Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

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Moderator: jogiwan

purgatorio
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Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von purgatorio »

Der Nachtportier

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Deutscher Titel: Der Nachtportier
Originaltitel: Il portiere di notte

Regie: Liliana Cavani
Produktionsland: Italien (1974)

Darsteller: Dirk Bogarde, Charlotte Rampling, Philippe Leroy, Gabriele Ferzetti, Giuseppe Addobbati, Isa Miranda, Nino Bignamini, Marino Masé, Amedeo Amodio, Piero Vida, Geoffrey Copleston, Manfred Freyberger

Story:
Ein ehemaliger SS-Offizier (Dirk Bogarde) ist im Wien der 60'er Jahre als Nachtportier in einem Hotel untergetaucht. Plötzlich wird er mit einem unerwarteten Hotelgast konfrontiert, einer verheirateten Jüdin (Charlotte Rampling), die er als 14-jährige in einem KZ im Rahmen von Sado-Maso-Spielen zu seiner Geliebten machte. Die Affäre beginnt nun von neuem, doch seine SS-Kameraden wollen den Tod der Frau, da sie als Zeugin aussagen könnte ...
(via ofdb)
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Nello Pazzafini
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von Nello Pazzafini »

was für ein wunderschöner, melancholischer und trauriger Film, gedreht in Wien und einfach nur grande dass Teil!!! Da könnt ich euch einmal Drehort vergleiche senden wenn es beliebt ;)
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purgatorio
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von purgatorio »

DER NACHTPORTIER (IL PORTIERE DI NOTTE, Italien 1974, Regie: Liliana Cavani)

Max hat eine düstere Vergangenheit. Er war SS-Offizier in einem Lager. Nach dem Krieg tauchte er als Portier in einem Wiener Hotel unter. Er arbeitet nachts, da er sich tagsüber schämt. Eines Tages tritt ihm im Foyer eine junge Frau gegenüber, die er aus dem Lager kennt…

DER NACHTPORTIER ist harter Tobak – speziell für die Zeit, in der er entstand. Zum einen gibt es hier einen Nazi, der auch Mensch ist, der hinter Uniform und Kittel, hinter Strenge und Disziplin Gefühle versteckt. Zum anderen gibt es hier einen Nazi, der sich übelster Verbrechen schuldig gemacht hat und nun ungestraft und von Freunden gedeckt unter uns lebt. Und nicht zu Letzt gibt es hier einen Nazi, der ein junges, 15jähriges Mädchen in Haft zu seiner sexuellen Gespielin machte – mehr noch: zu seiner Sex-Sklavin. Und dieses junge Mädchen fügt sich dem sadomasochistischen Grundtenor der einst ungleichen Beziehung ein weiteres Mal. Nicht jedoch ohne sich dem Rollenwechsel der einstigen Machtverhältnisse bewusst zu sein. DER NACHTPORTIER scheint mir eine erste filmische Studie zum Stockholm-Syndrom (so benannt nach einem Ereignis in Stockholm 1973) zu sein, dass in eine ungleich düsterere Rahmenhandlung eingebettet wurde. Hierbei werden eine Vielzahl von (damaligen) Tabu-Themen aufgegriffen und zur Diskussion gestellt.

Die Protagonisten sind sich ihrer ehemaligen und neuen Rolle in der Beziehung bewusst. Sie liefern sich einander aus, fügen und wehren sich, bekämpfen und lieben einander. Schmerz und Liebe tritt hier beiderseitig sowohl physisch als auch psychisch auf, wird provoziert und gewollt. Im Grunde handelt es sich um eine tragisch-melancholische Liebesgeschichte, durchaus auf dem Niveau von ROMEO UND JULIA und ähnlichem (mit vertauschten Rollen lassen sich auch Assoziationen zu DER VORLESER finden). Schließlich ist es ein Verhältnis, welches so nicht sein kann und sein darf. Dennoch existiert es – und beide Protagonisten haben nicht vor dies zu leugnen. Das Max seine Vergangenheit nicht zu ignorieren versucht ist schon nur daran erkennbar, dass er seine Uniform aufbewahrt hat und bisweilen sogar trägt. Und auch Lucia lässt sich bereitwillig wieder in Ketten legen und akzeptiert ihre alte Rolle im neuen Spiel – völlig losgelöst von ihrer eigentlich gewonnenen Freiheit.

DER NACHTPORTIER ist ein sehr ruhiger, stimmungs- und kunstvoller Film, der durch die Verknüpfung von Leni Riefenstahl- und gängiger Nazi-(Uniform-)Ästhetik mit Erotik, die wiederum durch den SM-Bezug in eine zutiefst metaphorisch geladene Ebene von Herr- zu Sklaventhematik gedrängt wird, sehr kritisch und kontrovers aufgenommen wurde. Bisweilen gilt dieser Film sogar als einer der Prototypen der Naziploitation, was ihm aber auf Grund eines tiefgreifenden künstlerischen Anspruches nicht im Geringsten gerecht wird. Dennoch weiß dieser Film nur bedingt zu überzeugen. Nicht, dass die Verknüpfung zur Lagerthematik in irgendeiner Form selbstzweckhaft und aufgesetzt wirken würde, aber es ist bei allem Ernst auch ein Mangel an sensiblem Gespür für den historischen Stoff zu konstatieren. Die Rückblenden sind teils unzusammenhängend und nur wenig dramatisch arrangiert, so dass sich der Heftigkeit und Trostlosigkeit des Basisszenarios nur schwerlich erschließt. Zeit für mehr und intensivere Rückblenden wäre aber allemal gewesen, da der Film im Gesamteindruck leider auch einige Längen aufweist. Ernstzunehmende Spannung will kaum aufkommen, obwohl man sich der kontroversen Dramatik nur schwerlich entziehen kann. DER NACHTPORTIER ist ein zwiespältiger Film, der zwar längst nicht zu halten vermag, was sein vorauseilender Ruf seit den 70er Jahren in Aussicht stellt, der aber dennoch einen Blick wert ist. Er stellt sich und seinen Gegenstand zur Debatte – mehr nicht. Alles andere obliegt dem Rezipienten, sofern er sich von dieser grenzwertigen Dramatik und dem teils unerträglichen Konflikt zwischen Liebe und Verbrechen nicht entziehen konnte und auch über die Laufzeit des Spielfilms hinweg noch Aufmerksamkeit für das Thema aufbringen möchte. 7/10
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Santini
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von Santini »

Mille grazie für deine sehr lesenswerte Review, purgschi. ;)
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CamperVan.Helsing
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von CamperVan.Helsing »

Ich sollte mir den echt mal ansehen.
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Nello Pazzafini
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von Nello Pazzafini »

ein "Prototyp der Naziploitation"? Welcher Depp hat den das geschrieben Purgschi? Unfassbar, wie kann man das so falsch sehen und verstehen? Hat mit Naziploitation aber null zu tun.....
der film ist überhaupt nicht zwiespältig, das klingt gerade in diesem fall sehr negativ und trifft da einfach nicht zu. alles anderen liegt beim betrachter, wenn man sich auf die geschichte einlässt ist man regelrecht gefangen von ihr und die entwicklung wie auch das ende fesselt obendrein das ich da auch keine spannungsarmut erkennen kann. Einlassen muss man sich drauf und die Thematik muss man mögen dann kann der Film alles. Schön auch das die Geschichte eine Frau verfilmt hat......
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dr. freudstein
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von dr. freudstein »

Nello Pazzafini hat geschrieben:was für ein wunderschöner, melancholischer und trauriger Film, gedreht in Wien und einfach nur grande dass Teil!!! Da könnt ich euch einmal Drehort vergleiche senden wenn es beliebt ;)
Ja wo denn, ja bitte sehr, ja bitte gleich :D :winke: :wart:
purgatorio
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von purgatorio »

Nello Pazzafini hat geschrieben:ein "Prototyp der Naziploitation"? Welcher Depp hat den das geschrieben Purgschi? Unfassbar, wie kann man das so falsch sehen und verstehen? (...)
also ich verstehe schon wie der empfundene Prototyp-Charakter zu Stande kommt. Es sagt ja niemand, dass der Film mit Naziploitation etwas zu tun haben muss, es wird lediglich festgestellt, dass er ein Grundszenario etabliert, dass später in übertriebener Form weiter genutzt wird.

Weiterhin sagt wikipedia, dass folgender Satz:
Dieser Film stellte den Prototyp einer ganzen Welle teils reißerischer, oft an der Grenze zur Pornographie rangierender Exploitationfilme [dar], die die genoziden Verbrechen des Dritten Reiches als Hintergrund für meist triviale Erotikdramen benutzten.“
von Marcus Stiglegger stammt (Vgl. Kritik 2). Es klang für mich auch nach Marcus und ist, wie schon knapp umrissen, meiner Ansicht nach auch plausibel. Merkwürdig ist nun aber, dass der Wiki-Artikel auf das Vortragskript zu den Kernthesen aus Stigleggers Buch SADICONAZISTA verweist, welches per Ikonenmagazin verfügbar ist :arrow: http://www.ikonenmagazin.de/artikel/sadiconazista.htm
Allerdings kann meine Suchfunktion eben diesen Satz in diesem Artikel gar nicht finden :|


PS: Drehortbericht wird ich mir natürlich auch ansehen wollen :nick: Laut wiki ist ja sowohl in Wien als auch in Rom gedreht worden :mrgreen:
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jogiwan
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von jogiwan »

ich würde den auch gerne sehen wollen... :pfeif:
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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purgatorio
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Re: Der Nachtportier - Liliana Cavani (1974)

Beitrag von purgatorio »

Nello Pazzafini hat geschrieben: der film ist überhaupt nicht zwiespältig, das klingt gerade in diesem fall sehr negativ und trifft da einfach nicht zu. alles anderen liegt beim betrachter, wenn man sich auf die geschichte einlässt ist man regelrecht gefangen von ihr und die entwicklung wie auch das ende fesselt obendrein das ich da auch keine spannungsarmut erkennen kann. Einlassen muss man sich drauf und die Thematik muss man mögen dann kann der Film alles. Schön auch das die Geschichte eine Frau verfilmt hat......
Also ich befand mich sehr wohl in einem Zwiespalt (und das provoziert der Film meiner Einschätzung nach auch absichtlich): gönne ich denn dem Nazi, dem Verbrecher (!), sein Glück in der alten Liebe? Gönne ich es der ehemaligen Gefangenen, die eventuell in einem psychologischen Konstrukt fest hängt (Stockholm-Syndrom) und sich darum erneut ausliefert ohne selbst einen wirklichen Wiederstand leisten zu können? Oder sollte sie mir lieber Leid tun? Sollte der Nazi nach zwölf Jahren unbehelligtem Leben unter uns nicht allmählich mal zur Rechenschaft gezogen werden? Und vor allem: durch wen denn? Soll ihn seine Geliebte verraten oder seine Schergen und Gehilfen? Soll er vor Gericht oder in einer dunklen Gasse gerichtet werden? Hat sich der Mensch denn geändert? Heiße ich das gut, überwiegt Liebe die Schuld? usw. ... ich empfinde das sehr wohl als provozierten Zwiespalt, dem sich der Rezipient zu stellen hat :nick: Immerhin muss ich als Betrachter mich mit Menschlichkeit auseinander setzen, die ich einem unmenschlichen Akt und absoluter Barbarei entgegen bringen soll... das ist schon recht schwierig
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