Pasión Prohibida - Amando de Ossorio (1980)
Moderator: jogiwan
- Salvatore Baccaro
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Pasión Prohibida - Amando de Ossorio (1980)
Originaltitel: Pasión Prohibida
Produktionsland: Spanien 1980
Regie: Amando de Ossorio
Darsteller: Susana Estrada, Rafael Hernández, Lynn Endersson, José Manuel, Luis Marín
Würde man von mir verlangen, eine Liste meiner liebsten spanischen Künstler zu erstellen, so ließe sich der Name Amando de Ossorio auf dieser mit Sicherheit relativ weit oben finden. Bekannt geworden ist der 1918 geborene Filmemacher vor allem durch seine kinematographischen Bekenntnisse zur Ästhetik der Schauerromantik ab Ende der 60er, wenn er in Filmen wie LA NOCHE DE LOS BRUJOS, EL BUQUE MADITO und vor allem seinem unumstößlichen Meisterwerk LA NOCHE DEL TERROR CIEGO eine ganz eigenwillige Poetologie vertritt, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche seiner dem Horror-Genre zuordenbaren cineastischen Leckerbissen zieht. Bei de Ossorio ist es stets eine verdrängte, vergessene, verfemte Vergangenheit, die einer jegliche Metaphysik zum schlechten Scherz degradierenden Gegenwart den Kampf ansagt, eine Grundkonfiguration, die bei sämtlichen insgesamt neun Werken, die ich im Auge habe, beibehalten und, von Film zu Film, lediglich feinen Variationen unterzogen wird. Prä-aufklärerische Spukgespenster wie lüsterne Leopardenweibchen im afrikanischen Busch, über die Weltmeere segelnde und als Pforten zu Paralleluniversen fungierende Geisterschiffe, letztendlich gar die Rheinnixe Lorelei höchstpersönlich, das sind die Manifestationen, die de Ossorio für eine anders auch kaum fassbare übernatürliche, übersinnliche Macht wählt, deren absoluten Gegensatz unsere geistlose und geisterlose Moderne darstellt. Auf wessen Seite de Ossorios Filme ihre Sympathien setzen, ist, zumindest aus meinem Blickwinkel, offensichtlich. Während seine Helden, sofern eine solche Bezeichnung für die weitgehend farblosen Banden, die mit Hauptrollen bekleidet sind, überhaupt angemessen ist, zum größten Teil so wirken, als seien sie aus völlig trivialen Seifenopern entstiegen, sind es ausgerechnet die Ungeheuer, Untoten und Unholde, die de Ossorio auf nahezu ikonische Weise inszeniert. Seine berühmteste Erfindung, die von den Deutschen Titelschmieden mit dem wundervollen Namen Reitende Leichen ausgezeichneten und mit dem Teufel im Bunde stehenden Ordensritter, die wie Zombies schleichen, wie Vampire Blut saufen und wie Slasher-Killer mit Vorliebe die schlachten, die auf Konvention und Moral gespuckt haben, legt davon großartiges Zeugnis ab. De Ossorios unbedingter Stilwille, die blinden Templer wie Popstars auftreten zu lassen, in hypnotisch-nebulöser Zeitlupe auf schlotternden Gäulen und mit einem Score, der die Ohren in Gänsehäute wickelt, führte letztendlich dazu, dass er mit LA NOCHE DEL TERROR CIEGO einen der besten mir bekannten Horrorfilme geschaffen hat, dessen Reiz gerade in diesem Zusammenprall zwischen Alter und Neuer Welt liegt. Banal, unfreiwillig komisch sind die Eskapaden der menschlichen Identifikationsfiguren, erhaben und erhebend sind die Ausritte seiner wahren Helden, mit denen de Ossorio zielsicher archetypische Vorstellungen anvisiert. Dieses Bild wäre es dann auch, das ich über sein komplettes Horror-Oeuvre hängen würde: eine lachhafte Moderne, bestehend aus mit übermäßigem Brusthaar gesegneten Machos und willfährigen, mäuschenhaften oder abwegig-lesbischen Damen, die von der Metaphysik in Form Reitender Leichen zerstückelt werden. Deutlicher kann man wohl kaum bestätigen, in was für einer Tradition man steht.
PASIÓN PROHIBIDA nun aber ist ein Erotikthriller. Allerdings von 1980. Das heißt: etwa fünf Jahre, nachdem de Ossorio mit LA ENDEMONIADA seinen letzten klassischen Schauerfilm drehte. Trotzdem: nicht nur Regie hat er geführt, wie der Vorspann verkündigt, sondern zudem das Drehbuch verfasst. Das schreit nach Autorenfilm und danach, dass wir die geliebte Handschrift seiner kurz zuvor entstandenen Werke noch immer mehr oder weniger stark in Aktion erleben dürfen.
Teresa, das ist eine Nachtclubtänzerin, wie sie im europäischen Schmuddelfilm der späten 70er, frühen 80er im Dutzend billiger zu bekommen waren, eine laszive Lüsterne, die eben nicht nur auf der Bühne eine Rolle spielt, sondern in ihrem Privatleben ebenso, scheint es, von ihrer Libido dominiert wird. Gerade hat ein unbeabsichtigtes Tötungsdelikt die Idylle des Etablissements, für das sie arbeitet, ein schummriger Schuppen, in dem ausschließlich wenig impressive Tanznummern aufgeführt werden, bei denen die Männer in knallbunten Space-Disco-Klamotten agieren und die Frauen prinzipiell, bis auf ein Paar Schuhe und etwas Schmuck, splitterfasernackt sind, zerstört: bei einer albernen Zirkuseinlage, die darin hatte bestehen sollen, dass einer unbekleideten Schönen in bester Wilhelm-Tell- oder William-Burroughs-Manier ein Apfel vom Kopf geschossen wird, und zwar mit einer echten Waffe und echter Munition, hat die Feuernde, die als Hilfsmittel einzig einen Spiegel besitzt, ansonsten mit dem Rücken zu ihrem Ziel steht, mehrere Meter daneben einen Assistentin in die Brust getroffen. Kurz darauf erhält Teresa eine weitere Todesnachricht per Telefon. Diesmal ist es ihr Vater, der das Zeitliche gesegnet hat. Unvermittelt bricht sie in das süße Küstenstädtchen auf, in dem sie großgeworden ist und das sie, aufgrund interner Familienzwistigkeiten, seit einer Ewigkeit nicht mehr besucht hat. Besonders brodelt das Verdrängte, als sie ihrem Brüderchen gegenübersteht, zu dem sie schon immer ein, sagen wir, außergewöhnliches Verhältnis unterhielt. Es dauert nicht lange bis sie den jungen Mann, der indes mit einer Dorfschönheit liiert ist, so weit gebracht hat, dass er die sie verbindenden Familienbande vergisst und sich ihr in Wollust hingibt und die große Inszestschau kann auf derart träge Weise beginnen, dass man es kaum glauben mag, es hier mit einem Film Amando des Ossorios zu tun zu haben.
Tatsächlich ist PASIÒN PROHIBIDA zu keinem Zeitpunkt mit dem zu vergleichen, wofür de Ossorios Name heutzutage gemeinhin bekannt ist. Es handelt sich, ästhetisch gesehen, um einen reichlich schmierigen, schwül in Szene gesetzten Erotikthriller auf Seifenopernniveau, dem man jede Sekunde anmerkt, dass er sich eigentlich gerne in ein ernstes, bewegendes Drama verpuppen würde, davon aber unaufhörlich durch die immer wieder eingestreuten Softsexeskapaden sowie den umständlich mit der Inzestgeschichte verknüpften Nebenplot über kriminelle Machenschaften im großstädtischen Stripteasegeschäft behindert wird. Es handelt sich, inhaltlich gesehen, um eine wenig ergreifende Liebesgeschichte zwischen Bruder und Schwester, die zwar mit etwas Sex und Crime gewürzt wurde, unterm Strich jedoch fern davon bleibt, einen auch nur am Rande des Herzens, geschweige denn in seine Mitte, zu treffen. Dabei hat mich bei PASIÒN PROHIBIDA vor allem fasziniert, dass der Film letztlich keines dieser ostentativ zur Schau getragenen drei Attribute wirklich einzulösen versteht. Für ein Drama, das den Zuschauer mitfiebern lässt mit den Schicksalen seiner beiden Hauptpersonen, ist, obwohl der Film zu den eher geschwätzigen gezählt werden muss, viel zu wenig Identifikationspotential vorhanden, und Teresa und ihr Brüderchen überschreiten als fiktionale Figuren nie die Grenze, die sie für den Rezipienten auf Distanz hält. Für einen Thriller ist das Ganze zu wenig spannend und reißerisch, zumal gerade die Nachtclubszene, da, wo also mafiöse Machenschaften und infernalische Intrigen regieren, durch de Ossorios unbedingten Willen hervorstechen, jede sich bietende Gelegenheit für eine dieser scheußlichen Tanz- und Gesangseinlagen zu verwenden, die mir die Ohren ganz schön zugekleistert haben. Als Erotikfilm schließlich kommt PASIÒN PROHIBIDA überhaupt nicht zum Schuss: weder sind die lesbischen Liebesspiele und die inzestuöse Annäherungen besonders stimulierend noch besonders exotisch geraten, das ist völlig gewöhnlicher Softcore, schon für 1980, meine ich, nicht sehr bemüht, lautstark auf die Pauke zu hauen, und für meinen Geschmack so sexy wie ein Streifzug über den Madrider Straßenstrich. Als ob man die uninteressanten menschlichen Protagonisten seiner glanzvollen Horrorepen aus diesen herausgeschnitten und vor eine maue musikalische Kulisse gesetzt hätte, dieser Eindruck bleibt mir von PASIÒN PROHIBIDA, und bestätigt, dass de Ossorio scheinbar nur im Verbund mit dem Okkulten und dem Phantastischen die Qualitäten aufweist, für die ich ihn eigentlich sehr verehre.