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Originaltitel: Angustia
Herstellungsland: Spanien / USA 1987
Regie: Bigas Luna
Darsteller: Zelda Rubinstein, Michael Lerner, Talia Paul, Ángel Jovè, Clara Pastor, Isabel García Lorca, Nat Baker, Edward Ledden, Gustavo Gili, Antonio Regueiro, Joaquín Ribas, Janet Porter u. A.
Eigentlich soll der Besuch des Horrorfilms "The Mommy" ja ein Spaß für eine Teenagerclique sein, doch die junge Patty hat absolut kein Vergnügen an dem grausamen Treiben. Denn in "The Mommy" hat die dominante Mutter Alice Pressman (Zelda Rubinstein) ihren Sohn John (Michael Lerner) hypnotisiert und auf eine mörderische Rachetour geschickt, bei der er einer Reihe von Leuten die Augen aus dem Kopf schneidet. Schließlich entert er ein vollbesetztes Kino und beginnt zu morden und Geiseln zu nehmen. Noch viel schlimmer ist, daß in Pattys Kino inzwischen ein Killer (Angel Jove) eingedrungen ist, der den Film so oft gesehen hat, daß er glaubt, von der Mutter ebenfalls hypnotisiert worden zu sein und beginnt, die Besucher zu ermorden. Niemand will Patty zunächst glauben, doch als die Polizei endlich anrückt, nimmt auch dieser Killer die Kinobesucher als Geisel. Das Geschehen im Saal und auf der Leinwand läuft von nun an parallel ab, Film und Wirklichkeit sind kaum noch auseinander zu halten...
„Im Augenblick der Angst“ ist eine US-amerikanisch-spanische Koproduktion aus dem Jahre 1987, bei der der Spanier Bigas Luna („Die tätowierte Leiche“) die Regie führte und auch zusammen mit Michael Berlin das Drehbuch verfasste. Man könnte sie grob in Richtung Slasher einordnen, doch damit würde man dem Film nicht gerecht.
Denn „Im Augenblick der Angst“ ist vor allem ein originelles, gewitztes Verwirrspiel für den Zuschauer, das mit seinem Spielort – einem Kino – deutlich von Lamberto Bavas „Dämonen“ inspiriert wurde, selbst aber offensichtlich wiederum das Slasher-Revival der 1990er-Jahre inspiriert haben dürfte – einige Szenen erinnern doch stark an wesentlich populärere US-Produktionen jenes Jahrzehnts.
Zu Beginn wird man Zeuge, wie eine skurrile Mutter (Zelda Rubinstein, „Poltergeist“) ihren nicht minder skurrilen Sohn und Augenarzt (Michael Lerner, „Das Omen IV“) hypnotisiert und dadurch auf eine Killertour schickt, bei der er seinen Opfern die Augäpfel zu amputieren und seiner Sammlung hinzuzufügen pflegt. Diese Szenen sind schon einmal herrlich gruselig und bösartig-grotesk, Rubinstein und Lerner werden perfekt in Szene gesetzt und ihre Charakterfressen voll ausgekostet. Erst nach einer ganzen Weile bemerkt man bzw. wird einem mitgeteilt, dass man sich in einem „Film im Film“ namens „The Mommy“ befindet, den u.a. zwei süße Teenagerinnen gerade in einem Kino verfolgen und somit ebenfalls den ausgiebig gezeigten Hypnoseszenen mit Spiral- und sonstigen Effekten ausgesetzt sind. Ein genialer Aha-Moment, zumindest beim ersten Anschauen. Es kommt, wie es kommen muss, und auf einen der Kinogäste wirkt die Hypnose tatsächlich, so dass er sich nun in eben jenem Film wähnt und selbigen schiebt – was mit starken Verlusten unter den übrigen Kinogängern einhergeht. Spätestens, wenn der Mörder in „The Mommy“ ebenfalls ein Kino für seine Untaten aufsucht, verschwimmen filmische Fiktion und filmische Realität. Einige Szene wurden von Luna so geschickt montiert, dass beide Ebenen nicht mehr auseinander zuhalten sind. Der Härtegrad ist dabei durchaus als gehoben zu bezeichnen und wurde entsprechend grafisch umgesetzt, ohne aber in einem Splatter-Blutbad zu enden. Stattdessen setzt Luna auf ausdrucksstarke Bilder inkl. einiger Farbfilter-Spielereien etc., während die talentierten Darsteller mit ihrem leicht überzeichneten Schauspiel die Stimmung des Films auf Level halten und mit ein wenig schwarzhumorigem Witz versehen. Denn „Im Augenblick der Angst“ nimmt die hysterische Angst vor angeblich aus Horrorfilmen resultierenden Gefahren aufs Korn und zum Anlass für seine übertriebene Geschichte, die den Freund pathologischer Killergeschichten mit subtiler Selbstironie durchweg gut unterhält.
Damit hat sich „Im Augenblick der Angst“ meines Erachtens seine 7,5 Punkte redlich verdient, auch wenn ich da vielleicht ein klein wenig hochgegriffen habe, weil der Genrefan gerade mit mir durchgeht. Möglich aber auch, dass alle – inkl. meiner –, die den Film gesehen haben, ebenfalls hypnotisiert wurden und nicht mehr viel mit der irdischen Realität zu tun haben. Wie auch immer, diesen Film (eigentlich sind’s zwei zum Preis von einem) werde ich hüten wie meinen Augapfel (ok, ganz schlechtes Wortspiel...).
Eine rhetorische Frage sei aber noch gestattet: Wie geil müsste es kommen, diesen Film in einem Kino zu sehen…?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Ja, davon habe ich auch immer geträumt: Diesen Film mal in einem riesigen Kino zu sehen...
By the way - falls es noch nicht allgemein bekannt ist: Auf der neu erschienenen Blu-ray fehlen gut drei Minuten Handlung, die früher auf VHS vorhanden waren. Ebenfalls komplett sind das alte Bootleg sowie die US-DVD von Anchor Bay.