La Tumba del Pistolero - Amando de Ossorio (1964)

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Salvatore Baccaro
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La Tumba del Pistolero - Amando de Ossorio (1964)

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Originaltitel: La Tumba del Pistolero

Produktionsland: Spanien 1964

Regie: Amando de Ossorio

Darsteller: George Martin,

Würde man von mir verlangen, eine Liste meiner liebsten spanischen Künstler zu erstellen, so ließe sich der Name Amando de Ossorio auf dieser mit Sicherheit relativ weit oben finden. Bekannt geworden ist der 1918 geborene Filmemacher vor allem durch seine kinematographischen Bekenntnisse zur Ästhetik der Schauerromantik ab Ende der 60er, wenn er in Filmen wie MALENKA: LA SOBRINA DEL VAMPIRO, LA NOCHE DE LAS GAVIOTAS und vor allem seinem unumstößlichen Meisterwerk LA NOCHE DEL TERROR CIEGO eine ganz eigenwillige Poetologie vertritt, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche seiner dem Horror-Genre zuordenbaren cineastischen Leckerbissen zieht. Bei de Ossorio ist es stets eine verdrängte, vergessene, verfemte Vergangenheit, die einer jegliche Metaphysik zum schlechten Scherz degradierenden Gegenwart den Kampf ansagt, eine Grundkonfiguration, die bei sämtlichen insgesamt neun Werken, die ich im Auge habe, beibehalten und, von Film zu Film, lediglich feinen Variationen unterzogen wird. Prä-aufklärerische Spukgespenster wie Seemonstren hydrischer Ausmaße, den Ketzerflammentod gestorbene Tempelherren, letztendlich gar die Rheinnixe Lorelei höchstpersönlich, das sind die Manifestationen, die de Ossorio für eine anders auch kaum fassbare übernatürliche, übersinnliche Macht wählt, deren absoluten Gegensatz unsere geistlose und geisterlose Moderne darstellt. Auf wessen Seite de Ossorios Filme ihre Sympathien setzen, ist, zumindest aus meinem Blickwinkel, offensichtlich. Während seine Helden, sofern eine solche Bezeichnung für die weitgehend farblosen Banden, die mit Hauptrollen bekleidet sind, überhaupt angemessen ist, zum größten Teil so wirken, als seien sie aus völlig trivialen Seifenopern entstiegen, sind es ausgerechnet die Ungeheuer, Untoten und Unholde, die de Ossorio auf nahezu ikonische Weise inszeniert. Seine berühmteste Erfindung, die von den Deutschen Titelschmieden mit dem wundervollen Namen Reitende Leichen ausgezeichneten und mit dem Teufel im Bunde stehenden Ordensritter, die wie Zombies schleichen, wie Vampire Blut saufen und wie Slasher-Killer mit Vorliebe die schlachten, die auf Konvention und Moral gespuckt haben, legt davon großartiges Zeugnis ab. De Ossorios unbedingter Stilwille, die blinden Templer wie Popstars auftreten zu lassen, in hypnotisch-nebulöser Zeitlupe auf schlotternden Gäulen und mit einem Score, der die Ohren in Gänsehäute wickelt, führte letztendlich dazu, dass er mit LA NOCHE DEL TERROR CIEGO einen der besten mir bekannten Horrorfilme geschaffen hat, dessen Reiz gerade in diesem Zusammenprall zwischen Alter und Neuer Welt liegt. Banal, unfreiwillig komisch sind die Eskapaden der menschlichen Identifikationsfiguren, erhaben und erhebend sind die Ausritte seiner wahren Helden, mit denen de Ossorio zielsicher archetypische Vorstellungen anvisiert. Dieses Bild wäre es dann auch, das ich über sein komplettes Horror-Oeuvre hängen würde: eine lachhafte Moderne, bestehend aus mit übermäßigem Brusthaar gesegneten Machos und willfährigen, mäuschenhaften oder abwegig-lesbischen Damen, die von der Metaphysik in Form Reitender Leichen zerstückelt werden. Deutlicher kann man wohl kaum bestätigen, in was für einer Tradition man steht.

LA TUMBA DEL PISTOLERO nun aber ist ein Western. Und zwar von 1964. Das heißt: etwa vier Jahre bevor de Ossorio mit MALENKA seinen ersten Schauerfilm drehte. Trotzdem: nicht nur Regie hat er geführt, wie der Vorspann verkündigt, sondern zudem das Drehbuch verfasst. Das schreit nach Autorenfilm und danach, dass wir die geliebte Handschrift seiner späteren Werke hier womöglich schon mehr oder weniger stark in Aktion erleben dürfen.

Pearson City, das ist so ein verschlafenes Nest, wie sie im sogenannten Wilden Westen, glaubt man seiner filmischen Repräsentation, an der Tagesordnung gewesen sein müssen. Es gibt zwar einen Sheriff, einen Arzt, d.h. gewisse Autoritäten, in Wirklichkeit ist das Gesetz indes die Sache des Einzelnen, und wer nicht im Saloon, im Bordell, bei Prügeleien oder Gesetzesübertretungen seine Zeit totschlägt, der wirkt per se, als würde er nicht recht ins Bild passen. Im Jahre 1860 ist das jedenfalls noch so, als Tom Bogarde besagtes Kaff bereist, um näheres über das plötzliche und durchaus mysteriöse Ableben seines Bruders Jack zu erfahren. Dass der tot und begraben sei, ist alles, was er einem Telegramm hat entnehmen können, das ihm der örtliche Gesetzeshüter in die ferne Großstadt zukommen ließ, zu wenig für den ehrgeizigen, jungen Mann, sich damit zu begnügen. Pearson City empfängt ihn allerdings alles andere als warmherzig. Eine Mauer des Schweigens ist es, die man um das Verscheiden Jacks errichtet hat, und unmissverständlich wird Tom von Anfang an klargemacht, wie wenig erwünscht seine Anwesenheit ist, und wie noch unerwünschter sein ständiges Fragen und Forschen nach genaueren Angaben über die Todesumstände des geliebten Bruders. Was er dann jedoch schließlich erfährt, hätte er wohl lieber nicht gehört. Brandon, seines Zeichens Bankier und ehemaliger bester Freund Jacks, eröffnet ihm, dass Jack anscheinend Kopf und Herz einer unter dem tollen Namen Black Rider firmierenden Räuberbande gewesen ist, außerdem eine junge Frau, die ihn liebte, elend erschossen haben soll, worauf er, um weiteres Unheil zu verhindern, von ihm, Brandon, niedergestreckt wurde. Tom kauft diese Geschichte natürlich unter keinen Umständen, und mit der Zeit wird klar, dass in Pearson City einiges faul ist und schon zu riechen begonnen hat, und irgendeine noch so zarte Andeutung, dass wir es hier mit einem Film Amando de Ossorios zu tun haben, versteckt sich in Bereichen, wo nicht mal Lupen noch etwas helfen.

Tatsächlich ist LA TUMBA DEL PISTOLERO zu keinem Zeitpunkt mit dem zu vergleichen, wofür de Ossorios Name heutzutage gemeinhin bekannt ist. Es handelt sich, ästhetisch gesehen, um einen eigentümlich biederen, streng in Szene gesetzten Western, dem man jede Sekunde das Schwanken zwischen der italienischen und der US-amerikanischen Prägung des Genres anmerkt. Es handelt sich, inhaltlich gesehen, um einen konventionellen Kriminalfilm, den man in ein Western-Setting versetzt hat, der aber genauso gut in einer englischen Kleinstadt funktioniert hätte, statt mit einem Revolverheld eben einem jungen, smarten Anwalt in der Hauptrolle, und statt diebesfroher Cowboys einer vorstadtenglischen Ganovenbande. Dabei hat mich bei LA TUMBA DEL PISTOLERO vor allem seine völlig fehlende Emotionalität fasziniert. Da treffen sich zwei Brüder nach Jahren der Trennung und unter der Prämisse, dass einer von ihnen gestorben sei, und die Darsteller, darunter George Martin in einer frühen Rolle, zucken nicht mal mit den Augenlidern. Da erfährt Tom, dass Brandon seinen Bruder, angeblich in Notwehr, erschossen habe, und er nimmt es hin, als habe er ihm eine Zigarette ange-boten. Da werden junge Frauen angeblich von innen her von schrecklichen Leidenschaften aufgezehrt, und stehen dabei wie ein Stock oder eine Schaufensterpuppe. Nein, wirklich warm wird es dem Zuschauer bei diesem Film zu keiner Sekunde, und besonders innovativ ist die ganze Chose ebenso wenig auf der technischen Seite, und die Story an sich hat man so oder so ähnlich ebenfalls schon gesehen, und für einen Western ist das Ganze zu sauber, zu leblos, zu langweilig, und wenn de Ossorio dann auch noch eine Szene, die eine Steilvorlage gewesen wäre dafür, schon einmal ein wenig mit Trockeneisnebel und Käuzchenrufen zu üben, nämlich eine Exhumierung inklusive leeren Sargs, komplett ungenutzt liegenlässt und stattdessen bei heiterem Sonnenschein einfängt, und genauso staubig wie den Rest, dann könnte man ihm, gebe ich zu, beinahe grollen. Dennoch, ein Totalausfall ist das nicht, im Gegenteil hat mich LA TUMBA DEL PISTOLERO nicht wirklich schlecht unterhalten, nur, ein guter Film?, nicht unbedingt, und ich schätze demnach auch, die meisten Westernfans, zu denen ich mich eigentlich nicht wirklich zähle, werden ihm eher mit einem Gähnen begegnen. Vielleicht finden die aber wenigstens die coolen Tief-Männer-Gesang-Songs hörenswert, mit denen dieser Film an Stellen, deren Epik gegen Null tendiert, typisches Wild-Western-Feeling aufkommen zu lassen versucht.
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