Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi (1980)

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Moderator: jogiwan

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Zombiebunker
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Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi (1980)

Beitrag von Zombiebunker »

La Ragazza Del Vagone Letto.jpg
La Ragazza Del Vagone Letto.jpg (470.11 KiB) 232 mal betrachtet

Originaltitel: La Ragazza Del Vagone Letto

Darsteller: Silvia Dionisio, Werner Pochath, Zora Kerova, Gianluigi Chirizzi, Giancarlo Maestri

Jahr: 1980
Wir sind wieder in Italien und meine Güte, ist das ein schmuddeliger Schundfilm. Nach dem Begutachten fühlt man sich schmutzig, verschwitzt und schäbig. Bahnhofskino! Nichts anderes darf man von einem Film mit dem Titel "Horror-Sex im Nachtexpress" erwarten.
Es handelt sich hier offensichtlich um einen italienischen Streifen schlimmster Sorte. Die Handlung ist schnell erzählt. Ein Nachtzug reist durch die Lande und eine Gruppe von rowdyhaften "Jugendlichen" terrorisiert die Gäste, bis sie schließlich die Kontrolle übernehmen und so gut wie alle Frauen im Zug zum Beischlaf zwingen.
Das hört sich allerdings alles viel schlimmer an, als es ist. Denn den Film kann man zu keiner, aber auch wirklich absolut gar keiner Zeit ernst nehmen. Speziell die Schauspieler des Terrortrios wirken so überdreht und unfreiwillig komisch, dass man sich eher rollend auf dem Fußboden vor Klamauk wieder findet, als schockiert in der Ecke.
Sprüche wie "Lass doch den Affen, Torte, der gehört auf die Bäume", "...immer am Telefon. Sie ruft bestimmt ihren Westentaschenplayboy an" oder "Jetzt reicht‘s mir. Komm‘ her du stinkender alter Sack. Du Schmalzfliege, du Aas, du Haufen Scheiße!" setzen dem schlechten Scherz von einem Film die Krone auf.

Trotzdem versteht er es zu unterhalten. Auch wenn man Spannung vermisst, ist man dennoch interessiert, welche abstrusen Wendungen die hanebüchene Geschichte noch nehmen wird. Wie abgedreht diese ist, lässt sich an folgenden Beispielen verdeutlichen. Der als einziger wirklich jugendlich aussehende, aber vollständig ergraute, Schaffner vermittelt Fahrgäste an die zugeigene Prostituierte. Der Vater der großbürgerlichen Familie steht auf seine Tochter und einer der "Jugendlichen" lässt beim Sex ständig seinen meterlangen Zungenlappen raushängen.
Die Figuren im Film agieren auf völlig unverständliche Weise und man möchte im Minutentakt die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.

Auch wenn der Film wirklich schlecht ist, hat er dennoch seine Berechtigung. Irgendwo versucht Regisseur Ferdinando Baldi die hedonistische und rebellenhafte Jugend überspitzt als Rüpel und Monster darzustellen, setzt ihnen aber pervers-polygame, heuchlerische und uncouragierte Bürger entgegen. Im Prinzip sind in diesem Film alle Schweine, außer vielleicht der politische Gefangene. Sogar die Tochter, die plötzlich und spontan Lust auf den Lockenkopf, der das Anrecht auf den Beischlaf mit ihr beim Würfeln mit den Jungs gewann, bekommt.
Aber genug vom Film.
Genrefans kommen sicher auf ihre Kosten und können dem Film unterhaltsame Facetten abringen. Freunden des Terrorkinos dürfte der Film allerdings zu harmlos sein und der Normalkinogänger wird mit Sicherheit den Saal verlassen, sollte ihm diese Art von Sleazefilm vorgesetzt werden.

Die Veröffentlichung als solche stellt den besonders berichtenswerten Aspekt dieser Besprechung dar.
Für diese zeigt sich das junge Kölner Label Camera Obscura verantwortlich. Liebevoll übernahm man die Gestaltung der von Sazuma begonnenen "Italian Genre Cinema Collection" und geizt auch nicht mit Aufwand für das Produkt. Neben dem tollen Bild des Films, das ganz vereinzelt durch mäßig erhaltene Sequenzen durchbrochen wird, hat man eine eigene Featurette mit ehemaligen Darstellern und dem Drehbuchautoren produziert. Hier reden die involvierten Personen in erfrischender Ehrlichkeit Tacheles. Zora Kerova fällt in ihrer sich erklärenden Art besonders heraus. Auch das animierte Menu ist bestens auf den Film abgestimmt und fügt sich nahtlos in die Optik der Spätsiebziger ein. Außerdem wurde der witzige und informative Booklettext bilingual von Sir Christian Kessler verfasst.

Die Verpackung ist ebenfalls ein Hingucker. Neben dem herrlichen Covermotiv ist der Schuber um das Digipack geschmackvoll und einheitlich gestaltet. Man merkt an jeder Kante, dass die Leute von Camera Obscura detailverliebte Filmfreaks sind.
Eine so wertvoll und haptisch ansprechende Auswertung steht dem Film vielleicht nicht zu, aber spiegelt die Ambivalenz, die dem Film immanent ist, in eindrucksvoller Weise wider. Er ist so ambivalent, dass nicht mal die Sonne sich entscheiden kann, ob sie aufgehen will oder nicht.
"La Ragazza del vagone letto" muss man nicht gesehen haben, aber er unterhält, amüsiert und lädt zum drüber schwadronieren ein. Ein Partykracher ist es allemal.
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untot
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi

Beitrag von untot »

Geniales kleines "Terrorfilmchen", schmuddelig, frauenfeindlich, leicht pervers, gewalttätig, kurz eine Exploitation-Granate erster Sahne! :mrgreen:

7,5/10
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sid.vicious
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Horror-Sex im Nachtexpress

Beitrag von sid.vicious »

Produktionsland: Italien
Produktion: Armando Todaro
Erscheinungsjahr: 1980
Regie: Ferdinando Baldi
Drehbuch: George Eastman
Kamera: Giuseppe Aquari
Schnitt: Alessandro Lucidi
Musik: Marcello Giombini
Länge: ca. 82 Min.
Freigabe: FSK 18
Darsteller: Silvia Dionisio, Werner Pochath, Zora Kerova, Carlo De Mejo


Drei junge Männer terrorisieren innerhalb eines Zug-Waggons die Reisenden. Sie vergewaltigen die Frauen und demütigen die Männer. Die Lage scheint aussichtslos, bis sich einer der Insassen gehen die Männer stellt.

Fernando Baldis Film ist eher als schäbiges Bahnhofskino und nicht als hartes Terrorkino zu bezeichnen. Baldi bietet ein sleaziges und schäbiges Ambiente und eher durchschnittliche Hauptdarsteller/ innen. Der Film ist eher darauf ausgerichtet seine Darstellerinnen nackt zu zeigen, als diese zu glaubwürdigen Rollen zu bewegen. Natürlich wird der Versuch gemacht die perversen Neigungen einiger Insassen aufzuzeigen und diese mit den 3 Männern charakterlich gleichzustellen, allerdings kann man auch zweifeln ob dieses beabsichtigt war oder letztendlich nur der Unterhaltung dienen sollten. Baldis Film ist nicht gerade dazu da, um über ihn nachzudenken, denken ist hier gänzlich fehl am Platz. Der Film dient eher dazu, sich unterhalten zu lassen und die langatmigen Sexszenen nach vorne zu spulen um nicht aus dem Thema gerissen zu werden.

Einige Gesichter innerhalb des Films sollten den Italo-Freaks bekannt sein, wie z.B. Zora Kerova (Die Rache der Kannibalen, New York Ripper, Man-Eater) Gianluigi Chirizzi (Die Rückkehr der Zombies) Carlo De Mejo (Haus an der Friedhofmauer, Astaron - Brut des Schreckens) und natürlich Werner Pochath.

Hinter einen reißerischen und phantasievollen Titel, verbirgt sich nicht mehr, als ein mit Gewalt gespickter Sexploiter aus der Tiefkühltruhe, der allerdings schon wieder so dreckig ist, dass man ab und an relativ gut unterhalten wird.

6/10
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Blap
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi

Beitrag von Blap »

Dann muss ich meinen alten Kurzkommentar zu dieser Perle auch loswerden:


Horror-Sex im Nachtexpress

Eine junge Dame (Silvia Dionisio) verdient ihr Geld als Liebesdame, sie bietet ihre körperlichen Vorzüge im Schlafwagen eines Fernzuges an. Diese Fahrt wird sie jedoch nicht so schnell vergessen, denn drei extrem fiese Gesellen werden den Nachtexpress in eine rollende Hölle verwandeln. Werfen wir aber zunächst einen Blick auf die anderen Reisenden. Da gibt es ein zerstrittenes Ehepaar, die Gattin (Zora Kerova) ist einem Seitensprung nicht abgeneigt, soll aber einen Albtraum erster Güte erleben. Dann wäre da noch die solide Familie, Mami, Papi und die fast erwachsene Tochter. Schade nur, dass Papi davon träumt sein Töchterlein zu besteigen und der im Abteil nebenan mitfahrenden Hure das Nachtgewand der Tochter überstreift. Ein freundlicher Polizist soll einen Gefangenen überführen, ein Boss behandelt seinen Mitarbeiter herablassend. In diese Idylle platzt der Pöbel, drei junge Kerle wollen vergewaltigen und erniedrigen. Bald haben sie den Schlafwagen in ihrer Gewalt, der Schaffner ist kein Gegner, die Reisenden sehen sich dem blanken Terror ausgesetzt...

"La ragazza del vagone letto" wurde 1979 von Fernando Baldi inszeniert. Dieser kleine Bastard von Film weckt Erinnerungen an "L'ultimo treno della notte" (1975) von Aldo Lado, kann sich jedoch längst nicht dem Platzhirschen messen. Trotzdem ist Baldi mit seinem Nachtexpress ein sehr unterhaltsamer Exploitationfilm gelungen, wer sich auf den Streifen einlassen kann -und mag- wird dem spröden Charme des Werkes erliegen. Der Italo-Fan bekommt hier einige bekannte Gesichter "seines" geliebten Genre-Kinos zu sehen. Die Damenriege wird von der sehr attraktiven Silvia Dionisio angeführt, auch Zora Kerova fällt positiv auf, steht bezüglich ihrer Reize aber ein wenig im Schatten der holden Silvia. Der Schluchtenscheisser Werner Pochath stellt den Obermotz der Bösewichter dar. Seine Darstellung ist sehr intensiv, seine abstossende Fratze passt wie die berühmte Faust aufs Auge. Natürlich kennt auch jeder Fan das Gesicht von Venantino Venantini, dem hier von seiner Filmgattin die Hörner aufgesetzt werden. Die Sause ist ansprechend gefilmt, der Score ist dezent und angenehm, die schmierige Atmosphäre hat mich sofort in ihren Bann gezogen.

Sicher, der Film ist gar nicht so richtig sleazy und fies, die gezeigte Gewalt bleibt unblutig, fast ein wenig zurückhaltend. Dafür gibt es jede Menge nackter Haut zu sehen. Die Möpse hüpfen, die Ärsche beben und die Zungen sabbern wild über (un)williges Fleisch. Baldi lässt die Wildsau zwar nie völlig von der Leine, doch seine Wirkung hat der Film bei mir zu keiner Zeit verfehlt. Ich habe ein Herz für diese kleinen, schmierigen Streifen und "Horror-Sex..." trifft genau meinen Nerv. Man kann dem Film sicher etliches vorwerfen und ganz sicher wird auch nicht jeder Italo-Fan ins Schwärmen geraten. Doch -ich wiederhole mich gern- ich mag diesen kleinen Reisser einfach, für mich gibt es keine relevanten Schwach- oder Kritikpunkte!

Ganz grosses Lob verdient die DVD von Camera Obscura. Das Label führt die von Sazuma begonnene "Italian Genre Cinema Collection" fort, die mit den Titeln "Morte sospetta di una minorenne" und "La settima donna" ihren Anfang nahm. Das Design der Verpackung wurde beibehalten, das dicke Digi steckt in einem schicken Schuber, sehr schön. Die Vorlage war laut Label in keinem guten Zustand, doch man hat sehr gute Arbeit geleistet, denn der Film kommt in wirklich sehr ansprechender Qualität daher. Lediglich der Vorspann, die Eröffnungsszene und eine weitere Einstellung waren wohl völlig zerstört, mussten daher aus einer anderen Quelle eingefügt werden. Den tollen Gesamteindruck mindert das aber keineswegs! Das Bonusmaterial macht ebenso Freude, die Featurette "Tales from the Rails" lässt Drehbuchautor Luigi Montefiori (George Eastman), sowie die Schauspieler Zora Kerova und Carlo de Mejo zu Wort kommen. Dabei äussert sich Frau Kerova durchaus kritisch über den Film und die Dreharbeiten, doch gerade dies wirkt erfreulich aufrichtig und ist daher besonders interessant. Überhaupt macht es Freude den Ausführungen der Beteiligten zu lauschen, sehr angenehm! Abgerundet wird das Paket durch ein kleines Booklet mit einem Text des bewährten Christian Keßler.

Ein kleines Schätzchen für Freunde des etwas anderen Geschmackes. Die Präsentation ist extrem ansprechend ausgefallen, ich hoffe auf viele weitere Titel in dieser Qualität!

Sehr guter Stoff! Daher dicke 8/10 subjektive Liebhaberpunkte!
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Santini
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi

Beitrag von Santini »

Horror-Sex im Nachtexpress wird am 09.12.2012 innerhalb der "Bizarre Cinema"-Reihe als 35mm Fassung in Hamburg aufgeführt.
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Onkel Joe
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi

Beitrag von Onkel Joe »

Santini hat geschrieben:Horror-Sex im Nachtexpress wird am 09.12.2012 innerhalb der "Bizarre Cinema"-Reihe als 35mm Fassung in Hamburg aufgeführt.
Der lief dort auch schon mal oder??
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buxtebrawler
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi

Beitrag von buxtebrawler »

Ist anscheinend bereits am 15.08.2014 noch einmal auf DVD erschienen, beim Label 8 Films als "Xploited Cinema No.1":

Bild

Extras:
* Wendecover
* Featurette "Tails from the Rails" mit George Eastman, Zora Kerova und Carlo de Mejo
* Bildergalerie
* ital. Und engl. Trailer

Quelle: http://www.ofdb.de/view.php?page=fassun ... &vid=57026
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)
Diese Filme sind züchisch krank!
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Onkel Joe
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi (1980)

Beitrag von Onkel Joe »

Ist die verschwundene 35mm Kopie eigentlich wieder aufgetaucht??
Wer tanzen will, muss die Musik bezahlen!
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Prisma
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Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi (1980)

Beitrag von Prisma »


HORROR-SEX IM NACHTEXPRESS

● LA RAGAZZA DEL VAGONE LETTO / HORROR-SEX IM NACHTEXPRESS (I|1979)
mit Silvia Dionisio, Werner Pochath, Carlo de Mejo, Gianluigi Chirizzi, Venantino Venantini, Fiammetta Flamini und Zora Kerova
eine Produktion der Rinascita Cinematografica | im Verleih der Residenz Film
ein Film von Ferdinando Baldi


»Wenn es sich hier um so etwas wie Stolz handelt, dann brecht ihn!«
Exzesse, Ausschweifungen, Willkür und Terror im Nachtexpress! Die schöne Giulia (Silvia Dionisio) möchte sich in ihrem privaten Zugabteil einen ordentlichen Nebenverdienst sichern, indem sie interessierte, aber vor allem solvente männliche Fahrgäste empfängt. Doch sie ahnt noch nicht, wo die Reise hingehen wird. Bereits am Bahnhof macht sie die unangenehme Bekanntschaft mit einem impulsiven Mann namens David (Werner Pochath) und seinen zwei Kumpanen, die diese Reise zur Hölle machen werden. Das perverse Trio bringt den kompletten Zug mit der Besatzung und allen Mitreisenden unter Kontrolle, und sie sorgen für Angst, Demütigung und lassen ihren Trieben freien Lauf. Die verängstigten und gequälten Reisenden stehen der Situation machtlos gegenüber, bis sich einer von ihnen entschließt, zu handeln...

Dieses Werk von Regisseur Ferdinando Baldi aus dem Jahre 1979 wird sehr passend mit folgender Frage eingeleitet: »Müssen wir diese Reise wirklich machen?«. Eine Frage, die den Zuschauer unweigerlich auch beschäftigen wird, denn dieser Streifen wird dies in eindeutiger Manier belegen. Ganz objektiv betrachtet, hat man es nämlich eigentlich mit durch und durch sinnlosem Material zu tun, da "Horror-Sex im Nachtexpress" praktisch ohne eine nennenswerte Handlung auskommt. Ich persönlich bekam in diesem Film dennoch einen Unterhaltungswert geboten, der kaum zu überbieten ist. Der deutsche Titel ließ vermuten, dass er wenig charakteristisch sein dürfte, doch nach einer guten halben Stunde stellt sich dann groteskerweise heraus, dass der Nagel auf den Kopf getroffen wurde. Einfach nur sagenhaft! Diesen Film darf man ganz bestimmt guten Gewissens hassen und abstoßend finden, was im Endeffekt eines der größten Komplimente für ihn darstellen dürfte, aber wie gesagt, darf man ihn auch genauso (einseitig) unterhaltend finden. Der Zug fährt und fährt, und man bekommt tatsächlich das ungute Gefühl vermittelt, er steuere direkt ins Verderben. Die kopflastigen Elemente sind ausschließlich reißerisch angelegt (teils doch sehr gewagt und stellenweise herrlich obszön), die Charaktere sind schrecklich eindimensional gezeichnet, bedienen hemmungslos jedes verfügbare Klischee, aber genau so möchte sich dieses Happening auch präsentieren. Ein exzessiver Film, der sich seiner Eigenschaften nicht schämt, und im Grunde genommen auch nicht schämen muss, sie daher auch gar nicht erst zu verstecken versucht.

Dieses Szenario wird zunächst von dem spürbaren Vakuum dominiert, da sich so gut wie alle Einstellungen in den Abteilen (beziehungsweise in einem Abteil) abspielen. So herrscht in diesem engen Raum auch ein eigenartiger Zwang, denn die männlichen Fahrgäste müssen permanent ihre Potenz unter Beweis stellen. Ein Glück nur, dass eine Art Edelhure an Bord praktiziert, die die sonst womöglich langweilige Fahrt mit ihren Diensten bereichert. Zu ihren schärfsten Konkurrentinnen werden jedoch einige der anderen weiblichen Reisenden, da sie sich auch schon einmal zügellos, und sich vor allem aber freiwillig ihren Peinigern hingeben. Das lüsterne und gewaltbereite Trio macht die irre Handlung schließlich vollkommen perfekt. Wenn man in diesem Zusammenhang schon Perfektion erwähnt, dann muss Werner Pochath genannt werden, der eine seiner vielen denkwürdigen Performances hatte. Hier bekam er allerdings eine große Bühne um sich wirklich restlos austoben zu können. Zwar versteht man sein unmotiviertes Handeln nicht im Geringsten, aber bei dem was er tut wirkt er erschreckend glaubhaft. Er gibt sich vulgär und wirkt zutiefst gemein, Brutalität und Impulsivität ergeben eine fatale Mischung und man bekommt den Eindruck, dass dieser Herr jeden Moment explodieren könnte, was er ja dann auch dutzendweise tun wird. Silvia Dionisio als Giulia, die sich für den Horror-Sex zunächst bezahlen lässt, überzeugt restlos fürs Auge, genau wie ihre attraktive Kollegin Zora Kerova. Was bei diesem Film sehr auffällt ist, dass alle an den expliziten Sex-Szenen beteiligten Darsteller, egal ob Mann oder Frau, doch sehr Strapaziöses vor der Kamera zu leisten hatten, denn in diesem Zug führen letztlich alle Wege schenkelwärts. Für damalige Verhältnisse waren diese Einstellungen wohl auch noch sehr gewagt. Des Weiteren bekommt man einen tollen Soundtrack von Marcello Giombini geboten, Action und Spannung kommen auch nicht zu kurz, und was am wichtigsten ist, dieses Ding weiß in seiner zweifelhaften Art und Weise durchaus zu fesseln. "Horror-Sex im Nachtexpress" gefällt sich insgesamt mit zügellosem und ausgiebigem Sex-Einschlag, radikaler Exposition, und artet in einem Jahrmarkt der Schamlosigkeiten und der Grausamkeiten aus; Genre-Kino der überzeugendsten Sorte. Das Urteil aus "Das neue Lexikon des Horrorfilms" fällt da etwas nüchterner aus: »Die "perfekte Mischung von Sex und Gewalt", die die Produktion verspricht, entpuppt sich als nur die niedrigsten Instinkte ansprechender Film.« Ein Kracher der auch meine niederen Instinkte ganz unmissverständlich angesprochen hat.

Interessanterweise inszenierte Regisseur Ferdinando Baldi unmittelbar zur gleichen Zeit seine Erotikkomödie "La compagna di viaggio" ("Das Urlaubsflittchen") mit Marisa Mell in einer Rolle zum Vergessen. Die Handlung spielt größtenteils auch in einem Zug, und es dürfte sich wirklich um das gleiche Setting handeln, da auch noch die Produktionsfirma Rinascita Cinematografica sowohl diesen, als auch "La ragazza del vagone letto" herstellte. Horror-Sex und Sexy Comedy in einem Zug, das ist wohl bis dato eher beispiellos geblieben.


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FarfallaInsanguinata
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Registriert: Mi 20. Nov 2013, 22:57

Re: Horror-Sex im Nachtexpress - Ferdinando Baldi (1980)

Beitrag von FarfallaInsanguinata »

Oh ja, ein echter Schmuddel-Klassiker, der zur Grundausstattung aller in diesem Forum registrierten User gehören sollte. Ganz grosses Kino!
Und was kann ein Film mit Zora Kerova überhaupt falsch machen?
Leider musste ich feststellen, dass meine in den 90ern aufgepickte italienische Originalfassung ein Flop war, da in 4:3 mit beschnittenem Bild und in allen Sexszenen gekürzt. Deshalb blieb ich mit Freuden bei meiner deutschen Betamax-Kassette.

8/10
Diktatur der Toleranz

Die Zeit listete den Film in einem Jahresrückblick als einen der schlechtesten des Kinojahres 2023. Besonders bemängelt wurden dabei die Sexszenen, die von der Rezensentin als „pornografisch“ und „lächerlich“ bezeichnet wurden.
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