Die Halunken - Dario Argento (1973)

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DrDjangoMD
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Die Halunken - Dario Argento (1973)

Beitrag von DrDjangoMD »

Die_Halunken.jpg
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Originaltitel: Le cinque giornate

Land: Italien

Jahr: 1973

Regie: Dario Argento

Darsteller: Adriano Celentano, Cerusico, Marilu Tolo, Luisa de Santis, Glauco Onorato, Carla Tatò,...
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DrDjangoMD
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Re: Die Halunken - Dario Argento

Beitrag von DrDjangoMD »

Handlung:
In Mailand tobt die Revolution. Das Volk versucht die Herrschaft der Österreicher (Österreich vor! Ihr schafft die Italiener! Österreich vor! Ihr schafft die Italiener…) zu beenden um endlich die ersehnte Demokratie einzurichten. Zu dieser Zeit macht sich ein Taschendieb (Adriano Celentano), den die Politik weniger als gar nicht interessiert, auf die Suche nach einem Berufskollegen, der ihn einst die Beute unterschlagen hatte. Gemeinsam mit einem jungen Bäcker (Enzo Cerusico), schlägt sich der Dieb durch das Chaos der Revolution…

Kritik:
Betrachtet man im Nachhinein wie dieser Film aufgebaut ist und wie die Aussage vermittelt wird, so wird man sich eingestehen müssen, dass es sich bei „Die Halunken“ um einen von Argentos cleversten Filmen überhaupt handelt. Hierzu jedoch später, vorher die frage, ob es auch die rundum gelungene makellose Krone von Argentos Schöpfung darstellt – sicherlich nicht. Wieso? Weil man sich die erste dreiviertel Stunde fragt was zum Teufel in Dario gefahren ist!
Schon bevor man die DVD in den Player gegeben hat kommen einem Zweifel. Dario Argento, ein Regisseur dessen größte Stärke darin liegt Spannung durch Beleuchtung und Kamera zu erzeugen inszeniert eine als prächtig ausgestatteter Kostümfilm angelegte Komödie mit Adriano Celentano? Kann das funktionieren? Nach dem ersten Drittel zu schließen kann es das nicht. Dario scheint keine Ahnung davon zu haben, wie man Witze richtig inszeniert. Diese sind mit so einem Unvermögen getimed, die Pointen werden so dilettantisch vermittelt, dass einem das Lachen schwer fällt. Seine Visuellen Fähigkeiten setzt er überhaupt nicht ein, ordinäres Licht und unbewegte Einstellungen sind angesagt.
Noch dazu strotzt der Film vor Miniplots die für die Handlung total irrelevant sind, wie die Episode in der Celentano und Cerusico als provisorische Geburtshelfer fungieren. Solcherlei Filler würde mich ja nicht aufregen, wüsste ich nicht, dass das ganze Ding eine Laufzeit von zwei Stunden hat. Und wäre dem nicht genug kommen in dieser Komödie plötzlich ein paar düstere Szenen, die jeden Funken von Humor missen. Und die Damenwelt ist auch nymphomanischer als in jedem Joe D’Amato Film. OK, Langeweile kommt nicht auf, nicht zuletzt durch Celentanos unterhaltsamen Charakterkopf, aber sonst sah ich keinen positiven Aspekt am gesamten Anfang des Streifens.
Dann beginnt sich der Film plötzlich zu verändern und dies macht er auf eine so geschickte Weise, dass ich mich sogar wieder mit dem ersten Drittel anfreunden konnte. Die erwähnte Gewalt bleibt, der Humor jedoch verschwindet. Absurder Klamauk wird durch abstrakte surreale Szenen abgelöst. Komische Kauze dienen keinen billigen Lachern mehr, sondern der Versinnbildlichung des Revolutionschaos. Es kommt zu melodramatischen Wendungen, Freunde sterben entweder oder werden zu Feinden, Silberstreifen werden radikal weggewischt, und die Revolution selbst, die anfangs nur Hintergrund für die Gags war, rückt vehement in den Vordergrund.
Besonders die dramatischen Szenen werden von Argento meisterhaft Inszeniert. Bei Witzen tut er sich schwer, doch geht es darum Massaker an wehrlosen Bürgern auf die Leinwand zu bringen, zeigt er in unvergesslichen und herzzerreißenden Bildern, welcher Wahnsinn hinter Krieg und Revolution steckt. Um die Tragik besonders dick aufzutragen, greift er diesmal recht oft zur Zeitlupe, welche er ziemlich geschickt einzusetzen weiß.
Besonders gefallen hat es mir, dass Dario der Versuchung entsagt Partei zu ergreifen. Sowohl die italienischen Revolutionäre als auch die Österreicher (Viva la Austria, viva la Kaiser Franz!) sind ständig sowohl Täter wie Opfer, alle Begehen Verbrechen und alle haben darunter zu Leiden, niemand kann gewinnen, alle werden verlieren. Diese Botschaft kann deshalb so zufriedenstellend vermittelt werden, indem auch unser Protagonist keiner der beiden Seiten angehört. Sicher, er hängt meistens bei den Italienern herum, aber er bezieht nie dezidiert Stellung. Und trotzdem hat er unter der vorherrschenden Situation doppelt zu leiden: Die Österreicher eliminieren seine Landsleute und die Revolutionäre haben seine engsten Freunde auf dem Gewissen.
Hier und da gibt es noch kleine Anflüge von Humor, doch dieser ist nun eindeutig satyrischer Natur und keineswegs als Klamauk zu bezeichnen Spätestens als der Film, der so eindrucksvoll den blutigen Freiheitskampf überpatriotischer Italiener kritisierte mit einer das ganze Bild einnehmenden grün-weiß-roten Flagge endet, um noch einen finalen harten kritischen Schlag reinster Satire auszuführen, war ich mit dem gesamten Werk versöhnt.
Nachdem das gesagt wurde, betrachten wir noch mal das erste, von mir so schamlos kritisierte Drittel und da fällt uns auf, dass es uns wirklich erfolgreich auf eine falsche Fährte lockte. Argento machte uns glauben, dass es sich hier einfach um eine Komödie billigster Sorte handelt, damit die politischen Botschaften die folgen und die Bilder des Leidens umso härter treffen. Szenen wie die erwähnte Geburt, bei der Celentano und sein Freund die ungeschickten Hebammen geben, haben es geschafft uns davon zu überzeugen, dass dies ein leicht zu verdauendes Buddy-Movie wird, zwei sympathische Typen erleben spaßige Abenteuer, nichts besonderes eben. Und dieser Irrglaube macht „Die Halunken“ umso genialer.
Bleibt zu hinterfragen, ob dieser Schachzug von Argento so geplant war, oder ob er, die Produzenten und der Hauptdarsteller einfach was anderes aus dem Film machen wollten, was in einer unpassenden Mixtur endete. So oder so, der Film gewinnt dadurch, besonders auch deswegen, weil sich der Klamauk, sobald es ernst wird, verzieht. Hätte der Film selbst in seinen düstersten Momenten auf vulgären Humor gesetzt, wäre es wirklich eine unstimmige Niete geworden.
Fazit: „Die Halunken“ fängt wie eine ungeschickt inszenierte Komödie an, nur um dann schlagartig zu einer bissigen und düsteren Satyre par excellence zu werden. 7/10
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Reinifilm
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Re: Die Halunken - Dario Argento

Beitrag von Reinifilm »

Ist übrigens vor kurzem bei Severin als Blu erschienen….
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