Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (1972)
Moderator: jogiwan
Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (1972)
Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom
Originaltitel: Girolimoni, il mostro di Roma
Alternativtitel: The Assassin of Rome
Herstellungsland: Italien / 1972
Regie: Damiano Damiani
Darsteller: Nino Manfredi, Gabriele Lavia, Orso Maria Guerrini, Guido Leontini, Anna Maria Pescatori, Luciano Catenacci
Story:
Rom, kurz vor der Machtübernahme Mussolinis: Nach wiederholten grausigen Morden an Kleinkindern durchzieht eine Welle der Empörung und Angst das Volk. Ein Verdächtiger entpuppt sich bald als Unschuldslamm und richtet sich selbst. Durch eine Kette unglücklicher Zufälle und niederträchtiger menschlicher und auch politischer Versuchungen gerät schließlich der unschuldige Fotograph Gino Girolimoni (Nino Manfredi) ins Kreuzfeuer der Polizei und Öffentlichkeit. Um seinen Aufstieg zum Diktator nicht zu gefährden und dem Willen der aufgebrachten Öffentlichkeit Rechnung zu tragen ordnet Mussolini dessen Verurteilung an. Für den lebenslustigen Girolimoni beginnt eine fatale Odyssee, ein verzweifelter Kampf um seine Freiheit und gegen das erdrückende faschistische System…. (quelle: ofdb.de)
Originaltitel: Girolimoni, il mostro di Roma
Alternativtitel: The Assassin of Rome
Herstellungsland: Italien / 1972
Regie: Damiano Damiani
Darsteller: Nino Manfredi, Gabriele Lavia, Orso Maria Guerrini, Guido Leontini, Anna Maria Pescatori, Luciano Catenacci
Story:
Rom, kurz vor der Machtübernahme Mussolinis: Nach wiederholten grausigen Morden an Kleinkindern durchzieht eine Welle der Empörung und Angst das Volk. Ein Verdächtiger entpuppt sich bald als Unschuldslamm und richtet sich selbst. Durch eine Kette unglücklicher Zufälle und niederträchtiger menschlicher und auch politischer Versuchungen gerät schließlich der unschuldige Fotograph Gino Girolimoni (Nino Manfredi) ins Kreuzfeuer der Polizei und Öffentlichkeit. Um seinen Aufstieg zum Diktator nicht zu gefährden und dem Willen der aufgebrachten Öffentlichkeit Rechnung zu tragen ordnet Mussolini dessen Verurteilung an. Für den lebenslustigen Girolimoni beginnt eine fatale Odyssee, ein verzweifelter Kampf um seine Freiheit und gegen das erdrückende faschistische System…. (quelle: ofdb.de)
it´s fun to stay at the YMCA!!!
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Re: Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (19
Ganz schön krasses Historiendrama/ Krimi. Schon harter Tobak wenn man erfährt wie das Ungeheuer mordet
"Mit Scherzen und Lachen ist es Mittag geworden"
- Bonpensiero
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Re: Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (19
Super Film! Italienische DVD´s mit deutschem Ton sind schon was gutes...
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- buxtebrawler
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Re: Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (1972)
„Die Menge ist eine Frau!“ (Mussolini)
Der italienische Autorenfilmer Diamiano Damiani, der besonders mit seinen desillusorischen, kritischen Filmen über die Mafiaverflechtungen des italienischen Systems auffiel, drehte mit „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ einen 1972 veröffentlichten Film, der größtenteils zur Zeit Mussolinis in Rom spielt. Es handelt sich um eine Mischung aus bitterböser Gesellschaftssatire und Kriminal-/Polit-/Historiendrama.
Ein geisteskranker Mörder geht um und vergreift sich an kleinen Kindern. Die Bevölkerung Roms ist in heller Aufregung und will so schnell wie möglich den Mörder finden, um ihn zu lynchen. Rufe nach der Todesstrafe werden laut und falsche Verdächtigungen kolportiert. Plötzlich gerät der unbescholtene Lebemann Gino Girolimoni ins Visier von Polizei und Öffentlichkeit. Die Faschisten haben ein starkes Interesse daran, ihn als Kindesmörder öffentlichkeitswirksam zu verurteilen, um ihre Stärke zu demonstrieren. Aufgrund einer Reihe manipulierter Falschaussagen landet Girolimoni schließlich hinter Gittern…
„Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ zeigt ein aufgescheuchtes, misstrauisches, chaotisches Italien, das sein Heil im Ordnung und Stärke vorgebenden Faschismus sucht. Auf den Straßen herrscht allgemeine Hysterie, die Bevölkerung schreit ständig herum, beschuldigt sich gegenseitig und geht aufeinander los. So humorgeschwängert Damiani auch an diese überzeichneten gesellschaftlichen Phänomene herangeht, so attestiert er seinen Landsleuten doch einfache Verführbarkeit, fehlende Weitsicht und entsolidarisierten Egoismus. Das macht Damianis Humor passenderweise zu einem sehr bitteren, beinahe zynischen. Untermalt von einem gewohnt hochkarätigen Soundtrack Riz Ortolanis entführt Damiani den Zuschauer in prachtvolle Kulissen Roms der 1920er-Jahre, in denen sich allen widrigen Umständen zum Trotz Girolimoni an einem mondänen Lebenswandel versucht und seinen Interessen, zu denen die Fotografie und schöne Frauen gehören, nachgeht. Als Projektionsfläche für die Missgunst seiner Mitmenschen ist er damit prädestiniert für die Täterrolle, in die er bald gedrängt wird. Ein Mann wie er muss einfach etwas auf dem Kerbholz haben!
Was sich zunächst in Form eines Justizdramas entwickelt, bekommt schnell seine politische Ebene: Die Faschisten haben wenig Interesse daran, den wahren Täter – einen androgynen, derangierten jungen Kerl, der von seiner kaputten Familie gedeckt wird – zu finden, sondern benutzen Girolimoni, um ein Exempel zu statuieren, ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Die willfährige italienische Bevölkerung macht es ihnen dabei ganz besonders leicht, denn Opportunisten, Denunzianten und Neider gibt es zuhauf, so dass nach einer Reihe von Falschaussagen auch dem smarten Girolimoni nicht mehr viel einfällt, um seine Unschuld zu beweisen. Zwar kann er längere Zeit den Justizapparat als eine Art Bühne nutzen und die, auf ihr jeweiliges Individuum heruntergebrochene, lächerliche, armselige Autorität vorführen und sich über sie lustig machen, muss jedoch ab einem gewissen Punkt einsehen, nichts mehr ausrichten zu können, da das Urteil von vornherein feststand.
„Siehst du, wie man in die Geschichte eingeht?“ – „Und wie kommt man wieder raus...?“
Es gibt nämlich noch einen weiteren Aspekt, der für die Faschisten wichtig ist: Die allgemeine Empörung, die Stimmung der hysterischen Rachegelüste, soll ausgenutzt werden, um vor dem Hintergrund der Kindesmorde die Todessstrafe wieder einzuführen. Diese soll es dem faschistischen Regime mittelfristig ermöglichen, sich unbequemer Kritiker und Gegner zu entledigen. Das Klima von Angst – und sei es nur um seinen persönlichen gesellschaftlichen Status – aber greift auch ohne Todesstrafe längst um sich, so dass sich auch die Presse als opportunistisch erweist, ihren Opportunismus sich selbst gegenüber damit zu rechtfertigen versucht, „das System von innen aushöhlen“ zu wollen, und sich mit den neuen Gegebenheiten arrangiert. Eine unabhängige, kritische Presse? Fehlanzeige. Der Presse wird darüber hinaus noch eine weitere wichtige Funktion zuteil, mit der der Faschismus spekuliert: Die dauerhafte Rufschädigung durch bewusstes Verschweigen von Tatsachen und die damit einhergehende Manipulation der Massen. Das Prinzip ist simpel: Nachdem durch eine Fehlverurteilung das Ansehen eines Menschen durch entsprechende Schlagzeilen und Artikel komplett zerstört wurde, findet seine Rehabilitation keinen Platz in der Journaille. Was das für Girolimoni bedeutet, dürfte auf der Hand liegen: Er bleibt ein gebrochener Mann, eindrucksvoll dokumentiert durch einen Zeitsprung in die Gegenwart am Ende des Films.
„Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ ist ein Film, der der zynischen Realität mit einer zynischen Satire begegnet, deren Humorgehalt zwar deutlich vorhanden, jedoch wenig dominant ist. Es ist schwierig, den außergewöhnlichen Tonfalls des Films in Worte zu fassen. Er überspielt nicht die Dramatik und Tragik des Inhalts, er verführt nicht dazu, Desillusion und Wut einfach wegzulachen. Nein, auch dieser Film Damianis geht an die Nieren, wobei er komplett ohne jegliche Melodramatik auskommt. Diese Fähigkeit rechne ich Damiani neben seinem wachen, intelligenten Geist, dem politischen/gesellschaftlichen Überblick und dem Gespür für menschliche Befindlich- und Unzulänglichkeiten hoch an. Allem voran ist er aber natürlich ein hervorragender Filmemacher, was er mit „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ einmal mehr unter Beweis stellt. Kleinere erzählerische Irritationen wie der für meinen Geschmack zu schnell und damit in seiner Entwicklung nicht ganz nachvollziehbar gefilmte, jedoch nicht minder erschreckende Auftakt, der darin mündet, dass sich ein zu Unrecht Verdächtigter mittels eines Schlucks aus einer Säureflasche öffentlichkeitswirksam das Leben nimmt, ändern nichts am in jeder Hinsicht hochwertigen Gesamteindruck. Durch die Art, wie Damiani seine Geschichte konstruiert, holt er den Zuschauer dort ab, wo er steht: Bei der berechtigten Empörung über Kinderschänder und -mörder. Was folgt, ist ein fesselndes Lehrstück dahingehend, wie sich die Politik verständlicher menschlicher Emotionen bemächtigt und instrumentalisiert, wie Massenhysterie und Lynchmentalität den antidemokratischen, letztlich menschenfeindlichen Kräften in die Hände spielen. Mühelos lassen sich Parallelen selbst zur aktuellen Gegenwart ziehen: Die Faschisten von NPD und Konsorten gehen mit populistischen Parolen wie „Todesstrafe für Kinderschänder!“ auf Stimmenfang, buhlen um die Unterstützung der einfachen Leute, spiegeln verachtenswerterweise auf dem Rücken der Opfer von gewaltsamen Übergriffen Kinder- und Opferschutz vor, verfolgen aber ganz andere Ziele. Auch die Rolle der Presse hat sich nicht grundlegend geändert. Noch immer betreiben Konzerne wie Axel Springer aktiv Politik mit unlauteren Mitteln und haben eine erschreckend lange Liste von zerstörten Einzelschicksalen zu verantworten, deren Leben aufgrund unseriöser, bösartiger Berichterstattung unwiderruflich vernichtet wurde. Die Manipulation des Lesers bzw. Zuschauers/Zuhörers durch das bewusste Verschweigen von Themen, Tatsachen und Zusammenhängen ist nach wie vor eine der perfidesten, alltäglichen Taktiken der bürgerlichen Medien. Doch „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ bietet noch so viel mehr und steckt voller Spitzen und Details, die hier aufzuzählen den Rahmen sprengen würden.
Nino Manfredi („Ich habe sie gut gekannt“) als Girolimoni spielt die Hauptrolle ganz hervorragend, sie scheint ihm auf den Leib geschneidert. Dann und wann erinnert er etwas an Helmut Berger, abzüglich dessen Arroganz, stattdessen mit einer gewissen spitzbübigkeit gesegnet. In weiteren Rollen sieht man Gabriele Lavia („Inferno“) und Orso Maria Guerrini („Lauf um dein Leben“). Allen Beteiligten scheint diese anklagende Aufarbeitung der italienischen Geschichte inklusive harscher Gegenwartsbezüge eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Der immense Facettenreichtum der Charaktere kommt voll zur Geltung und macht aus ihnen keine Helden und Monster, sondern Menschen mit menschlichen Emotionen, menschlichen Stärken, menschlichen Schwächen – was den Film auf einer sehr persönlichen Ebene funktionieren lässt.
Ein weiteres großartiges Stück intelligenten, kritischen italienischen Kinos, das vollkommen zu Unrecht in hiesigen Breiten ein Schattendasein fristet. Inhaltlich höchst wertvoll, ohne aufdringlich belehrend zu sein. Eine starke, im italienischen Faschismus, eigentlich aber in den Unzulänglichkeiten jedes Einzelnen fußende Parabel auf die allgegenwärtige Verquickungen von Volkszorn, Medien und Politik.
Der italienische Autorenfilmer Diamiano Damiani, der besonders mit seinen desillusorischen, kritischen Filmen über die Mafiaverflechtungen des italienischen Systems auffiel, drehte mit „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ einen 1972 veröffentlichten Film, der größtenteils zur Zeit Mussolinis in Rom spielt. Es handelt sich um eine Mischung aus bitterböser Gesellschaftssatire und Kriminal-/Polit-/Historiendrama.
Ein geisteskranker Mörder geht um und vergreift sich an kleinen Kindern. Die Bevölkerung Roms ist in heller Aufregung und will so schnell wie möglich den Mörder finden, um ihn zu lynchen. Rufe nach der Todesstrafe werden laut und falsche Verdächtigungen kolportiert. Plötzlich gerät der unbescholtene Lebemann Gino Girolimoni ins Visier von Polizei und Öffentlichkeit. Die Faschisten haben ein starkes Interesse daran, ihn als Kindesmörder öffentlichkeitswirksam zu verurteilen, um ihre Stärke zu demonstrieren. Aufgrund einer Reihe manipulierter Falschaussagen landet Girolimoni schließlich hinter Gittern…
„Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ zeigt ein aufgescheuchtes, misstrauisches, chaotisches Italien, das sein Heil im Ordnung und Stärke vorgebenden Faschismus sucht. Auf den Straßen herrscht allgemeine Hysterie, die Bevölkerung schreit ständig herum, beschuldigt sich gegenseitig und geht aufeinander los. So humorgeschwängert Damiani auch an diese überzeichneten gesellschaftlichen Phänomene herangeht, so attestiert er seinen Landsleuten doch einfache Verführbarkeit, fehlende Weitsicht und entsolidarisierten Egoismus. Das macht Damianis Humor passenderweise zu einem sehr bitteren, beinahe zynischen. Untermalt von einem gewohnt hochkarätigen Soundtrack Riz Ortolanis entführt Damiani den Zuschauer in prachtvolle Kulissen Roms der 1920er-Jahre, in denen sich allen widrigen Umständen zum Trotz Girolimoni an einem mondänen Lebenswandel versucht und seinen Interessen, zu denen die Fotografie und schöne Frauen gehören, nachgeht. Als Projektionsfläche für die Missgunst seiner Mitmenschen ist er damit prädestiniert für die Täterrolle, in die er bald gedrängt wird. Ein Mann wie er muss einfach etwas auf dem Kerbholz haben!
Was sich zunächst in Form eines Justizdramas entwickelt, bekommt schnell seine politische Ebene: Die Faschisten haben wenig Interesse daran, den wahren Täter – einen androgynen, derangierten jungen Kerl, der von seiner kaputten Familie gedeckt wird – zu finden, sondern benutzen Girolimoni, um ein Exempel zu statuieren, ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Die willfährige italienische Bevölkerung macht es ihnen dabei ganz besonders leicht, denn Opportunisten, Denunzianten und Neider gibt es zuhauf, so dass nach einer Reihe von Falschaussagen auch dem smarten Girolimoni nicht mehr viel einfällt, um seine Unschuld zu beweisen. Zwar kann er längere Zeit den Justizapparat als eine Art Bühne nutzen und die, auf ihr jeweiliges Individuum heruntergebrochene, lächerliche, armselige Autorität vorführen und sich über sie lustig machen, muss jedoch ab einem gewissen Punkt einsehen, nichts mehr ausrichten zu können, da das Urteil von vornherein feststand.
„Siehst du, wie man in die Geschichte eingeht?“ – „Und wie kommt man wieder raus...?“
Es gibt nämlich noch einen weiteren Aspekt, der für die Faschisten wichtig ist: Die allgemeine Empörung, die Stimmung der hysterischen Rachegelüste, soll ausgenutzt werden, um vor dem Hintergrund der Kindesmorde die Todessstrafe wieder einzuführen. Diese soll es dem faschistischen Regime mittelfristig ermöglichen, sich unbequemer Kritiker und Gegner zu entledigen. Das Klima von Angst – und sei es nur um seinen persönlichen gesellschaftlichen Status – aber greift auch ohne Todesstrafe längst um sich, so dass sich auch die Presse als opportunistisch erweist, ihren Opportunismus sich selbst gegenüber damit zu rechtfertigen versucht, „das System von innen aushöhlen“ zu wollen, und sich mit den neuen Gegebenheiten arrangiert. Eine unabhängige, kritische Presse? Fehlanzeige. Der Presse wird darüber hinaus noch eine weitere wichtige Funktion zuteil, mit der der Faschismus spekuliert: Die dauerhafte Rufschädigung durch bewusstes Verschweigen von Tatsachen und die damit einhergehende Manipulation der Massen. Das Prinzip ist simpel: Nachdem durch eine Fehlverurteilung das Ansehen eines Menschen durch entsprechende Schlagzeilen und Artikel komplett zerstört wurde, findet seine Rehabilitation keinen Platz in der Journaille. Was das für Girolimoni bedeutet, dürfte auf der Hand liegen: Er bleibt ein gebrochener Mann, eindrucksvoll dokumentiert durch einen Zeitsprung in die Gegenwart am Ende des Films.
„Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ ist ein Film, der der zynischen Realität mit einer zynischen Satire begegnet, deren Humorgehalt zwar deutlich vorhanden, jedoch wenig dominant ist. Es ist schwierig, den außergewöhnlichen Tonfalls des Films in Worte zu fassen. Er überspielt nicht die Dramatik und Tragik des Inhalts, er verführt nicht dazu, Desillusion und Wut einfach wegzulachen. Nein, auch dieser Film Damianis geht an die Nieren, wobei er komplett ohne jegliche Melodramatik auskommt. Diese Fähigkeit rechne ich Damiani neben seinem wachen, intelligenten Geist, dem politischen/gesellschaftlichen Überblick und dem Gespür für menschliche Befindlich- und Unzulänglichkeiten hoch an. Allem voran ist er aber natürlich ein hervorragender Filmemacher, was er mit „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ einmal mehr unter Beweis stellt. Kleinere erzählerische Irritationen wie der für meinen Geschmack zu schnell und damit in seiner Entwicklung nicht ganz nachvollziehbar gefilmte, jedoch nicht minder erschreckende Auftakt, der darin mündet, dass sich ein zu Unrecht Verdächtigter mittels eines Schlucks aus einer Säureflasche öffentlichkeitswirksam das Leben nimmt, ändern nichts am in jeder Hinsicht hochwertigen Gesamteindruck. Durch die Art, wie Damiani seine Geschichte konstruiert, holt er den Zuschauer dort ab, wo er steht: Bei der berechtigten Empörung über Kinderschänder und -mörder. Was folgt, ist ein fesselndes Lehrstück dahingehend, wie sich die Politik verständlicher menschlicher Emotionen bemächtigt und instrumentalisiert, wie Massenhysterie und Lynchmentalität den antidemokratischen, letztlich menschenfeindlichen Kräften in die Hände spielen. Mühelos lassen sich Parallelen selbst zur aktuellen Gegenwart ziehen: Die Faschisten von NPD und Konsorten gehen mit populistischen Parolen wie „Todesstrafe für Kinderschänder!“ auf Stimmenfang, buhlen um die Unterstützung der einfachen Leute, spiegeln verachtenswerterweise auf dem Rücken der Opfer von gewaltsamen Übergriffen Kinder- und Opferschutz vor, verfolgen aber ganz andere Ziele. Auch die Rolle der Presse hat sich nicht grundlegend geändert. Noch immer betreiben Konzerne wie Axel Springer aktiv Politik mit unlauteren Mitteln und haben eine erschreckend lange Liste von zerstörten Einzelschicksalen zu verantworten, deren Leben aufgrund unseriöser, bösartiger Berichterstattung unwiderruflich vernichtet wurde. Die Manipulation des Lesers bzw. Zuschauers/Zuhörers durch das bewusste Verschweigen von Themen, Tatsachen und Zusammenhängen ist nach wie vor eine der perfidesten, alltäglichen Taktiken der bürgerlichen Medien. Doch „Girolimoni – Das Ungeheuer von Rom“ bietet noch so viel mehr und steckt voller Spitzen und Details, die hier aufzuzählen den Rahmen sprengen würden.
Nino Manfredi („Ich habe sie gut gekannt“) als Girolimoni spielt die Hauptrolle ganz hervorragend, sie scheint ihm auf den Leib geschneidert. Dann und wann erinnert er etwas an Helmut Berger, abzüglich dessen Arroganz, stattdessen mit einer gewissen spitzbübigkeit gesegnet. In weiteren Rollen sieht man Gabriele Lavia („Inferno“) und Orso Maria Guerrini („Lauf um dein Leben“). Allen Beteiligten scheint diese anklagende Aufarbeitung der italienischen Geschichte inklusive harscher Gegenwartsbezüge eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Der immense Facettenreichtum der Charaktere kommt voll zur Geltung und macht aus ihnen keine Helden und Monster, sondern Menschen mit menschlichen Emotionen, menschlichen Stärken, menschlichen Schwächen – was den Film auf einer sehr persönlichen Ebene funktionieren lässt.
Ein weiteres großartiges Stück intelligenten, kritischen italienischen Kinos, das vollkommen zu Unrecht in hiesigen Breiten ein Schattendasein fristet. Inhaltlich höchst wertvoll, ohne aufdringlich belehrend zu sein. Eine starke, im italienischen Faschismus, eigentlich aber in den Unzulänglichkeiten jedes Einzelnen fußende Parabel auf die allgegenwärtige Verquickungen von Volkszorn, Medien und Politik.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
-
- Beiträge: 14488
- Registriert: Sa 19. Dez 2009, 19:55
Re: Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (1972)
Danke Bux für das Abtippen meines Textes.
Klasse Film, sehr beeindruckend mit Nachwirkung. Solche Filme werden heute nicht mehr gemacht.
Klasse Film, sehr beeindruckend mit Nachwirkung. Solche Filme werden heute nicht mehr gemacht.
- buxtebrawler
- Forum Admin
- Beiträge: 40230
- Registriert: Mo 14. Dez 2009, 23:13
- Wohnort: Wo der Hund mit dem Schwanz bellt.
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Re: Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (1972)
dr. freudstein hat geschrieben:Danke Bux für das Abtippen meines Textes.
Mich wundert doch immer wieder, dass solche brisanten, anspruchsvollen Filme, die über reine Genre-Unterhaltung weit hinausgehen, nicht bzw. nur teilweise in ansprechenden Blu-ray- oder DVD-Editionen erscheinen. Gibt's da ständig Probleme mit den Lizenzrechten, wird der "Marktwert" so gering geschätzt oder was ist da los?
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
Re: Girolimoni - Das Ungeheuer von Rom - Damiano Damiani (1972)
Hätte das ZDF damals nicht eine Politthriller reihe gestartet damals in den 80igern wo viele Filme von denen erst Syncronisiert wurden, dann gäbe es die gar nicht bei uns
"Mit Scherzen und Lachen ist es Mittag geworden"