Ganz normal verrückt - Marco Ferreri
Moderator: jogiwan
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Re: Ganz normal verrückt - Marco Ferreri
„Ganz normal verrückt“ ist eine Adaption des Charles-Bukowski-Romans „Schlechte Verlierer“ („Erections, Ejaculations, Exhibitions and General Tales of Ordinary Madness“); eine italienisch-französische Koproduktion aus dem Jahre 1981, für die der Italiener Marco Ferreri („Die letzte Frau“) die Regie führte.
Charles Bukowski schien von Ferreris Interpretation wenig begeistert. In Unkenntnis der Romanvorlage kann ich keinerlei Vergleiche ziehen, bin also dazu gezwungen, den Film für sich allein zu betrachten – wie man es eigentlich ohnehin mit Literaturverfilmungen tun sollte, denn 1:1-Umsetzungen klappen eigentlich nie und wer Derartiges erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden.
Bukowskis Alter Ego Charles Serkin, um den sich die Handlung dreht, wird sehr überzeugend von Ben Gazzara verkörpert, der mit einem schelmischen Funkeln in den Augen glaubwürdig einen intelligenten und sensiblen, bisweilen frechen und aufmüpfigen, doch selbstzerstörerischen und alkoholkranken Schriftsteller abgibt. Das Elend heruntergekommener Millieus scheint Serkin magisch anzuziehen und inspiriert ihn zu seinen provokanten Arbeiten. Eine Festanstellung im Großraumbüro eines Verlags bricht er nach kürzester Zeit ab, in der sterilen Atmosphäre bekommt er keinen Satz aufs Papier. Irgendwann trifft er auf die Prostituierte Cass, eine Art unfreiwillige Femme Fatale, mit der er eine seltsame Liebesbeziehung eingeht. Cass wird von einer sagenhaft schönen, zerbrechlich wirkenden Ornella Muti gespielt. Sozusagen als Kontrast zum grazilen Erscheinungsbild wurden ihr vulgäre Texte in den Mund gelegt; so hört man sie beispielsweise Serkin auffordern: „Spritz mich voll!“ Allein schon diese Szene dürfte so manchen Zuschauer in den Wahnsinn treiben… Die Dialoge sind generell sehr derbe gehalten, in Sachen Gossensprache nimmt man kein Blatt vor den Mund. Gut so, denn dort, wo Serkin sich herumtreibt, redet und flucht man, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Natürlich nimmt die emotional sehr intensiv geführte Liebelei mit Cass keinen guten Verlauf, Serkin leidet wie ein Hund und betäubt sich mit Alkohol.
Ferreri ließ viel Raum für Emotionen, eine pessimistische Traurigkeit durchzieht den gesamten Film und bricht dann und wann aus Serkin heraus, ebenso wie Wut, Lust, Verbitterung. Dabei bewahrt er sich aber seinen Charme und trotz allem eine gewisse Selbstachtung. Er scheint aber auch eine gewisse Faszination am Scheitern zu empfinden, so zelebriert er z.B. seinen sehr amüsant zu beobachtenden Abgang aus dem spießigen Verlagsgebäude mit der betrunkenen Leidenschaft eines Abgefuckten.
Natürlich hat es immer etwas Voyeuristisches, Gestalten wie Serkin bzw. Bukowski aus sicherem Abstand zu konsumieren und sich vom Elend anderer unterhalten zu lassen. Wirklich gesellschaftsfähig sind solch unberechenbare, manische Menschen jedoch bis heute nicht geworden, auch nicht durch Bücher oder Filme wie diesen. Der besondere Reiz ist aber auch hier, eventuelle Parallelen zum eigenen Leben zu entdecken und negative Erfahrungen dadurch besser verarbeiten zu können. Ferreri macht es dem Zuschauer mit seinem hochatmosphärischen Film leicht, je nach Gusto mit Serkin mitzuleiden, ihn zu verachten oder zu belächeln oder sich inspirieren zu lassen; kalt lassen wird diese gut besetzte Verfilmung mit ihrem ausgeprägten Gespür für Provokation, Gossenromantik und -erotik und Ästhetik des Elends sicherlich niemanden. Und falls doch, kann man sich immer noch an den freizügigen Schauspielerinnen erfreuen, allen voran der bezaubernden Ornella Muti.
Vielleicht ist es gut, dass „Ganz normal verrückt“ keine US-Produktion wurde – möglicherweise wäre dann die Ambivalenz Serkins Charakters, die letztlich die Geschichte ausmacht, zugunsten einer massentauglicheren Glorifizierung oder Verflachung abhanden gekommen, worauf Ferreri und seine Drehbuchautoren konsequent verzichteten.
Charles Bukowski schien von Ferreris Interpretation wenig begeistert. In Unkenntnis der Romanvorlage kann ich keinerlei Vergleiche ziehen, bin also dazu gezwungen, den Film für sich allein zu betrachten – wie man es eigentlich ohnehin mit Literaturverfilmungen tun sollte, denn 1:1-Umsetzungen klappen eigentlich nie und wer Derartiges erwartet, muss zwangsläufig enttäuscht werden.
Bukowskis Alter Ego Charles Serkin, um den sich die Handlung dreht, wird sehr überzeugend von Ben Gazzara verkörpert, der mit einem schelmischen Funkeln in den Augen glaubwürdig einen intelligenten und sensiblen, bisweilen frechen und aufmüpfigen, doch selbstzerstörerischen und alkoholkranken Schriftsteller abgibt. Das Elend heruntergekommener Millieus scheint Serkin magisch anzuziehen und inspiriert ihn zu seinen provokanten Arbeiten. Eine Festanstellung im Großraumbüro eines Verlags bricht er nach kürzester Zeit ab, in der sterilen Atmosphäre bekommt er keinen Satz aufs Papier. Irgendwann trifft er auf die Prostituierte Cass, eine Art unfreiwillige Femme Fatale, mit der er eine seltsame Liebesbeziehung eingeht. Cass wird von einer sagenhaft schönen, zerbrechlich wirkenden Ornella Muti gespielt. Sozusagen als Kontrast zum grazilen Erscheinungsbild wurden ihr vulgäre Texte in den Mund gelegt; so hört man sie beispielsweise Serkin auffordern: „Spritz mich voll!“ Allein schon diese Szene dürfte so manchen Zuschauer in den Wahnsinn treiben… Die Dialoge sind generell sehr derbe gehalten, in Sachen Gossensprache nimmt man kein Blatt vor den Mund. Gut so, denn dort, wo Serkin sich herumtreibt, redet und flucht man, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Natürlich nimmt die emotional sehr intensiv geführte Liebelei mit Cass keinen guten Verlauf, Serkin leidet wie ein Hund und betäubt sich mit Alkohol.
Ferreri ließ viel Raum für Emotionen, eine pessimistische Traurigkeit durchzieht den gesamten Film und bricht dann und wann aus Serkin heraus, ebenso wie Wut, Lust, Verbitterung. Dabei bewahrt er sich aber seinen Charme und trotz allem eine gewisse Selbstachtung. Er scheint aber auch eine gewisse Faszination am Scheitern zu empfinden, so zelebriert er z.B. seinen sehr amüsant zu beobachtenden Abgang aus dem spießigen Verlagsgebäude mit der betrunkenen Leidenschaft eines Abgefuckten.
Natürlich hat es immer etwas Voyeuristisches, Gestalten wie Serkin bzw. Bukowski aus sicherem Abstand zu konsumieren und sich vom Elend anderer unterhalten zu lassen. Wirklich gesellschaftsfähig sind solch unberechenbare, manische Menschen jedoch bis heute nicht geworden, auch nicht durch Bücher oder Filme wie diesen. Der besondere Reiz ist aber auch hier, eventuelle Parallelen zum eigenen Leben zu entdecken und negative Erfahrungen dadurch besser verarbeiten zu können. Ferreri macht es dem Zuschauer mit seinem hochatmosphärischen Film leicht, je nach Gusto mit Serkin mitzuleiden, ihn zu verachten oder zu belächeln oder sich inspirieren zu lassen; kalt lassen wird diese gut besetzte Verfilmung mit ihrem ausgeprägten Gespür für Provokation, Gossenromantik und -erotik und Ästhetik des Elends sicherlich niemanden. Und falls doch, kann man sich immer noch an den freizügigen Schauspielerinnen erfreuen, allen voran der bezaubernden Ornella Muti.
Vielleicht ist es gut, dass „Ganz normal verrückt“ keine US-Produktion wurde – möglicherweise wäre dann die Ambivalenz Serkins Charakters, die letztlich die Geschichte ausmacht, zugunsten einer massentauglicheren Glorifizierung oder Verflachung abhanden gekommen, worauf Ferreri und seine Drehbuchautoren konsequent verzichteten.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!