Originaltitel: Bestialità
Produktionsland: Italien 1976
Regie: Peter Skerl
Darsteller: Philippe March, Juliette Mayniel, Leonora Fani, Enrico Maria Salerno, Ilona Staller, Franca Stoppi
Wer ist eigentlich Peter Skerl? Sein Name immerhin wird sich jedem, der BESTIALIÀ gesehen hat, unvergesslich eingeprägt haben. Er erscheint exakt in dem Moment auf der Leinwand, als die Augen unserer jungen Heldin, Jeanine, und mit ihnen die Kamera auf der oben ausführlich beschriebenen Zoophilie-Szene landen, die es fast schafft, mit der ähnlich skandalösen Eröffnung von Walerian Borowczyks LA BÊTE mitzuhalten. Doch wer ist dieser Peter Skerl? Sein filmisches Oeuvre stellt sich übersichtlich genug dar, um es an einem Nachmittag problemlos aufarbeiten zu können. Sofern jedenfalls, wenn man seiner irgendwie habhaft wird. Schon BESTIALITÀ ist ein Werk aus den Giftschränken des transgressiven Kinos, einer jener Filme, von denen man manchmal hört, manchmal liest, und den man selten einmal sieht. Noch unsichtbarer verhält es sich mit Skerls zweitem und scheinbar letztem Film, der der Kontinuität zu Willen 1979 unter dem Titel MONSTRUOSITA und dem Pseudonym Vigilio Mattei erschienen ist, und über den ich exakt keine einzige Information besitze außer der, dass auch dort, wie schon in BESTIALITÀ, Jess-Franco-Veteran Paul Muller mitgespielt haben soll. Ansonsten ist Skerl anscheinend nur dreimal innerhalb des kommerziellen Filmsystems in Erscheinung getreten. Man listet ihn als Regieassistenz in zwei Ingmar-Bergman-Filmen, SKAMMEN (1968) und den zumindest teilweise inhaltliche Kongruenzen zu BESTIALITÀ aufweisenden VARGTIMMEN (1968). Außerdem soll er am Drehbuch eines etwa verschlafenen Alfonso-Brescia-Giallo herumgeschrieben haben, dessen Titel aber würdig ist, auf einen Brustkorb tätowiert zu werden: RAGAZZA TUTTA NUDA ASSASSINATA NEL PARCO (1972). Trotzdem: wer ist dieser Peter Skerl?
Jahre später: Paul ist Architekt und soll die sündige Insel in Form von zahllosen Photographien zurück aufs Festland bringen. Sein Ziel: sie zu einer Touristenhochburg umzufunktionieren, zu einer Goldgrube, zum genauen Gegenteil dessen, was sie jetzt ist, so verlassen, still und spärlich besiedelt mitten im Mittelmeer. Yvette ist seine Frau, und begleitet ihn selbstverständlich in den mit ein bisschen Arbeit und noch mehr Freizeit versehenen Urlaub. Neben der lokalen Bevölkerung sind nur eine Handvoll weiterer Gäste dort versammelt, allesamt schräge Vögel, allesamt Zerrbilder dessen, was der Spätkapitalismus aus einem macht, wenn man nicht aufpasst. Bei Paul und Yvette läuft es übrigens alles andere als gut, und das nicht nur im Bett, wo Yvette sich regelrecht unter Krämpfen unbefriedigter Lust windet, während Paul neben ihr schon schnarcht. Man hat sich nichts mehr zu sagen, und wenn man redet, redet man aneinander vorbei. BESTIALITÀ ist mal wieder einer dieser Filme, die eine Ehe im Zentrum haben, die nicht wirklich zerrüttet ist, sondern einfach völlig erlahmt, funkenlos, kalt. Dann läuft bei einem Ausflug das Boot an einem menschenverlassenen Teil des Strands auf Grund. Paul und Yvette müssen die Nacht in einer Höhle verbringen, bei ihnen nur ein wortkarger Fischer und ein Hund, von dem Yvette meint, er würde sie permanent beobachten. Zuvor ist Paul schon mehrmals ein junges Mädchen über den Weg gelaufen, dessen treuer Gefährte dieser Hund scheinbar ist. Ihn interessiert das Gespann und er stellt Nachforschungen an. Das Haus oben auf dem Hügel, sagt ein Einheimischer, das werde Hölle genannt, weil es damals so lichterloh in Flammen stand, und selbst heute, obwohl nur noch Ruinen davon geblieben sind, soll es in mancher Nacht erneut zu Brennen beginnen. Paul interessiert die Geschichte und er stellt weitere Nachforschungen an, die ihm dann aber die Tatsache abnimmt, dass das Mädchen, Jeanine, eines Tages bei ihm vor der Tür steht und von Yvette wie selbstverständlich hereingebeten wird. Etwas entspinnt sich nun zwischen dem Trio – oder Quartett, wenn man den Hund hinzurechnet, den wir natürlich längst wiedererkannt haben -, das man Freundschaft oder Ziehkindschaft oder wollüstige Affäre nennen könnte. Nachdem es plötzlich zwischen Paul und Yvette sexuell wieder einwandfrei funktioniert, kaum dass Jeanine mit ihnen unter ein Dach gezogen ist, knüpfen sich auch zärtliche Bande zwischen beiden Ehehälften und dem jungen Mädchen, von dem Hündchen einmal ganz zu schweigen…
Wer ist eigentlich Peter Skerl? Zumindest nicht der alleinige kreative Kopf hinter BESTIALITÀ. Das behaupten zumindest die Sekundärliteratur und die gängigen Internetquellen, die immer wieder George Eastman alias Luigi Montefiori als Skerls linke oder rechte Hand anführen. Sowohl am Drehbuch soll Eastman mitgewirkt als auch zuweilen die Regie übernommen haben. Ein Indiz, das einem der Film selbst liefert, lässt das gar nicht so abwegig für meine Ohren klingen. Eastman kennt man, wenn überhaupt, wohl hauptsächlich noch für seine frucht- und dornenreiche Kollaboration mit Joe D’Amato alias Aristide Massaccessi wie SESSO NERO (1980), PORNO HOLOCAUST (1981) oder, natürlich, ANTROPOPHAGUS (1980), wo er sich in der Rolle des Inselkannibalen Nikos Karamanlis in die Annalen der schlimmeren neueren Horrorfilmgeschichte eingeschrieben hat. Insel, das ist ein Stichwort, das ich aufgreifen möchte: All diese reißerischen, oftmals aber genauso schlafwandlerischen D’Amato-Sagen von Sex und Gewalt eint, meiner Meinung nach, eine Atmosphäre, die die meisten nicht mit klassischen Spielfilmen in Verbindung bringen, sondern eher mit Urlaubvideos assoziieren werden – oder mit den Urlauben, die diesen Videos zugrundliegen. Mit Vorliebe dreht D’Amato in dieser seiner Schaffensphasen auf Inseln - Mittelmeer oder Dominikanische Republik -, in gleißendem Sonnenlicht, das von den Sandstränden derart heftig reflektiert wird, dass man vom Zusehen allein schon einen Stich davon zu bekommen meint, mit den immer gleichen Darstellern, unter denen Eastman selbst umzingelt von Hardcore-Pornoszenen stets die Hose anbehalten darf, und innerhalb von Drehbüchern, deren eigentliche Geschichte nicht mehr als eine Seite umfasst haben dürfte, und die die Reste ihrer teilweise überlangen Laufzeit vor allem mit Füllszenen strecken: Sex am Strand, endloses Anschleichen von Zombies, für die Handlung irrelevante Dialoge, noch mehr Sex am Strand usw. Auf einen Punkt gebracht: D’Amato erweist sich Ende der 70er, Anfang der 80er als ein wahrer Meister darin, eine schwüle, verträumte, sterbenslangweilige, irgendwie aber auch hypnotische Stimmung zu kreieren und diese dann konsequent für weit über eineinhalb Stunden beizubehalten. Genau da liegen die Überschneidungen zu BESTIALITÀ. Der ist zwar wesentlich hand-lungsorientierter, psychologisch glaubhafter und narrativ nachvollziehbarer als beispielweise PAPAYA DEI CARAIBI (1978) oder ORGASMO NERO (1980), dennoch scheint es Skerl und Eastman über weite Strecken weniger darauf anzukommen, eine dramatische Szene an die nächste zu heften als vielmehr ein Stimmungsbild von dem eintönigen, schweißtreibenden Klima der Insel zu geben, auf dem jedwede zwischenmenschlichen Beziehungen erstarrt sind wie die Felsen, die sich um sie herum aus dem Meer erheben. Der Vorwurf, BESTIALITÀ sei totlangweilig, resultiert wohl gerade aus dieser Haltung der Verantwortlichen, nach dem spektakulären Auftakt erst mal mehrere Gänge zurückzufahren, und für knapp eine Stunde im Prinzip gar nichts mehr zu liefern, was irgendwem auf den Schlips treten könnte – es sei denn man rechne Galanterien wie Ilona Stalles entblößte Brüste hierzu. Paul und Yvette vertreiben sich die Zeit damit, ihre in Routine und fehlender Leidenschaft festgefahrene Ehe zu Grabe zu tragen. Sie treffen von Kapitalismus und Luxus übersättigte Inselgäste, fahren mit dem Boot raus, drücken die Leere, die sie umgibt und die sich in ihnen ausbreitet, nicht durch Worte aus, sondern durch ein Schweigen, das der Film übernimmt, was ihn zu einem ziemlich traurigen, tristen Urlaubsvideo macht, sodass er vielmehr einer existenzialistischen Studie von Menschen gleicht, die materiell alles haben und denen emotional riesige Löcher in den Taschen und Herzen klaffen.
Trotzdem liegt über dieser ersten Stunde ein dekadenter Schleier, der noch die unspektakulärste Szene in einem etwas beklemmenden Licht erscheinen lässt. Das hat vor allem mit dem verstörenden Beginn zu tun. Dadurch, dass BESTIALITÀ seine mit Abstand heftigste Szene gleich an den Anfang stellt, wirft diese ihre Schatten automatisch über alles, was danach folgt. Obwohl BESTIALITÁ generell nie besonders schmuddelig wirkt und sein exploitatives Potential in den kommenden neunzig Minuten niemals wieder derart ausspielt wie in den ersten dreien, hält der Zuschauer, einmal damit konfrontiert, zu welchen Tabubrüchen vorliegender Film auf der visuellen und narrativen Ebene fähig ist, im Folgenden so ziemlich alles Unmögliche für möglich, in diesem Werk verhandelt zu werden. Anders als ein beliebiger Horrorfilm, der harmlos beginnt und in seinem Verlauf die Schrauben immer kräftiger anzieht, erzielt BESTIALITÁ seine eigenwillige Atmosphäre auf die diametral entgegensetzte Weise: Sofort in der ersten Szene stößt er dem Großteil seiner Zuschauer derart vor den Kopf, dass dieser in der sonnendurchfluteten Stimmung danach permanent Perversionen durchschimmern zu erkennen glaubt, die der Film gar nicht explizit ausformulieren muss, um effektiv mit ihnen operieren zu können.
Es wäre jedoch verfehlt, BESTIALITÀ deshalb lediglich auf seine zoophile Thematik zu reduzieren. Der Film dieses ominösen Peter Skerl steckt voller kleiner Details, die es zu entdecken lohnt und die ihm eine solche Tiefe verleihen, dass ich ihn durchaus als eine dieser bizarren Mischungen aus Exploitation und Arthouse bezeichnen würde wie sie für das abseitigere Kino Europas in den 70ern irgendwie fast schon konstitutiv ist. Da wäre zum Beispiel der zunächst unscheinbare, später verführerische Soundtrack irgendwo zwischen jazzig-sentimentalen Klängen und welchen, die sich anhören wie Pink Floyd auf der Reise zu fernen Planeten. Wenn Paul seine Nachforschungen bezüglich Jeanine anstellt, die Inseleinheimischen nach ihr ausfragt, die Ruine ihres niedergebrannten Elternhauses aufsucht, dann entsteht genauso für kurze Momente ein klassisches Giallo-Feeling wie die Anwesenheit eines Detektives, der vorgibt, von Jeanines in der Schweiz lebenden Eltern auf die Fährte ihres ausgerissenen Sprößlings angesetzt worden zu sein, sich für mich anfühlt wie ein wandelndes Genre-Zitat auf zwei Beinen. Dass Skerl durchaus fähig, sich auf Meta-Ebenen hin und her zu bewegen, beweist nicht zuletzt ein Dialog zwischen Paul, Yvette und einer älteren Dame, die sich auf die Insel zurückgezogen hat, um sich ihren Lebensabend mit Sonnenschein zu versüßen, und in deren Gefolge die oft barbusige und stets stumm-schöne Ilona Staller wie eine Bettgespielin der Greisin wirkt. Über ihre Profession vertraut die Gute unseren Helden an, dass sie Direktorin einer Werbeabteilung sei, denn, so ihr Argument, das Verkaufen von Gebrauchsgegenständen wie beispielweise Seife sei in der wirklichen Welt wenigstens leichter als das von Sex und Gewalt in den Filmen – eine These, die BESTIALITÀ selbst kurz darauf, wohl bewusst, unterwandert, indem der Film zu übertrieben vergnügter Partymusik die halbnackte Ilona Staller beim Wasserskifahren ins rechte Licht rückt. Daneben wird aber ein durchaus ein psychologisch glaubwürdiges Bild gezeichnet von gerade Paul und Yvette und ihrer eingeschlafenen Beziehung zueinander, das von den eher feinen, sachten Linien lebt. Peter Skerl ist kein Antonioni – obwohl er mit diesem natürlich die Vorliebe für die Bebilderung einer gesellschaftlichen Oberschicht teilt, die gar nicht weiß, wohin mit sich, ihren befriedigten materiellen Gelüsten und ihren unbefriedigten emotionalen -, doch oft weiß er, seine Inszenierung mit einer Virtuosität zu führen, die in den kleinen, unaufgeregten, wenig plakativen Gesten zum gelungensten Ausdruck kommt. Wenn Paul zum Beispiel eines Tages nach Hause kommt, Gekicher aus dem Badezimmert hört, zur Ecke schleicht, von der aus er unbemerkt hineinspähen kann, und Yvette und Jeanine dabei erwischt wie die eine splitterfasernackt in der Wanne sitzt und die andere ihr fast schon zu vertraulich mit einem Handtuch über den feuchten Körper fährt, dann unterminiert BESTIALITÀ das voyeuristische Potential dadurch, dass sie nicht nur Pauls verstohlenen, halb erregten, halb überraschten Blick auf die Szenerie einnimmt, sondern außerdem zeigt wie er sich gleich darauf zurückzieht und dann, lauter, um die beiden Frauen vorzuwarnen und zu verhehlen, dass er bereits gesehen hat, womit sie beschäftigt sind, ein weiteres Mal nach vorne tritt. In einem solchen Moment bringt es BESTIALITÀ fertig, gleich zwei Hörner aus einem Stück Elfenbein zu schnitzen: Der exploitative, d.h. in diesem Fall der auf die kommerzielle Verwertbarkeit von Nacktheit schielende Aspekt bleibt einerseits gewahrt – wir sehen Yvette und Jeanine quasi durchs Schlüsselloch bei einem intimen Moment, der klarmacht, dass da bald noch mehr unterhalb der Gürtellinie passieren wird -, und andererseits nutzt Skerl ihn, um über diesen Umweg etwas über die Figur des Paul zu verraten – sein Zurückweichen sagt nämlich mehr über seinen Charakter als es jeder seitenlange Monolog vermocht hätte. In einem dritten Schritt werden sogar noch wir, das Publikum, miteinbezogen: Es sind nicht bloß Pauls Augen, die aus dem Verborgenen ins Badezimmer spähen, sondern auch unsere eigenen, worauf wir, im Gegenschnitt, der Pauls Gesicht in Großaufnahme zeigt, direkt mit der Nase gestoßen werden – ein Verfahren, das schon die Eröffnungsszene mit der Hund-Frau-Kopulation so intensiv gemacht hat.
Doch geizt BESTIALITÀ auch nicht mit einer Symbolik, die man wahlweise überbordend oder poetisch nennen kann. Auffällig ist zunächst vielleicht die unverhohlene Gesellschaftskritik, die Skerl anhand der schwerreichen, luxusverseuchten Inselgäste übt, wenn er zum Beispiel beim Verspeisen des Mittagsmahl ihre Gesichter derart nahe an die Kameralinse heranholt, dass sie etwas Comichaft-Verzerrtes bekommen. Ein junger Mann, der die meiste Zeit über chauvinistische Sprüche klopft und sich ansonsten feist auf seinem Erbe ausruht, schlingt die Speisen wie ein Schwein in sich hinein, seine wenig intelligente und ihm wie ein laufender Kleiderständer folgende Liebste wird beim Essen passend mit den Geräusche von Kühen unterlegt, und die alte Bigotte, die wirkt, als sei sie aus einem Roman der Viktorianischen Zeit gepurzelt, nimmt immer nur ganz schmale Bissen zu sich und ähnelt auf einmal einem ausgemergelten Truthahn. Während uns dieser moralisierende Anthropomorphismus eher mit dem Holzhammer um die Ohren gehauen wird, fallen die Abstecher in religiöse Sphären vor allem des christlichen Abendlandes, die BESTIALITÀ in schöner Regelmäßigkeit unternimmt, um sich mit einem heilsgeschichtlichen Überbau zu schmücken, schon vergleichsweise subtiler aus. Nicht nur, dass auf der Insel ein reicher Herr lebt, der scheinbar über seinem Vermögen den Verstand verloren hat, sich seitdem auf der Suche nach Gott befindet, Thesen vertritt wie die eines Franz von Assisi würdige, dass sämtliche Tiere in völliger Harmonie zueinander gelebt hätten bis zu dem Tag, als sie dem Menschen begegnet seien, und großartig wie üblich von Paul Muller verkörpert wird, auch schiebt das Drehbuch den einzelnen Stationen von Pauls, Yvettes und Jeanines Liebes- und Leidensweg eindeutig Bibel-Motive zu. Die Ruine von Jeanines Elternhaus, das wir zu Beginn, quasi beim Sündenfall ihrer Mutter, die zwar nicht vom Baum der Erkenntnis, sondern vom Penis eines Rüden nascht, in Flammen aufgehen sehen, wird von den Inselbewohnern liebevoll als Hölle bezeichnet. Das vorrangig auf Rausch und Saus angelegte Partytreiben der Inselgäste trägt nicht nur, wenn Frau Staller zum wiederholten Male blankzieht, Züge eines modernen Sodom und Gomorrha. Und wenn Yvette gegen Ende Paul dazu überredet, dem ihr nachspürenden Detektiv nicht zu verraten, dass sie Jeanine bei sich aufgenommen haben, dann lautet ihr Hauptargument, in ihrer ménange-à-trois das Paradies auf Erden, d.h. einen neuen Garten Eden gefunden zu haben. Die von mir an dieser Stelle tunlichst verheimlichte Schlusspointe des Films macht die ambivalente Haltung, die er gegenüber seines Stoffes einnimmt, noch deutlicher: Dem existenzialistischen Inhalt gemäß bleibt es letztlich mir selbst überlassen, wie ich die Handlungen der Figuren werten möchte bzw. ob ich das, was sie als Paradies bezeichnen, mit dem gleichen Wort belegen würde oder nicht doch eher mit seinem genauen Gegenteil.
Ich merke gerade selbst wie ich von meinem eigenen Lob weggerissen werde, und ich sollte vielleicht innehalten, um endlich die Frage zu beantworten, die mich nun seit mehreren Seiten beschäftigt: Wer ist eigentlich Peter Skerl? Es bedarf keiner großen Recherche, um auf die Theorie zu stoßen, dass es sich bei ihm, wie schon bei Virgilio Mattei, um ein bloßes Pseudonym handelt. Sollte in Wirklichkeit George Eastman diesen Film gedreht haben? Das liegt nahe, doch alles deutet auf jemand anderes hin. Im gesamten Stab von BESTIALITÀ ist – einmal abgesehen von den Schauspielerinnen wie der noch aus Georges Franjus LES YEUX SANS VISAGE bekannten Juliette Mayniel, dem sündigen Matratzenhäschen aus Venedig Leonora Fani und der wunderbaren, sich dem sexuellen Duell mit dem Dobermann hingebenden Franca Stoppi – nur eine einzige Frau vertreten. Sie heißt Giuliana Gamba und soll Skerls Regieassistenz gewesen sein. PROFUMO (1987), LA CINTURA (1989) oder PORNOVIDEO (1981) nennen sich Filme, die sie ab Anfang der 80er unter eigenem Namen realisiert hat. Manche Internetquellen jedoch behaupten: Peter Skerl ist lediglich eine Tarnkappe, die sie sich für BESTIALITÀ und MONSTRUOSITA überzog – möglicherweise, um im männerdominierten italienischen Transgression-Kinos nicht negativ aufzufallen. In jedem Fall dürfte Gamba damit die einzig mir bekannte Frau sein, die jemals auf einem Regiestuhl saß, von dem aus ein derart unangepasstes, mutiges, schamloses Stück Arthouse-Exploitation dirigiert worden ist wie das vorliegende – was BESTIALITÀ für mich schon fast zu so etwas macht wie dem filmhistorischen Gegenstück zu einem als Schlüsselwerk der feministischen Filmavantgarde geltenden Meisterwerk wie JEANNE DIELMAN von Chantal Akerman. Der ist nur ein Jahr früher, 1975, erschienen. Auch ist Akerman selbst lediglich drei Jahre älter als Gamba. Aber wer ist denn dann Peter Skerl? Von dem heißt es nämlich, er habe 1942, also über ein Jahrzehnt vor Gamba, das Licht der Welt erblickt. Sei’s drum – wer auch immer nun BESTIALITÀ gedreht hat, und Mysterien hin, Mysterien her: Ich empfehle diesen Film jedem, der leuchtende Augen bekommt, wenn er sich vorstellt, dass folgende Regisseure gemeinsam ein Projekt auf die Beine stellen – Joe D’Amato, Alberto Cavallone, Michelangelo Antonioni, Walerian Borowczyk.