Originaltitel: Giulio Cesare contro i pirati
Produktionsland: Italien 1962
Regie: Sergio Grieco
Darsteller: Gustavo Rojo, Gordon Mitchell, Abbe Lane, Aldo Cecconi, Franca Parisi
Abb.1: Man beachte den Posten des Sound Editors
Da zu Beginn von GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI von Seeräubern noch keine Spur zu sehen ist, muss sich Caesar, zu diesem Zeitpunkt zwar schon Spross einer einflussreichen römischen Adelsfamilie, jedoch noch weit von einer politischen Karriere, die diesen Namen verdienen würde, entfernt, zunächst einmal mit einem anderen Gegner herumschlagen. Es handelt sich um Lucius Cornelius Sulla Felix (138 – 78 v. Chr.), kurz Sulla genannt, seines Zeichens seit 82 vor Christus berühmt-berüchtigter Diktator des Römischen Reichs, unter dessen Primat ein, da sind die historischen Quellen sich weitgehend einig, grausiges Gewaltsystem an der Tagesordnung gewesen sein soll. Als Angehörigem der, grob gesagt, eher konservativ gesinnten sogenannten Optimatenpartei handelt es sich bei diesem Sulla politisch um einen direkten Widerpart zum sozialen Umfeld des jungen Caesar, dessen Familie man den sogenannten Popularen zurechnen muss, die sich, wie ihr Name schon sagt, eher demokratische Bestrebungen auf die Fahnen geschrieben haben. Während nun also Sulla im Jahre 75 vor Christus hauptsächlich damit beschäftigt ist, die demokratischen Tendenzen der Republik außer Kraft zu setzen, und hierfür eine Großkampagne startet, in deren Zuge die ihm gefährlichsten Oppositionellen entweder ermordet oder zumindest ins Gefängnis gesteckt werden sollen, entwischt Caesar, auf dessen Kopf man es ebenfalls abgesehen hat, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit einem guten Freund und seinem tollpatschigen Diener zur Küste. Um erstmal aus der Schusslinie zu sein, entwickelt man den Plan, eine Reise anzutreten, die so lange dauern soll bis die Wogen Roms sich einigermaßen geglättet haben. Caesar besteigt ein Schiff, das ihn an den Hofe von Nikomedes, dem König der kleinasiatischen Provinz Bithynien, bringt, wo man tüchtige Orgien feiert und unser Held zudem Gelegenheit hat, sich in eine geheimnisvolle Schöne namens Plauzia zu vergucken – und das, obwohl zu Hause in der Hauptstadt eigentlich seine Ehefrau um sein Leben bangt. Caesar, ganz Kavalier, unterbreitet seiner Angebeteten, die es auf die Insel Rhodos zieht, das Angebot, sie dorthin zu begleiten – und sieht sich, kaum hat man die Fahrt angetreten, einer Bande Piraten gegenüber, die das Schiff im Sturm entern und die Mannschaft als Geiseln in ihren Schlupfwinkeln verschleppen. Als Hamar, Oberhaupt der Seeräubertruppe, erfährt, dass Caesars Familie reich und adlig ist, schielt er auf ein sattes Lösegeld und lässt nach Rom zwecks Geldforderung schicken. Da die Kommunikationswege in Zeiten vor Christi Geburt noch erheblich sind, hat Caesar in der Zwischenzeit genügend Gelegenheit, sich immer weiter in seine Plauzia zu verlieben, viele Stunden mit Müßiggang totzuschlagen und immer mal wieder mit Hamar aneinanderzugeraten.
Abb.2: Unser Held: der spätere Imperator auf dem Massagetisch
In seinem Kern kann man die Handlung von GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI nicht auf die blühende Phantasie eines Sandalenfilm-Drehbuchautors zurückführen, tatsächlich liegt ihr mehr oder minder authentisches Material zugrunde, namentlich eine Anekdote, die gleich drei lateinische Schriftsteller der Nachwelt überliefert haben. Sowohl Velleius Paterculus, Sueton und am unterhaltsamten wohl Plutarch berichten von einer Studienreise, die der junge Caesar, um den Verfolgungen durch Sulla aus dem Weg zu gehen, Richtung Rhodos unternommen haben soll. Dort kam er indes nie an, da ihn unterwegs kikilische Piraten aufgabelten und zu ihrer Geisel erklärten. Als Gefangener jedoch, da sind die Chronisten sich einig, hat Caesar ein relativ sorgenfreies Leben inmitten der Seeräuber führen können. Sogar genügend rauer Humor ist dem jungen Mann geblieben, die ursprünglich veranschlagte Lösegeldforderung eigenhändig in die Höhe zu treiben, mit der Begründung, seine Person sei wesentlich mehr wert als das, was man zunächst für seine Freilassung gefordert hatte. Ebenfalls in jeder Quelle findet man die blutige Rache, die Caesar letztlich an seinen Entführern verübt hat. Kaum dass er nämlich freigelassen worden ist und die Piratentaschen mit Gold gefüllt worden sind, setzt er seinen Kidnappern nach, lässt einen Großteil von ihnen ergreifen und sie, wie er es ihnen versprochen hat, erbarmungslos hinrichten. Eine nette Geschichte, meine ich, die heutzutage zwar niemanden mehr von den Beinen holt, unter Althistorikern aber sicher immer noch für ein kurzes Schmunzeln sorgt. Die Frage, die sich mir nach Sichtung von GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI allerdings stellt, ist: reicht eine solche verstaubte Anekdote tatsächlich aus, einen Film mit einer Laufzeit von weit über eineinhalb Stunden zu tragen?
Abb.3: Gordon Mitchell, der Frauenwürger von Kleinasien
Die Antwort, die ich gebe, wird wenig überraschen. Einmal mehr frage ich mich ernsthaft, für wen und mit welchem Endziel ein Werk wie das vorliegende überhaupt produziert worden ist. Obwohl der Film, wie gesagt, viel historisch Richtiges und vielleicht für den einen oder anderen sogar Interessantes zusammenträgt, bleibt er für jemanden, der wirklich tiefschürfende Einblicke in das politische und gesellschaftliche Klima der Spätzeit der Römischen Republik gewinnen möchte, viel zu sehr an Oberflächlichkeiten kleben. Für den dem Genre-Kino zugeneigten Zuschauer dürfte er demgegenüber wiederum viel zu wenig von dem bieten, was man sich von einem ordentlichen peplum normalerweise erhoffen darf. Weder nennenswerte Spannung kommt auf noch ist die im Übrigen dann doch frei erfundene Liebesgeschichte zwischen Caesar und Plauzia zu irgendeinem Zeitpunkt besonders ergreifend, und irgendwelche knuffigen Ungeheuer wie Seeschlangen oder Riesenechsen schauen natürlich sowieso nicht vorbei. Stattdessen gefällt sich der Film zum Großteil darin, den Leerlauf zu bebildern, dem Caesar sich in seinem unfreiwilligen Exil gegenübersieht. Man spaziert am Strand entlang, man führt Wortgefechte mit Hamar, man wäscht zwischendurch seine Siebensachen im Ozean. Ich glaube, nicht einmal um eine Stunde gekürzt und neugeschnitten, hätte aus GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI etwas werden können, das irgendwen an den Kino- oder Fernsehsessel fesselt.
Abb.4: In den Folterkellern der kilikischen Piraten
Immerhin stechen aus den endlosen Dialogszenen, die immer mal wieder zwischen Rom, wo die neusten politischen Umbrüche verhandelt werden, und dem Piratennest, in dem, wie gesagt, außer Warten nichts wirklich Berichtenswertes passiert, ein, zwei Merkwürdigkeiten hervor, denen ich mich kurz widmen möchte. Zum einen bekommen wir, als Caesar am Hofe des Nikomedes weilt, eine kleine Orgie zu Gesicht, die freilich, immerhin befinden wir uns im Jahre circa 18 vor D’Amato und Brass, züchtig wie ein Kindergeburtstag abläuft, sprich: keine entblößte Brust, keine Saufgelagen, keine Ringkämpfe bis aufs Blut, lediglich ein halbseidener Vergewaltigungsversuch, der im Keim erstickt wird. Hauptattraktion des Festes waren für mich aber sowieso nicht die dekorativ herumsitzenden Damen oder die geile Blicke um sich werfenden Herren, und schon gar nicht die befremdliche Tanzeinlage, die mich ein bisschen an modernes Ballett im Stil von Stravinsky erinnert hat, sondern ein Äffchen, das auf dem Tisch direkt vor dem König an allerlei Köstlichkeiten nascht, mit neugierigen Augen die Szenerie mustert und einmal kurz ausrasten, d.h. herumspringen und herumtoben, darf. Ein weiteres putziges Detail findet sich viel später, als Caesar schon eine Weile unter den Piraten haust, und ihm die permanenten Macho-Allüren Hamars endlich einmal den nicht vorhandenen Hemdkragen platzen lassen. Hamar, von Gordon Mitchell kongenial als frauenschlagender, pöbelnder und sich selbstbeweihräuchernder Widerling verkörpert, setzt einem seiner eigenen Untergebenen, der schwer verwundet von einem Scharmützel zurückkehrt, noch zusätzlich zu, was Caesar, von Gustavo Rojo ungemein farblos, bieder und sonntäglich verkörpert, aus humanistischen Gesichtspunkten nicht lange mitansehen kann. Sein Intervenieren besteht aus zwei Schlägen mit beiden Handkanten, einmal gegen Hamars Halsschlagadern, sodann gegen seinen Brustkorb, worauf der Hüne sofort zu Boden geht. Sobald er einmal auf dem Rücken liegt, ergreift Caesar sein rechtes Bein, um ein bisschen ziellos an ihm herumzuziehen. Ich habe keine Ahnung, ob Caesar vorhatte, es ihm auszurenken oder ihn damit quer über das Schiffsdeck zu schleifen, auf dem diese Szene spielt, extrem bizarr sieht es allemal aus, zumal Hamars Schmerzensschreie davon künden, dass die Aktion ihre Wirkung nicht verfehlt.
Abb.5: Nahezu ethongraphisches Material: Fremdartige Riten des Seevolkes
Ansonsten hat in GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI kaum etwas weder freiwillig noch unfreiwillig meine Mundwinkel in großartige Bewegung versetzt. Höchstens große Augen mache ich noch immer darüber, wie man sich im italienischen Kino der frühen 60er kikilische Seeräuber vorgestellt hat. Viel trennt Hamars Mannschaft nämlich rein optisch und von ihrem ganzen Verhalten her nicht von den Kannibalen, mit denen Mario Girolami knapp zwanzig Jahre in ZOMBI HOLOCAUST Filmgeschichte schreiben wird. Es sind Statisten, deren Köpfe unter leicht erkennbaren Schwarzperücken begraben liegen, und die einige äußerst seltsame Bräuche und Rituale ihr Eigen nennen. Beispielweise gibt es da eine Szene, in der der Film beinahe schon dokumentarisch die Freizeitgestaltung der Piraten illustriert. Die Männer sitzen vor Trommeln, denen sie die monotonsten Rhythmen entlocken, die ich seit langem gehört habe, während ein Haufen Frauen sich dazu in Ausdrucktanz übt. Außerdem haben die wie halbe Wilde wirkenden Piraten ausnahmslos die gleichen Hobbies wie ihr Anführer. Frauen werden prinzipiell gehascht und vernascht, und wenn man keinen Feind hat, an dem man seine überschüssigen Kräfte abreagieren kann, wird man die eben im hauseigenen fiesen Folterkeller los. Fragt mich nicht, wer hier welches falsche Kraut geraucht hat, aber allein ein oberflächlicher Blick in die Geschichtsbücher macht deutlich, dass die kikilischen Piraten zumindest auf dem Zenit ihrer Machtentfaltung alles andere waren als eine Bande zerlumpter Leuteschinder, sondern vielmehr eine gutorganisierte Seemacht, die mehrere hundert Städte befehligte und in einem solchen Luxus lebte, dass man sich selbst Späße wie Schiffssegel aus Gold hat leisten können.
Abb.6: Links im Bild der wahre Höhepunkt des Films: ein Äffchen!
Nein, ich bin und bleibe maßlos enttäuscht. Ein Caesar, der, anders als es der Filmtitel einem weismachen möchte, mit Piraten mehr verbal streitet als wirklich mit ihnen kämpft, möchte das wirklich ernsthaft jemand sehen? Falls nein, ist GIULIO CESARE CONTRO I PIRATI zumindest für zwei Personengruppen von gesteigertem Interesse. Erstens: diejenigen, die von Mittelmeerküstenlandschaften selbst nach dem letzten Ägäis-Urlaub noch immer nicht genug bekommen können, und zweitens: diejenigen, denen die Vorstellung behagt, neunzig Minuten lang nahezu ununterbrochen nackte, muskulöse Machomännerkörper bestaunen zu dürfen, auf denen die südliche Sonne brutzelt. Alle anderen sollten den Film dann vielleicht doch besser im Regal stehen lassen. Eine, natürlich rhetorische, Frage zum Schluss: hat Komponist Carlo Innocenzi seinen Score, dessen epischer Bombast sich, meiner Meinung nach, ständig an der Grenze zur Selbstparodie bewegt, ursprünglich wirklich für diese Schlaftablette verfasst?!