Originaltitel: Attenti a quelle due...ninfomani
Produktionsland: Italien 1981
Regie: Mario Siciliano
Darsteller: Marina Hedman, Sonia Bennett, Alfonso Gaita, Marcella Petrelli, Guia Lauri Filzi
Anfang der 80er verabschiedet sich Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Mario Siciliano, der seit den 60ern vor allem für seine Kriegsfilme und Italowestern bekannt geworden ist, ins Porno-Milieu. ORGASMO NON-STOP, CARNA-LITÀ MORBOSA oder SESSO ALLEGRO heißen die Filme, die in selbigem unter dem Pseudonym Lee Castle entstehen, und von denen er nur noch einmal Abstand nimmt, um 1984 seinen letzten Spielfilm überhaupt – das großartige Söldner-Melodrama ROLF – zu inszenieren. Das einzige von Sicilianos hardcore-pornographischen Werken, das ich bislang gesehen habe – ORGASMO ESOTICO von 1981 – hat mich, wie man auf der entsprechenden Seite hier im Forum nachlesen kann, dann doch recht positiv überrascht. Ich würde mich nie so weit aus dem Fenster hängen und behaupten, dass das nun, objektiv betrachtet, - (vorausgesetzt es gibt so etwas wie objektives Betrachten überhaupt: ich habe da so meine Zweifel) – ein wirklich guter Film sei, doch interessant genug ist er immerhin, dass ich seiner bizarren Mischung aus stumpfem Gebalze, D’Amato-artigem Okkult-Horror und stibitzten Soundtrack-Perlen immerhin mehrere Seiten Text widmen konnte. Genau das wird mir bei ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI wohl nicht gelingen, weshalb ich mich in einer Einführung verliere, die, weil sie genau das kaschieren soll, erst recht das Scheinwerferlicht auf meine Ideenlosigkeit richtet. Immerhin haben der Film und ich damit etwas gemeinsam: Genauso wenig wie ich weiß, wo ich bei ihm ansetzen soll, um irgendwelche spannenden Beobachtungen und Gedankengänge aus ihm zu extrahieren, genauso scheint er selbst nicht zu wissen, was er eigentlich von mir als Rezipient möchte: Mir eine Geschichte erzählen? Mir eine mehr oder minder amüsante Gesellschaftssatire andrehen? Mich einfach nur aufgeilen?
Wirklich gelungen ist ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI jedenfalls nichts von alledem. Seine Geschichte ist unnö-tig komplex, verschachtelt, randvoll von Figuren und Wendungen, die Kapriolen schlagen, als sei das Drehbuch vor jemandem auf der Flucht gewesen. Ist schon ORGASMO ESOTICO eine logisch kaum nachvollziehbare Zusammenführung einzelner Story-Fragmente, die lediglich in der finalen Szene – (der „Auflösung“ des Films) – halbwegs sinnvoll ineinandergreifen, überflügelt ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI dessen Heterogenität spielerisch noch um ein Vielfaches. Dass Sicliano keine Ideen gehabt hätte, kann man ihm nicht vorwerfen – schon eher, dass es derer viel zu viele sind, und der Film permanent versucht, auf so vielen Bällen wie möglich zu tanzen. Die gesamte Nachtclub-Chose, bei der wir mitunter minutenlang dabei beiwohnen dürfen, wie wiederum Lustgreise mit Partyhüten den titelgebenden Nymphomaninnen beim Strip-Tanz zu Italo-Disco-Nummern zuschauen. Die völlig überzeichneten Ehestreitigkeiten zwischen Quinto und seiner Rosina, die in keinem Bauerntheater der Welt für hüpfende Bäuche sorgen dürfte. Der Seitenarmplot um die betuchte Laura, die Massimo unbedingt unter ihre Fittiche bekommen möchte. Dazu dann noch die quirligen Inzest-Verwicklungen, wenn Massimo sich auf die ihm ganz eigene Weise um seine ebenfalls unter dem Nymphomaninnen-Syndrom leidenden US-Cousinen kümmert. ATTENTI QUELLE DUE…NINFOMANI wirkt wie der neunzigminütige Zusammenschnitt einer Serie, die sich eigentlich über mehrere Episoden erstreckt, und nun zu einem Flickenteppich verkommen ist, der es kaum schafft, seine Lücken und Leerstellen zu übertünchen. Als Gesellschaftssatire eignet der Film dabei schon allein deshalb nicht, weil unser nomineller Held Graf Massimo zwischen all den turbulenten Storyverzweigungen und vor allem dem reichhaltigen Figurenarsenal kaum genügend Laufzeit hat, seinen eigentlich doch recht interessanten Charakter des verschlafenen Traumschlossadligen richtig zur Geltung zu bringen. Stattdessen entscheidet sich Siciliano dafür, sich gleich mehrmals in schrecklich präpubertärem Klamauk zu ergehen – (Graf Massimo hat als treuen Begleiter, ohne Witz!, ständig ein aufblasbares Furzkissen bei sich, was zu äußerst, sagen wir, kindischen Szenen führt) -, in nicht weniger schrecklichen, und zudem endlosen, Slapstick-Sequenzen den Ehezwist von Massimos Secretarius auf die Schippe zu nehmen, oder aber mir minutenlang zu zeigen, wie greise Herren unter Partyhüten und Buntlicht träge, aber geile Blicke auf nackte oder halbnackt sich räkelnde Italo-Disco-Miezen werfen. ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI ist ästhetisch-technisch von einem ähnlichen Minimalismus wie ORGASMO ESOTICO gezeichnet, sprich: die Schnitte sind holprig gesetzt, die Kamera hat einen steifen Nacken, die Bilder sind rein funktional ohne künstlerischen Anspruch. Während ORGASMO ESOTICO aber allein durch seine Affinität zum Übersinnlichen immer wieder für Stirnrunzeln oder das Wegbleiben der Spucke sorgte, stellt sich für mich bei ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI schnell das Gefühl ein, dass nicht jeder italienische Porno der 70er und 80er allein deshalb lohnt, weil er besonders obskur ist.
Aber, Salvatore, höre ich schon die Zwischenrufe, genau darin liegt doch das Problem. Du schaust Dir einen Porno an, oder nicht? Sind Deine Erwartungen denn nicht viel zu hochgesteckt? Eben nicht, erwidere ich, denn bei dem inhaltlich und zeitlich ganz in der Nähe siedelnden ORGASMO ESOTICO hat es doch bestens funktioniert. Das ist ein Film, über den ich mir Tage die Finger wundschreiben und das Hirn wunddenken könnte – und zwar gerade, weil er seinen eigentlichen Zweck, mich sexuell aufzureizen, gnadenlos verfehlt. Genau das Gleiche gilt nämlich auch für ATTENTI A QUELLE DU-E…NINFOMANI, in dem übrigens einige der Nasen zu bewundern sind, die auch in ORGASMO ESOTICO ihre Spitzen sehen lassen – namentlich Marina Hedman und Sonia Bennett, die auch hier erneut als Schwestern des Sex Yvonne und Yvette ein Duo Infernale geben. Alfonso Gaita, der den Graf Massimo möglicherweise überzeugend hätte verkörpern können, hätte Siclianos Drehbuch ihm nur mehr Gelegenheit dazu geliefert, kennt man vielleicht noch als querschnittsgelähmten Onkel aus Mario Bianchis LA BIMBA DI SATANA, und Marcella Petrelli, die eine der beiden Cousinen aus den Staaten spielt, sollte es wenige Jahre später in Rino di Silvestros SOGNI EROTICI DI CLEOPATRA immerhin noch weit genug bringen, einer der mythenumwobensten historischen Frauenfiguren aller Zeiten ihren Körper zu leihen. Ihr Körper – und die der übrigen Akteure und Akteurinnen – ist in ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI allerdings nicht so vorteilhaft in Szene gesetzt, wie man es bei einem Film dieser Intention erwarten dürfte. Ganz ehrlich, wen soll das denn in irgendeiner Weise stimulieren, wenn man für Minuten sieht, wie Massimo von einer Dame – (welche das war, habe ich vergessen) – masturbiert wird, indem sie sich mit dem Bauch an seinen Rücken stellt, und die Arme um seine Hüften legt, oder wenn Hedman und Bennett zum wiederholten Male ihre Geschlechtsteile in Großaufnahme der Kameralinse entgegenhalten, nachdem sie zum wiederholten Male unmotiviert im Discolicht getanzt haben? Besonders unangenehm ist, dass die Post-Synchronisation jede der vollkommen uninspirierten, todeslangweiligen Sexszenen mit Stöhnen und Schreien aus der Konserve unterlegt hat. Ob die Musik, die Sicliano parallel dazu erklingen lässt, tatsächlich für diesen Film komponiert wurde, wage ich zu bezweifeln, bevor ich aber nicht stichfest beweisen kann, dass er erneut, wie schon bei ORGASMO ESOTICO, Soundtracks seiner Kollegen geplündert hat, gilt die Unschuldsvermutung.
Interessant immerhin ist – und es handelt sich dabei um einen der wenigen interessanten Aspekte dieses Filmes, den man grob vielleicht als Fortschreibung der comedia sexy dall’italiane (ein Genre, das mir bislang ebenfalls eher weniger sowohl unteren Körperbereich wie auch Mundwinkel hat zucken lassen) ins Hardcore-Pornographische bezeichnen könnte: Die Blödeleien, Sprüche, komischen Geräusche, Turbulenzen sind dieselben, nur konterkariert mit Großaufnahmen von in Vaginen verschwindenden Penissen -, dass ich nun schlauer bin, was eine der merkwürdigsten Szenen des an merkwürdigen Szenen reichen ORGASMO ESOTICO betrifft. Wir erinnern uns: Nachdem Hedman und Bennett dort einen Gynäkologen verführt haben, richten sie ihn in einer unglaublich schnell und unübersichtlich geschnittenen und von einem grellen Rotfilter entzündeten Szene per Revolverschuss. Des Rätsels Lösung: Diese Szene ist ebenfalls ein Produkt der Plündereien, mit denen Sicliano nicht zum ersten Mal durch die eigene Filmographie marodiert – (schon für SCORTICATELLI VIVI!, seinem Söldner-Goldstück von 1978, hat er, wie ich nunmehr weiß, in großem Stil Landschaftspanoramen seines Früh-Werks SETTE BASCHI ROSSI wiederverwertet) – und stammt ursprünglich aus vorliegendem Film: Graf Massimo schläft schlecht. Ein Alptraum sucht ihn heim. Hedman und Bennett schießen ihn dort über den Haufen. In ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI sieht das sogar recht hübsch aus – (verglichen mit dem schmucklosen Rest des stinkenden Fischs, der dieser Film leider ist) -, in ORGASMO ESOTICO hat Sicliano die gleiche Szene wohl bewusst so, wie gesagt, unübersichtlich und schnell geschnitten, um zu verschleiern, dass die Darsteller von Massimo und dem Gynäkologen nicht identisch sind. Das Ergebnis ist trotzdem beeindruckend, und, um Sicliano wenigstens einmal in diesen Zeilen zu loben, beweist, dass der Mann auch noch in seiner Porno-Phase weiß, wie man die Filmmontage einsetzt, um Täuschungen und Manipula-tionen zu verschleiern. Hätte ich ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOMANI niemals gesehen, wäre mir wohl niemals aufgefallen, dass ORGASMO ESOTICO mindestens einen Fremdkörper in sich trägt.
Hätte ich ATTENTI A QUELLE DUE…NINFOAMI niemals gesehen, hätte ich sonst allerdings nicht viel verpasst. Ich glaube, es wird Zeit, eine Lehre zu ziehen, und aus der Liste mit all den anderen Sicliano-Pornos, die ich mir im Rausch des Wiederentdeckens (oder Erstmalentdeckens) eines unbesungenen Meister alle noch anschauen wollte, erstmal ein Papier-flugzeug zu basteln, mit dem ich in lohnendere Nischen der abseitigen Filmgeschichte flattere…