, dem Film aber gewissermaßen das angedeihen lässt, was er an seinen Figuren kritisiert: einen bürgerlichen „diskreten Charme“. Bedenkt man, dass Buñuel selbst dem Bürgertum entstammt (und erst später Kommunist wurde), schwingt bei der Rezeption des Films unterschwellig mit, er sei für ein ebensolches Publikum gedreht worden, für eines, das sich selbst in den Figuren wiedererkennt – und nicht für die breite Masse, die sich über diese lustig machen möchte.

Apropos diffus: Der Handlungsort wird nie genannt, angeblich soll es sich jedoch nicht um Frankreich handeln. Weshalb er dann mit französischen Schauspieler(inne)n besetzt wurde, die französische Rollen spielen, bleibt ein Mysterium…

So richtig gepackt hat mich „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ seiner Thematik, mit der man bei mir offene Türen einrennt, zum Trotz leider nicht, weshalb ich mich mit einer diskreten Durchschnittsnote aus der Affäre ziehe.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
Antworten