El Caminante - Paul Naschy (1979)
Moderator: jogiwan
El Caminante - Paul Naschy (1979)
El Caminante - Paul Naschy (1979)
Originaltitel: El Caminante
Alternativtitel: The Traveler
Herstellungsland: Spanien / 1979
Regie: Paul Naschy
Darsteller: Paul Naschy, Sara Lezana, Blanca Estrada, Silvia Aguilar, David Rocha, u.a.
Story:
The devil, following in the footsteps of Christ, decides to become flesh and take a stroll around Earth to see how humans have progressed, and have a little fun creating havoc and mayhem in the process. (quelle: imdb.com)
Originaltitel: El Caminante
Alternativtitel: The Traveler
Herstellungsland: Spanien / 1979
Regie: Paul Naschy
Darsteller: Paul Naschy, Sara Lezana, Blanca Estrada, Silvia Aguilar, David Rocha, u.a.
Story:
The devil, following in the footsteps of Christ, decides to become flesh and take a stroll around Earth to see how humans have progressed, and have a little fun creating havoc and mayhem in the process. (quelle: imdb.com)
it´s fun to stay at the YMCA!!!
» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
» Es gibt 1 weitere(n) Treffer aus dem Hardcore-Bereich (Weitere Informationen)
- Salvatore Baccaro
- Beiträge: 3069
- Registriert: Fr 24. Sep 2010, 20:10
Re: El Caminante - Paul Naschy (1979)
Vor etwa einer Woche hat mich Paul Naschys Regie-Debut INQUISICIÓN endgültig davon überzeugt, dass dieser spanische Filmschaffende nun wirklich mehr zu bieten hat als, wie es oft und gerne dargestellt wird, einen flauschigen Werwolfspelz zur Schau zu tragen. EL CAMINANTE, seine inzwischen vierte Arbeit, an der er als Hauptdarsteller, Drehbuchautor sowie Regisseur partizipierte (dazwischen scheint er offenbar noch einen Thriller und einen Sexfilm gedreht zu haben), hat die Erwartungen, die ich an ihn stellte, nun weder wirklich erfüllt noch enttäuscht. Obwohl das Werk nämlich von Stil, Ästhetik und technischer Umsetzung her stark an INQUISICIÓN erinnert, bekam ich doch etwas völlig Anderes geliefert, als das von dem ich ausging, es serviert zu kriegen.
EL CAMINANTE trägt die Züge einer Abrechnung. Ein pessimistisches Weltbild wird da entworfen, wie es selbst das von INQUISICIÓN noch in den Schatten stellt. Während letzterer ja eher den nüchternen, objektiven Charakter einer naturalistischen Studie hatte, und es die meiste Zeit so wirkte, als würde Naschy seine Protagonisten und ihre Schicksale mit einem emotionslosen Blick von oben herab beäugen und analysieren, was dem Film eine äußerst klare, präzise Bildsprache verleiht, liegen die Dinge in EL CAMINANTE schon verwickelter. Persönlicher wirkt dieser Film, dabei auch zerrissener, überraschender, da er ständig von den Pfaden abweicht, die er eingeschlagen hat, und in einer stillen, unaufgeregten Art nahezu ohne Schauwerte sein Publikum permanent in die Irre leitet und mit Genre-Versatzstücken, Storyentwicklungen oder auch ästhetischen Entscheidungen konfrontriert, die so nun gar nicht abzusehen waren. Inhaltlich erinnert das Ganze an eine simple Legende, für deren Sinnentschlüsselung es keines Literaturstudiums bedarf: dem Teufel höchstpersönlich wird es in seinem Höllenreich zu langweilig, weswegen er sich entschließt, es Gott gleichzutun und sich in Fleisch und Blut zu manifestieren, um einen ausgiebigen Spaziergang durch das frühneuzeitliche Spanien zu unternehmen, wo er dann jede erdenkbare Sünde von Betrug über Unzucht bis hin zu Mord begeht, dabei den Menschen, mit denen er zu tun hat, ins Herz horchend, ob dort der christliche Sermon oder der anstachelnde Gesang seiner Dämonen lauter tönt.
EL CAMINANTE ist in seiner Darstellungsart ein Episodenfilm, der nicht nur unterschwellige Assoziationen zu Pasolinis sog. Trilogie des Lebens wachruft. Sowohl Naschy wie auch Pasolini verzichten darauf, eine kohärente, nach normativen Maßstäben strukturierte Geschichte zu erzählen, vielmehr hangelt man sich von einem Abenteuer zum nächsten, wobei das Besondere ist, dass die einzelnen Episoden im Grunde nicht mehr als flüchtige Skizzen darstellen, oftmals, wenn überhaupt, nicht mal über eine fulminante Pointe verfügen, sondern einfach irgendwann abrupt enden. Meiner Meinung nach liegt das darin begründet, dass Naschy, genau wie Pasolini, sich eines Stils bedienen, der versucht, die spezifischen Eigenheiten mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Literatur und Gedankenwelten in belebte Bilder zu gießen. Old-fashioned bedeutet hier eben nicht nur, dass Naschy im Jahre 1979 einen Film dreht, der so oder so ähnlich auch gut und gerne eine Dekade zuvor hätte entstehen können, ohne dass viel an ihm hätte verändert werden müssen, sondern vor allem, dass seine äußere Form, seine narrative Eigenart noch wesentlich weiter in die Vergangenheit zurückweist, hin zu anti-klerikalen Bauernschwänken, zu christlichen Moralerzählungen, zu vor allem mündlich tradierten Volksmärchen. Damit lässt sich auch erklären, wie "seltsam" EL CAMINANTE für einen heutigen Rezipienten wirken muss, wie scheinbar "un-perfekt" in seinen teilweise äußerst sprunghaften Ortswechseln, in den sich manchmal nahezu widersprechenden Elementen, die er aneinanderreiht, in seiner vorsätzlich anmutenden Befriedigungsverweigerung seines Publikums. Gerade letzteres ist, was mich zunächst auch daran hinderte, völlig in EL CAMINANTE einzutauchen. Solange man sich bekannte dramaturgische Muster herbeisehnt, kann dieser Film einen nur frustrieren. Lässt man sich aber darauf ein, dass Naschy mit uns zu spielen scheint, auf die diebische Freude, die es ihm bereitet haben muss, spannende Momente jäh zu unterbrechen, alberne Witzeleien wie aus einer drittklassigen Sex-Komödie neben wunderschöne, morbide Landschaftsaufnahmen zu stellen, und die ihm eigene, schon in INQUISICIÓN augenfällige, Konsequenz, auf nahezu sämtliche Schauwerte zu pfeifen und sich gar nicht erst dazu hinreißen zu lassen, einen Hauch von Thrill aufkommen zu lassen, bis ins Extreme zu steigern, kann man wohl kaum umhin, ihm immerhin zu bescheinigen, dass er mit EL CAMINANTE einen Film schuf, der relativ allein und eigenartig in seiner Filmographie dasteht, ein kaum zu definierender Bastard aus allen möglichen Kreativschüben, die indes, anders als bspw. in seinen überschäumenden Horrorwerken, mit der Dezenz eines feinsinnigen Chronisten zusammengetragen werden.
Was die Stimmung des Films betrifft, hinken die Vergleiche mit Pasolinis Lebens-Trilogie freilich. Wo dieser in DECAMERONE oder den CANTERBURY TALES das Leben in all seinen bunten Farben, mit dem Leid, dem Schmerz, den Freuden der Liebe und des Festes in der Manier eines Gauklers zum Himmel preist, kann Naschy dieser Welt nur die bitteren, betrüblichen Seiten abgewinnen. Nicht nur resigniert grübelnd wie in INQUISICIÓN attackiert Naschy die menschlichen Leidenschaften, sondern mit einer wahren Wut im Bauch, die sich vor allem in einer Szene entlädt, die mich persönlich unvorbereitet wie eine Ohrfeige traf. Nicht, dass EL CAMINANTE auch nicht zuvor mit einigen Grausamkeiten auffährt, die sich vorrangig im psychischen Bereich abspielen, da der Film, wie gesagt, auf Graphisches weitgehend verzichtet. Da demütigt und erniedrigt der Teufel in Menschengestalt reihenweise Frauen, es werden unschuldige, hilfsbereite Personen aufs Übelste betrogen oder gar ums Leben gebracht, es fallen Sätze, die auch im Mund eines de Sadeschen Libertins nicht fehl am Platze wären, trotzdem übertrifft Naschy sich in seinem bis dahin mehr subtil gärenden Groll selbst, wenn er Tomas, den Begleiter des Teufels, als beide in einem Hurenhaus gestrandet sind, in einer Traumvision die Zukunft der Menschheit erschauen lässt. In einer Drastik, die an ähnliche Montagen im Oeuvre Alberto Cavallones erinnert, werden nun authentische Dokumentaraufnahmen aufgefädelt, die, aus dem Blickwinkel des Films heraus, erst in der Zukunft stattfinden werden, zum Entstehungszeitpunkt des Films aber freilich schon der Vergangenheit angehörten: ausgemergelte KZ-Häftlinge, Schlachtfelder übersät mit Opfern des modernen Materialkriegs, eine zündende Atombombe etc. Spätestens diese Montage-Sequenz, die, trotz ihrer herben Bilder, überhaupt nichts Spekulatives in sich trägt, eher im wahrsten Sinne des Wortes schockiert und bedrückt, kann keinen Zweifel mehr daran lassen, wie ernst es Naschy mit seiner Kritik an einer Gesellschaft ist, die es im Finale letztendlich fertigbringt, selbst den sie besuchenden Teufel an Niedertracht noch zu überbieten.
EL CAMINANTE trägt die Züge einer Abrechnung. Ein pessimistisches Weltbild wird da entworfen, wie es selbst das von INQUISICIÓN noch in den Schatten stellt. Während letzterer ja eher den nüchternen, objektiven Charakter einer naturalistischen Studie hatte, und es die meiste Zeit so wirkte, als würde Naschy seine Protagonisten und ihre Schicksale mit einem emotionslosen Blick von oben herab beäugen und analysieren, was dem Film eine äußerst klare, präzise Bildsprache verleiht, liegen die Dinge in EL CAMINANTE schon verwickelter. Persönlicher wirkt dieser Film, dabei auch zerrissener, überraschender, da er ständig von den Pfaden abweicht, die er eingeschlagen hat, und in einer stillen, unaufgeregten Art nahezu ohne Schauwerte sein Publikum permanent in die Irre leitet und mit Genre-Versatzstücken, Storyentwicklungen oder auch ästhetischen Entscheidungen konfrontriert, die so nun gar nicht abzusehen waren. Inhaltlich erinnert das Ganze an eine simple Legende, für deren Sinnentschlüsselung es keines Literaturstudiums bedarf: dem Teufel höchstpersönlich wird es in seinem Höllenreich zu langweilig, weswegen er sich entschließt, es Gott gleichzutun und sich in Fleisch und Blut zu manifestieren, um einen ausgiebigen Spaziergang durch das frühneuzeitliche Spanien zu unternehmen, wo er dann jede erdenkbare Sünde von Betrug über Unzucht bis hin zu Mord begeht, dabei den Menschen, mit denen er zu tun hat, ins Herz horchend, ob dort der christliche Sermon oder der anstachelnde Gesang seiner Dämonen lauter tönt.
EL CAMINANTE ist in seiner Darstellungsart ein Episodenfilm, der nicht nur unterschwellige Assoziationen zu Pasolinis sog. Trilogie des Lebens wachruft. Sowohl Naschy wie auch Pasolini verzichten darauf, eine kohärente, nach normativen Maßstäben strukturierte Geschichte zu erzählen, vielmehr hangelt man sich von einem Abenteuer zum nächsten, wobei das Besondere ist, dass die einzelnen Episoden im Grunde nicht mehr als flüchtige Skizzen darstellen, oftmals, wenn überhaupt, nicht mal über eine fulminante Pointe verfügen, sondern einfach irgendwann abrupt enden. Meiner Meinung nach liegt das darin begründet, dass Naschy, genau wie Pasolini, sich eines Stils bedienen, der versucht, die spezifischen Eigenheiten mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Literatur und Gedankenwelten in belebte Bilder zu gießen. Old-fashioned bedeutet hier eben nicht nur, dass Naschy im Jahre 1979 einen Film dreht, der so oder so ähnlich auch gut und gerne eine Dekade zuvor hätte entstehen können, ohne dass viel an ihm hätte verändert werden müssen, sondern vor allem, dass seine äußere Form, seine narrative Eigenart noch wesentlich weiter in die Vergangenheit zurückweist, hin zu anti-klerikalen Bauernschwänken, zu christlichen Moralerzählungen, zu vor allem mündlich tradierten Volksmärchen. Damit lässt sich auch erklären, wie "seltsam" EL CAMINANTE für einen heutigen Rezipienten wirken muss, wie scheinbar "un-perfekt" in seinen teilweise äußerst sprunghaften Ortswechseln, in den sich manchmal nahezu widersprechenden Elementen, die er aneinanderreiht, in seiner vorsätzlich anmutenden Befriedigungsverweigerung seines Publikums. Gerade letzteres ist, was mich zunächst auch daran hinderte, völlig in EL CAMINANTE einzutauchen. Solange man sich bekannte dramaturgische Muster herbeisehnt, kann dieser Film einen nur frustrieren. Lässt man sich aber darauf ein, dass Naschy mit uns zu spielen scheint, auf die diebische Freude, die es ihm bereitet haben muss, spannende Momente jäh zu unterbrechen, alberne Witzeleien wie aus einer drittklassigen Sex-Komödie neben wunderschöne, morbide Landschaftsaufnahmen zu stellen, und die ihm eigene, schon in INQUISICIÓN augenfällige, Konsequenz, auf nahezu sämtliche Schauwerte zu pfeifen und sich gar nicht erst dazu hinreißen zu lassen, einen Hauch von Thrill aufkommen zu lassen, bis ins Extreme zu steigern, kann man wohl kaum umhin, ihm immerhin zu bescheinigen, dass er mit EL CAMINANTE einen Film schuf, der relativ allein und eigenartig in seiner Filmographie dasteht, ein kaum zu definierender Bastard aus allen möglichen Kreativschüben, die indes, anders als bspw. in seinen überschäumenden Horrorwerken, mit der Dezenz eines feinsinnigen Chronisten zusammengetragen werden.
Was die Stimmung des Films betrifft, hinken die Vergleiche mit Pasolinis Lebens-Trilogie freilich. Wo dieser in DECAMERONE oder den CANTERBURY TALES das Leben in all seinen bunten Farben, mit dem Leid, dem Schmerz, den Freuden der Liebe und des Festes in der Manier eines Gauklers zum Himmel preist, kann Naschy dieser Welt nur die bitteren, betrüblichen Seiten abgewinnen. Nicht nur resigniert grübelnd wie in INQUISICIÓN attackiert Naschy die menschlichen Leidenschaften, sondern mit einer wahren Wut im Bauch, die sich vor allem in einer Szene entlädt, die mich persönlich unvorbereitet wie eine Ohrfeige traf. Nicht, dass EL CAMINANTE auch nicht zuvor mit einigen Grausamkeiten auffährt, die sich vorrangig im psychischen Bereich abspielen, da der Film, wie gesagt, auf Graphisches weitgehend verzichtet. Da demütigt und erniedrigt der Teufel in Menschengestalt reihenweise Frauen, es werden unschuldige, hilfsbereite Personen aufs Übelste betrogen oder gar ums Leben gebracht, es fallen Sätze, die auch im Mund eines de Sadeschen Libertins nicht fehl am Platze wären, trotzdem übertrifft Naschy sich in seinem bis dahin mehr subtil gärenden Groll selbst, wenn er Tomas, den Begleiter des Teufels, als beide in einem Hurenhaus gestrandet sind, in einer Traumvision die Zukunft der Menschheit erschauen lässt. In einer Drastik, die an ähnliche Montagen im Oeuvre Alberto Cavallones erinnert, werden nun authentische Dokumentaraufnahmen aufgefädelt, die, aus dem Blickwinkel des Films heraus, erst in der Zukunft stattfinden werden, zum Entstehungszeitpunkt des Films aber freilich schon der Vergangenheit angehörten: ausgemergelte KZ-Häftlinge, Schlachtfelder übersät mit Opfern des modernen Materialkriegs, eine zündende Atombombe etc. Spätestens diese Montage-Sequenz, die, trotz ihrer herben Bilder, überhaupt nichts Spekulatives in sich trägt, eher im wahrsten Sinne des Wortes schockiert und bedrückt, kann keinen Zweifel mehr daran lassen, wie ernst es Naschy mit seiner Kritik an einer Gesellschaft ist, die es im Finale letztendlich fertigbringt, selbst den sie besuchenden Teufel an Niedertracht noch zu überbieten.